Und noch eine Sache (dieses Mal würde mich interessieren, um was es sich bei der "gefährlichen Seuche", die erwähnt wird, gehandelt haben dürfte):
"den 24. Martii [1710] ist Magdalene Dippen Michel Kaissers Stieftochter des abends beigesetzet worden nachdem sie von Winnigenstedt wo sie etliche Jahre gedienet wegen eines gefährlichen Schadens am Arme kranck hierher gebracht worden und der hiesige Fleischhauer es angesehen alß eine ansteckende Seuche, als hatt man die Leiche wegen des warmen Wetters so lange über der Erde woll stehen lassen, flugs des abends in aller stille beisetzen lassen, da sie alt gewest 21 Jahr".
Grüße!
Die rote Ruhr löschte 1709/1710 in manchen Orten ganze Familien aus. Siehe tBerklingen.
wenn es pest und scabies nicht war, der fleischauer es erkannte und man die tote absonderte, eventuell hautmilzbrand.
totes betroffenes fleisch sollte offen in sonnenhitze verwesen, in spätestens vier tagen war der keim tot.
aber ob das die menschen damals wussten?
weil die erde samt regenwürmern und allen getier die milzbranderreger leben ließen, mussten abdecker so weit abseits vom ort arbeiten und sollten die tiere nicht mit erde begraben.
ab wann wusste man das?
Und noch eine Sache (dieses Mal würde mich interessieren, um was es sich bei der "gefährlichen Seuche", die erwähnt wird, gehandelt haben dürfte):
"den 24. Martii [1710] ist Magdalene Dippen Michel Kaissers Stieftochter des abends beigesetzet worden nachdem sie von Winnigenstedt wo sie etliche Jahre gedienet wegen eines gefährlichen Schadens am Arme kranck hierher gebracht worden und der hiesige Fleischhauer es angesehen alß eine ansteckende Seuche, als hatt man die Leiche wegen des warmen Wetters so lange über der Erde woll stehen lassen, flugs des abends in aller stille beisetzen lassen, da sie alt gewest 21 Jahr".
Grüße!
Zuletzt geändert von Sbriglione; 13.12.2022, 17:51.
"Den 14 junii [1686] ist Heinrich Weitzen, ein Knecht bei Andreas Diederichs alhier dienendt von Remlingen bürtig Mitwochen nach Pfingsten in der Leimbkuhl oder Gruben nach Pabstorf hin, alß er auf Befhel seines Hrn. Leim losgegraben, plötzlich mit erden befallen undt nach einer halben stunde wieder ausgegraben und todt gefunden worden, christlich begraben worden".
P.S.: mit "Leim" war natürlich kein Leim, sondern Lehm gemeint...
Zuletzt geändert von Sbriglione; 13.12.2022, 16:31.
Ich kenne im konkreten Fall nur den Sterbeeintrag und muss zugeben, dass ich doch etwas verwundert war, dass der Kindsvater dermaßen glimfplich davon gekommen ist.
Dass das Kind nicht auf dem Kirchhof bestattet wurde, lag daran, dass es nicht getauft worden war; die Todesart der beteiligten Frauen entsprach exakt den damaligen Gepflogenheiten bei der Ermordung neugeborener Kinder.
Auch, dass das Urteil von einer an einer Universität angesiedelten Spruchkammer gesprochen wurde, war damals üblich.
Die Verhandlungen und die Umsetzung der Todesurteile dürfte den damaligen Regelungen gemäß durch das Gericht des Amtes Schlanstedt erfolgt sein, die sich aber - auch das war damals üblich - sicherlich bezüglich des Vorgehens in jedem einzelnen Schritt mit der Spruchkammer abstimmen und dessen Anweisungen befolgen musste.
Ein Sterbeeintrag aus Groß Dedeleben (Fürstentum Halberstadt) aus dem Jahre 1678:
"den 3 Novermbr. ist Ilsabeth Horsts Kind in Unehren und ehebruch mit ihrer Schwester Man Peter Haßel gezeuget in der still ohne glockenklang undt schülergesang hinter der kirche nebst der mauer an Martin seits gantz begraben worden weliches Kindt zwar lebendig auf die welt kommen, doch aber auf Zureden Peter Haßels alß des Vaters von der Schwiegermutter ermordet und der Halß umbgedrehet auch daß genick eingestoßen und darauf von dessen Großmutter alß Dorothea Marthen Volleidts im Hause gar ermordet worden, welche Mutter undt tochter gefanglich eingezogen und nach dem Helmstätischen Urtheil und Recht hinter Schlanstedt im Teiche bey einer Mühle verseufet wurden geschehen den 22 November dieses Jahres, Peter Haßel als Vater ist nach verlaufen 2 Jahre, wird gnad erfahren, daß er auf frey fuß gestellt und sein Hauß und Hof wieder gewert auch nach gethaner Kirch buß wieder zur Heil. Aldtag (?) zugelaßen worden".
Klar: mit dem "Brandmeister" ist der Teufel gemeint, der nach dem damaligen Glauben die sündigen Seelen im Fegefeuer reinigt. Da kaum jemand ohne Sünde ist, kommen zwangsläufig nahezu alle Seelen zumindest auf eine gewisse Zeit ins Fegefeuer. Der Verunglückte hat durch die Art seines Todes einen Teil des Fegefeuers sozusagen zu Lebzeiten vorweg genommen, was ihm eine Reduzierung der entsprechenden Zeit im Jenseits sichern sollte - gleich den christlichen Märtyrern, die teils ebenfalls zu Lebzeiten im Feuer gelandet sind.
Ein Sterbeeintrag aus Klein Dedeleben (Fürstentum Halberstadt) aus dem Jahre 1695:
"Pasche Voigten, Schafmeistern auf dem Adelichen Hofe fiel sein Sohn Hennig den 25. May Vormittags ümb 9 Uhr, da er dem Hrn. von Hünecken zu Dienste mit brauen helffen, unversehens rückwerts ub eube Wanne voller heißer Wertke, und verbrandte sich vom Haupte biß auf die Beine (die noch unbeschädigt geblieben) am gantzen Leibe dergestalt, daß, da man ihm die Kleider abgezogen, seine Haut zugleich mit abgezogen wurde und wurde also lebendig gleichsahm geschunden; Welcher Brand, wie ein jeder leichtlich erachten kan, ihm unsägliche Pein und unbeschreibliche Schmerzen verursachte; Welches elende Spectackel keiner ohne großer Hertzens Bewegung und Thränen vergießen ansehen noch anhören können. In welcher Angst und Marter er bey die 34 Stunden zugebracht, biß endlich sein sehr frisches und bluthjunges Hertz darüber zerbrochen, und er den 26 ten May abends zwischen 5 und 6 Uhr jämmerlich doch seeliglich seinen Geist daran aufgeben müßen, und die Märterer Curore (die er mit seines Glaubens und Leidens Kampfe erstritten) ihm von des Brandmeisters Zorn abgesetzt worden. Seines Alters 28 Jahr. Gott verhüte doch ferner in allen Gnaden hier und anderswo dergleichen klägliche Casus, und behüte eine jede Mutter-Seele vor solchem erbämlichen Ende ümb Christi Jesu Willen!"
Kein besonders seltsamer Todesfall, aber ein sehr ausführlicher und interessanter Randvermerk in der standesamtlichen Sterbeurkunde, der einen kleinen Einblick in das Geschehen gibt.
Standesamt Haldern Nr. 71/1875:
Zitat von Jan Düffels
Der Anzeigende Jan Düffels erklärte, auf Befragen über die Todesursache Folgendes: Gestern Abend gegen 7 Uhr kam ich die Chausee von Empel nach Rees herunter. Der Tagelöhner Heinr. Booms fuhr mit einer mit Säcken beladenen Karre vor mich her, und hatte sich auf die Karre gesetzt.
In der Nähe des Johann Kroesschen Hauses zu Groin sah ich auf ein mal, daß der g. Boom von der Karre herunterstürzte. Nach meinem Dafürhalten hat ihn das Rad der Karre gefaßt, und ist ihm dasselbe über die Brust gegangen, indem das Pferd in Bewegung blieb.
Als ich an den g. Booms herankam (ich war etwa 30 Schrite hinter der Karre) war der Booms sicher todt.
Ein Weiteres kann ich über die Todesursache nicht angeben. Ich ging nun sofort in das Kroessche Haus und machte den Vorfall bekannt, und darauf ging ich nach Rees um die Anzeige zu machen. Als ich mich nun wieder nach der Unglücksstätte begeben wollte, begegnete mich vor dem Thor von Rees eine Karre auf der die Leiche geladen, und wurde diese in das Leichenhaus auf den katholischen Kirchhof gebracht.
Ein weiteres weiß ich zur Sache nicht.
Der Verstorbene wohnte in Rees, Groin gehörte allerdings zum Standesamtsbezirk Haldern. Im Vordruck ist ein Sterbeort nicht angegeben, nur hier im Randvermerk.
Vielleicht habe ich es überlesen, aber ich konnte nicht erkennen, wie lange die Verstorbene schon verschwunden oder verstorben war.
Anzeige beim Standesamt sowie Fundtag war am 19.10.1900, die Verstorbene trug ein Zugticket vom 17.10.1900 bei sich, war also maximal seit zwei Tagen verstorben.
Ich denke verwachsen bezieht sich hier sicherlich auf verkrümmt, verkrüppelt, mit seltsamen Proportionen; ein etwas altertümliches Wort, bei dem man gleich an den Glöckner von Notre Dame denkt...
Alternative: "von Pflanzen bedeckt". Vielleicht hat die Verstorbene auf ihrer Reise durch Wasser einiges an Grünzeug mitgenommen. Aber ob das bloße Vorhandensein von Pflanzen den Begriff verwachsen rechtfertigt?
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