Moooment - war jetzt der "KPD-Opa" von Hape Kerkeling der Anführer einer Diebesbande und ein "berüchtigter Einbrecher"!? Man fragt sich natürlich, ob man das im Juni 1933 noch eins zu eins für bare Münze nehmen kann. Aber es ist jedenfalls von "Straftaten in den letzten Jahren" die Rede.
Kerkeling schreibt in seinem Buch: "Mein angeblicher Urgroßvater war Rittmeister im Regiment von Kaiser Franz Joseph von Österreich. Das wusste ich. Tatsächlich gehörte er sogar zur Leibgarde. Der Herr hatte also sein Auskommen. Das arme Mädel vom Dorf mit unehelicher Tochter heiratet einen Offizier der Husaren. Klingt wie im Märchen." Genau das ist es, ein Märchen! Josef Bräutigam war, wie bereits in diesem Forum thematisiert, ein Bergmann aus Braunsdorf. Wunschdenken und Fantasie scheinen stark mit dem Autor durchzugehen.
So ungewöhnlich ist das nicht, dass in Familien so manches erzählt wird. So wird aus einem einfachen Soldaten schon mal schnell ein hochrangiger General (sowas hatte ich in der Familie meines Mannes). Am Ende nur eine Geschichte, die sich mit nichts belegen lässt. Was ich allerdings belegen könnte, ist, dass Vorfahren von Grace Kelly mit einem meiner Vorfahren verwandt sind. Was mich aber nun nicht zu einer direkten Verwandten der Grimaldis werden lässt.
Moooment - war jetzt der "KPD-Opa" von Hape Kerkeling der Anführer einer Diebesbande und ein "berüchtigter Einbrecher"!? Man fragt sich natürlich, ob man das im Juni 1933 noch eins zu eins für bare Münze nehmen kann. Aber es ist jedenfalls von "Straftaten in den letzten Jahren" die Rede.
Hallo Alain,
Du hast recht. Ich gehe davon aus, dass die Justiz und der Polizeiapparat im Juni 1933 noch nicht gleichgeschaltet waren. Nach dem Reichstagsbrand kam es bereits am nächsten Tag zum Erlass der "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“. Auf dieser Grundlage kamen viele Kommunisten in "Schutzhaft", darunter auch Ernst Thälmann, wie Hape Kerkeling korrekt schreibt. Das Verbot der KPD kam erst nach den Reichstagswahlen, bei denen die KPD noch antrat. Die Gleichschaltung von Justiz und Polizeiapparat kam nach den Reichstagswahlen so richtig in Gang.
Den Verhaftungen der beiden Hertener Einbrecherbanden gingen monatelange Ermittlungen voraus und einer hat vielleicht den Schweigekodex gebrochen, der in Ganovenkreisen üblich ist. Diesem Zeitungsbericht nach zu schließen, war Hermann Kerkeling schon mehrfach verurteilt worden, stets wegen Einbrüchen in großem Stile und sicher kein harmloser Gelegenheitsdiebstahl oder Mundraub. Dass die Oma darüber nicht reden wollte, finde ich durchaus verständlich. Er wurde wegen bandenmäßigem Einbruchdiebstahl im Oktober 1933 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, siehe https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodic...uery=Kerkeling .
Gleichzeitig war Hermann Kerkeling Mitglied der Kommunistischen Partei, nicht besonders ungewöhnlich in einer vom Bergbau geprägten Region. Er war Kassier in seiner Ortsgruppe.
Das Verfahren wegen Hochverrat folgte im Dezember. Da ging es um die Verurteilung wegen der Verbreitung eines KPD-Flugblattes, in dem zum Umsturz aufgerufen wurde.
Hape Kerkeling hat nach seiner Schilderung im Buch das Urteil gekannt. Folglich musste er von dem kriminellen Hintergrund des Großvaters wissen. Aber er klammert dies aus und zeichnet stattdessen ganz blumig das Bild eines ehrenhaften Nazi-Gegners.
Kerkeling schreibt, dass Bertha ein Gnadengesuch beim Strafsenat am Oberlandesgericht in Hamm gestellt hat. Auch dieses Gnadengesuch und dessen Abweisung kennt er im Detail:
K: "Hermann ist überrumpelt von der Aktion seines Genossens, willigt aber ohne zu zögern ein, noch ganz unter dem Eindruck der Verhaftung Thälmanns in Berlin. Opa Hermann ist eigentlich genauso rebellisch und unangepasst wie ich. ... " (an dieser Stelle musste ich ganz heftig lachen)
In einem Zitat aus dem Gnadengesuch der Oma wird der Genosse Jackner genannt, es muss sich um Bernhard Jacke aus Scherlebeck handeln, der in den Zeitungsberichten ebenfalls als Mitglied der Einbrecherbande genannt ist.
Ob der Opa als Krimineller oder als Politischer in Buchenwald inhaftiert war, sollte aus den Akten ersichtlich sein, es wäre in diesem Falle durchaus auch eine Kombination möglich. Viele der echten politischen Häftlinge wurden später gezielt als Kriminelle gebrandmarkt und als solche in Haft genommen. Aber ich glaube nicht, dass in diesen Berichten der Lokalpresse resp. der Justiz die Wahrheit schon zu diesem Zeitpunkt in derart verleumderischer Weise manipuliert wurde. Es muss weitere Akten zu diesen bandenmäßigen Einbrüchen geben.
Kerkeling schreibt: "Seine Verurteilung und seine spätere Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald rekonstruiere ich anhand der mir vorliegenden Akten aus dem Landesarchiv NRW in Münster und aus den Arolsen Archives ..."
Hat er erwähnt, dass der Großvater fälschlich als Krimineller verurteilt wurde? Nein. Darüber schweigt er. Er schreibt: "Hermann war von 1933 bis 1945 als Gegner des Naziregimes zunächst zur Zwangsarbeit bei den Moorsoldaten eingeteilt und fristete später als Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald in der Kleiderkammer sein Dasein.
Und mit diesem Teil der Familiengeschichte gelingt es Hape Kerkeling erneut, geschickt den Bogen zu spannen von den Hertener Kerkelings zu den holländischen Handelsherren und zum britischen Königshaus: "Hermann, der am meisten litt und am tiefsten fiel, sollte das Schicksal erfüllen. Der Nachfahre des verstoßenen und ungeliebten Sohnes Barend heiratete Bertha, Tochter eines britischen Monarchen."
Viele Grüße
mabelle
Zuletzt geändert von mabelle; 31.10.2024, 19:48.
Grund: typo
....................Hape Kerkeling hat nach seiner Schilderung im Buch das Urteil gekannt. Folglich musste er von dem kriminellen Hintergrund des Großvaters wissen. Aber er klammert dies aus und zeichnet stattdessen ganz blumig das Bild eines ehrenhaften Nazi-Gegners.
....................Kerkeling schreibt: "Seine Verurteilung und seine spätere Befreiung aus dem Konzentrationslager Buchenwald rekonstruiere ich anhand der mir vorliegenden Akten aus dem Landesarchiv NRW in Münster und aus den Arolsen Archives ..."
Nur mal so angemerkt: wenn man sich die Quellen, die das Aarolsen Archiv bietet, "richtig" ansieht, kommt man an einer ganz speziellen Karte nicht vorbei. - Ich glaube nicht, dass ich die hier einstellen oder kopieren darf; ich kann aber den Inhalt wiedergeben:
Eingeliefert am 02.07.1942;
Art: Polit.
Grund: Strafhaft wegen schweren Diebst., Einbruch, Vorbereitg. z.Hochverrat
Schutzhaft angeordenet: 06.05.42; Stapo: Münster
Pol. Organisation: KPD 1932
Vorstrafen: 6
Wofür: Jagdvergehen, Urkundenfälschung, schwerer Diebst., Einbruch, Vorbereitg. zum Hochverrat
7 Wochen Gefängnis, 9 Jahre Zuchthaus bzw. schwerer Kerker
Bei zeit.punkt NRW findet man zu Hermann Kerkeling im Jahr 1933 auch einige Dinge, verschiedene Zetungen berichten über dieselben Straftaten. - Hermann war also keinesfalls "nur" Mitglied der KPD.
Nur mal so angemerkt: wenn man sich die Quellen, die das Aarolsen Archiv bietet, "richtig" ansieht, kommt man an einer ganz speziellen Karte nicht vorbei. - Ich glaube nicht, dass ich die hier einstellen oder kopieren darf; ich kann aber den Inhalt wiedergeben:
Eingeliefert am 02.07.1942;
Art: Polit.
Grund: Strafhaft wegen schweren Diebst., Einbruch, Vorbereitg. z.Hochverrat
Schutzhaft angeordenet: 06.05.42; Stapo: Münster
Pol. Organisation: KPD 1932
Vorstrafen: 6
Wofür: Jagdvergehen, Urkundenfälschung, schwerer Diebst., Einbruch, Vorbereitg. zum Hochverrat
7 Wochen Gefängnis, 9 Jahre Zuchthaus bzw. schwerer Kerker
Bei zeit.punkt NRW findet man zu Hermann Kerkeling im Jahr 1933 auch einige Dinge, verschiedene Zetungen berichten über dieselben Straftaten. - Hermann war also keinesfalls "nur" Mitglied der KPD.
Exakt. Und die Jahre von 1933 bis 1942 war er wegen der zahlreichen Verbrechen, wegen denen er verurteilt wurde, in mehreren Strafanstalten inhaftiert (Gelsenkirchen Gerichtsgefängnis, danach Strafanstalt Papenburg und Münster) und dort sicher auch für körperlich schwere Arbeiten eingesetzt, was damals und bis in die 60er Jahre im Strafvollzug ganz normal war. Heute ist das nicht mehr so, und das ist gut so.
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Jede Halbwahrheit ist eine Dreiviertellüge. Thornton Wilder
Er könnte die wahre Geschichte seines Großvaters Hermann im nächsten Buch verbraten. Der Kerkeling-Krimi aus Herten.
mabelle
Hm, ob das ebenso "medienwirksam" wäre??? Einen solchen Großvater wie Hermman haben wahrscheinlich leider mehrere/viele Enkelkinder; wer hat aber schon eine Königstochter als Oma? - Klar, die Royals, aber sonst?
Nach den Ansippungsbemühungen in Tateinheit mit Übersehen von zwei Generationen mehr nach Holland jetzt auch noch blumiges [sic!] Weglassen von Grossverbrechen?
Was kommt jetzt noch ein Foto eines verbrecherisch finanzierten Maybach 1932 in der Helenenstraße in Herten?
Vielleicht waren die Einbrüche aber auch nur kreative Finanzierung der KPD-Parteikasse. Würde zur kommunistische Eigentumsphilsophie passen und hätte geholfen, der Übermacht der Nazi's wenigsten ein bisschen was entgegenzusetzen.
Offensichtlich hat die Propaganda zu dieser Zeit schon funktioniert. Sämtliche Berichte, die ich über Hermann Kerkeling bei Zeitpunkt NRW fand, sind ab Juni 1933 veröffentlicht worden.
Meine Hessischen Lieblingslinien: Schildwächter, Albrecht, Kessler, Krug
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