Wieder einmal der Begriff des "Vetters"...

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 7419

    [ungelöst] Wieder einmal der Begriff des "Vetters"...

    Hallo zusammen!

    Pastor Valentin Diederichs lässt 1646 seine Tochter Dorothea Hedewig taufen. Unter den Paten ist "Valentin Dieterichs mein Vetter". Dieser Pate ist ein ortsansässiger Freisasse und mein Vorfahre. Natürlich mache ich mir Gedanken über das Verwandschaftverhältnis zwischen dem Pastor Valentin Diederichs und dem Freisassen Valentin Diederichs. Es steht im Kirchenbuch auch eindeutig "Vetter" und nicht "Vatter". Der Taufpate des Pastors war der Freisasse ohnehin nicht. Des Pastors Paten sind namentlich bekannt und ein Valentin Diederichs ist nicht darunter. Wie also ist die Verbindung zwischen Pastor und Freisassen?

    Die wichtigste Instanz ist in solchen Fällen der Alte Mansfelder. Er schrieb an anderer Stelle:

    Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
    Der Begriff "Vetter" bezeichnet zu jener Zeit noch in aller Regel den Onkel oder Neffen väterlicherseits und mütterlicherseits, ebenfalls den ähnlichaltrigen Cousin väterlicherseits und mütterlicherseits, selten etwas anderes (auch wenn viele dies angelesenermaßen anders wissen wollen).
    Der Freisasse wurde (err.) 1606 geboren. Sein ältester bekannter Bruder (err.) 1594. Der Vater des Freisassen wird also 1565/70 das Licht der Welt erblickt haben. Der Pastor wurde 1618 geboren. Seine Eltern heirateten 1610. Die Mutter wurde 1575 geboren; es war ihre zweite Ehe. Die Geburt des Vaters, der ebenfalls Valentin hieß, schätze ich auf 1575/80.

    Wäre der Freisasse der Onkel des Pastors, wäre er zugleich der Bruder von dessen Vater. Das halte ich für wenig wahrscheinlich. Zum einen war der Freisasse 25 oder 30 Jahre jünger als der Vater des Pastors. Zum anderen hießen beide, Freisasse und Bruder des Pastors, Valentin. Also eher keine Brüder.

    Der Neffe des Pastors kann der Freisasse auch nicht sein, denn der einzige Bruder des Pastors, Johannes, starb im Kleinkindalter.

    Bleibt eigentlich nur noch die Möglichkeit, daß Freisasse und Pastor Cousins waren. Dazu müssten ihre Väter Brüder gewesen sein. Das lässt sich leider kaum mehr feststellen, da beider Taufe im geschichtlichen Dunkel liegt. Der Name des Vaters des Freisassen ist nicht überliefert. Es deutet aber einiges darauf hin, daß er Heinecke lautete. Bemerkenswerterweise war einer der Paten des Pastors ein "Heineke Diderichs". Das ist selbstverständlich kein Beweis für irgendetwas. Wenn die Väter Brüder waren, haben sie einen gemeinsamen Vater. Dessen Name ist bekannt. Andreas Diederichs war Bürger in Braunschweig. Da frage ich mich natürlich, wieso der Sohn eines Bürgers kurz vor 1600 in den Besitz eines Freigutes kommt und dort offenbar auch noch ansässig wird. Solche Fälle gibt es wohl, aber sie sind nicht häufig. Ich bin also im Augenblick nicht wirklich überzeugt davon, daß Freisasse und Pastor Cousins (1. Grades) sind.

    Daher wäre es interessant zu wissen, ob der Begriff des "Vetters" neben dem ähnlichaltrigen Cousin (1. Grades) auch ähnlichaltrige Cousins 2. oder 3. Grades einschließt.

    Kann jemand dazu etwas sagen?

    Vielen Dank und viele Grüße
    consanguineus
    Zuletzt geändert von consanguineus; 21.09.2024, 11:56.
    Daten sortiert, formatiert und gespeichert!
  • Alter Mansfelder
    Super-Moderator
    • 21.12.2013
    • 4218

    #2
    Hallo consanguineus

    Meine zitierte Aussage war/ist meine Erfahrung aus einer größeren Zahl von Fällen, bei denen sich die konkrete Verwandtschaft auch aus weiteren Quellen ergeben hat. Anhand Deiner Angaben wäre meine Hypothese in der Tat, dass es sich nach unserem heutigen Sprachgebrauch um Cousins gehandelt hat.

    Braunschweig ist doch so überreich an Quellen außerhalb der Kirchenbücher. Solltest Du da tatsächlich gar nichts über den Großvater Andreas und seine Kinder im Stadtarchiv finden können?

    Und wie sieht es mit Belehnungen der Familie aus, die oft die gesuchten Angaben enthalten?

    Dass der Sohn eines Bürgers auf sein Landgut zieht, finde ich nicht so sehr ungewöhnlich. Das ist, wie Du schon geschrieben hast, vielleicht nicht gerade die Regel, aber auch nicht wirklich eine Ausnahme.

    Um auf Deine eigentliche Frage am Schluss zu kommen: Nicht ausgeschlossen, aber nach meinem Eindruck eher selten.

    Es grüßt der Alte Mansfelder
    Gesucht:
    - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
    - Tote Punkte in Ostwestfalen
    - Tote Punkte am Deister und Umland
    - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
    - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
    - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

    Kommentar

    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 7419

      #3
      Hallo Alter Mansfelder!

      Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
      Braunschweig ist doch so überreich an Quellen außerhalb der Kirchenbücher. Solltest Du da tatsächlich gar nichts über den Großvater Andreas und seine Kinder im Stadtarchiv finden können?
      Ich habe ja schon ein wenig gegraben. Die Einbürgerung findet sich nicht. Ebensowenig habe ich ein Testament von Andreas gefunden. Das sind jetzt alles nur Informationen aus dem Karteikastenschrank hinten in der Ecke. Andreas wohnte in der Altenwiek und ist von 1594 bis 1596 als Ratsherr nachgewiesen. Da sollten er oder auch Familienmitglieder in den Handelsbüchern der Altenwiek doch gelegentlich mal erwähnt worden sein. Die Bücher muss ich mir gelegentlich mal wieder anschauen.

      Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
      Und wie sieht es mit Belehnungen der Familie aus, die oft die gesuchten Angaben enthalten?
      Der älteste Bruder des Freisassen Valentin heiratete nach Osterode am Fallstein. Dort wurde dieser Familienzweig irgendwann mit etwas Land belehnt. Ich habe aber noch keinen Hinweis darauf gefunden, daß der Freisasse selbst Inhaber eines Lehens war. Als Freisasse hatte er vermutlich auch keinen Lehnsherrn. Meine Hoffnung ist die, dass er neben dem Freigut Flächen bewirtschaftete, die nicht zu diesem gehörten. Bisher aber, wie gesagt, nichts in Sicht. In diesem Zusammenhang wäre es ja auch interessant zu wissen, warum der Pastor Valentin Diederichs 1644 gerade in Veltheim seine Pfarrstelle angetreten hat. Gab es da möglicherweise ein Lehen, was aus älterer Zeit herrührte? War der Pastor vielleicht Mitbehufter?

      Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
      Dass der Sohn eines Bürgers auf sein Landgut zieht, finde ich nicht so sehr ungewöhnlich. Das ist, wie Du schon geschrieben hast, vielleicht nicht gerade die Regel, aber auch nicht wirklich eine Ausnahme.
      Im Nachbarort Osterode gibt es Kirchenbücher, die bis 1600 zurückreichen. Diese sind sehr gut geführt. Es findet sich dort sehr lange kein Diederichs aus Veltheim. Möglicherweise waren sie noch nicht so lange dort ansässig.

      Viele Grüße
      consanguineus
      Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

      Kommentar

      • Gastonian
        Moderator
        • 20.09.2021
        • 5418

        #4
        Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen

        Daher wäre es interessant zu wissen, ob der Begriff des "Vetters" neben dem ähnlichaltrigen Cousin (1. Grades) auch ähnlichaltrige Cousins 2. oder 3. Grades einschließt.
        Hallo consanguineus:

        Bin gerade über solch einen Fall gestolpert: Wilhelm der Aeltere Erbtruchseß und Freiherr von Waldburg (auf Trauchburg gesessen) und Georg Erbtruchseß und Freiherr von Waldburg (auf Zeil) werden nicht nur in einer kaiserlichen Urkunde 1531, sondern auch in den Wikipedia-Artikeln (https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhel...urg-Trauchburg und https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_...8%E2%80%931531)) als "Gevettern" oder "Vettern" bezeichnet, sie waren aber Onkel/Neffe 2. Grades (Wilhelm war Enkel von Jakob Truchseß von Waldburg, Georg Urenkel seines Bruders Georg).

        VG

        --Carl-Henry

        Wohnort USA - zur Zeit auf Archivreise in Deutschland

        Kommentar

        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 7419

          #5
          Hallo Carl-Henry,

          das ist ein sehr interessantes Beispiel, hab vielen Dank dafür!

          Viele Grüße
          consanguineus
          Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

          Kommentar

          • Alter Mansfelder
            Super-Moderator
            • 21.12.2013
            • 4218

            #6
            Hallo zusammen

            Solche und ähnliche Beispiele wird man immer finden. Die Kernfrage dürfte jedoch sein, was die Ausnahme darstellt und was die Regel. Unter meinen Vorfahren gibt es zum Beispiel um 1500 sogar zwei Herren, die sich selbst untereinander und Dritten gegenüber stets als Vater bzw Sohn bezeichnen und von Dritten so betitelt werden, und doch stimmt es nicht. Anhand dessen käme sicher niemand auf die Idee, die Begriffe Vater und Sohn generell für unsicher zu erklären. Das Wort Vetter ist uns dagegen fremd geworden, von französischen Termini seit langem verdrängt, und selbst der antiquierte Inhalt, den wir gerade noch mit ihm verbinden (Cousin oder irgendein Verwandter), stimmt mit der früher engeren Bedeutung (Onkel, Neffe, Cousin) offenbar nicht mehr überein. Im Zweifelsfall sollte man freilich immer nach zusätzlichen Belegen suchen.

            Mit den Handelsbüchern der Altenwiek durfte ich schon arbeiten. Soweit ich mich erinnere, waren sie recht ergiebig. Also einen Versuch ist es wert.

            Auch als Freisasse hat man einen Lehnsherrn, vielleicht sogar einfach nur das örtlich zuständige Amt. Freisasse bedeutet m. W. nur, von bestimmten Abgaben und Diensten befreit zu sein. Es muss nicht einmal heißen, dass das Gut besonders groß war. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, zumal die Gegebenheiten bestimmt regional verschieden gewesen sind.

            Es grüßt der Alte Mansfelder
            Gesucht:
            - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
            - Tote Punkte in Ostwestfalen
            - Tote Punkte am Deister und Umland
            - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
            - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
            - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

            Kommentar

            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 7419

              #7
              Hallo Alter Mansfelder,

              Zitat von Alter Mansfelder Beitrag anzeigen
              Auch als Freisasse hat man einen Lehnsherrn, vielleicht sogar einfach nur das örtlich zuständige Amt. Freisasse bedeutet m. W. nur, von bestimmten Abgaben und Diensten befreit zu sein. Es muss nicht einmal heißen, dass das Gut besonders groß war. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren, zumal die Gegebenheiten bestimmt regional verschieden gewesen sind.
              Du magst recht haben. Mir ist der Begriff des Freisassen in Zusammenhang mit dem Besitz eines Freigutes geläufig, und dies war meiner Kenntnis nach wiederum Allodialbesitz des Freisassen. Aber auch ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

              Viele Grüße
              consanguineus

              Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

              Kommentar

              • Alter Mansfelder
                Super-Moderator
                • 21.12.2013
                • 4218

                #8
                Hallo consanguineus

                Nun hast Du mich von meinem Krimi weg noch einmal zum Bücherregal getrieben Dann lassen wir uns beide doch mal belehren:

                In der 2. Auflage des Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte, 7. Lieferung, 2008, Sp. 1744 f. steht der Artikel "Freigut" von Manfred Wilde. Darin heißt es:

                "Das F. ... beschreibt zumeist ein von allen oder ganz bestimmten Abgaben u. dienbaren Leistungen befreites oder sonst privilegiertes Gut. In der Qualität war es inhaltlich u. regional sowie zeitlich für die Dauer des Bestandes nicht einheitlich festgeschrieben. ... F. waren von Diensten u. Zinsen befreit, deren Inhaber aber den Treueid zu leisten u. die Lehnware zu entrichten hatten. ... Das F. konnte ein wirkliches Eigengut bilden oder als Bauerngut dem Lehnrecht unterliegen. Starb der Inhaber eines F. ohne männliche Erben, fiel es an den Lehnsherrn zurück. Wurde es durch Umwandlung ... zu einem Erbzinsgut oder durch Allodifikation zum Eigen- bzw. Erbgut, dem Allod, war es künftig frei vererb- u. veräußerbar. ..."

                Also die übliche Antwort der Juristen: Es kommt drauf an ...

                Es grüßt der Alte Mansfelder
                Gesucht:
                - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
                - Tote Punkte in Ostwestfalen
                - Tote Punkte am Deister und Umland
                - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
                - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
                - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

                Kommentar

                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 7419

                  #9
                  Hallo Alter Mansfelder,

                  vielen Dank für die Aufklärung! Ich bin sehr gespannt, ob ich zum besagten Freigut etwas finde, in Form von Lehnsakten oder ähnlichen Dingen. Die bisherige Suche war ergebnislos. Vielleicht sollte ich mal versuchen, die Besitzfolge des Hofers zu ermitteln für die Zeit nach meinem Vorfahren. An einem Punkt im 19. Jahrhundert müssen die Lasten ja abgelöst worden sein. Auch wurden in dieser Zeit Lehen allodifiziert. Das ist keine 200 Jahre her. Da sollte es doch Material geben...

                  Viele Grüße
                  consanguineus

                  Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

                  Kommentar

                  Lädt...
                  X