Klage bei einer Visitation um 1600

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  • Bernhard1958
    Erfahrener Benutzer
    • 26.08.2013
    • 214

    [gelöst] Klage bei einer Visitation um 1600

    Landesarchiv Stuttgart
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1600
    Raum Nürtingen Oberamt Neuffen:


    Guten Morgen,

    im Anhang habe ich einen (ersten Teil) eines zweiseitigen Textes. Dabei soll es um eine Klage des Amos Egen und des Wendel Toster gegen den Pfarrer handeln.

    Lesen oder gar verstehen kann ich nichts, bis auf die bereits genannten Namen.


    Vielleicht kann mir jemand helfen.

    Danke im voraus



    Viele Grüsse
    Bernhard Ebner
    Viele Grüsse Bernhard

    Suche Informationen zu den:
    Ebner vor 1630 Radstadt Salzburger Land (Gericht Radstadt)
    Ebner nach 1685 Marchfeld (Wien Österreich)
  • Alter Mansfelder
    Super-Moderator
    • 21.12.2013
    • 4218

    #2
    Hallo Bernhard,

    da ich bisher nicht dazu gekommen bin, nun also auf diesem Wege:

    Demnach Amos Egen, seinen ermeldten
    Pfarrern, den 7. Maij, vor Stattschreiber
    als damals Vogts Ampts Verwesern, vnd
    mir Specialj Zue Neuffen, hoch beklagte,
    gleich meßig auch klagte # ((= Einfügungszeichen – Text vom Rand fehlt?)) Giehl Toster
    Zu Grafenberg, Das sie von
    ihrem Pfarrer(n) vf offner straßen
    weren vßgerüeft word(en), als ob z(u)
    Stutgartt(en) von vorberurten bößen
    weybern war ver Jehen, Es seyen
    Zue Grafenberg, ij. vnholden Mä(n-)
    ner, Amos Egen vnd Wendel Toste(r)
    wollt(en) demnach verstehen, ob ers noch
    also redete,
    Beruften sich vff allten v(er)leybdüngt(en)
    Pfarrer bey ihnen, Philipp Lau(er)winge
    der es ihnen an verschinen S(ankt). Jörg(en) tag
    eröffnet hette,

    Einzelne Worterklärungen:
    - Gerüfte: http://u01151612502.user.hosting-age...p/Ger%C3%BCfte
    - verjähen: http://woerterbuchnetz.de/Adelung/ca...&lemid=DV00434

    Wenn es Verständnisprobleme geben sollte, dann kann ich gerne erläutern.

    Es grüßt der Alte Mansfelder
    Zuletzt geändert von Alter Mansfelder; 06.05.2014, 13:00.
    Gesucht:
    - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
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    • Bernhard1958
      Erfahrener Benutzer
      • 26.08.2013
      • 214

      #3
      Hallo Alter Mansfeler,

      vielen Dank - und ja - ich habe damit Verständigungsprobleme (wahrscheinlich auch im Hinblick auf den Rest des Textes)
      Viele Grüsse Bernhard

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      • Alter Mansfelder
        Super-Moderator
        • 21.12.2013
        • 4218

        #4
        Hallo Bernhard,

        dann versuche ich mal, das Frühneuhochdeutsche in heutiges Deutsch zu übertragen. Es handelt sich im Prinzip um so etwas wie eine "Verleumdungsabwehrklage":

        Amos Egen und Wendel Toster zu Grafenberg verklagten vor dem Stadtschreiber als Amtsvogtverweser und mir (= dem Schreiber) in "Neuffen" am 7. Mai ihren Pfarrer, weil dieser auf offener Straße das Gerüfte erhoben habe, dass zwei böse Weiber zu Stuttgart gesagt hätten, in Grafenberg gebe es zwei Unholde, Amos Egen und Wendel Toster.
        Sie wollen wissen, ob der Pfarrer bei dieser Aussage bleibe.
        Beide berufen sich für ihre Klage auf den alten Grafenberger Pfarrer, der ihnen von dem Sachverhalt am vergangenen Georgstag berichtet habe. Der alte Pfarrer ist "verleibdingt" und genießt also quasi sein Altenteil.

        Es grüßt der Alte Mansfelder
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        • Bernhard1958
          Erfahrener Benutzer
          • 26.08.2013
          • 214

          #5
          Das ist ja schon lustig - da muss ich wirklich lachen. Jetzt interessiert mich der Rest aber auch -

          Vielen vielen Dank
          Viele Grüsse Bernhard

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          • Bernhard1958
            Erfahrener Benutzer
            • 26.08.2013
            • 214

            #6
            Hallo Alter Mansfelder

            hier nochmals der andere Teil des Textes. Vielleicht kannst Du mir, wie schon des öfteren, auch dieses mal helfen

            Danke im voraus



            Herzliche Grüsse
            Bernhard
            Viele Grüsse Bernhard

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            • Wanderer40
              Erfahrener Benutzer
              • 06.04.2014
              • 961

              #7
              Hallo,

              Ohne den gesamten Text zu kennen, meine ich das so zu lesen:

              Demnach Amos Egen, seinen ermeldten
              Pfarrern, den 7. Maij, vor Stattschreiber
              als damals Vogts Ampts Verwesern, vnd
              mir Specialj Zue Neuffen, hoch beklagte,
              gleich meßig auch klagte # Michl Toster
              Zu Grafenberg, Das sie von
              ihrem Pfarrern vf offner straßen
              weren vßgerüeft worden, als ob z(u)
              Stutgartten von verbrennten bößen
              weybern wer ver Jehen, Es seyen
              Zue Grafenberg, ij. vnholden Mä(n-)
              ner, Amos Egen vnd Wendel Toste(r)
              wollten demnach verstehen, ob ers noch
              also redete,
              Beruften sich vff allten verleybdungten
              Pfarrern bej ihnen, Philipp Lauwinge
              der es ihnen an verschinem Sankt Jörgen tag
              eröffnet hette,


              ...als ob z(u) Stutgartten von verbrennten bößen weybern wer ver Jehen, i.S.v. "von (nach der Beichte) verbrannten bösen Frauen wäre gebeichtet worden"....




              LG
              Wanderer40

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              • Alter Mansfelder
                Super-Moderator
                • 21.12.2013
                • 4218

                #8
                Hallo zusammen,

                @Wanderer40: einverstanden. Bei dem „Michl“ gehe ich zwar mit, aber er ist unterpunktet = gestrichen. Das Zeichen „#“ davor ist ein Einfügungszeichen – der richtige Vorname (bestimmt Wendel) dürfte also irgendwo am Dokumentrand stehen.

                @Bernhard: Dann versuche ich noch den zweiten Teil:

                Jst von vns so weit tractiret worden,
                das sie baid(er) tailen alles Zu vnserm

                güettlichem erkantn(us) gesezt haben.
                Hieruf wir einen Bedacht genom(m)en,
                vnd nach befindung, das alles nur loses
                schwatzwerck, schlüpferig, vnd ein böße
                weitläuffigkhait drauß entsteh(en) möchte,
                Zu fürkhom(m)nung deßen, in güett(en). vß=
                gesprochen, Das alle angezogene Reden
                in Craft Obrigkhait sollen hiemit caßiret,
                vffgehebt, vnd kheinem Tailn Eren ver=
                lötzlich seyn, Sollen auch fürohin dise
                vnd dergleichen(en) vertaugenliche (?) Reden
                wider einander weder ätzen noch äfern,
                sonder gutte freundt vnd nachbaurn pleib(en).
                Das auch Zu laisten, mit gegebner
                Handt gegen einander versprech(en).

                Haben Sie samptlich disen Spruch
                angenom(m)en, vnd die Handen
                einander gegeben.

                Philippen Lauwingern ist sein schwäzen
                hoch vndersagt, vnd ernstlich gedröuwet
                worden. Hatt er hoch depreciret,
                vnd sich erkläret, hab diß bester maj=
                nung gesagt, Nach dem Wendell Doster
                sein geg(en)schwehr, vnd Amos sein Vetter
                sey, v(er)maynende, sie werdens in gehaimb
                bleyben laßen, welches aber laid(er)
                nit von ihnen beschehen ./.


                In jetzigem Deutsch etwa: Das Verfahren wurde soweit geführt, bis die Parteien es dem gütlichen Spruch des Schreibers und des Amtsvogtverwesers anvertraut haben. Nach Beratung und der Feststellung, dass „alles nur loses schwatzwerck“ und „schlüpferig“ sei und vorbeugend, damit sich daraus nicht noch weitere böse Streitigkeiten ergeben, lautet der Spruch (Urteil), dass alle Reden kassiert werden und keines Teiles Ehre verletzen. Künftig sollen dergleichen Beschuldigungen nicht mehr geführt werden, sondern sie sollen gute Freunde und Nachbarn bleiben. Das Urteil wird akzeptiert und der Streit mit Handschlag beendet. – Dem alten Pfarrer wird sein Schwätzen untersagt. Dieser erklärt, er habe seine Aussagen in bester Meinung getätigt und auch nur deshalb, weil er mit Egen („Gegenschweher“) und Toster („Vetter“) verwandt sei. Er glaubte, sie ließen die Aussage im Geheimen, was sie jedoch leider nicht getan haben.

                Es grüßt der Alte Mansfelder
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                • Bernhard1958
                  Erfahrener Benutzer
                  • 26.08.2013
                  • 214

                  #9
                  Hallo Alter Mansfelder, hallo Wanderer40,

                  vielen Dank für die ausführliche Hilfe. Richtig nett!
                  @Alter Mansfelder - stimmt mit dem# - am linken Rand steht Wendel
                  @Wanderer40 - sind die "bösen Weiber" verbrannt worden? Ist das so zu verstehen?

                  Viele Grüsse
                  Bernhard
                  Viele Grüsse Bernhard

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                  • Wanderer40
                    Erfahrener Benutzer
                    • 06.04.2014
                    • 961

                    #10
                    Nochmals hallo,

                    @alter mansfelder: Das der Michel durchgestrichen ist, war mir bewusst (auch das Einfügezeichen kenne ich). Warum dies aber nicht in meinem Text hier erscheint, ist mir nicht bewusst.

                    @Bernhard: Ja, die "bösen Weiber" wurden verbrannt. Das war damals moderne Frauenpolitik....


                    noch was:

                    vnd nach befindung, das alles nun loses

                    vnd dergleichen vertovgenliche Reden


                    LG
                    Wanderer40
                    Zuletzt geändert von Wanderer40; 06.05.2014, 17:21.

                    Kommentar

                    • Bernhard1958
                      Erfahrener Benutzer
                      • 26.08.2013
                      • 214

                      #11
                      Jetzt ist mir mein Kommentar von 13:09 Uhr von heute schon peinlich - Es ist gar nicht mehr zum Lachen

                      Herzlichen Dank für Eure Mithilfe Alter Mansfelder und Wanderer40

                      Viele Grüsse
                      Bernhard
                      Viele Grüsse Bernhard

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                      • Alter Mansfelder
                        Super-Moderator
                        • 21.12.2013
                        • 4218

                        #12
                        Hallo Wanderer40,

                        Zitat von Wanderer40 Beitrag anzeigen
                        Ja, die "bösen Weiber" wurden verbrannt. Das war damals moderne Frauenpolitik ...
                        die Hinrichtung durch Verbrennen war bei bestimmten Verbrechen (z. B. Falschmünzerei, Brandstiftung, Unkeuschheit wider die Natur, Zauberei, jeweils ab einer bestimmten Schwere) die "gesetzlich" vorgesehene Form der Todesstrafe (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Scheite...tern_und_Hexen). Die konnte jeden treffen, egal ob Frau oder Mann.

                        Es wäre interessant zu wissen, welche der Straftaten die "bösen Weiber" begangen hatten.

                        Es grüßt der Alte Mansfelder
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                        • Bernhard1958
                          Erfahrener Benutzer
                          • 26.08.2013
                          • 214

                          #13
                          Bei einem ungünstigem Ausgang der Klage hätte es wohl auch für die Kläger Amos Egen und Wendel Doster das Leben kosten können, oder?

                          Grüsse
                          Bernhard
                          Viele Grüsse Bernhard

                          Suche Informationen zu den:
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                          • Alter Mansfelder
                            Super-Moderator
                            • 21.12.2013
                            • 4218

                            #14
                            Hallo Bernhard,

                            Zitat von Bernhard1958 Beitrag anzeigen
                            Bei einem ungünstigem Ausgang der Klage hätte es wohl auch für die Kläger Amos Egen und Wendel Doster das Leben kosten können, oder?
                            nein, da bestand keinerlei Risiko. Im ungünstigsten Falle hätten beide die Abwehrklage verloren und die Verleumdungen wären in der Welt geblieben. Aber das war ja - wie die Quelle zeigt - nicht der Fall.

                            Es grüßt der Alte Mansfelder
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