Wieso wird ein totgeborenes Kind am Tag nach der Geburt getauft? Was stimmt hier nicht?

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 7439

    Wieso wird ein totgeborenes Kind am Tag nach der Geburt getauft? Was stimmt hier nicht?

    Hallo zusammen!

    Ich habe eine merkwürdige Konstellation:

    Heinrich Conrad Klaue lässt einen am 19.08.1748 geborenen Sohn am 20.08.1748 in der Not auf den Namen Johann Peter Wilhelm taufen. Unter dem Namen im Taufeintrag ist ein Kreuz gezeichnet. Am 21.08.1748 wird Heinrich Conrad Klaues totgeborenes Kind begraben.

    Wenn ein Kind tot zur Welt kommt, dann wird es doch in der Regel nicht getauft und erhält auch keinen Namen, richtig? Folglich muss es sich hier um zwei Kinder handeln, nämlich Johann Peter Wilhelm und seinen totgeborenen Zwilling. Nirgendwo wird aber erwähnt, dass es um Zwillinge geht. Mache ich irgendwo einen Denkfehler?

    Ich habe leider momentan keinen Zugriff auf die Sterberegister, sonst würde ich mal nachsehen, ob Johann Peter Wilhelm später gestorben ist.

    Zwillingsgeburten sind übrigens in dieser Familie nicht selten gewesen. Heinrich Conrads Großonkel hatte dreimal Zwillinge!

    Was fällt Euch zu dieser Sache ein?

    Vielen Dank und viele Grüße
    consanguineus
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  • ArneR
    Neuer Benutzer
    • 05.03.2025
    • 3

    #2
    Lieber consanguineus,
    ich habe einmal gehört, dass es sehr wichtig gewesen sein soll, Kinder, die nach der Geburt in Lebensgefahr schwebten, schnell noch zu taufen, damit sie im Todesfalle in den Himmel aufgenommen werden. Vielleicht wurde dieses Kind deswegen, so komisch es klingt, im Nachhinein noch getauft. Siehe hier genaueres in der Terra-X Doku "Ein Tag in Köln 1629" Minute 25; Sekunde 37:

    Ein Tag in Köln 1629 - ZDFmediathek

    Eventuell also ein Wallfahrtsort?

    Mit freundlichen Grüßen
    Arne PS: Ich habe auch einmal von einem anderen Bericht gehört (kann dir leider nicht sagen, welcher) indem erzählt wurde, dass solche Kinder extra für den Taufgottesdienst "wiederbelebt" wurden.
    Zuletzt geändert von ArneR; 06.03.2025, 14:39.

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    • Sebastian_N
      Erfahrener Benutzer
      • 25.09.2015
      • 1297

      #3
      Hallo consanguineus,

      wo hat das Ganze stattgefunden?

      Beste Grüße
      Seb
      Dauersuche:
      Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
      Franke in Oschatz vor 1785
      Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
      Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
      Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
      Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
      Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
      Hacklbauer in Linz vor 1760
      Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
      Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
      Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 7439

        #4
        Die Sache spielte sich in einer stockprotestantischen Gegend ab. Fürstentum Wolfenbüttel. Also lutherisch.
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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 7439

          #5
          Die Taufe und das Begräbnis werden übrigens nicht in einem Eintrag erwähnt. Die stehen in verschiedenen Büchern.
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          • Alter Mansfelder
            Super-Moderator
            • 21.12.2013
            • 4225

            #6
            Hallo consanguineus,

            leider habe ich mir die konkrete Fundstelle nicht aufgeschrieben, aber gerade in den vergangenen Tagen bin ich im Taufregister eines ev. KB (nö. Harzvorland, 17. Jh.) auch erstmals über die Nottaufe eines totgeborenen Kindes gestolpert. Der Pfarrer merkte an, dass man zwar eigentlich ein totes Kind nicht taufen könne, er aber trotzdem hoffe, dass der gnädige Gott in seiner großen Barmherzigkeit auch dieses Kleine am jüngsten Tage nicht vergessen werde usw. usw.

            Es grüßt der Alte Mansfelder
            Gesucht:
            - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
            - Tote Punkte in Ostwestfalen
            - Tote Punkte am Deister und Umland
            - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
            - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
            - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

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            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 7439

              #7
              Hallo Alter Mansfelder,

              in meinem Falle hat der Pastor gar nichts erwähnt, was über die üblichen Dinge in einem Taufeintrag hinausgeht. Aber diese fehlen nicht! Sogar die üblichen drei Paten sind namentlich aufgeführt, was ja eigentlich nicht nötig gewesen wäre, wenn das Kind tatsächlich tot zur Welt kam. Die Taufe eines totgeborenen Kindes kann ich ja grundsätzlich irgendwie noch nachvollziehen wenn der Pastor der Auffassung ist, dass das im Hinblick auf den jüngsten Tag noch etwas bringen würde. Aber hätte man das nicht auch von der Hebamme direkt nach der Geburt erledigen lassen können? Da soll also der Pastor EINEN TAG NACH DER GEBURT tatsächlich mit den drei Paten vorbeigekommen sein, um das tote Kind zu taufen? Das klingt doch irgendwie grotesk. Oder nicht?

              Viele Grüße
              consanguineus
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              • Alter Mansfelder
                Super-Moderator
                • 21.12.2013
                • 4225

                #8
                In der Tat. In meinem Beispielsfall war es nur ein Vermerk über die Nottaufe unmittelbar nach der Geburt - ohne Pastor.

                Es grüßt der Alte Mansfelder
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                • Raschdorf
                  Erfahrener Benutzer
                  • 25.03.2012
                  • 581

                  #9
                  Hallo,
                  vielleicht ist die Angabe "totgeborenes Kind" falsch. Das Kreuz bedeutet ja nur, dass das Kind gestorben ist, und nicht, dass es tot geboren wurde.
                  Möglicherweise ist es ganz einfach so, dass das Kind am 19.08. geboren wurde, am 20.08. getauft wurde und gestorben ist und am 21.08. begraben wurde.

                  Gruß
                  Jo

                  Kommentar

                  • Pommerellen
                    Erfahrener Benutzer
                    • 28.08.2018
                    • 2084

                    #10
                    Hallo Consanguineus,

                    in der ev. und kath. Kirche darf auch der Laie eine Nottaufe durchführen. Das ist etwas aus dem Bewusstsein gekommen.
                    Ich kenne auch solche Eintragungen nach dem Tode, das der Pfarrer diese Nottaufe "legitimiert" hatte. Damit brauchte das Kind einen Namen und Paten.
                    Ab der Standesamtszeit sind dann diese "Taufen" nicht mehr vertreten. Es musste ja amtlich festgehalten werden, dass das Kind tot zur Welt gekommen war.
                    Daher finden sich in den Kirchenbücher ab dem 19. Jahrhundert vermehrt nur die Hinweise auf Begräbnisse von. N.N. bzw. totgeborenes Mädchen oder Knabe.

                    Das Kreuz bedeutet in einigen Gegenden auch illegitime Geburt.

                    Viele Grüße

                    Kommentar

                    • consanguineus
                      Erfahrener Benutzer
                      • 15.05.2018
                      • 7439

                      #11
                      Zitat von Raschdorf Beitrag anzeigen
                      vielleicht ist die Angabe "totgeborenes Kind" falsch. Das Kreuz bedeutet ja nur, dass das Kind gestorben ist, und nicht, dass es tot geboren wurde.
                      Möglicherweise ist es ganz einfach so, dass das Kind am 19.08. geboren wurde, am 20.08. getauft wurde und gestorben ist und am 21.08. begraben wurde.
                      Hallo Jo,

                      das Kreuz bedeutet in diesem Kirchenbuch auch, dass die betreffende Person überhaupt mal gestorben ist, nicht zwingend als Kind. Meine Vermutung (nur eine Vermutung!!!) ist die, dass der Pastor dann ein Kreuz gesetzt hat, wenn er bei der Erstellung des Sterbeeintrages den Taufeintrag heraussuchen musste um das Alter beim Tod ermitteln zu können. Gewissermassen ein Vermerk, auch für spätere Pastoren, dass die betreffende Person wirklich tot ist und niemand mehr diese Taufe nachschlagen muss.

                      Ich kann nicht recht daran glauben, dass jemand ein lebendes Kind tauft und gewissermaßen nur wenige Stunden später dasselbe Kind beerdigt und anlässlich dieser Beerdigung ins Kirchenbuch schreibt, das Kind sei bereits tot zur Welt gekommen. So verpeilt kann man doch nun wirklich nicht sein!

                      Leider liegen die Kirchenbücher des betreffenden Ortes im Archiv und so kann ich nicht eben mal den Sterbeeintrag eines Johann Peter Wilhelm Klaue zwischen 1748 und 1850 suchen. Zumal es ja wenig zu bedeuten hätte, wenn ich diesen Eintrag nicht fände, da der Mensch ja auch als Erwachsener ganz woanders gestorben sein könnte.

                      Du siehst schon, ich tendiere eher zu der Möglichkeit einer Zwillingsgeburt, zumal das in der Familie Klaue ja sehr häufig vorkam. Aber insgesamt gesehen sind Zwillinge nicht alltäglich und normalerweise erwähnt der Pastor dieses Kuriosum dann auch. Gerade wenn einer lebendig und der andere tot zur Welt kommt. Diesen Fall habe ich übrigens bewusst noch nie in einem Kirchenbuch gesehen.

                      Die Mutter ist nach dieser Geburt leider im Kindbett gestorben. Das ist an und für sich ja nichts wirklich seltenes. Könnte dieser Tod aber nun etwas damit zu tun haben, dass eines der Kinder (so es denn Zwillinge waren), bereits tot war? Und wenn eines tot war, ist es denn überhaupt grundsätzlich möglich, dass das andere lebt? Vielleicht können uns die medizinisch ausgebildeten Forenmitglieder dazu etwas sagen.

                      Viele Grüße
                      consanguineus
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                      • consanguineus
                        Erfahrener Benutzer
                        • 15.05.2018
                        • 7439

                        #12
                        Zitat von Pommerellen Beitrag anzeigen
                        in der ev. und kath. Kirche darf auch der Laie eine Nottaufe durchführen. Das ist etwas aus dem Bewusstsein gekommen.
                        Ich kenne auch solche Eintragungen nach dem Tode, das der Pfarrer diese Nottaufe "legitimiert" hatte. Damit brauchte das Kind einen Namen und Paten.
                        Ab der Standesamtszeit sind dann diese "Taufen" nicht mehr vertreten. Es musste ja amtlich festgehalten werden, dass das Kind tot zur Welt gekommen war.
                        Daher finden sich in den Kirchenbücher ab dem 19. Jahrhundert vermehrt nur die Hinweise auf Begräbnisse von. N.N. bzw. totgeborenes Mädchen oder Knabe.

                        Das Kreuz bedeutet in einigen Gegenden auch illegitime Geburt.
                        Hallo Pommerellen,

                        die Möglichkeit einer Nottaufe durch einen Laien wird deswegen heute nicht mehr so präsent sein, weil die Gelegenheiten dazu äußerst selten geworden sind. Früher hat ja häufig die "Bademutter" die Nottaufe durchgeführt. Da wurde dann noch als Pate herbeigeholt, wer gerade gereifbar war, also oft im Haus anwesende Familienmitglieder. Es reichte dann auch ein einziger Pate (in diesem Falle eher "Taufzeuge") statt der üblichen drei, da kaum jemand davon ausgegangen sein wird, dass das in der Not getaufte Kind die ersten Stunden überleben würde (ich habe tatsächlich einige Vorfahren, die es trotz Nottaufe zu beachtlichen und langlebigen Persönlichkeiten gebracht haben!).

                        Eine nachträgliche Legitimierung einer Nottaufe durch den Pastor ist mir noch nicht untergekommen. Vielleicht deswegen nicht, weil Name und Pate ja in den mir bekannten Fällen bei der Nottaufe gegeben bzw. anwesend waren. Ich will aber nicht in Abrede stellen, dass es außerhalb meines Horizontes so gehandhabt wurde, wie Du es beschreibst. Meine Vorfahren sind zu 100% lutherisch, und wo sie das nicht waren, wurden sie vor der Reformation getauft. Aber für diese Fälle habe ich noch keinen Taufeintrag gefunden. Vielleicht ist es bei Katholiken oder Reformierten anders als "bei uns".

                        Weiterhin ist mir noch nie begegnet, dass ein totgeborenes Kind einen Namen erhielt. Jedenfalls nicht offiziell. Wie man in den Familien mit solchen Situationen umgegangen ist, findet sich ja in keiner Quelle.

                        Bei uns Lutheranern erkennt man eine illegitime Geburt meistens daran, dass die Pastoren sich in wüsten Beschimpfungen der Beteiligten ergehen. Nix mit Kreuz...

                        Viele Grüße
                        consanguineus

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                        • Ed Gonzalez
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.12.2021
                          • 438

                          #13
                          Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen

                          Weiterhin ist mir noch nie begegnet, dass ein totgeborenes Kind einen Namen erhielt. Jedenfalls nicht offiziell. Wie man in den Familien mit solchen Situationen umgegangen ist, findet sich ja in keiner Quelle.
                          Moin,
                          Ich halte es für eine statistische Unschärfe aber ich habe ein totgeborenes ungetauftes Kind mit Vornamen (1833 kath.)
                          und ein Kind mit Vornamen, welches während der Taufe verstarb.
                          Gruß, Ed
                          Johannes SCHMITZ oo Anna WETTLÖPER im Großraum Ahaus; mglw. Niederlande, um 1750 (kath.)
                          Jacob LAUPENMÜHLEN oo Anna Catharina WILDENHAUS im Kreis Mettmann, um 1813 (ev.)

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                          • consanguineus
                            Erfahrener Benutzer
                            • 15.05.2018
                            • 7439

                            #14
                            Hallo Ed,

                            ich decke ja mit meiner Forschung nur einen winzigen Teil des großen Ganzen ab. Wie gesagt, keine Katholiken, so gut wie keine süddeutschen Gebiete und so weiter. Und auch in meinem Hauptforschungsgebiet kenne ich selbstverständlich nicht alle Orte und alle Sitten und Gebräuche. Daher kann ich nur sagen, dass mir dies und das noch nicht begegnet ist, will damit aber keinesfalls zum Ausdruck bringen, dass es das, was ich noch nicht gesehen habe, nicht gibt. Ich hoffe, das ist nicht missverständlich rübergekommen!

                            Viele Grüße
                            consanguineus
                            Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

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                            • Ed Gonzalez
                              Erfahrener Benutzer
                              • 18.12.2021
                              • 438

                              #15
                              Moin,
                              Alles gut. Ich halte diese einzelne Eintragung unter meinen Ahnen auch eher für einen "Fehler" (Unschärfe).
                              Ich wollte damit ausdrücken, dass ich daraus auch keine Sitte oder Gebrauch ableiten würde; obwohl es so etwas gegeben hat.

                              In der Bewertung bin ich aber bei Jo (Raschdorf).
                              Das Kreuz hätte ich im ersten Augenblick nur als Todesangabe gewertet.
                              Ich kenne die Angaben für Totgeburten nur in schriftlich ausgeführter Form (´Todtgeburt´ etc.).
                              und die Eintragung eines Kreuzes nur als Hinweis auf ein allgemeines Ableben.

                              Gruß, Ed



                              Johannes SCHMITZ oo Anna WETTLÖPER im Großraum Ahaus; mglw. Niederlande, um 1750 (kath.)
                              Jacob LAUPENMÜHLEN oo Anna Catharina WILDENHAUS im Kreis Mettmann, um 1813 (ev.)

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