Wieso wird ein totgeborenes Kind am Tag nach der Geburt getauft? Was stimmt hier nicht?

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 7440

    #16
    Hallo Ed,

    das Kreuz ist ohne Zweifel eine Todesangabe. Aber speziell im betreffenden Ort findet es sich eben auch bei Personen, die definitiv nicht als Kind gestorben sind. Daher meine Vermutung, dass diese Kreuze auch ein Hinweis für den Kirchenbuchführer auf bereits "erledigte" Todesfälle sein könnten, also solche Fälle, in denen der Pastor aus welchen Gründen auch immer den Taufeintrag einer verstorbenen Personen gesucht und gefunden hat. Gewissermaßen ein Hinweis darauf, diese Taufen nicht mehr anschauen zu müssen, wenn mal wieder jemand gestorben ist und es nötig ist, die zugehörige Taufe zu suchen. Ich bin leider nicht so der Erklärbär...

    Viele Grüße
    consanguineus
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    • Eva64
      Erfahrener Benutzer
      • 08.07.2006
      • 838

      #17
      Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen

      Hallo Pommerellen,

      die Möglichkeit einer Nottaufe durch einen Laien wird deswegen heute nicht mehr so präsent sein, weil die Gelegenheiten dazu äußerst selten geworden sind. Früher hat ja häufig die "Bademutter" die Nottaufe durchgeführt. Da wurde dann noch als Pate herbeigeholt, wer gerade gereifbar war, also oft im Haus anwesende Familienmitglieder. Es reichte dann auch ein einziger Pate (in diesem Falle eher "Taufzeuge") statt der üblichen drei, da kaum jemand davon ausgegangen sein wird, dass das in der Not getaufte Kind die ersten Stunden überleben würde (ich habe tatsächlich einige Vorfahren, die es trotz Nottaufe zu beachtlichen und langlebigen Persönlichkeiten gebracht haben!).

      Eine nachträgliche Legitimierung einer Nottaufe durch den Pastor ist mir noch nicht untergekommen. Vielleicht deswegen nicht, weil Name und Pate ja in den mir bekannten Fällen bei der Nottaufe gegeben bzw. anwesend waren. Ich will aber nicht in Abrede stellen, dass es außerhalb meines Horizontes so gehandhabt wurde, wie Du es beschreibst. Meine Vorfahren sind zu 100% lutherisch, und wo sie das nicht waren, wurden sie vor der Reformation getauft. Aber für diese Fälle habe ich noch keinen Taufeintrag gefunden. Vielleicht ist es bei Katholiken oder Reformierten anders als "bei uns".

      Weiterhin ist mir noch nie begegnet, dass ein totgeborenes Kind einen Namen erhielt. Jedenfalls nicht offiziell. Wie man in den Familien mit solchen Situationen umgegangen ist, findet sich ja in keiner Quelle.

      Bei uns Lutheranern erkennt man eine illegitime Geburt meistens daran, dass die Pastoren sich in wüsten Beschimpfungen der Beteiligten ergehen. Nix mit Kreuz...

      Viele Grüße
      consanguineus
      Hallo Consanguineus,

      genauso kenne ich es aus dem süddeutschen evangelischen Raum, bis auf die Paten. Die Nottaufe (Jäh- oder Gähtaufe) wurde dort auch ohne Paten durchgeführt und dann im Kirchenbuch entsprechend vermerkt. Ich hatte auch schon gelesen, dass Hebammen spezielle Ausrüstungen hatten, um Kinder zu taufen, wenn sie noch nicht ganz geboren waren und man vermutete, dass sie die Geburt nicht überleben würden. Wichtig war dabei, dass ein Körperteil außerhalb des Mutterleibs war. Ziemlich schräg für heutige Verhältnisse ;-)

      Und die Beschimpfungen der Pfarrer bei unehelichen Geburten sind ja oft herzallerliebst. Ganz interessant wird es dann, wenn eine Pfarrerstochter betroffen ist...

      Viele Grüße
      Eva

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      • Garfield
        Erfahrener Benutzer
        • 18.12.2006
        • 2216

        #18
        Hallo

        Zitat von Raschdorf Beitrag anzeigen
        Hallo,
        vielleicht ist die Angabe "totgeborenes Kind" falsch. Das Kreuz bedeutet ja nur, dass das Kind gestorben ist, und nicht, dass es tot geboren wurde.
        Möglicherweise ist es ganz einfach so, dass das Kind am 19.08. geboren wurde, am 20.08. getauft wurde und gestorben ist und am 21.08. begraben wurde.

        Gruß
        Jo
        Das war auch mein erster Gedanke.

        Steht denn bei der Beerdigung explizit, dass es eine Totgeburt war? Wenn nicht, würde ich von obigem Fall ausgehen.

        In "meinem" Dof in Italien, katholisch, im 19. Jhd., wurde oft erwähnt, dass ein Kind bereits von der Hebamme oder ohne Angabe von wem, notgetauft wurde. Ich meine, da wurde dann noch eine richtige Taufe nachgeholt, mit richtigen Paten, jeweils so 1-3 Tage nach der Taufe. Was es auch sehr oft gab, waren Taufen noch am selben Tag, wo es dann keine richtigen Paten gab, sondern die Paten waren der taufende Pfarrer und die Hebamme. Eine Taufe von einem totgeborenen Kind hätte ich bewusst bisher noch nie gesehen, vermutlich weil eben möglichst noch Nottaufen durchgeführt wurden. Totgeborene Kinder werden durchaus in den Standesamtlichen Registern erwähnt, gegeben hat es das also schon.

        Zudem gibt es ein Taufregister an jenem Ort, bei dem der PFarrer wohl nicht mehr mit Eintragen nach kam, und dann wurden all seine Zettel mit Notizen einfach in den Band eingebunden. Ich gehe daher davon aus, dass öfters nicht direkt während dem Ereignis in Kirchenbücher eingetragen wurde, was auch einige gefundene Fehler erklärt. Vielleicht hat also der Pfarrer im vorliegenden Fall nur noch gewusst, dass da ein Säugling bestattet wurde, aber hat sich geirrt, dass es eine Totgeburt war?
        Zuletzt geändert von Garfield; 09.03.2025, 17:42.
        Viele Grüsse von Garfield

        Kommentar

        • heike_b
          Erfahrener Benutzer
          • 15.07.2007
          • 466

          #19
          Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen

          Könnte dieser Tod aber nun etwas damit zu tun haben, dass eines der Kinder (so es denn Zwillinge waren), bereits tot war? Und wenn eines tot war, ist es denn überhaupt grundsätzlich möglich, dass das andere lebt? Vielleicht können uns die medizinisch ausgebildeten Forenmitglieder dazu etwas sagen.
          Ich habe einen solchen Fall bei meinen Vorfahren (1814 in Drengfurth, Ostpreußen). Das ältere Mädchen wurde lebend geboren, das jüngere tot. Das lebend geborene Mädchen starb kurz vor ihrem ersten Geburtstag.

          Viele Grüße,

          Heike

          Zwillinge.pdf

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          • consanguineus
            Erfahrener Benutzer
            • 15.05.2018
            • 7440

            #20
            Zitat von Garfield Beitrag anzeigen
            Steht denn bei der Beerdigung explizit, dass es eine Totgeburt war?
            Ja, das steht da genau so: "Conrad Klauen, Ackermanns hieselbst todtgebohrenes Kind begraben d(en) 21 ten Augusti" KB Hessen, Beerdigungen 1738-1774, S. 44, Nr. 6/1748

            Und hier die Taufe: "Heinrich Conrad Klaue und Maria Dorothea Heyern als Sechswöchnerin ein Söhnlein (natus den 19 ten Augusti) den 20 ten dito in der Noth tauffen laßen, welches den Namen erhalten Johann Peter Wilhelm" (es folgen die Paten) KB Hessen, Taufen 1740-1757, S. 443

            Viele Grüße
            consanguineus

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            • Sebastian_N
              Erfahrener Benutzer
              • 25.09.2015
              • 1297

              #21
              Hallo consanguineus,


              wenn ich jetzt die beiden Einträge so nebeneinander lese, vermute ich stark, dass der Pfarrer sich mit dem Begriff „todgeboren“ geirrt hat. Die Einträge wurden in der Praxis oft genug nicht zeitnah eingetragen, sondern manchmal in Kirchenzetteln gesammelt (bekannt Ziel Beispiel für Dresden, wo jener Zettel selbst (eher einer Liste) digital vorliegt).

              Die Paten wurden bei Nottaufen zum Beispiel zwar hingeschrieben, waren oft genug aber nicht anwesend. Ein Umstand, der zwar manchmal explizit in den Taufeintrag geschrieben wurde, aber eben nicht immer.

              Ich denke, wir erwarten manchmal von den Kirchbucheinträgen zum Teil eine zu hohe Präzision, die je nach Zeitpunkt und Örtlichkeit nicht gegeben waren.


              Liebe Grüße

              Seb



              Dauersuche:
              Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
              Franke in Oschatz vor 1785
              Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
              Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
              Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
              Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
              Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
              Hacklbauer in Linz vor 1760
              Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
              Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
              Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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              • Zeitenwende
                Benutzer
                • 24.06.2019
                • 78

                #22
                Hallo consanguineus,

                es geht um Osterwieck-Hessen?

                Die Kirchenbücher 1815-1875 sind bei Archion (Landeskirchenarchiv Magdeburg, Kirchenkreis Halberstadt). In den frühen Namensregistern tauchen zwar Klaues auf, aber kein Johann Peter Wilhelm.

                Wo befinden sich denn die älteren Kirchenbücher (ich suche die Taufe eines Johann Heinrich Bernhard Stohmann ca. 1712)? Anscheinend ja nicht in Magdeburg. In Wolfenbüttel?

                Viele Grüße
                Zeitenwende

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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 7440

                  #23
                  Hallo Zeitenwende,

                  ja, es geht um Hessen bei Osterwieck. Hessen gehörte bis Anfang der 1940er Jahre zum Freistaat Braunschweig, daher sind die Verfilmungen der älteren Kirchenbücher im NLA Wolfenbüttel einzusehen. Ich kann nach Deinem Stohmann schauen sobald ich wieder im Archiv bin.

                  Viele Grüße
                  consanguineus

                  EDIT: Ich habe mal in meinen Unterlagen gekramt, weil mir so war, als hätte ich zu den Hessener Stohmann etwas aufgeschrieben. Ist auch so. Die Taufe von Johann Heinrich Stohmann am 29.10.1712 habe ich notiert. Heinrichs Vater Baltzer ist mir mehrmals aufgefallen. Ich hatte bei ihm das Gefühl, dass er unter den Einwohnern in Hessen, obgleich er "nur" Häusling und Kleinkrämer war, doch irgendwie etwas Besonderes darstellt. Warum habe ich mich für die Hessener Stohmann interessiert? Ich habe selbst Stohmann-Vorfahren (in Berklingen), die ich bis Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen kann. Da wollte ich wissen, ob es eine Verbindung gibt. Außerdem hat ein Vorfahre von mir in zweiter Ehe eine Stohmann aus Schliestedt geheiratet. Ich verorte Baltzers Herkunft also im Stohmann-Nest um Schöppenstedt herum.
                  Zuletzt geändert von consanguineus; 13.03.2025, 23:53.
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