Die Herren von Schwangau – 1536 ausgestorben? Oder doch nicht?!

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  • knauth
    Erfahrener Benutzer
    • 10.09.2012
    • 296

    Die Herren von Schwangau – 1536 ausgestorben? Oder doch nicht?!

    Hallo,

    die im Titel gestellte Fragen werde ich nachfolgend beantworten.

    erstmal eine kleine Einleitung:



    Zu meinen Vorfahren gehört die Familie Lupin in Memmingen.

    Diese erscheint ab Mitte des 15. Jh. unter den ehrbaren Geschlechtern in Ulm und gehören dort zu den wohlhabenden Kaufleuten der Stadt.

    In der ersten Hälfte des 16. Jh. werden Mitglieder der Familie in Memmingen in das Patriziat aufgenommen.

    1563 erhält der Memminger Ratsherr Wolf Dietrich Lupin (+1580) den Rittermäßigen Adelsstand.

    Sein Sohn, der Memminger Ratsherr Matthäus Lupin (1545-1590) heiratet 1569 in Memmingen Anna Nachtrübin (1550-1592) von Babenhausen.



    Diese Anna Nachtrüb/Nachtrueb ist die Tochter des Hans Nachtrueb (+1577), 1551-64 fürstbischöfl. Landrichter und Landschreiber des Amtes Rettenberg und ab etwa 1565 Pfleger der Herrschaft Babenhausen in fuggerischen Diensten.



    Zur Ehefrau des Hans Nachtrüb gibt Buccelin (17. Jh.) ein Magdalena von Schwangau als Tochter des Ulrich von Schwangau an. Wer sich schon mit Buccelin beschäftig hat, der weiß, dass die Angaben mit großer Vorsicht zu genießen sind und viele Fehler beinhalten. Außerdem fehlen die Quellen.

    In „Blätter des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde, 40. Jg. (1977) Band XIII, Heft 5“ wird diese Magdalena von Schwangau als Enkelin des Ulrich von Schwangau und der Magdalena Rehlinger angegeben, auch ohne Quellen.

    Es lässt sich noch eine zweite Ehefrau des Haus Nachrüb belegen. Dies ist Maria Heyß, gebürtig aus Augsburg, die noch 1566 als Witwe des Sixtus Heggenstaller, Kastner und Umgelter zu Aichach, genannt wird.




    Wenn man dies nun erstmal auf Plausibilität prüft und sich einen kurzen Überblick zu der Familie der Herren von Schwangau macht, kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass die Familie von Schwangau zu Hohenschwangau mit ihren beiden letzten Vertretern Georg und Heinrich 1536 ausstirbt. Und der angegebene Ulrich von Schwangau gehört sogar zur vorletzten Generation und stirbt im hohen Alter 1519. Ulrich von Schwangaus Anteil an der Herrschaft Hohenschwangau fällt nach seinem Tod an die Kinder seiner Cousins. Demnach hat er keine männlichen Nachkommen, also auch keine Enkelin Magdalena von Schwangau.













    Damit was es für mich klar, die Magdalena von Schwangau als Ehefrau des Hans Nachrueb ist wohl einer der vielen fehlerhaften Angaben des Buccelin.



    Fall erledigt!





    Aber vor zwei Monaten bin ich über ein vermehrtes Wappen der Nachtrüb gestolpert; abgebildet in „Kemptner Wappen und Zeichen, Eduard Zimmermann 1961“.

    Dies zeigt ein gevierteltes Wappen von 1565 mit dem Wappen der Nachtrueb und einem Wappen, welches denen von Schwangau gleicht. Dabei gibt es eine kleine Abweichung des Schwangauer Wappens. Im Gegensatz zum Original des Wappens der Herren von Schwangau, ist bei dieser Abbildung der Schwan mit einem Fisch im Schnabel dargestellt.

    Dieses Wappen ist heute noch auf einem Kruzifix mit der Jahreszahl 1565 zu sehen, welches in einer Kapelle unweit von Bad Hindelang hängt.



    Meine Neugier war geweckt und ich habe die letzten Wochen recherchiert und mir Urkunden aus dem Stadtarchiv Dillingen und den Staatsarchiven Augsburg, Stuttgart und Österreich bestellt.





    Das Ergebnis war sehr überraschend:



    Ich konnte nun nachweisen, dass Ulrich von Schwangau (+1519), aus der vorletzten Generation der Herren von Schwangau zu Hohenschwangau, doch Kinder hinterlassen hat.

    Als seine Kinder erscheinen Sebastian und Georg, die jedoch unehelich geboren sind.

    Jedoch werden Sebastian und Georg von Schwangau 1514 von Kaiser Maximilian auf Grund ihrer unehelichen Geburt legitimiert und erhalten ein Wappen. Dennoch werden sie vom Erbe des Vaters an der Herrschaft Schwangau ausgeschlossen, da dessen Reichslehen an der Herrschaft an die verbleibenden Mitglieder der Familie zurück fällt.





    Zu dem Sohn Sebastian gibt es keine weiteren Informationen.



    Der Sohn Georg von Schwangau verkauft am 17.06.1536 „an Hans Paumgartner zu Hohenschwangau (neuer Besitzer der Herrschaft) um 800 Gulden ein Haus und Hof nebst Gärten, dann eine Hoffstatt und mehrere Äcker, Änger und Mäder, weiters das Gütel zu Kreit, ein Fischwasser, die Ach genannt, und den halben Theil am Gütl auf dem Burkhof alles zu Niederhofen (Bayerniederhofen) gelegen, was er und seine Hausfrau in der Herrschaft haben und von Ihrem Vater und Schweher seel., Ulrich von Schwangau, ihnen zugestanden“

    Weiter belegbar ist Georg von etwa 1536 bis 1567 als fürstbischöflich augsburgischer Vogt/Pfleger zu Zusmarshausen, 1564 als Obervogt zu Wollbach und ab 1536 als Pfleger des Spitals zu Zusmarshausen. Er stirbt 1567.



    Als Georgs Kinder kann man einen Sohn Hans Jacob von Schwangau zuordnen, der ab 1554 in Ingolstadt studiert und 1575 als fürstbischöflich augsburgische Vogt zu Kreutt/Kreitt (Gabelbachergreut) verstirbt.

    Außerdem sind noch zwei Töchter des Georg belegbar. Es sind Rosina von Schwangau, die in erster Ehe mit Dr. Christoph Heuberger (+1582), Arzt in Augsburg, gebürtig aus Wien, und in zweiter Ehe mit Sebastian Rollin, Ausbürger in Augsburg, 1588/93 Hauptmann zu Genua und 1596/99 Obrist der Herrschaft Genua, verehelicht war.

    Aus Ihrem Testament vom 10.05.1604 in Genua lässt sich belegen, dass ihre Schwester Sabina von Schwangau die Ehefrau des Hans Nachtrüb war und eine Tochter Anna Nachtrüb hinterlassen hat, welche sich mit dem Memminger Ratsherren Matthäus Lupin verehelichte.



    Weiter konnte ich noch folgende Familienmitglieder finden, ohne dass die genealogische Zuordnung klar ist:

    1613 findet sich in den Steuerlisten der Stadt Augsburg ein Hans Jacob von Schwangau, „Herren Diener“, der als Ausbürger der Stadt seine Steuern im Voraus bezahlt. Dieser wird nochmals in den Steuerbüchern für 1617 genannt. Diesmal als Salzburgischer Hofdiener.

    In Urkunden des Stifts Kempten wird 1631 ein Thomas Gazin als „Bischöfl. Hoff und Thumb organist“ genannt, der als seinen Stiefschwiegervater einen weiland Hans Jacob von Schwangau, „in Bayern Archibusier reider“ nennt.

    Außerdem wird in den Kemptner Urkunden von 1631 noch eine Witwe Anna Maria von Schwangau mit Ihrem Schwager Marx Einßlin, Stift-Kemptner Landrichter, Amtsverwalter und Registrator, genannt.



    Zuletzt findet sich für 1645 eine Adelsbestätigung und Wappenmehrung für Veit Rüdt von Collenberg und Schwangau. Hierbei wird das Wappen der Rüdt von Collenberg mit dem Wappen der Ehefrau des Veit vermehrt. Aus dem Stammbaum der Rüdt von Collenberg lässt sich entnehmen, dass Veit mit einer Barbara von Schwangau verehelicht war. Hier wird sie als Tochter des Georg von Schwangau und einer N.N. Beyer von Boppard angegeben, und soll die letzte ihres Geschlechts gewesen sein.



    Die vermehrte Wappendarstellung des Collenberg/Schwangau Wappens von 1645 entspricht dem des vermehrten Nachtrueb/Schwangau Wappens von 1565.




    Nach meiner Recherche kann man nun die Geschichte der Familie von Schwangau um ein Jahrhundert erweitern. Und für mich habe ich spannende neue Vorfahren entdeckt.

    Viele Grüße
    Christian
    Zuletzt geändert von knauth; 30.06.2023, 19:21.
  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4843

    #2
    Hallo Christian, chapeau! Bin beeindruckt!
    Gruß
    gki

    Kommentar

    • knauth
      Erfahrener Benutzer
      • 10.09.2012
      • 296

      #3
      Am Ende ist es ganz viel Forscherglück das es noch Dokumente gibt und sie auch auffindbar sind.

      Erstmal fand ich eine Urkunde (Stadtarchiv Dillingen) von 1584, in der die Schangau und Nachtrüb gemeinsam als Testamentari des Augsburger Domherrn Jakob Hainrichmann (+1561) genannt werden.
      Daraus geht aber nur hervor, das Rosina von Schwangau, verwitwete Heuberger und verehelichte Rollin, und Anna Nachtrüb, verehelichte Lupin, als Erben der Testamentsvollstrecker Georg von Schwangau und Hans Nachtrüb auftreten. Die genaue Verbindung der Familien zueinander geht nicht konkret hervor, muss aber bestehen, was das Nachtrüb/Schwangau Wappen von 1565 zeigt.

      Letztlich war der Volltreffer ein Auszug aus Rosina von Schwangaus Testament 1604 (Staatsarchiv Stuttgart):

      „Extrakt
      Aus frau Rosina, Herrn Sebastian Rollins, der Herrschaft Genua geweßen Obristen haußfrauen, gepornen v. Schwangaw seelig, zu Genua den 10. May Ano. 1604 aufgerichten Testament.

      Zum achten verschaff ich meiner lieben Schwester Sabina Nachtrüben seeligen Tochter Anna Herrn Matthai Lupins, bürgers vnnd des Rhats zu Memming, hinterlassener Wittib, vnnd ihren Schwestern miteinander, oder da sie meinen Tod nit erleben würden, ihren Kindern, dreyhundert Gülden in müntz, damit sollen sie gantz vnnd gar, von meiner Erbschafft abgewiesen sein vnnd nichts weiters daran zusuchen haben“

      Dank der Online-Findmittel des Staatsarchiv Stuttgart und der Mühe eines Mittarbeiters, in einem Sammelwerk mit über 300 Seiten die Rosina gesondert aufzuführen, konnte ich fündig werden.




      Viele Grüße
      Christian

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      • Jürgen Wermich
        Erfahrener Benutzer
        • 05.09.2014
        • 5692

        #4
        Ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag!

        Anna Nachtrüb gehört auch zu meinen Vorfahren;
        die fehlenden Belege zu ihren angeblichen Vorfahren bereiten mir seit langem Unbehagen, jetzt gibt es hier wenigstens gesichterte Ansätze

        Kommentar

        • knauth
          Erfahrener Benutzer
          • 10.09.2012
          • 296

          #5
          Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
          Ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag!

          Anna Nachtrüb gehört auch zu meinen Vorfahren;
          die fehlenden Belege zu ihren angeblichen Vorfahren bereiten mir seit langem Unbehagen, jetzt gibt es hier wenigstens gesichterte Ansätze
          Hallo Jürgen,

          schön zu hören. Dann sollten wir uns mal austauschen.
          Wo hast du die Anbindung zu Anna Nachtrüb?

          Ich kann dir auch mehr Infos zu den Nachtrüb geben. Da komm ich noch drei Generationen weiter.

          Viele Grüße
          Christian

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          • Alter Mansfelder
            Super-Moderator
            • 21.12.2013
            • 4683

            #6
            Hallo Christian

            Ein schönes Forschungsbespiel - Respekt!
            Zitat von knauth Beitrag anzeigen
            Am Ende ist es ganz viel Forscherglück das es noch Dokumente gibt und sie auch auffindbar sind.
            Das Glück braucht aber immer auch einen Tüchtigen, der den Dingen auf den Grund geht

            Es grüßt der Alte Mansfelder
            Gesucht:
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            • Octavian Busch
              Erfahrener Benutzer
              • 16.03.2021
              • 858

              #7
              Herzlichen Glückwunsch Christian!
              Und danke fürs Teilen mit dem Forum.

              Liebe Grüsse
              Thomas
              Ave

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              • knauth
                Erfahrener Benutzer
                • 10.09.2012
                • 296

                #8
                Danke euch beiden.

                Viele Grüße
                Christian

                Kommentar

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