Wie wurde früher - vermutlich ohne Arzt - Todesursachen festgestellt?

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  • Klingerswalde39_44
    • Heute

    Wie wurde früher - vermutlich ohne Arzt - Todesursachen festgestellt?

    Hallo Forscherfreunde,

    da ich gerade Totenbücher so um 1800 wälze, kam bei mir die Frage nach den eingetragenen Todesursachen auf. Ich hatte gerade einen 16jährigen Jungen bei dem als Todesursache Schlagfluß angegeben war. Da ich mich hier ausschließlich im ländlichen Raum Ostpreußens bewege, erscheint mir die Diagnose etwas weit hergeholt. Wer legte damals die Todesursache fest? Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf dem Lande gerade bei einfachen Bauern jedesmal ein Arzt dazugeholt wurde, schon allein der Kosten wegen.

    Herzliche Grüße, Gabi
  • zimba123
    Erfahrener Benutzer
    • 01.02.2011
    • 739

    #2
    Hallo Gabi,

    wie stellt man heutzutage fest, dass man einen Erkältung hat? Die Nase läuft, der Hals schmerzt, im Kopf pocht es und er ist vielleicht heiß vom Fieber... Genauso kannte man damals auch die Symptome und hat daraus auf eine Krankheit / Todesursache geschlossen.

    Viele Grüße
    Simone
    Viele Grüße
    Simone

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    • scheuck
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2011
      • 4896

      #3
      Hallo, Gabi!
      Genau so wie Simone stelle ich mir das auch vor; aber....
      Gerade ein "Schlagfuß", also ein Schlaganfall ist sicherlich als Laie nicht so ganz einfach zu diagnostizieren, vor allen Dingen bei einem 16-Jährigen würde ich damit nicht unbedingt rechnen. Ganz ohne Arzt wird es aber auch nicht gegangen sein; man konnte nicht jemanden "einfach" beerdigen; ich habe mehrere "Todesbescheinigungen", die allerdings etwas jünger sind. Offenbar hat man sich auch gerne auf den "Bestatter" verlassen, der "aus eigenem Wissen und nach der Kunst... Kenntnis hatte".
      Ob der Schlagfuß nun unbedingt die richtige Diagnose ist, wer weiß? Bist Du sicher, dass heute in allen Totenbriefen die "richtige" Diagnose steht? "Tod trat ein im Zeichen des Herzversagens", eine Formulierung, die noch vor einigen Jahren gebräuchlich war. Jeder Tod tritt letztlich durch Herzversagen ein, oder?
      Beste Grüße,
      Scheuck
      Herzliche Grüße
      Scheuck

      Kommentar

      • Klingerswalde39_44

        #4
        Zitat von zimba123 Beitrag anzeigen
        Hallo Gabi,

        wie stellt man heutzutage fest, dass man einen Erkältung hat? Die Nase läuft, der Hals schmerzt, im Kopf pocht es und er ist vielleicht heiß vom Fieber... Genauso kannte man damals auch die Symptome und hat daraus auf eine Krankheit / Todesursache geschlossen.

        Viele Grüße
        Simone
        Hallo Simone,
        also haben sie geraten ...
        Halsschmerzen, Kopfschmerzen und Fieber kann ja nun auch alles mögliche bedeuten.
        Und wie war das, erzählte man das dem Pfarrer und der schrieb dann "am Husten gestorben" (hab ich selbst gelesen)? Mich wundert nur die Genauigkeit mit der das betrieben wurde, es gab bei manchen Einträgen nicht mal vollständige Namen. Da stand dann nur "die Witwe Broz 68" (es ga im dem Ort ca. 10 Frauen in ungefähr dem Alter mit diesem FN), aber eine Todesursache. Inwieweit war das so wichtig?

        Gruss, Gabi

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        • Pendolino
          Erfahrener Benutzer
          • 09.04.2009
          • 12109

          #5
          Hallo Gabi!
          hallo zusammen!

          Ein sehr interessantes Thema!

          Ich habe mich auch schon des öfteren gefragt, wie und vor allem wer damals wohl die Todesursachen bestimmt hat, und bin auch noch zu keinem Ergebnis gekommen.

          Ob und wann ein Arzt oder vielleicht der Bader zu Rate gezogen wurde, keine Ahnung. Aber ich denke, wie scheuck schon bemerkte, auch, daß man nicht einfach jemanden beerdigen konnte, ohne daß die Todesursache von einer "Amtsperson" festgestellt wurde.

          Was mich auch oft verwundert sind die Todesursachen an und für sich.

          Ich habe z. B. einen Sterbebucheintrag eines Vorfahren, wo wortwörtlich drinnsteht: "gestorben an einem bösen Hals und hinzukommenden Schlaganfall".

          Man könnte, wenn man das liest, fast meinen, wäre der "böse Hals" nicht gewesen, wäre er möglicherweise nicht am Schlag gestorben...

          Ich bin sehr gespannt auf weitere Antworten.
          Viele Grüße von Pendolino!

          Hier findet ihr Übersichten meiner Vorfahren aus Sachsen und Thüringen
          sowie aus der (Elch-) Niederung in Ostpreußen


          Dauersuche in Ostpreußen und im Memelland:
          Alles zu den Familiennamen Kumbartzky, Matzeit (Macait) und Petrick

          Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuches, sie zu erwerben. (A. Einstein)

          Kommentar

          • Friedrich
            Moderator
            • 02.12.2007
            • 11520

            #6
            Moin zusammen,

            zur Feststellung des Todes wurde bestimmt auch der Pfarrer, der ja letztendlich die Todesursache ins Kirchenbuch eintrug, hinzugezogen. Ich könnte mir vorstellen, daß dieser aufgrund der doch in der Regel häufigen Todesfälle "einen Blick" dafür hatte und bestimmt auch im einen oder anderen Fall etwas von den Angehörigen beigetragen wurde.

            Dann gab es auch m.o.w. eindeutig festzustellende Todesursachen. Z. B. Diphterie wurde wegen der braunen Beläge im Hals damals als "Bräune" bezeichnet und war dadurch gut zu diagnostizieren. Oder ein Todesfall aufgrund eines Unfalls war in der Regel ja zweifelsfrei ursächlich festzustellen. Hinzu kamen seuchenhaft auftretende Krankheiten, von denen man wußte, daß ein solcher Seuchenzug "unterwegs" war, wie die Pest.

            Schließlich wurden Krankheitsbezeichnungen oftmals relativ ungenau verwendet. Nicht hinter jedem Schlagfluß verbarg sich ein echter Schlaganfall (den man bestimmt oft anhand der einseitigen Lähmungserscheinungen feststellen konnte). Man sagt ja auch "vom Schlag getroffen", wenn einer plötzlich tot umkippt. Auch sowas wurde bestimmt als Schlagfluß vermerkt.

            Friedrich
            "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
            (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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            • scheuck
              Erfahrener Benutzer
              • 23.10.2011
              • 4896

              #7
              Todesursachen

              Ihr Lieben,
              das ist wirklich interessant; was kann man sich denn unter einem "bösen Hals" vorstellen? Zwischen dem Hals und dem Schlaganfall sehe ich so gar keinen Zusammenhang!
              Irgendwie sehe ich das ganze Thema (wirklich interessant) "zweigeteilt"; einerseits die eher "amtliche" Seite (Todesbescheinigung usw.) und auf der anderen Seite die Tatsache, dass unsere Vorfahren ganz sicher im Bezug auf Sterben und Tod wesentlich mehr "Erfahrung" hatten. Die Mehzahl der Menschen ist ganz sicher zuhause gestorben, man hat auch das Sterben begleitet bzw. miterlebt. Man lebte mehr oder weniger in Großfamilien, da starb eben ab und zu jemand; das bringt ganz sicher einen gewissen "Erfahrungswert" mit sich; entschuldigt, anderes kann ich es nicht ausdrücken. - Wo gibt es das heute noch? Der Mensch schlechthin stirbt heute eher in einem Krankenhaus; wer von Euch hat seine Großeltern oder Eltern zuhause "sterben sehen", wer sieht heute überhaupt noch einen Toten ausserhalb eines Krankenhauses?
              Um auf den "bösen Hals" zurückzukommen; für einen "gelernten Mediziner" ist das eine eher blöde Ausdrucksweise; für einen Laien ist die Diagnose Schlaganfall eine reife Leistung.
              Ich bin gespnannt, vielleicht findet sich noch ein Experte unter uns?
              Beste Grüße,
              Scheuck
              Herzliche Grüße
              Scheuck

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              • didirich
                Erfahrener Benutzer
                • 02.12.2011
                • 1372

                #8
                Als Amtsperson gab es ja früher auch schon den "Leichenschauer".
                Er hatte sicher auch viel Erfahrung um Todesursachen festzustellen.
                Oft war es ja auch ein sogenannter Wundarzt und hatte auch die entsprechende Qualifikation.
                Gruß didirich

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                • sternap
                  Erfahrener Benutzer
                  • 24.04.2011
                  • 4070

                  #9
                  in österreich war seit kaiserin maria theresia die obduktion verpflichtend. ich habe in ein archiv mit privaten briefen einsicht, wo ein mann berichtet, er habe seiner mutter (etwas vor 1800) beim sterben die hand gehalten. später habe neben dem vater und dem onkel er assistiert, als die leiche geöffnet wurde. die leber sei sehr gross gewesen. (ganz schlimm, diese vorstellung!)

                  der sohn, der arzt wurde, beschreibt das sterben von leuten, und die darauf folgende "schlachterei". wenn in der innenstadt einer vom wagen überfahren worden sei, hätten die studenten die universität aufgesucht, weil es wieder eine was zum "studieren" gab. mit der obduktion wurden die todesursachen weniger fabulos.
                  freundliche grüße
                  sternap
                  ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                  wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




                  Kommentar

                  • scheuck
                    Erfahrener Benutzer
                    • 23.10.2011
                    • 4896

                    #10
                    Todesursachen

                    Ihr Lieben,
                    entschuldigt bitte, mir war irgendwie Friedrichs Beitrag (stimmt natürlich alles!) "dadurch" gegangen, bevor ich meine Weisheiten von mir gab!!! bestätigt sich also wieder die bekannte Theorie, "wer lesen kann, ist im Vorteil".
                    Liebe Grüße, Scheuck
                    Herzliche Grüße
                    Scheuck

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                    • Klingerswalde39_44

                      #11
                      Zitat von didirich Beitrag anzeigen
                      Als Amtsperson gab es ja früher auch schon den "Leichenschauer".
                      Er hatte sicher auch viel Erfahrung um Todesursachen festzustellen.
                      Oft war es ja auch ein sogenannter Wundarzt und hatte auch die entsprechende Qualifikation.
                      Gruß didirich
                      Hallo,

                      und der kam zu jedem Todesfall? Ich stell mir gerade die vielen Dörfer im Kreis Allenstein vor.... Ist das wirklich vorstellbar?
                      Oder hatte jeder Ort so jemanden?

                      Gruss, Gabi

                      Kommentar

                      • scheuck
                        Erfahrener Benutzer
                        • 23.10.2011
                        • 4896

                        #12
                        nochmal ein Hallo in die Runde,
                        ich stelle mir auch gerade das Heimat-Dorf meines Großvaters vor, da ist man heute froh, dass man nach langen Jahren wieder einen Arzt direkt im Dorf hat.
                        Dass diese Menschen alle ihre Erfahrungen hatten, kann man voraussetzen. "Freigabe einer Leiche" so ganz ohne einen Arzt, das kann ich mir nicht vorstellen.
                        Hilft uns die Tradition vielleicht weiter? Verstorbene wurden ja einige Zeit aufgebahrt, in den meisten Fällen drei Tage (auch im Hochsommer?); insofern hat es mit dem Kommen eines Wissenden nicht so sehr geeilt. Wenn man sich hinsichtlich der Todes-Feststellung "geirrt" hat, hat man das während dieser Zeit auch bemerkt.
                        Der Pfarrer letztlich als "Amtsperson" in einem solchen Fall, das kann ich mir eigentlich nicht wirklich vorstellen (möchte ich an sich auch nicht).
                        Was sagt denn Tante Google? Hat schon mal jemand geguckt?
                        Beste Grüße,
                        Scheuck
                        Herzliche Grüße
                        Scheuck

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                        • Franzine123
                          Erfahrener Benutzer
                          • 10.11.2011
                          • 741

                          #13
                          Hallo, alle zusammen

                          ich denke, man hat natürlich nicht bei einer Erkältung wie heute den Arzt konsultiert, aber wenn jemand so eine schwere Beeinträchtigung (Lähmungen, mangelnde Ansprechbarkeit, Gehirnkrämpfe, Sprach- und/oder Schluck-Störungen hatte), dann hatte man entweder eine kundige Krankenschwester, Hebamme oder ähnliche Personen in der Nähe oder man holte tatsächlich einen Arzt, weil diese Dinge ja auch sehr lebensbedrohlich erscheinen.

                          Ja, die Leichenbeschauer waren auch schon "früh" (in Jahrhunderten gerechnet) bekannt. Und um 1600 gab es die sogenannten "Bader", die nicht nur den Magen ausheben konnten, sondern auch anderwärtig heilkundig waren. Die werden sicher auch gewusst bzw. vermutet haben, welche Erkrankung mit welchen Symptomen einhergingen und wie man eine Differentialdiagnose stellt (natürlich immer eingeschränkt aufgrund mangelnder Gerätschaften und Untersuchungsmethoden).

                          Bezüglich des "bösen Halses" würde ich die Diphtherie als diesen ansehen. Die Diphtherie war früher sehr viel häufiger, meine Oma (geb. 1882) hat als Kind 2 x Diphtherie gehabt (und glücklicherweise überlebt, was damals gar nicht so selbstverständlich war).

                          Liebe Grüße

                          Franzine123
                          Zuletzt geändert von Franzine123; 14.02.2012, 16:38.
                          Forsche nach Ahnen im nördlichen Osnabrücker Land (Rieste, Thiene, Alfhausen, Ankum, Neuenkirchen in Oldenburg und weitere Orte)
                          und im Umkreis Vechta (Lohne, Kroge, Krimpenfort, Oythe u. mehr)

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                          • Pendolino
                            Erfahrener Benutzer
                            • 09.04.2009
                            • 12109

                            #14
                            Hallo scheuck!
                            hallo zusammen!

                            Zitat von scheuck Beitrag anzeigen
                            Verstorbene wurden ja einige Zeit aufgebahrt, in den meisten Fällen drei Tage (auch im Hochsommer?);
                            Da wäre ich mir nicht ganz so sicher.

                            Mir ist schon des Öfteren folgende Formulierung in den Kirchenbüchern, gerade wenn es um Beerdigungen im Sommer ging, begegnet:

                            "Wurde wegen schnell fortschreitender Verwesung schon am ... begraben."

                            Ab und an war in den Büchern sogar schon ein Datum für die Beerdigung eingetragen, daß dann gestrichen wurde, wenn eine solche Bemerkung an den Eintrag angefügt wurde.

                            Das heißt allerdings auch, daß die Einträge in die Kirchenbücher nicht erst nach dem Begräbnis erfolgten, sondern anscheinend schon eher, sobald eben der Begräbnistermin feststand.

                            Noch eine Anmerkung zum Arzt:

                            Wenn überhaupt gab es in früheren Jahrhunderten in kleineren Städten einen Arzt und/oder Bader. Auf dem "platten Land" hat sich wohl nur selten ein Arzt niedergelassen.

                            Woran wir nämlich alle nicht denken, ist die Kleinigkeit, daß man früher nicht einfach einen Arzt gerufen hat, und der hat dann, nachdem man die Versicherungskarte der Krankenkasse vorgelegt hat, den Patienten behandelt. Damals mußte man die Behandlung zahlen, und ob da jeder "einfache Landarbeiter" die nötigen Mittel hatte, wage ich zu bezweifeln.

                            Es spielte damals also sicher auch eine Rolle, (wenn das nicht sogar der allein ausschlaggebende Punkt war), ob man sich einen Arzt leisten konnte.

                            Aus Erzählungen meiner Oma, aus Ostpreußen stammend, ist mir bekannt, daß es zwar in der nächstgrößten Stadt, ca. 10 - 15 km vom Wohnort entfernt, einen Arzt gab, der aber nur in äußersten Notfällen gerufen wurde. Dieser mußte dann im Sommer per Kutsche und im Winter mit dem Schlitten zu Hause abgeholt und nach der Behandlung wieder nach Hause gebracht werden.
                            Viele Grüße von Pendolino!

                            Hier findet ihr Übersichten meiner Vorfahren aus Sachsen und Thüringen
                            sowie aus der (Elch-) Niederung in Ostpreußen


                            Dauersuche in Ostpreußen und im Memelland:
                            Alles zu den Familiennamen Kumbartzky, Matzeit (Macait) und Petrick

                            Weisheit ist nicht das Ergebnis der Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuches, sie zu erwerben. (A. Einstein)

                            Kommentar

                            • didirich
                              Erfahrener Benutzer
                              • 02.12.2011
                              • 1372

                              #15
                              Auch bei uns wurden alle nicht natürlichen oder ungeklärten Todesfälle ausführlich vom hiesigen Pfarrer im Kirchenbuch beschrieben.
                              Z.B. kann man lesen : 1845 1. Febr. verunglückte auf dem Weg von Weisach hieher nachts nach 8 Uhr bei einem heftigen Schneegestöber der Schuhmacher Stöffler von Deckenpfronn. Er wollte von einem Besuch in Stuttgart in jener Nacht zu seiner hier weilenden Ehefrau, verlor wahrscheinlich im Schneegestöber den Weg, erlag endlich vor Müdigkeit und wurde vom Schnee, der in Masse fiel, zugedeckt und erst am 28. Febr. nach eingetretenen Tauwetter wieder aufgefunden am Saum des Schellenbergs.

                              War hier das Schneegestöber oder Müdigkeit die Todesursache ?
                              Gruß didirich

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