Wie wurde früher - vermutlich ohne Arzt - Todesursachen festgestellt?
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Zitat von scheuck Beitrag anzeigenIhr Lieben,
das ist wirklich interessant; was kann man sich denn unter einem "bösen Hals" vorstellen? Zwischen dem Hals und dem Schlaganfall sehe ich so gar keinen Zusammenhang!
Irgendwie sehe ich das ganze Thema (wirklich interessant) "zweigeteilt"; einerseits die eher "amtliche" Seite (Todesbescheinigung usw.) und auf der anderen Seite die Tatsache, dass unsere Vorfahren ganz sicher im Bezug auf Sterben und Tod wesentlich mehr "Erfahrung" hatten. Die Mehzahl der Menschen ist ganz sicher zuhause gestorben, man hat auch das Sterben begleitet bzw. miterlebt. Man lebte mehr oder weniger in Großfamilien, da starb eben ab und zu jemand; das bringt ganz sicher einen gewissen "Erfahrungswert" mit sich; entschuldigt, anderes kann ich es nicht ausdrücken. - Wo gibt es das heute noch? Der Mensch schlechthin stirbt heute eher in einem Krankenhaus; wer von Euch hat seine Großeltern oder Eltern zuhause "sterben sehen", wer sieht heute überhaupt noch einen Toten ausserhalb eines Krankenhauses?
Um auf den "bösen Hals" zurückzukommen; für einen "gelernten Mediziner" ist das eine eher blöde Ausdrucksweise; für einen Laien ist die Diagnose Schlaganfall eine reife Leistung.
Ich bin gespnannt, vielleicht findet sich noch ein Experte unter uns?
Beste Grüße,
Scheuck
Hey,
naja, mit bösen Hals kann ja eine eitrige mandelentzündung gemeint sein die auf die Lympfknoten ging und dadurch alles zerlegt hat?
Kannst dir ja auch in den Fuß schneiden und die dadurch vlt resultierende Infektion eine Menengitis holen, oder sonst was für eine Seuche.
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Und hier zwei Links zum weiteren Einlesen in das Thema:
Der katholische Pfarrer in den Königlich. Preuß. Staaten - um 1835:
http://books.google.de/books?id=CQxiAAAAMAAJ Seite 92 ff
Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Begräbnissen
Über die statist. Erfassung von Todesfällen in Preußen:
http://books.google.de/books?id=XlAPAQAAMAAJ auf Seite322 ff
u. a. über die Erfassung der Krankheiten auf dem "flachen Lande" und
Einteilung von Krankheitsgruppen
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Todesursachen
Hallo, zusammen!
Bei Google habe ich ein Buch gefunden, "Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau um 1800"; da steht ganz klar, dass um diese Zeit keine "Amtsperson" erforderlich war, die den Tod eines Menschen festgestellt hat. Die Feststellung des Todes oblag denjenigen, mit denen der Verstorbene "Umgang hatte". Genannt werden in erster Linie die Angehörigen, aber auch Nachbarn und selbstverständlich der Herr Pfarrer.
Es wird aber auch beschrieben, dass es bei dieser Verfahrensweise immer wieder zu "Fehl-Interpretationen" kommt, insofern überlegt man um 1800, eine "Person" zu benennen, die über entsprechende Kenntnisse verfügt und die dann jeweils in einem Ort die Leichenschau vornimmt und den Tod "amtlich" bescheinigt. Das wird dann der Beginn des Leichenschauers gewesen sein.
Pendolino, ich kann das nur für meine Heimat-Region sagen; es gab offenbar ganz feste Regeln bzw. Rituale für alle Dinge des Lebens. So ist auch schriftlich festgelegt, welches "Ritual" beim Tode eines Menschen zu beachten ist. Da steht z.B. drin, wie viele Kerzen zu brennen haben; wer zwingend neben dem Verstorbenen sitzen (bleiben) muß; welche Pflichten der 1. und 2. Nachbar hat usw.: scheint so, als habe man das alles relativ ernst genommen. Was man bei 30 Grad im Sommer gemacht hat, kann ich nicht sagen; ich denke, es wird Ausnahmen gegeben haben. Alles natürlich auch ein "finanzielles" Problem, vollkommen klar. Wenn man diese Aufzeichnungen liest, hat man aber den Eindruck, dass diese Rituale (zumindest auf dem Lande) wohl sehr wichtig waren.
Beste Grüße,
ScheuckHerzliche Grüße
Scheuck
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Hallo,
Sehr spannendes Thema,
hier ein Fund aus Gemeindeprotolollbüchern
um 1850:Kreisamt L. zur Leichenschau in W , es gehöre
zwar nicht zu den Pflichten eines Leichenbeschauers, eine Leiche
zu entkleiden und zu säubern, jedoch habe der LeichenbeschauerJohannes Schneidereine solche Scheu vor den Toten an den
Tag gelegt, daß er für sein Amt nicht qualifiziert erscheine.
Anweisung an den Bürgermeister, denselben aus seinem Dienst
als Leichenbeschauer zu entlassen.
1895:Johannes Scharmann III zum Leichenbeschauer.
Kreisrat ernennt auf Vorschlag des Gemeinderats den
Gruß Udo
Immer auf der Suche nach dem Geburts- und Sterbeort des Martin Wytrykus und dem Sterbeort der MariannaWytrykus geb. Klapczynska
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Dunkelgraf
Hallo,
ich hatte mir auch schon mal Gedanken über die medizinische Versorgung in früheren Jahrhunderten gemacht und hatte mal mit Hilfe der Kirchenbücher zusammengestellt, in welchem Ort es einen Arzt, einen Bader oder einen Chirurgen gegeben hat. Dabei habe ich festgestellt, dass es Ärzte nur in den Städten gab, in den Gemeinden mit Marktrecht gab es einen Bader, zuweilen auch zusätzlich einen Chirurgen. Wobei die Chirurgen, Bruchschneider, Wundärzte und Feldscherer oft nicht unbdingt einen festen Wohnsitz hatten, sondern durchs Land zogen. Teilweise werden Personen auch mit mehreren dieser Begriffe gleichzeitig benannt z.B. Bader und Wundarzt oder Bader und Feldscherer.
Beim Tod eines Angehörigen stellten wohl die Beistehenden Nachbarn udn Familienangehörigen den Tod "fest". Nur, wenn es ein plötzlicher Tod war, bei dem niemand zugegen war oder wenn man den Toden erst nach einigen Tagen fand, wurde ein Bader oder ein Arzt amtlicherseits eine natürliche Todesursache feststellen. Auch die Frist bis zur Beerdigung scheinen die Angehörigen festgelegt zu haben und nicht der Pfarrer.
1659:
Donnerstag den 4 Martij Ist d. Petrus Scharff mit einer Leichtpredigt und andern ceremonien zur Erden gar ehrlichen bestattet worden, dieser hat drey viertel Jahr einen großen aufgelauffenen Bauch gehabt; viel für Arzeney angewendet, aber nichts helffen wollen, letztlich da Er sich gar gelegt, hat er weeder Wein noch Bier getruncken, auch bey guter Gesundheit nicht viel, sondern viel Millich geßen u getrunncken, auch in seiner Kranckheit, da Er ein großes Schneitten u. reissen in Lenthen, Leib u. Nabel, d. ihn etwaß von Leib heraußgetretten u. Schwürig worden ist, gehabt, viel Ziegenmillich zur Labung getruncken, desselben toden Cörper, ist auff sein hinderlaßenes Begehren geöffnet u. von zweyen Hn Doctori der Artzney u Badern u Beysein etlicher Nachbarn, besichtiget worden, hat sich befunden, daß uff seinen großen Bauch, drey zwerte Finger hoch eytel Feist wie Speck gewest, etwaß in der Seiten u anders Klumppenfrei Nierrenstollen wie ein Viehe, auch daß Gedherm alles mit feist zusammen, daß kleine Gedherm, hinden an die Lenthen u sonst in der Seiten, sehr angewachßen gewest, auch daß Gelünge, die eine Hertzkammer auch gantz zugewachßen gewest, auch an dem Hertz ein Stücklein Feist wie ein Dhaumen groß gewest, die Doctores haben dafür gehalten, dieße Feistigkeit sey von Speißen der vielfeltigen Milch entstanden u herkommen, habe deßwegen nür so ersticken müßen, hat sehr bey Lebens Zeit gearbeitet, ist in 40 Jahren seines Alters gestorben
Hier noch einige Einträge, aufgrund derer und ähnlicher Einträge ich zu obigem Ergebnis gekommen bin:
1695:
den 17 Martij ward Palmsonntag ist Johann Boseckers Einwohners allhier Eheweib Margaretha in volckreicher Versamblung christl Maßen begraben worden. Dieses Weib hat Hanß Wolf Seifart, ein Quacksalber, ins Geschrey gebracht und berüchtiget als hette sie ein Kind im Leib und were vom Satan schwanger. Daher von herrn D Joh Christian Fromann hochf sächß Land-Medico und einem Barbierer, wobey viel Bader und Barbiergesellen und ander mehr waren, eine Section ihres Leibes angestellet worden, da sich dann befand, daß seine unverständige und bößliche Art Unwahrheit ausgegeben hatte, und über dem Gedärm ein schmaltziges Gewüchs war, so 11 biß 12 Pfd wog, die Mutter aber war gantz leer und rein. Sie war alt 44 Jahr weniger 6 Wochen
1768:
Den 8ten Januar starb Frau Anna Margaretha, Hn Johann David Langbeins, Schulmeisters Eheweib, nachdem sie 3 mal 24 Stunden, lang in Kindesnöthen gestanden und vom Doctor, Bader und Feldscherer erbärmlich zermartert, auch ihrem Kinde von dem Feldscherer ein Aerml abgeschnitten worden. Das Kind starb im Leibe seiner Mutter etliche Tag vor ihr, den 10ten darauf wurde sie unter Begleitung einer erstaunlichen Menge Menschen mit Haltung einer Leichen Predigt über die sich selbsten erwehlten Worte Stephan Tot 7 Herr Jesu nimm denn meinen Geist auf, beerdigt, sie starb mit ihrem 5ten Kinde und war Georg Habermanns Sechßers und Bauers einzige Tochter
1775
Den 3ten 7br früh verschied Elisabetha Margaretha eine gebohrene Engelhardtin von hier des Johann Nicol Höfers, Bauers daselbst Eheweib und wurde tags darauf als Dom 14 p Trinit xtl begraben, die Leiche war auf den Montag angesetzt, er ließ aber auf den Sonntag seine Leute laden und gab vor sie hielte sich nicht biß Montag. Diese wunderliche Bestellung ließ er mir Sonnabends abends 9 Uhr erst wißend machen, alt 36 Jahr weniger 3 Monate
Gruß
Dunkelgraf
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Hallo miteinander,
bei der ganzen Ursachensuche sollte man auch nicht übersehen, daß die "Feststellung der Todesursache" auch dazu dienen sollte, zu ermitteln, ob eine "natürliche Todesursache", oder eventuell eine Tötung oder Selbsttötung vorlag.
Viele Grüße
FrankGegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft
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Todesursachen
Hallo, zusammen!
Aus diesem Thema habe ich gelernt, dass ich die Todesursachen, die mir von meinen Ahnen um 1800 bekannt sind, nicht mehr so "einfach" glaube.... Wenn es Sache der Angehörigen war, den Tod eines Menschen festzustellen bzw. auch eine "Erklärung" zu finden, gehe ich davon aus, dass das nicht immer richtig gewesen sein wird.
Bis zum Erscheinen der "Profis" könnte ich mir auch durchaus vorstellen, dass es relativ einfach war, einen unliebsamen Mitmenschen ins Jenseits zu befördern. Wer sich einigermassen mit der "Botanik" ausgekannt hat, hatte doch alle Möglichkeiten. Bleibt an sich nur zu hoffen, dass das Wissen z.B. über Fingerhut, Tollkirsche, Fliegen- und Knollenblätterpilz noch nicht so verbreitet war....
Beste Grüße,
ScheuckHerzliche Grüße
Scheuck
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Zitat von scheuck Beitrag anzeigenBleibt an sich nur zu hoffen, dass das Wissen z.B. über Fingerhut, Tollkirsche, Fliegen- und Knollenblätterpilz noch nicht so verbreitet war....
Ich wage zu behaupten, dass das Wissen darum "früher" erst recht verbreitet war, schliesslich war man oft draussen unterwegs, die Kinder haben auf dem Feld und im Wald gespielt/mitgearbeitet (und mussten ebenjene teils auch auf dem Weg zur Schule überqueren).
Aber da sich wohl viele mit Alltagsbotanik auskannten, hätten sie vermutlich auch die Folgen von Vergiftungen erkannt.Viele Grüsse von Garfield
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"Botanik"
Garfield, im Hinblick auf z.B. Giftpilze gebe ich Dir recht, da wird man schon die Kinder darauf hingewiesen haben. - Wenn man jemandem eine "Überdosis" von Fingerhut "unterjubelt", kriegt derjenige dann "offensichtlich" ein Herz-Kasperl. Ich könnte mir vorstellen, dass die Ursache von Laien-Angehörigen nicht erkannt werden kann;ich wollte aber keinesfalls!!!
Liebe Grüße,
ScheuckHerzliche Grüße
Scheuck
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Hallo Scheuck
Das war nur meine Theorie, und ich gebe zu, dass ich zwar aus meiner Kindheit noch einige Pflanzen weiss, bei denen man "aufpassen" muss, aber ich wüsste selbst nicht, was passiert, wenn man diese isst. Ich dachte dabei an Vergiftungen, bei denen man eine Reaktion sieht oder sich derjenige wenigstens über Magenschmerzen oä beklagen könnte. Bei einem "Herz-Kasperl" wäre die Ursache natürlich schwerer erkennbar, da hast du recht!Viele Grüsse von Garfield
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