Unser Verband begann sich zu lichten. Eines Tages war Krüger verschwunden. Nach zwei Monaten kam von ihm die Nachricht, daß er wohlbehalten in Sermenewa eingetroffen sei und er dort unbeachtet mit seinem Bruder zusammen lebe.
Auch Reinhardt und Fluher, die beiden Artisten hatten gehört, daß sich in Orenburg ein Zirkus aufhalte und waren getürmt, um sich diesem anzuschließen.
Bocks hatte im Frühjahr einen Schlaganfall erlitten. Nach Aussage des mit vielen MItteln herangezogenen Arztes konnte nur der Aufenthalt in einem Kurort helfen. Ein Antrag auf Übersiedlung wurde abgelehnt. Es gelang aber Vorländer, durch Vermittlung eines Bekannten, des jetzigen Ministers Konowalow die Übersiedlung nach Moskau zu erreichen.
Vorländer selbst erhielt die Erlaubnis nach Ufa zu reisen, dort war seine Familie bei Bekannten untergekommen. Seinen Nachlaß, der in Schweinen, Hühnern, Gänsen, Mehl und vielen andern Lebensmitteln bestand, vermachte er Rosenbach und mir zu gleichen Teilen, nur machte er sich die Lieferung eines halben Schweines aus. Er legte uns aber die Verpflichtung auf, die Mittellosen unter uns nicht zu vergessen. Wir haben auch in seinem Sinne gehandelt.
Sperling hatte sich um eine Anstellung in einer Apotheke in Werchne-Uralsk beworben. Durch Vermittlung Dr. Kniewalds erhielt er sie auch.
Johannsen war während seiner Krankheit von der Schwägerin Sperlings aufopfernd gepflegt worden. Er hat sie darauf geheiratet. Obwohl diesem Bund noch die Sanktion durch Kirche und Standesamt fehlte, war es eine durch die zeitbedingten Verhältnisse durchaus verständliche Maßnahme, doch fehlte es nicht an Tugendbolden, die daran ihre Kritik übten. Mit Sperling zogen auch Johannsen und seine junge Frau nach Werchne-Uralsk.
Noch eines mir bisher lieb gewonnenen Gefährten will ich hier gedenken ohne seinen Namen zu nennen, da er eine wenig glückliche Rolle dabei spielt. Er hatte sich in ein Russenmädchen verliebt, das nicht einmal hübsch, wohl aber über alle Maßen kokett und launisch war. Ihr zuliebe wollte er sogar russischer Untertan werden, nur um sie recht schnell heiraten zu können. Das Mädchen verstand, alle seine Sinne aufzustacheln, ohne daß er von ihr einige karge Liebkosungen erhielt,. Er war so in ihrem Bann, daß er sich lächerlich machte, was ihm unsere Achtung entzog. Er fühlte sich unter uns nicht mehr wohl und überredete das Mädchen, sich irgendwo in einer Stadt eine Stellung zu besorgen, bei nächster Gelegenheit wollte er nachkommen. Er borgte sich Geld zusammen und gab es dem Mädchen zur Bestreitung der Reisekosten. Nach einer Woche war er fort, war ihr nachgefahren.
Nach sechs Wochen war er wieder bei uns. Mit einem Koffer und einer Kiste war er weggefahren, mit einem Bündel unter dem Arm kam er wieder. Er war nach Samara, dem Aufenthaltsort des Mädchens gefahren und kam dort gerade zurecht, um den neuen Bräutigam des Mädchens kennen zu lernen. Von Sermenewa aus hatte er seine frühere Brotherrin gebeten, 50 Rbl. an die Adresse seiner Tatjana zu senden. Das Geld war auch angekommen, aber Tatjana brauchte es für sich und ihren Verehrer.
Er war nun weiter nach Orenburg gefahren um sich eine Beschäftigung zu suchen, erhielt aber keine, da man ihm eine Aufenthaltsgenehmigung verweigerte. Als sein Geld zu Ende ging, verkaufte er Stück für Stück seine Sachen. Doch auch sie nahmen ein Ende. Nun ging er auf den Trödelmarkt und handelte mit alten Sachen. Als er das Reisegeld zusammen hatte, fuhr er nach Sermenewa zurück. Da war er nun wieder. Aber er fühlte sich unter uns nicht mehr wohl. Da betrieb er seine Umsiedlung nach Orenburg und die wurde ihm schließlich gestattet.
So verkleinerte sich unsere Kolonie immer mehr. Einige zogen nur veränderungshalber in andere Orte, kamen aber meist zurück, da sie keine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Die in eine größere Stadt gezogen waren, kamen zurück, weil sie die dortigen Kosten der Lebenshaltung nicht aufbringen konnten.
Als es zu einem Zusammenstoß zwischen einigen von uns und Baschkiren gekommen war, bei dem es blutige Köpfe gegeben hatte, beschloß auch Rosenbach den ihm zu unsicher gewordenen Ort zu verlassen. Er schrieb an Vorländer und bat ihn, er möge ihm doch eine Genehmigung zum Aufenthalt in Ufa zu verschaffen.
Als diese nach einiger Zeit eintraf, schlachteten wir ein Schwein, ließen es räuchern und schickten die Hälfte an die Adresse Vorländers. Eine geschlachtete Gans und einige Hühner nahm er selbst mit, mit dem nicht unbeträchtlichen Rest, darunter ein lebendes Schwein, blieb ich zurück.
Da ich in der großen Wohnung nicht allein bleiben konnte und auch nicht wollte, hielt ich Umschau nach bedürftigen Genossen, mit denen ich den mir verbliebenen Segen teilen konnte. Der Bewerber waren viele. Was Lebensmittel anbetraf, war ich der Reichste im Dorf, ich hatte plötzlich nur Freunde, abgesehen von Huth, der sich abseits hielt. Zwei konnte ich nur gebrauchen und meine Wahl fiel auf die beiden größten Habenichtse Harlov und Wagat. Die beiden glaubten, ins Schlaraffenland gekommen zu sein. Daß ich im Besitz von Vorräten war, wußten sie wohl, aber sie staunten doch über die Menge. Zur Feier ihres Einzuges schlachteten wir vier Hühner, zwei davon aßen wir auf, eins schickte ich zu Huth und das zweite zu Frischmann. Wagat war auf sein neues Amt als Wohltäter äußerst stolz.
Da ich mich schon lange mit Fluchtgedanken trug, schlachteten wir auch das zweite Schwein, da ich dieses nicht zurück lassen wollte. Jeden Sonntag gab es Hühnerbraten, wozu wir uns immer einen andern Hungerleider einluden. Auch von den Erträgen des Gemüsegartens gaben wir reichlich ab.
Meine neuen Hausgenossen wollten alle Arbeit allein machen, selbst meine Schuhe mußte ich vor ihren putzsüchtigen Händen verstecken. Es war für mich ein schönes Gefühl, als Wohltäter auftreten zu können, obwohl dies nicht mein Verdienst war. Ich hatte zeitweise selbst nur von trockenem Brot und Zwiebeln gelebt nicht wissend, ob mir morgen noch diese Genüsse zur Verfügung stehen. Ich hatte erlebt, daß andere dieses Hungerleben kurz entschlossen selbst beendet hatten, daß wieder andere aus Hunger zu Dieben wurden. All diese Erinnerungen trugen dazu bei, mir das Teilen mit den anderen zur Pflicht zu machen.
Auch Reinhardt und Fluher, die beiden Artisten hatten gehört, daß sich in Orenburg ein Zirkus aufhalte und waren getürmt, um sich diesem anzuschließen.
Bocks hatte im Frühjahr einen Schlaganfall erlitten. Nach Aussage des mit vielen MItteln herangezogenen Arztes konnte nur der Aufenthalt in einem Kurort helfen. Ein Antrag auf Übersiedlung wurde abgelehnt. Es gelang aber Vorländer, durch Vermittlung eines Bekannten, des jetzigen Ministers Konowalow die Übersiedlung nach Moskau zu erreichen.
Vorländer selbst erhielt die Erlaubnis nach Ufa zu reisen, dort war seine Familie bei Bekannten untergekommen. Seinen Nachlaß, der in Schweinen, Hühnern, Gänsen, Mehl und vielen andern Lebensmitteln bestand, vermachte er Rosenbach und mir zu gleichen Teilen, nur machte er sich die Lieferung eines halben Schweines aus. Er legte uns aber die Verpflichtung auf, die Mittellosen unter uns nicht zu vergessen. Wir haben auch in seinem Sinne gehandelt.
Sperling hatte sich um eine Anstellung in einer Apotheke in Werchne-Uralsk beworben. Durch Vermittlung Dr. Kniewalds erhielt er sie auch.
Johannsen war während seiner Krankheit von der Schwägerin Sperlings aufopfernd gepflegt worden. Er hat sie darauf geheiratet. Obwohl diesem Bund noch die Sanktion durch Kirche und Standesamt fehlte, war es eine durch die zeitbedingten Verhältnisse durchaus verständliche Maßnahme, doch fehlte es nicht an Tugendbolden, die daran ihre Kritik übten. Mit Sperling zogen auch Johannsen und seine junge Frau nach Werchne-Uralsk.
Noch eines mir bisher lieb gewonnenen Gefährten will ich hier gedenken ohne seinen Namen zu nennen, da er eine wenig glückliche Rolle dabei spielt. Er hatte sich in ein Russenmädchen verliebt, das nicht einmal hübsch, wohl aber über alle Maßen kokett und launisch war. Ihr zuliebe wollte er sogar russischer Untertan werden, nur um sie recht schnell heiraten zu können. Das Mädchen verstand, alle seine Sinne aufzustacheln, ohne daß er von ihr einige karge Liebkosungen erhielt,. Er war so in ihrem Bann, daß er sich lächerlich machte, was ihm unsere Achtung entzog. Er fühlte sich unter uns nicht mehr wohl und überredete das Mädchen, sich irgendwo in einer Stadt eine Stellung zu besorgen, bei nächster Gelegenheit wollte er nachkommen. Er borgte sich Geld zusammen und gab es dem Mädchen zur Bestreitung der Reisekosten. Nach einer Woche war er fort, war ihr nachgefahren.
Nach sechs Wochen war er wieder bei uns. Mit einem Koffer und einer Kiste war er weggefahren, mit einem Bündel unter dem Arm kam er wieder. Er war nach Samara, dem Aufenthaltsort des Mädchens gefahren und kam dort gerade zurecht, um den neuen Bräutigam des Mädchens kennen zu lernen. Von Sermenewa aus hatte er seine frühere Brotherrin gebeten, 50 Rbl. an die Adresse seiner Tatjana zu senden. Das Geld war auch angekommen, aber Tatjana brauchte es für sich und ihren Verehrer.
Er war nun weiter nach Orenburg gefahren um sich eine Beschäftigung zu suchen, erhielt aber keine, da man ihm eine Aufenthaltsgenehmigung verweigerte. Als sein Geld zu Ende ging, verkaufte er Stück für Stück seine Sachen. Doch auch sie nahmen ein Ende. Nun ging er auf den Trödelmarkt und handelte mit alten Sachen. Als er das Reisegeld zusammen hatte, fuhr er nach Sermenewa zurück. Da war er nun wieder. Aber er fühlte sich unter uns nicht mehr wohl. Da betrieb er seine Umsiedlung nach Orenburg und die wurde ihm schließlich gestattet.
So verkleinerte sich unsere Kolonie immer mehr. Einige zogen nur veränderungshalber in andere Orte, kamen aber meist zurück, da sie keine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Die in eine größere Stadt gezogen waren, kamen zurück, weil sie die dortigen Kosten der Lebenshaltung nicht aufbringen konnten.
Als es zu einem Zusammenstoß zwischen einigen von uns und Baschkiren gekommen war, bei dem es blutige Köpfe gegeben hatte, beschloß auch Rosenbach den ihm zu unsicher gewordenen Ort zu verlassen. Er schrieb an Vorländer und bat ihn, er möge ihm doch eine Genehmigung zum Aufenthalt in Ufa zu verschaffen.
Als diese nach einiger Zeit eintraf, schlachteten wir ein Schwein, ließen es räuchern und schickten die Hälfte an die Adresse Vorländers. Eine geschlachtete Gans und einige Hühner nahm er selbst mit, mit dem nicht unbeträchtlichen Rest, darunter ein lebendes Schwein, blieb ich zurück.
Da ich in der großen Wohnung nicht allein bleiben konnte und auch nicht wollte, hielt ich Umschau nach bedürftigen Genossen, mit denen ich den mir verbliebenen Segen teilen konnte. Der Bewerber waren viele. Was Lebensmittel anbetraf, war ich der Reichste im Dorf, ich hatte plötzlich nur Freunde, abgesehen von Huth, der sich abseits hielt. Zwei konnte ich nur gebrauchen und meine Wahl fiel auf die beiden größten Habenichtse Harlov und Wagat. Die beiden glaubten, ins Schlaraffenland gekommen zu sein. Daß ich im Besitz von Vorräten war, wußten sie wohl, aber sie staunten doch über die Menge. Zur Feier ihres Einzuges schlachteten wir vier Hühner, zwei davon aßen wir auf, eins schickte ich zu Huth und das zweite zu Frischmann. Wagat war auf sein neues Amt als Wohltäter äußerst stolz.
Da ich mich schon lange mit Fluchtgedanken trug, schlachteten wir auch das zweite Schwein, da ich dieses nicht zurück lassen wollte. Jeden Sonntag gab es Hühnerbraten, wozu wir uns immer einen andern Hungerleider einluden. Auch von den Erträgen des Gemüsegartens gaben wir reichlich ab.
Meine neuen Hausgenossen wollten alle Arbeit allein machen, selbst meine Schuhe mußte ich vor ihren putzsüchtigen Händen verstecken. Es war für mich ein schönes Gefühl, als Wohltäter auftreten zu können, obwohl dies nicht mein Verdienst war. Ich hatte zeitweise selbst nur von trockenem Brot und Zwiebeln gelebt nicht wissend, ob mir morgen noch diese Genüsse zur Verfügung stehen. Ich hatte erlebt, daß andere dieses Hungerleben kurz entschlossen selbst beendet hatten, daß wieder andere aus Hunger zu Dieben wurden. All diese Erinnerungen trugen dazu bei, mir das Teilen mit den anderen zur Pflicht zu machen.
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