namhafte Erben

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  • Koblenzer14
    Erfahrener Benutzer
    • 06.11.2017
    • 206

    [ungelöst] namhafte Erben

    Jahr, aus dem der Begriff stammt: 1760
    Region, aus der der Begriff stammt: Rheinland


    Guten Abend Zusammen,

    ein relativ simples Wort beschäftigt mich seit ein paar Tagen.
    In einer Gerichtsakte wird von den Unterschriften der „Namhaften Erben“ eines Hofes gesprochen.Weiß Jemand von euch,in welcher Bedeutung „namhaft“ hier zu verstehen ist?Ich habe in einem Lexikon für Rechtsbegriffe gelesen,dass Erben in einem Testament „namhaft gemacht“ werden musste.
    Das konnte ich allerdings in der Praxis noch noch nirgendwo nachweisen.
    Vielleicht ist einen von Euch ja schon einmal diese Formulierung begegnet.

    Vielen Dank im Voraus und einen schönen Abend

    Oliver
  • Balthasar70
    Erfahrener Benutzer
    • 20.08.2008
    • 2809

    #2
    Hallo Oliver,

    meines Wissens werden damit die namentlich bekannten Erben tituliert. Hingegen ist es bei einer Erbschaft möglich, dass unbekannte Erben (z. B. nichteheliche Kinder, entferntere Abkömmlinge in nicht nahem Verwandtschaftsgrad) erst noch ermittelt werden müssen.
    Gruß Balthasar70

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    • Koblenzer14
      Erfahrener Benutzer
      • 06.11.2017
      • 206

      #3
      Hallo Balthasar,

      vielen Dank für deine Antwort !
      Das könnte gut passen.Die Erbschaft umfasste neben dem Gehöft weitläufige Ländereien und Wäldern und bestand aus 27 (erb-)Teilen.Da kann es durchaus sein,dass entfernte Verwandte nicht mehr zum Zuge kamen.

      Beste Grüße

      Oliver

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      • Anna Sara Weingart
        Erfahrener Benutzer
        • 23.10.2012
        • 15618

        #4
        Hallo

        "namhaftes Testament = letztwillige Verfügung, die den Erben namentlich angibt"


        Es könnte also vielleicht sein, dass die namhaften Erben diejenigen sind, die der Erblasser im Testament konkret benannt und begünstigt hat.
        Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 17.02.2021, 21:24.
        Viele Grüße

        Kommentar

        • Koblenzer14
          Erfahrener Benutzer
          • 06.11.2017
          • 206

          #5
          Hallo Anna Sara Weingart,

          vielen Dank für den Hinweis !
          Das würde zu dem „namhaft machen“ passen ,was ich gelesen hatte.
          Es ist tatsächlich so ,dass diese Erben alle meist in der Art verwandt waren ,dass sie vor 100 Jahren den gleichen Vorfahren hatten.
          Dieser Vorfahre war aber wahrscheinlich nicht der Erblasser,jedenfalls kann er seine Nachkommen ja gar nicht mehr gekannt haben ,die in dieser Akte erwähnt werden.Wäre es denkbar,dass einer seiner Nachfahren die Begünstigen Erben sozusagen rückdatiert hat auf Leute ,die Nachfahren seines Vorfahren sind
          Normalerweise begünstigt man ja seine direkte Nachfahren und nicht alle Nachfahren seines Großvaters ,etwa ?

          Beste Grüße

          Oliver

          Kommentar

          • Anna Sara Weingart
            Erfahrener Benutzer
            • 23.10.2012
            • 15618

            #6
            Also dann würde ich es eher verstehen wie Balthasar70 geschrieben: namhafte Erben = bekannte Erben
            Angehängte Dateien
            Viele Grüße

            Kommentar

            • Koblenzer14
              Erfahrener Benutzer
              • 06.11.2017
              • 206

              #7
              Guten Morgen ,

              danke für den Auszug !
              Ich habe mir gerade nochmal die Sachlage angesehen,es ist so ,dass Einwohner eines Dorfes ein paar Erben,die Felder in der Nähe des Dorfes bewirtschaftet haben,anklagen,weil sie ihr Vieh angeblich auf den Felder des Dorfes weiden gelassen haben.Komischerweise unterschreiben für den Prozess jetzt nur Erben,die mit den Feldern gar nichts zu tun haben ,also gar nicht direkt angeklagt sind.
              Die Erben,die diesen „Frevel“ angeblich begangen haben ,haben gar nicht unterschrieben.Gab es vielleicht Erben,die zwar für die Nutzung des Erbe berechtigt waren ,aber nicht vertretungsberechtigt waren ?
              Das würde ja dann doch wieder in Richtung namhaftes Testament gehen.
              Denn die anderen Erben sind ja namentlich bekannt ,dürfen aber nicht unterschreiben.

              Kommentar

              • Schlumpf
                Erfahrener Benutzer
                • 20.04.2007
                • 357

                #8
                Hallo

                Na, der Koblenzer hat immer solch heftige fragen. :-)

                Das "Jülich-Bergische Landrecht" von 1555, blieb bis zur Einführung des Code Civil 1798 bzw 1810 im Rheinland gültig. Hier galt im Gegensatz zu heute: die Testierfreiheit. Der Erblasser war also grundsätzlich frei in seinen Entscheidungen betreffs des Nachlasses. In den 108 Kapiteln finden sich einige zum Thema Erbrecht, Beschüttrecht, ehel. Güterrecht ...

                Der Erblasser musste in seinem Testament die Erben und ihr Erbe benennen. Dabei galt es einige wenige Regeln zu beachten. So wurde z.B. bei kinderlosen Ehen freundteilig verfahren, wenn kein Testament vorhanden war: Es erbte der Erbe des Stammgutes und der überlebende Ehepartner jeweils die Hälfte der hinzugewonnenen Güter. Das Stammgut: Das was der Ehepartner in die Ehe gebracht hatte, fiel also an einen Neffen!
                Wenn Kinder des Erblassers vorhanden waren, erbten diese. Dabei wurden aber in den Testamenten immer deren Namen und die Größe ihres Erbes angegeben, manchmal auch der Zeitpunkt, an dem das Erbe ausgezahlt wurde. Das sieht dann so aus: "Mein Sohn Wilhelm vom Hövel ervt an seinem Ehrentage (bei der Heirat) eine halbe Brautloft los und frei und aus dem Gereide 150 Thlr. Die Mutter verpflichtet sich also, ihn zu Kleiden und zu Reiden, zur Kirchen und zur Straßen wie es alhir bräuchlich."
                Sollte der Erblasser (oder Erblasserin) keine Verfügung hinterlassen haben, so trat automatisch der Artikel 93 aus dem fürstl. Landrecht ein. Dieser regelte, dass die Kinder das Gereide und ungereide Gut gleich unter sich auzuteilen hatten. ...

                Wenn nun aber jemand ohne Nachkommen und ohne Testament starb, so kam das Stammgut an den Familienstamm zurück, von dem es gekommen war. Wie oben erklärt erbte der überlebende Ehepartner nur den Zugewinn während der Ehejahre zur Hälfte. Dann ging man die Familie zurück, bis man wieder lebende Nachkommen eines Besitzer fand. Es wurde dann nach dem Anerbenrecht verfahren: Jüngere Kinder vor älteren Kindern, Jungen vor Mädchen und Kinder erster Ehe vor Kindern aus zweiter Ehe.

                Das Ganze ist sehr kompliziert und alles andere als einfach. Aber ich denke, das reicht auch völlig aus, um Verwirrung zu stiften. :-)

                viel Spaß damit.
                Schlumpf
                Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

                Kommentar

                • Koblenzer14
                  Erfahrener Benutzer
                  • 06.11.2017
                  • 206

                  #9
                  Na, der Koblenzer hat immer solch heftige fragen. :-)

                  ...Und Schlumpf hat immer eine gute Antwort parat :-)

                  Ganz herzlichen Dank für die Zusammenfassung des Erbrechts aus dem Jülischen Bergischen Landrecht! Mich einmal mit den originalen Kodifizierungen auseinanderzusetzen ist mir ehrlich gesagt dieses Mal gar nicht in den Sinn gekommen Was das Jülisch Bergische Landrecht da beschreibt, entspricht im Großen und Ganzen dem Römischen Erbrecht.Mann sucht solange nach männlichen Verwandten ,bis man auch die letzte Ecke der Landes abgegrast hatte
                  Allerdings dürfte es nach dem Anerbenrecht ja nur einen Erben geben ,der den Hof als Eigentum erhält.Hier gab es ja mehrere gleichberechtigte Miteigentümer.

                  Tatsächlich scheint es so ,dass der Hof etwa 50 Jahre vor dem
                  Prozess von 5 Personen gekauft wurde.Dies war ein eigentümlicher Erbkauf und der 1/5 Teil eines jeden Käufer wurde wiederum vererbt,sodass der 1/5 Teil wieder aufgeteilt wurden.Von insgesamt 25 Miterben ,waren die Hälfte 1760 wiederum nahrhafte Erben.
                  Unklar ist ,ob sich der Begriff hier überhaupt um eine testamentarische Erbschaft bezieht ,oder ob namhafte Erben hier im Zusammenhang mit dem Erbkauf stehen.Dazu waren die Erben auch noch Besitznachfolger einer anderen Familie und wurden als deren Erben bezeichnet.

                  Kurzum ,aus dem Wust wird man wohl nicht mehr viel schlauer

                  Beste Grüße und nochmals vielen Dank !

                  Oliver
                  Zuletzt geändert von Koblenzer14; 25.03.2021, 23:32.

                  Kommentar

                  • Schlumpf
                    Erfahrener Benutzer
                    • 20.04.2007
                    • 357

                    #10
                    Hallo Koblenzer

                    Dann könnte es sein, dass der Erblasser eine sogenannte "Einkindschaft" vereinbart hat. Also bei der 2. Eheberedung (fast alle Ehen waren früher verabredet) hat man vereinbart, dass alle Kinder des Erblassers einander gleichgestellt werden. Dann könnte sowas vorkommen, wenn alle miteinander verwandt waren.

                    Aber ich halte folgenden Fall für wahrscheinlicher: Ich habe hier einen Kaufakt aus dem Jahre 1769, als ein Rittergut an 4 Bauern verkauft wurde. Hier klebten aber einige Gerechtigkeiten an dem Rittersitz. Diese gingen dann aber auch auf die Ankäufer über. So wurden in dem Fall 1821 die Besitzer zur Zahlung einer Grundpacht an Freiherr zu Weichs. Diese Grundpacht (halber Malter Roggen und 3 einhalb Malter Hafer) war nun schwindend gering, wurde aber seit immer bezahlt. Das haben die Besitzer ab 1794 nicht mehr getan und so sind dann auch 6 Bauern zur Zahlung verklagt worden.

                    Viel Spaß damit
                    Schlumpf
                    Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

                    Kommentar

                    • Koblenzer14
                      Erfahrener Benutzer
                      • 06.11.2017
                      • 206

                      #11
                      Hallo Schlumpf,



                      Aber ich halte folgenden Fall für wahrscheinlicher: Ich habe hier einen Kaufakt aus dem Jahre 1769, als ein Rittergut an 4 Bauern verkauft wurde. Hier klebten aber einige Gerechtigkeiten an dem Rittersitz. Diese gingen dann aber auch auf die Ankäufer über. So wurden in dem Fall 1821 die Besitzer zur Zahlung einer Grundpacht an Freiherr zu Weichs. Diese Grundpacht (halber Malter Roggen und 3 einhalb Malter Hafer) war nun schwindend gering, wurde aber seit immer bezahlt. Das haben die Besitzer ab 1794 nicht mehr getan und so sind dann auch 6 Bauern zur Zahlung verklagt worden.

                      Das ist ja interessant!
                      .
                      Der originale Kaufvertrag ist leider nicht mehr vorhanden,aber tatsächlich haben die 5 Bauern den Hof samt Güter eigentümlich von einer adligen Familie gekauft !
                      Früher gehörte zu dem Areal auch eine Burg ,der hier genannte Hof war der Wirtschaftshof der Burg.Spannender ist aber ,dass auf dem Hof ebenfalls eine uralte Abgabe an den Landesherren haftet,das waren 2 Malter Hafer.Von allen anderen Steuern und Abgaben waren die Erben befreit ,aber den Hafer ,den schon die Adligen zahlen mussten ,den mussten die Erben auch entrichten!
                      Diese Abgabe verhinderte wohl sehr lange die Teilung und führte dann dazu ,dass es immer mehr Erben mit immer weniger Nutzen gab.

                      Jetzt habe ich mal eine andere Frage ,ich habe bis jetzt sehr wenig Material über solche Kaufgeschäfte zwischen Bauern und Adel gefunden.
                      Die fragliche Zeit war ja noch sehr weit von der Bauernbefreiung entfernt.
                      Gibt es zu solchen Vorgängen gute Literatur ,bzw. gesetzliche Regelungen?
                      In Deinem Fall besitzen die Bauern ein Rittergut ,in meinem Fall ist es ein Allod.
                      Wie ist das mit dem Ständesystem vereinbar ?

                      Beste Grüße

                      Oliver

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                      • Schlumpf
                        Erfahrener Benutzer
                        • 20.04.2007
                        • 357

                        #12
                        Hallo

                        Nun, die Bauernbefreiung spielte wohl im Rheinland keine Rolle. Schon im späten Mittelalter wurde die Leibeigenschaft in eine Lehnsrührigkeit und andere lockererer Formen umgewandelt. Es gab auch wohl nicht eine solch starke Abhängigkeit wie in Ostelbien oder auch Frankreich. Die Bauern waren schon recht frei. Man muss davon ausgehen, dass wenigstens die Hälfte des verfügbaren Grund und Bodens in der Hand freier Bauern war. Die andere Hälfte war als Pachthöfe im Besitz von Adeligen, Bürgern, Kirche oder auch in der Hand des Landesherren.

                        In den Falle 1769 passierte folgendes: Der Adelige hatte also seinen Besitz durchgebracht. Die 4 Bauern liehen sich Geld, das Gut wurde in 4 Loose aufgeteilt und ein Kind zog das Loos. Auf jedem Looszettel war festgelegt, was der Loosinhaber nun genau wo bekam. Dem Adeligen wurde dann bewußt, dass mit dem Verlust des Grundbesitzes er auch keine Stimme mehr in der Ständeversammlung in Düsseldorf hatte. Also kaufte er sich nur pro Forma ein paar Ecken und nahm weiterhin in der Ritterschaft am Landtag teil. Die Bauern konnten dieses Recht nicht ausüben, da sie nicht adelig (Ritterbürtig) waren. Ab 1798 war sowieso damit Schluss. Die zugehörigen Kirchensitze sind meines Wissens nicht erwähnt worden. In einem Fall in der Nachbarschaft war es aber noch 1812 so, dass der bürgerliche Besitzer auch den Kirchensitz übernahm. Aber da handelte es sich um einen Ankäufer und nicht um vier.

                        Viel Spaß damit Schlumpf
                        Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

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                        • Koblenzer14
                          Erfahrener Benutzer
                          • 06.11.2017
                          • 206

                          #13
                          Hallo Schlumpf,

                          „Unterm Krummstab ist gut leben“ fällt mir da wieder ein!
                          Die Kurkölner Bauern waren da wirklich privilegiert,persönlich völlig frei und konnten am Land quasi -Eigentum erwerben.Den Pächter ging es ja meist noch besser !Bei meinen Forschungen in den kurkölnischen Gebieten war ich immer überrascht,wie selbstverständlich die adligen Grundbesitzer Ihre adligen Lehen und anderen Güter an Bauern verkauft haben .Wobei Bischof Salentin da nicht immer glücklich drüber war ,denn wie du schon sagtest,der Bauer konnte den Ritterlichen Diensten und Pflichten kaum nachgehen.


                          Meine Akten stammen meist aus den rechtsrheinischen Gebieten, etwa den Fürstentümern Berg,Sayn und Wied.Da gab es teilweise noch ziemlich enge Bindungen an den Landesherren(bis zur Hörigkeit) und kaum Bäuerliches Eigen.
                          Da sind solche Rechtsgeschäfte mit vormals adligen Gütern sehr selten gewesen.

                          Beste Grüße

                          Oliver
                          Zuletzt geändert von Koblenzer14; 30.03.2021, 17:23.

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