Der letzte Bericht endet im Baltikum und setzt sich mit dem Weg Richtung asiatischer Grenze fort.
Wünsche interessante Eindrücke!
Helen
---
Da mir die Reise nach Riga mit der Bahn zu riskant war, ritt ich bis zu dem 40 Werst entfernten Gute Allasch. Der dortige, mir bekannte Inspektor versprach, das Pferd zurückzuschicken und ließ mich mit einem Wagen weiter nach Riga fahren, wo ich unbehelligt eintraf. Es waren bereits viele Verhaftungen erfolgt und ich durfte nun nicht länger zögern. Bei den recht schwierigen Bemühungen um eine Fahrkarte stieß ich auf einen mir gut bekannten Förster vom Gute Kroppenhof, dem nächsten Nachbargute von Winterfeld, der mit einigen Freunden ebenfalls im Begriff stand, abzureisen. Ich schloss mich dieser Gesellschaft an und wir beschlossen, uns in der nächsten Zukunft möglichst nicht zu trennen. Unsere Gruppe bestand aus Förster Speß, Förster Poley, den Elektrikern Höhne und Haage und mir.
s. Bild unten
Wir hatten den Weg Riga – Dwinsk – Wjasma – Tula - Samara gewählt. Die Fahrkarte kostete 13 Rubel, war also im Verhältnis zur Länge der Strecke recht billig. Die Wagen waren dermaßen überfüllt, dass uns bei dem Gedanken, dass wir nun vier Tage so zusammengepfercht fahren sollten, gruselte. Fast alle Mitreisenden waren Leidensgenossen und ich staunte ob der großen Zahl der in den Baltischen Provinzen lebenden Reichsdeutschen. Freilich waren darunter viele, die Deutschland nie gesehen hatten. Das waren Nachkommen eingewanderter Reichsdeutscher, die es mit Absicht oder aus Nachlässigkeit versäumt hatten, die russische Staatsbürgerschaft zu erwerben. So war von meinen Reisegenossen nur Speß einmal in Deutschland gewesen und zwar auf der Forstakademie in Eisenach.
Einige waren dabei, die nicht einmal der Sprache mächtig waren.
Auf allen Stationen standen Militärzüge, meist besetzt mit Artillerie. Überall wurde gesungen und bei unserem Anblick „Uräh“ geschrieen. In Dwinsk stiegen noch weitere Deportierte zu uns.
Am 30. Juli kamen wir in Wjasma an. Da wir dort 3 Std. Aufenthalt hatten, ging ich in die Stadt, um einen Frisör zu suchen. dieser, ein Jude, erzählte mir auf jiddisch, dass es wahrscheinlich zwischen Russland und Deutschland zum Kriege kommen werde. Er war sehr erstaunt zu hören, dass dieser bereits eine Woche lang im Gange sei und er in mir den ersten Kriegsgefangenen bewundern könne. Er hielt dies für einen faulen Witz und lachte albern, denn ein Gefangener konnte doch nicht zu ihm kommen um sich den Bart abschaben zulassen.
Die nächste Nacht verbrachte ich auf dem obersten Gepäckteil und schlief dort recht gut. Die Extrablätter, die wir am nächsten Tage kauften, meldeten nichts Gutes. Lüttich war noch nicht genommen und bei Mühlhausen sollten wir furchtbare Verluste erlitten haben. Die Meldungen waren so niederschmetternd, dass wir sie nur als Lügen ansehen konnten. Ein solch beispielloser Misserfolg war nicht denkbar.
Wir passierten die Städte Kaluga, Tula, waren also im berühmten Schwarzerdegebiet. Links und rechts vom Schienenstrang dehnten sich endlose Felder aus, Sie waren zum größten Teil bereits abgeerntet, einige bereits geschält. Aber selten sah man auf ihnen Arbeiter, alles lag still und verlassen wie an einem Sonntage.
Nur große Rinder- und Schafherden weideten auf den noch stehenden Stoppeln. Fortwährend begegneten uns Züge mit Soldaten, meist Männer mit langen Bärten.
Am 4. Tage kamen wir an die alte viel gepriesene, viel besungene Wolga. Ich war von ihr sehr enttäuscht, ich hatte sie mit größer vorgestellt. Stellenweise war sie recht schmal, wahrscheinlich führte sie in diesem trockenen Jahre wenig Wasser. Der Schiffsverkehr auf ihr war jedoch recht bedeutend, 'Ich sah einige Passagierdampfer und viele Frachter. Bevor wir die sehr lange Brücke passierten, hielt der Zug und alle Fenster mussten geschlossen werden. Der Grund für diese Maßregel blieb uns unbekannt. „Bombenfurcht“ meinte ein Mitreisender. Auf dem linken Ufer des Stromes sieht man nur bewaldete Hügel, während auf der anderen Seite sich fruchtbare Felder und Wiesen ausdehnen. ‚Bergseite’ und ‚Wiesenseite’ werden die beiden Ufer genannt.
Wünsche interessante Eindrücke!
Helen
---
Da mir die Reise nach Riga mit der Bahn zu riskant war, ritt ich bis zu dem 40 Werst entfernten Gute Allasch. Der dortige, mir bekannte Inspektor versprach, das Pferd zurückzuschicken und ließ mich mit einem Wagen weiter nach Riga fahren, wo ich unbehelligt eintraf. Es waren bereits viele Verhaftungen erfolgt und ich durfte nun nicht länger zögern. Bei den recht schwierigen Bemühungen um eine Fahrkarte stieß ich auf einen mir gut bekannten Förster vom Gute Kroppenhof, dem nächsten Nachbargute von Winterfeld, der mit einigen Freunden ebenfalls im Begriff stand, abzureisen. Ich schloss mich dieser Gesellschaft an und wir beschlossen, uns in der nächsten Zukunft möglichst nicht zu trennen. Unsere Gruppe bestand aus Förster Speß, Förster Poley, den Elektrikern Höhne und Haage und mir.
s. Bild unten
Wir hatten den Weg Riga – Dwinsk – Wjasma – Tula - Samara gewählt. Die Fahrkarte kostete 13 Rubel, war also im Verhältnis zur Länge der Strecke recht billig. Die Wagen waren dermaßen überfüllt, dass uns bei dem Gedanken, dass wir nun vier Tage so zusammengepfercht fahren sollten, gruselte. Fast alle Mitreisenden waren Leidensgenossen und ich staunte ob der großen Zahl der in den Baltischen Provinzen lebenden Reichsdeutschen. Freilich waren darunter viele, die Deutschland nie gesehen hatten. Das waren Nachkommen eingewanderter Reichsdeutscher, die es mit Absicht oder aus Nachlässigkeit versäumt hatten, die russische Staatsbürgerschaft zu erwerben. So war von meinen Reisegenossen nur Speß einmal in Deutschland gewesen und zwar auf der Forstakademie in Eisenach.
Einige waren dabei, die nicht einmal der Sprache mächtig waren.
Auf allen Stationen standen Militärzüge, meist besetzt mit Artillerie. Überall wurde gesungen und bei unserem Anblick „Uräh“ geschrieen. In Dwinsk stiegen noch weitere Deportierte zu uns.
Am 30. Juli kamen wir in Wjasma an. Da wir dort 3 Std. Aufenthalt hatten, ging ich in die Stadt, um einen Frisör zu suchen. dieser, ein Jude, erzählte mir auf jiddisch, dass es wahrscheinlich zwischen Russland und Deutschland zum Kriege kommen werde. Er war sehr erstaunt zu hören, dass dieser bereits eine Woche lang im Gange sei und er in mir den ersten Kriegsgefangenen bewundern könne. Er hielt dies für einen faulen Witz und lachte albern, denn ein Gefangener konnte doch nicht zu ihm kommen um sich den Bart abschaben zulassen.
Die nächste Nacht verbrachte ich auf dem obersten Gepäckteil und schlief dort recht gut. Die Extrablätter, die wir am nächsten Tage kauften, meldeten nichts Gutes. Lüttich war noch nicht genommen und bei Mühlhausen sollten wir furchtbare Verluste erlitten haben. Die Meldungen waren so niederschmetternd, dass wir sie nur als Lügen ansehen konnten. Ein solch beispielloser Misserfolg war nicht denkbar.
Wir passierten die Städte Kaluga, Tula, waren also im berühmten Schwarzerdegebiet. Links und rechts vom Schienenstrang dehnten sich endlose Felder aus, Sie waren zum größten Teil bereits abgeerntet, einige bereits geschält. Aber selten sah man auf ihnen Arbeiter, alles lag still und verlassen wie an einem Sonntage.
Nur große Rinder- und Schafherden weideten auf den noch stehenden Stoppeln. Fortwährend begegneten uns Züge mit Soldaten, meist Männer mit langen Bärten.
Am 4. Tage kamen wir an die alte viel gepriesene, viel besungene Wolga. Ich war von ihr sehr enttäuscht, ich hatte sie mit größer vorgestellt. Stellenweise war sie recht schmal, wahrscheinlich führte sie in diesem trockenen Jahre wenig Wasser. Der Schiffsverkehr auf ihr war jedoch recht bedeutend, 'Ich sah einige Passagierdampfer und viele Frachter. Bevor wir die sehr lange Brücke passierten, hielt der Zug und alle Fenster mussten geschlossen werden. Der Grund für diese Maßregel blieb uns unbekannt. „Bombenfurcht“ meinte ein Mitreisender. Auf dem linken Ufer des Stromes sieht man nur bewaldete Hügel, während auf der anderen Seite sich fruchtbare Felder und Wiesen ausdehnen. ‚Bergseite’ und ‚Wiesenseite’ werden die beiden Ufer genannt.
Kommentar