Wie reiste man im17. Jahrhundert?

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  • Alrunia
    Erfahrener Benutzer
    • 13.02.2010
    • 173

    #16
    Hi,

    zwischen 30 und 40 Km war eine übliche Tagesmarschleistung der römischen Legionäre, die einiges Gepäck trugen (Spottname: die Packesel des Marcus Antonius).
    Mittelalterliche Handwerker auf der Walz dürften sich ähnlich schnell bewegt haben, hatten dazu den Vorteil, dass sie in vielen Städten durch ihre Zunft unterstützt wurden.
    Die Gefahr von Überfällen bestand, sie ist auch der Grund, dass Studenten Säbel tragen durften, ohne adlig zu sein. Daher rühren die schlagenden Verbindungen.
    Die Handwerker trugen zur Verteidigung einen festen Stock bei sich.

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    • Alex71
      Erfahrener Benutzer
      • 18.04.2007
      • 592

      #17
      Zitat von alura Beitrag anzeigen
      zwischen 30 und 40 Km war eine übliche Tagesmarschleistung der römischen Legionäre, die einiges Gepäck trugen (Spottname: die Packesel des Marcus Antonius).
      Mittelalterliche Handwerker auf der Walz dürften sich ähnlich schnell bewegt haben
      Hallo Alura, da muss man aber fairerweise dazusagen, dass die Römer gut ausgebaute, gepflasterte Straßen hatten. Mit der Situation im Mittelalter oder im 17. Jahrhundert, um das es hier geht, als es fast nur Naturwege gab, kann man das nicht vergleichen. Diese Naturwege schnitten sich als Hohlwege in lockeren Untergrund ein, waren bei Trockenheit mit einer dicken Schutt- und Staubschicht, nach Regenfällen mit tiefem Schlamm und Morast bedeckt. Nicht selten kam es vor, dass bei Tauwetter ganze Abschnitte unpassierbar wurden. Die Römerstraßen waren verwittert und verfallen. Von "Straßen" konnte zu jener Zeit eigentlich gar keine Rede sein.

      Gruß
      Alexander

      Herkunft meiner Ahnen bei Google Maps

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      • Alrunia
        Erfahrener Benutzer
        • 13.02.2010
        • 173

        #18
        Dem widerspreche ich nicht.
        Aber zum Ausgleich reiste der Handwerker nur mit leichtem Gepäck und nicht in einer Kolonne.
        Es kommt auch noch hinzu, dass die Passierbarkeit auch mit der Landschaftsform zusammen hängt, in einigen Gegenden ging es flotter vorwärts, in anderen war es mühselig.
        Fakt ist, es wurde viel zu Fuß bewältigt. Wir sind schon sehr verwöhnt

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        • Johannes v.W.
          Erfahrener Benutzer
          • 02.05.2008
          • 1150

          #19
          Hallo Alex, das halte ich jetzt für etwas zu dramatisiert. Die alten Wege waren schon durch den langen Verkehr gehörig festgestampft. Lang anhaltende Feuchtigkeit war sicher ein Problem, aber mehr für die Fuhrwerke, die vermodderten und steckenblieben. Die Pflasterung der römischen Straßen, die man noch heute z.B. an der Via Appia über weite Stellen bewundern kann, war auch vornehmlich für Fuhrwerke gemacht und ist- da aus großen Basaltbuckeln- für Fußgänger eher unbequem. Die nahmen den "Sommerweg" daneben.
          Einen ganz wesentlichen Unterschied gab es allerdings zwischen den Römerstraßen und den späteren: Die Römer bauten ihre Straßen meist ziemlich schnurgerade; wenn einmal eine Steigung kam- macht nicht´s- gerade drüber. Der Grund war, daß sie ihre Truppen so schnell als möglich bewegen mußten.
          Die typisch mittelalterlichen Straßen dagegen winden sich in vielen Kurven und Serpentinen und verlängern die Wegesstrecke oft ganz erheblich.

          Viele Grüße
          Johannes
          Dergleichen [genealogische] Nachrichten gereichen nicht nur denen Interessenten selbst, sondern auch anderen kuriosen Personen zu einem an sich unschuldigen Vergnügen; ja, sie haben gar oft in dem gemeinen Leben und bei besonderen Gelegenheiten ihren vielfältigen Nutzen. Johann Jakob Moser, 1752

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          • Friedrich
            Moderator
            • 02.12.2007
            • 11325

            #20
            Moin Johannes,

            Zitat von Johannes v.W. Beitrag anzeigen
            Die typisch mittelalterlichen Straßen dagegen winden sich in vielen Kurven und Serpentinen und verlängern die Wegesstrecke oft ganz erheblich.
            auch mittelalterliche Straßen verliefen oft schnurgerade oder weitgehend so. Es gibt quer durch das Sauerland die sogenannte Heidenstraße von Köln nach Kassel. Wenn man den Verlauf dieser Straße verfolgt, und ein Lineal entlang der Luftlinie Köln-Kassel legt, wird man feststellen, daß die Trasse in keinem Fall mehr als 5 km abwich! Auch bei den größten Steigungen, z.B. aus dem Lennetal zum Gebiet des Kahlen Asten, ging es schnurgerade bergauf.

            Im Gebirge führten die Straßen, weil sie so besser passierbar waren, oftmals, so paradox das auch klingt, über die Höhen, da in den Tälern aufgrund der Feuchte oft kein Fortkommen war. Auf den Höhen hatte man den Fels unter den Rädern.

            Viele Bauern in den anliegenden Dörfern verdienten sich übrigens durch Vorspann den einen oder anderen Pfennig dazu.

            Friedrich
            "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
            (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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            • Johannes v.W.
              Erfahrener Benutzer
              • 02.05.2008
              • 1150

              #21
              Hallo Friedrich
              vielen Dank, das ist sehr interessant, wie überhaupt das ganze Thema historische Straßen. Leider bin ich auch kein Experte. Mein Wissen habe ich aus einem Aufsatz von Prof. Dr. Esch- ehemals Deutsches Historisches Institut- Rom, der sich über lange Zeit mit diesem Themenkreis beschäftigte.
              Bei Wikipedia steht allerdings auch, daß die "Heidenstraße" durchs Sauerland vermutlich um einiges älter ist als das Mittelalter. Angesichts des Alters von Köln wäre das auch nicht verwunderlich.

              Viele Grüße
              Johannes
              Dergleichen [genealogische] Nachrichten gereichen nicht nur denen Interessenten selbst, sondern auch anderen kuriosen Personen zu einem an sich unschuldigen Vergnügen; ja, sie haben gar oft in dem gemeinen Leben und bei besonderen Gelegenheiten ihren vielfältigen Nutzen. Johann Jakob Moser, 1752

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              • Heiko10
                Erfahrener Benutzer
                • 11.11.2006
                • 110

                #22
                Neben Kutsche, Pferd und zu Fuß dürften auch weite Wege mit dem Floss bzw. Schiff vorgenommen worden sein. Die Auswanderer von Baden und Pfalz benutzten nach Amerika den Rhein bis Rotterdam und die Auswanderer nach Odessa die Donau.

                mfG

                Heiko

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                • Invader2
                  Benutzer
                  • 12.10.2007
                  • 71

                  #23
                  Zitat von Ursula Beitrag anzeigen
                  Hallo,

                  mein Vorfahr Melchior Conrad stammt aus einer Stadt nahe des Züricher Sees. Dort wurde er geboren. Die Familie wanderte nach Oberschwaben aus.

                  Melchiors Mutter heiratete in Oberschwaben ein zweites Mal 1674. Melchior war dort als Zeuge anwesend. Nun fand ich ihn jedoch im Kirchenbuch in der Schweiz von 1675 bis Februar 1680 dreimal als Taufpaten eingetragen.

                  Im Mai 1680 heiratete er in einem Dorf in Oberschwaben.

                  Uschi
                  Also... er stammt vom Zuericher See; ist 1674 in Oberschwaben; zwischen 75 und 80 in der Schweiz und 1680 in Oberschwaben.
                  Sorry, kann ich mir nicht vorstellen. Dass jemand 3mal diese Strecke auf sich nimmt... Bist Du 100% sicher, dass das ein und dieselbe Person ist?
                  Bei mir hat sich von 1620 bis ins 19. Jht alles in demselben Ort bzw. Nachbarort abgespielt. Denen ihr Horizont hat sich fuer Jahrhunderte nicht veraendert!
                  Desweiteren habe ich eine Hochzeit, bei der die Vaeter der Brautleute beide den gleichen Namen haben.
                  Wiederau, Burgstädt, Stein, Mohsdorf, Hartmannsdorf: Mehner
                  Löwenhain: Lehmann
                  Lübeck: Untermann
                  Bautzen: Hobe

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                  • Alex71
                    Erfahrener Benutzer
                    • 18.04.2007
                    • 592

                    #24
                    In Anbetracht der Tatsache, dass selbst im 18. Jahrhundert die Straßen noch in derart jämmerlichem Zustand waren, dass sogar die Ernährung der Bevölkerung gefährdet war, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dass meine Darstellung zu dramatisch ist. Ein Beispiel: Im Jahr 1730 sah sich der Lenneper Stadtrat genötigt, ein Schreiben an die Landesverwaltung bezüglich der Wermelskirchener Landstraße zu richten. Ich zitiere wörtlich:

                    "Zum allergrößten Nachteil des Handels ist die Landstraße zwischen den Dörfern Schlebusch und Wermelskirchen völlig verdorben und dergestalten unbrauchbar, daß die Getreidefuhr von Köln aus für die Stadt Lennep infrage gestellt ist."

                    Dann gibt es eine Eingabe des Lenneper Bürgermeisters an die Kurfürstliche Regierung aus dem Jahr 1764 (also 34 Jahre später!) mit folgendem Wortlaut:

                    "[...] Durch die Unbrauchbarkeit der Wermelskirchener Landstraße wird den armen Unterthanen unerträglicher Schaden zu ihren und des Handels völligen Ruin auf dem Halse bleiben. Sie tragen zur Wegeunterhaltung immer noch das Ihrige bei. Wenn hier keine Abhilfe geschaffen wird, müssen sie, der hohen Transportkosten wegen, ihren Handel aufgeben, oder, wie von vielen schon geschehen, sich ganz außer Landes begeben [...]"

                    In einer weiteren Klage bezüglich des schlechten Zustandes der bergischen Straßen heißt es:

                    "[...] daß der Reisende wegen der darin ausgefahrenen Löcher und großen Steine jeden Augenblick den Wagen zu zerbrechen risquiret und dem ohngeachtet ein übertriebenes Barriergeld bezahlen muß."

                    In einem Reisebericht aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert liest man:

                    "[...] Unmöglich wäre unser Wagen durch diese Mordwege, ohne in Stücke zu zerschlagen, zu bringen gewesen [...]"

                    Ein anderer Reisender stellt fest:

                    "[...] Die Straßen sind größtentheils schlecht, schmal, uneben, und deswegen eben so unbequem zum Gehen, als zum Reiten und Fahren [...]"

                    Berichte und Aussagen dieser Art ließen sich noch in großer Zahl fortsetzen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bergische Land eine Einzelfallregion war. In weiten Teilen Deutschlands sah es mit Sicherheit ganz ähnlich aus.

                    Gruß
                    Alexander

                    Herkunft meiner Ahnen bei Google Maps

                    Kommentar

                    • Hina
                      Erfahrener Benutzer
                      • 03.03.2007
                      • 4661

                      #25
                      Hallo Alex,

                      solche "Straßenzustandsberichte" habe ich auch schon gelesen. Das kann man sich bildlich ganz gut vorstellen, wie da Mensch und Tier geklettert und versunken sind. Deshalb auch meine Zweifel an der Kilometerleistung, es sei denn, die Straßen dort waren nicht ganz so schlimm, hatten tatsächlich "Sommerwege" und das Wetter ließ es zu, diese auch zu benutzen und es waren nicht so viele Anstiege. Also gute Bedindungen.

                      Wobei mir noch ein Gedanke gekommen ist. Warum sollte der Mann eigentlich wie die Autos heute 200 km um den Schwarzwald herumgelaufen sein? Wenn die Bedingungen es hergaben, ist er mitten durch marschiert und dann sind es vom Zürichsee bis Biberach keine 150 km mit zwei Dritteln flacher Strecke, was die Sache wesentlich vereinfacht. Am Wegensrand liegen auch Orte, die ganz bestimmt auch auf die Schwarzwaldquerer gut eingestellt waren.

                      Viele Grüße
                      Hina
                      "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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                      • Laurin
                        Moderator
                        • 30.07.2007
                        • 5654

                        #26
                        Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
                        Moin Johannes,

                        auch mittelalterliche Straßen verliefen oft schnurgerade oder weitgehend so. Es gibt quer durch das Sauerland die sogenannte Heidenstraße von Köln nach Kassel. Wenn man den Verlauf dieser Straße verfolgt, und ein Lineal entlang der Luftlinie Köln-Kassel legt, wird man feststellen, daß die Trasse in keinem Fall mehr als 5 km abwich! Auch bei den größten Steigungen, z.B. aus dem Lennetal zum Gebiet des Kahlen Asten, ging es schnurgerade bergauf.

                        Im Gebirge führten die Straßen, weil sie so besser passierbar waren, oftmals, so paradox das auch klingt, über die Höhen, da in den Tälern aufgrund der Feuchte oft kein Fortkommen war. Auf den Höhen hatte man den Fels unter den Rädern.

                        Viele Bauern in den anliegenden Dörfern verdienten sich übrigens durch Vorspann den einen oder anderen Pfennig dazu.

                        Friedrich
                        Wanderungen in meiner "Siegerländer Zeit" führten oft auf solchen alten Straßen, z.B. der Siegerländer Eisenstraße (heute als Fahrstraße asphaltiert, deshalb Wanderweg danebenliegend) oder dem Rothaarsteig entlang. Vor allem auf Steigungsstrecken kann man heute noch an den Hohlwegen den alten Straßenverlauf erkennen. Wahrlich mühevoll - vor allem der Auf - und Abstieg für Pferdefuhrwerke!
                        Freundliche Grüße
                        Laurin

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                        • Alex71
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.04.2007
                          • 592

                          #27
                          Zitat von Hina Beitrag anzeigen
                          Wobei mir noch ein Gedanke gekommen ist. Warum sollte der Mann eigentlich wie die Autos heute 200 km um den Schwarzwald herumgelaufen sein? Wenn die Bedingungen es hergaben, ist er mitten durch marschiert und dann sind es vom Zürichsee bis Biberach keine 150 km mit zwei Dritteln flacher Strecke, was die Sache wesentlich vereinfacht. Am Wegensrand liegen auch Orte, die ganz bestimmt auch auf die Schwarzwaldquerer gut eingestellt waren.
                          Hallo Hina,

                          Ursula schrieb ja von Oberschwaben, deshalb geht es wohl nicht um Biberach im Schwarzwald, sondern um Biberach an der Riß. Laut Google Maps wären das 153 km in der kürzesten heutigen Verbindung, wobei man allerdings über den Bodensee schippern muss. Aber Fährverbindungen gab es doch sicher auch schon im 17. Jahrhundert, oder? Dann würde ich mich sogar auf eine Reisezeit von nur vier Tagen festlegen.

                          Aber ich weiß auch nicht wie Ursula auf 207 km gekommen ist. Selbst wenn man um den Bodensee herummarschiert, sind es nur 164 km.

                          Gruß
                          Alexander
                          Zuletzt geändert von Alex71; 11.03.2010, 12:11.

                          Herkunft meiner Ahnen bei Google Maps

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                          • Hina
                            Erfahrener Benutzer
                            • 03.03.2007
                            • 4661

                            #28
                            Ja, das hatte mich auch schon irritiert, dann wären es auch mit dem Auto keine 207 km vom Zürichsee. Dafür aber bergiges Gelände.
                            Viele Grüße
                            Hina
                            "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

                            Kommentar

                            • Johannes v.W.
                              Erfahrener Benutzer
                              • 02.05.2008
                              • 1150

                              #29
                              Ich habe hier noch einen zeitgenössischen Bericht gefunden, Mitte 17. Jahrhundert, der von Reisen bei/zu Hochzeitsgesellschaften erzählt.
                              Allerdings handelte es sich hier um wohlhabende (jüdische) Städter. Dennoch ist es eine interessante Orginalquelle, die vielleicht Einblick in die Verhältnisse geben kann.

                              Den bekannten Memoiren der Glückel Hameln entnommen (die ersten einer Frau in Deutschland):

                              ...Ich bin noch ein Mädchen von kaum zwölf Jahren
                              gewesen, da hat mich mein Vater schon verlobt und
                              ich bin ungefähr zwei Jahre verlobt geblieben. Meine
                              Hochzeit war in Hameln. Meine Eltern fuhren mit mir
                              [von Hamburg aus] und einer Hochzeitsgesellschaft
                              von etwa zwanzig Personen dorthin.
                              Damals gab es noch keine Postwagen
                              [auf dieser Strecke] ; so mußten wir uns von Bauern
                              Wagen mieten bis gen Hannover. Sobald wir nach
                              Hannover kamen, schrieben wir nach Hameln, sie sollten
                              uns Wagen nach Hannover schicken. Meine Mutter
                              meinte, daß man in Hameln Kutschen haben könnte wie
                              in Hamburg. Wenigstens dachte sie, daß mein Schwieger-
                              vater eine Kutsche schicken würde, damit die Braut und
                              ihre Leute darin fahren könnten. Aber am dritten Tage
                              kamen drei oder vier Bauernwagen an ; die hatten Pferde,
                              denen es nötig gewesen wäre, daß man sie selbst auf den
                              Wagen gelegt hätte. Obwohl nun meine Mutter darüber
                              ein wenig erzürnt war, konnte sie es doch nicht ändern.
                              So setzten wir uns denn in Gottes Namen auf die Bauern-
                              wägelchen und kamen nach Hameln. Abends hatten wir
                              ein richtiges Festmahl. Mein wackerer Schwiegervater
                              Joseph Hameln seligen Angedenkens, der wenige seines-
                              gleichen hatte, nahm ein großes Glas Wein und trank
                              meiner Mutter zu. Meine Mutter hatte noch immer einen
                              kleinen Groll darüber, daß man uns keine Kutschen ent-
                              gegengeschickt hatte. Mein sel. Schwiegervater merkte
                              ihren Groll, und wie er überhaupt ein sehr liebenswürdiger
                              Mann und ein großer Witzling war, sagte er zu meiner
                              Mutter: „Ich bitt' Euch, seid nit böse, Hameln ist nit
                              Hamburg, wir haben hier keine Kutschen, wir sind
                              schlichte Landleute. Ich will Euch erzählen, wie es mir
                              ergangen ist, als ich Bräutigam war und zu meiner Hoch-
                              zeit gereist bin. Mein Vater, Samuel Stuttgart war Vor-
                              steher der jüdischen Gemeinden in ganz Hessen^) und
                              mein Freudchen war Nathan Spaniers Tochter. Als Mitgift
                              habe ich 2000 Reichstaler bekommen und mein sel. Vater
                              hat mir 1500 Reichstaler versprochen, das war damals so
                              eine große Mitgift. Wie es nun zur Hochzeit ging, hat
                              mein sel. Vater einen Boten gedungen, den man den
                              , Fisch' genannt hat. Diesem hat er meine Mitgift auf
                              den Buckel geladen, um sie nach Stadthagen zu tragen,
                              wo mein sel. Schwiegervater wohnte. Ich und mein Bote
                              Fisch haben uns nun auf die Füße gemacht und sind
                              nach Stadthagen gegangen. Damals war Loeb Hildes-
                              heim, den ich in meinem ersten Buche erwähnt habe, in
                              Stadthagen, da er auch ein Schwiegersohn meines Schwie-
                              gervaters Nathan Spanier war. Als ich nun nicht weit
                              von Stadthagen war, ist ein Geschrei gekommen, daß der
                              Bräutigam nicht weit wäre. Da ist Loeb Hildesheim mit
                              seiner Gesellschaft dem Bräutigam entgegengeritten — er
                              ist von Hildesheim gewesen, von Leuten, die sich allezeit
                              gar prächtig gehalten haben. Wie er mich nun mit meinem
                              Boten, dem Fisch, zu Fuß antrifft, reitet er schnell wieder
                              in die Stadt hinein und bringt meiner Braut die Botschaft,
                              ihr Bräutigam komme auf einem Fisch zu reiten. Da ich
                              jetzt wohl auf guten Pferden reiten kann, so bitte
                              ich Euch, darüber nicht ungeduldig zu sein." So hat sich
                              diese Verstimmung in eitel Gelächter und Freundschaft
                              aufgelöst und die Hochzeit wurde in Lust und Freude
                              gefeiert.


                              Viele Grüße
                              Johannes
                              Zuletzt geändert von Johannes v.W.; 12.03.2010, 11:29. Grund: Transkriptionsfehler verbessert
                              Dergleichen [genealogische] Nachrichten gereichen nicht nur denen Interessenten selbst, sondern auch anderen kuriosen Personen zu einem an sich unschuldigen Vergnügen; ja, sie haben gar oft in dem gemeinen Leben und bei besonderen Gelegenheiten ihren vielfältigen Nutzen. Johann Jakob Moser, 1752

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                              • Hina
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                                • 03.03.2007
                                • 4661

                                #30
                                Lieber Johannes,
                                eine herrliche Geschichte .
                                Viele Grüße
                                Hina
                                "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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