Scheidung in Wien - Wie ist das zu interpretieren?

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  • schitho
    Erfahrener Benutzer
    • 17.08.2008
    • 885

    #16
    Hallo Reinhard!

    Daran habe ich auch schon gedacht. Aber: müsste so eine Annulierung nicht auch im Trauungsbuch vermerkt sein? Und ist eine Annullierung nach mehr als 12 Jahren Ehe mit 4 gemeinsamen Kindern überhaupt denkbar?

    Vielen Dank!

    Gruß
    Thomas

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    • Kasstor
      Erfahrener Benutzer
      • 09.11.2009
      • 13449

      #17
      Hallo,

      ihr macht es euch aber ziemlich schwer. Von Annullierung war ja bisher nie die Rede.
      Ich denke, hier http://de.wikipedia.org/wiki/Eheverbot unter Sever-Ehen steht es noch einmal deutlich, was im schon verlinkten Beitrag aus #12 auch schon angedeutet steht. Der unterschiedliche Gebrauch des Begriffs Scheidung ist heutzutage natürlich irreführend.

      Frdl. Grüße

      Thomas
      Zuletzt geändert von Kasstor; 22.01.2015, 21:40.
      FN Pein (Quickborn vor 1830), FN Hinsch (Poppenbüttel, Schenefeld), FN Holle (Hamburg, Lüchow?), FN Ludwig/Niesel (Frankenstein/Habelschwerdt) FN Tönnies (Meelva bei Karuse-Estland, später Hamburg), FN Lindloff (Altona, Lüneburg, Suderburg)

      Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam

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      • schitho
        Erfahrener Benutzer
        • 17.08.2008
        • 885

        #18
        Hallo Thomas!

        Vielen Dank für Deinen Beitrag und Link! Bin mir noch nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe. Es könnte also so gewesen sein?
        • Die Ehe meiner Urgroßmutter wurde zwischen 1920 und 1923 gerichtlich "geschieden" (Trennung von Tisch und Bett)
        • Aufgrund dieser Scheidung konnte mein Urgroßvater 1923 neuerlich standesamtlich heiraten (Sever-Ehe)
        • Mit Beschluss des Wiener Magistrat aus dem Jahr 1939 wurde die geschiedene Ehe endgültig rechtswirksam anerkannt.


        Stimmt diese Interpretation nun?

        Über die gerichtliche Scheidung aus den 1920er müsste also ein Gerichtsbeschluss vorliegen. Eine frühere Anfrage beim Stadt- und Landesarchiv Wien bracht da leider kein Ergebnis (wurde nicht gefunden). Könnte dieser Beschluss auch bei Gericht (Bezirksgericht???) aufliegen?

        Müsste man die Unterlagen aus dem Jahr 1923 zur standesamtlichen Verehelichung (2. Ehe) meines Großvaters auch im Stadt- oder Landesarchiv Wien finden?

        Vielen Dank und viele Grüße
        Thomas

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        • schitho
          Erfahrener Benutzer
          • 17.08.2008
          • 885

          #19
          Guten Abend!

          Ich habe nun die Antwort des Stadt- und Landesarchiv für Wien erhalten. Leider haben Sie keine Unterlagen gefunden.

          Unklar sind mir aber die Aussagen im Schreiben (fett):

          Sehr geehrter Herr Schiller,
          zu Ihrer Anfrage vom 19. Jänner dieses Jahres teilen wir Folgendes mit:
          Die Angabe, wonach die Ehe von Serafine und Franz Konrad am 17.7.1939 unter angegebener Zahl bei der Magistratsabteilung 1 (WStLA, M.Abt. 116) per Bescheid als geschieden bestätigt worden sein soll, konnte nicht verifiziert werden. Die Durchsicht der Protokolle und Karteien im Archivbestand (M.Abt.116, B52, K2 und K3) blieb erfolglos. Das im Speziellen für Eheangelegenheiten geführte Register der Abteilung wird nicht in unserem Archiv verwahrt, es muss als verloren gelten. Deshalb konnte die Zahl nicht letztgültig verifiziert werden. Die Durchsicht aller in Frage kommender bei uns verwahrter Aktenserien zu Eheangelegenheiten (WStLA, M.Abt. 116, A 27, A 28 und A 44) verlief ebenso negativ. Auch ein Versuch, die Scheidung in den Akten des Landesgerichts für Zivilrechtssachen für 1939 nachzuvollziehen, blieb negativ.

          Aus den in unserem Archiv verwahrten Historischen Meldeunterlagen für Wien lässt sich allerdings, wie Sie aus bereits übermittelten Meldeauskünften wissen, eine zeitliche Einengung erreichen:

          Das Datum der Ehescheidung konnte über die Meldeunterlagen nicht eruiert werden. 1939 kann aber unmöglich das Jahr der Scheidung gewesen sein, da Franz Konrad bereits am 25. März 1934 eine neue Ehe eingegangen ist. Franz Konrad (gest. am 10.8.1944 in Wien) ist jedenfalls ab 1920, Serafine Konrad (gestorben am 5.12.1970 in Wien) ab 1924 als geschieden gemeldet.

          Ehescheidungen werden (und wurden) immer von einem Gericht ausgesprochen. Im Fall einer Scheidung beim Landesgericht für Zivilrechtssachen besteht keine Möglichkeit die Ehescheidung nachzuvollziehen, da die Akten aus den 1920er Jahren beim Justizpalastbrand 1927 vernichtet wurden. Bei einer Scheidung vor einem Bezirksgericht (Trennung von Tisch und Bett) müsste für die Recherchen das Bezirksgericht bekannt sein, das die Scheidung ausgesprochen hat.
          Das Stadt- und Landesarchiv schreibt:
          • Im Archivbestand des Magistrats wurde keine Unterlagen gefunden.
          • Eine Ehescheidung wurde "immer" vor einem Gericht ausgesprochen


          Wieso kann es dann aber einen Vermerk im Trauungsbuch geben (siehe Anhang), der auf das Magistrat verweist, wenn eine Scheidung immer vor einem Gericht stattfinden musste? Und warum sucht man dann überhaupt im Archivbestand des Magistrats?

          Könnt Ihr Euch das erklären? Bitte um Eure Hilfe.

          Danke

          Viele Grüße
          Thomas
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          • Kasstor
            Erfahrener Benutzer
            • 09.11.2009
            • 13449

            #20
            Hallo Thomas,

            hier: http://www.jku.at/kanonistik/content...gesetz1938.pdf ist noch mal der Gesetzestext mit Übergangsbestimmungen ab § 109. Im Moment bin ich etwas zu müde, um da jede Möglichkeit auszuloten. Dass der Magistrat damit befasst war, ist wohl der Einführung der Zivilehe ab 1.8.38 geschuldet.

            Frdl. Grüße

            Thomas
            FN Pein (Quickborn vor 1830), FN Hinsch (Poppenbüttel, Schenefeld), FN Holle (Hamburg, Lüchow?), FN Ludwig/Niesel (Frankenstein/Habelschwerdt) FN Tönnies (Meelva bei Karuse-Estland, später Hamburg), FN Lindloff (Altona, Lüneburg, Suderburg)

            Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam

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            • schitho
              Erfahrener Benutzer
              • 17.08.2008
              • 885

              #21
              Vielen Dank!

              Im §115 Abs. 1 des Ehegesetzes 1938 steht folgendes (Auszug):
              Jeder Ehegatte einer von Tisch und Bett geschiedenen Ehe kann den Antrag stellen, daß die Scheidung der Ehe im Sinne dieses Gesetzes ausgesprochen werde. Zuständig ist das Bezirksgericht, in dessen Sprengel einer der Ehegatten seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen im Lande Österreich hat, wenn es an einem solchen fehlt, das Bezirksgericht Innere Stadt in Wien. Eine Klage auf Scheidung der Ehe nach den Vorschriften dieses Gesetzes ist ausgeschlossen.
              Im Abs. 2 ist im letzten Satz zu lesen:

              Eine Ausfertigung des Beschlusses ist dem Amte des Reichsstatthalters in Österreich zu übermitteln. Dieses veranlaßt die Anmerkung im Eheregister (Trauungsmatrik).
              Verstehe ich das richtig:
              Wenn eine Ehe von Tisch und Bett (vor 1938) geschieden wurde, dann kann ein (geschiedener) Ehegatte die (neuerlich) Scheidung (mit den Rechtsfolgen nach dem Ehegesetz 1938) beim Bezirksgericht begehren. Der Beschluss wird dem "Amt des Reichsstatthalters" (in Wien das Magistrat?) übermittelt und dieses veranlasst die Eintragung im Trauungsbuch.

              Das könnte auch erklären, warum im Trauungsbuch ein Eintrag aus dem Jahr 1939 mit einer Zahl des Magistrat angeführt ist. Zu diesem Bescheid (?) des Magistrat müsste es demnach auch einen Beschluss des Bezirksgerichts geben.

              Ich vermute mal, dass sich die Zuständigkeit des Bezirksgericht nach der Wohnadresse des/der Antragstellers/in ergab. Ist das richtig?

              Somit wäre aber folgende Aussage des Stadt- und Landesarchivs falsch sein:
              1939 kann aber unmöglich das Jahr der Scheidung gewesen sein, da Franz Konrad bereits am 25. März 1934 eine neue Ehe eingegangen ist. Franz Konrad (gest. am 10.8.1944 in Wien) ist jedenfalls ab 1920, Serafine Konrad (gestorben am 5.12.1970 in Wien) ab 1924 als geschieden gemeldet.
              Wenn meine obige Interpretation stimmt, dann könnte es aufgrund einer "Scheidung von Tisch und Bett" zwischen 1920 und 1924, zu einer neuerlichen (standesamtlich) Ehe des Franz Konrad im Jahr 1934 gekommen sein.

              Um die Vorteile des Ehegesetzes 1938 genießen zu können (welche?), wurde dann auf Antrag einer der beiden (ehemaligen) Ehegatten die Ehe gem. §115 (neuerlich) geschieden. Dieser Beschluss wurde an das Magistrat zwecks Eintragung im Trauungsbuch übermittelt.

              Kann das so stimmen oder hab ich das falsch verstanden?

              Vielen Dank!

              Gruß
              Thomas

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              • carinthiangirl
                Erfahrener Benutzer
                • 12.08.2006
                • 1601

                #22
                Die Ehe meiner Großeltern wurde am 5.5.1931 geschieden "Scheidung von Tisch und Bett", Dokument mit Grundnummer, Geschäftszahl und Stempel vom "Landesgericht für Z.R.S Wien". Sieht also schon sehr rechtlich aus. Und ganz unten kleingedruckt "Anzeige an die Matrikenführung", war also wohl schon vor 1938 üblich, das dort einzutragen. Die Kirchenbücher von deren Heirat in 1905 sind zur Zeit beim Digitalisieren. Wenn die online sind werde ich mir das auch einmal ansehen, ob DER Eintrag dort auch zu finden ist und vor allem von WANN.

                Vielleicht gibt es bei deinem Datum einen Verschreiber?

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                • schitho
                  Erfahrener Benutzer
                  • 17.08.2008
                  • 885

                  #23
                  Einen Verschreiber kann ich natürlich nicht ausschließen. Allerdings erscheint mir meine obige Interpretation nicht ganz falsch, da sonst die Übergangsbestimmung gem. §115 Ehegesetz 1938 unsinnig wären. Oder täusche ich mich da?

                  Im "meinem" Trauungsbucheintrag gibt es nur den Vermerk des Magistrats aus 1939. Die Scheidung aus den 1920ern ist nicht vermerkt.

                  Außerdem habe ich vor einiger Zeit auch noch folgenden Erklärung bekommen ('GenList Austria-Liste' vom 22.1.2015):

                  Sehr geehrter Herr Schiller,

                  das ist eigentlich alles sonnenklar: Katholische Ehen konnten in Österreich bis 1939 nicht geschieden werden, eine katholische Wiederverehelichung war praktisch unmöglich. Ehen konnten nur "dem Bande nach getrennt", von "Tisch
                  und Bett getrennt", für "ungültig erklärt" oder (in ganz seltenen Fällen) auch nach kirchlichem Recht für geschieden werden. Meistens lief das so:
                  Eine katholische Ehe wurde von einem österreichischen Gericht "von Tisch und Bett getrennt". Wenn sich ein Ehepartner neu vermählen wollte, blieb nur ein Religionswechsel, oder eine Ehe in Ungarn (Standesämter seit 1895, dafür mußte man ungarischer Staatsbürger werden), eine Ehe in Frankreich, England oder Deutschland, die aber nur dann gültig waren, wenn sie auch in Österreich geschlossen hätten werden können (galt also für Geschiedene nicht). Das österreichische Eherecht und seine absurden Regelungen zwang viele Menschen zu teilweise recht abenteuerlichen Rechtskonstruktionen um sich wiederverehelichen zu können. Zum Beispiel wurde viele Jahre eine Gesetzeslücke in Siebenbürgen ausgenützt etc.

                  Nach 1919 änderte sich das insofern, als jetzt wenigstens für katholisch Geschiedene die sogenannte Zivilehe beim Magistrat möglich wurde. Auch ein Wechsel zum altkatholischen Glauben war sehr beliebt. "Richtig" geschieden
                  werden (im modernen Sinn) konnte man erst mit Einführung des deutschen Eherechts 1939. Damals wurden, um eine Wiederverehelichung nach deutschem Recht gültig zu machen, viele Ehen die "nach Tisch und Bett getrennt" waren
                  und wo ein Ehepartner mittlerweile eine Zivilehe (eine sogenannte Dispensehe) eingegangen war, geschieden. Ein Beispiel: Ein Ehepaar heiratet 1910 katholisch, zwei Kinder. Die Ehe wird 1917 von Tisch und Bett getrennt,
                  das Ehepaar trennt sich (zwei Meldezettel). Der Mann heiratet 1920 beim Wiener Magistrat erneut, diese Dispensehe bringt aber für die zweite Frau erhebliche Nachteile mit sich. Um klaren Tisch zu machen wird die bereits
                  1917 getrennte Ehe nun 1939 endgültig geschieden, die zweite Ehe ist nun voll gültig.
                  Daher könnte meine obige Interpretation richtig sein.

                  Wie seht Ihr das?

                  Gruß
                  Thomas

                  Kommentar

                  • omega
                    Benutzer
                    • 11.09.2012
                    • 93

                    #24
                    Ich bin zwar kein Experte in diesen Dingen, aber: Die Trennung/Scheidung von Tisch und Bett "ermöglichte die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft unter Beibehaltung des Ehebandes" (siehe Olechowski, Gamauf (Hrsg.), Rechtsgeschichte & Römisches Recht. Studienwörterbuch² [Wien 2010], S.471). Die Ehe an sich blieb also bestehen. Insofern ist es nur logisch, wenn das Ehegesetz 1938 (bzw. die Übergangsbestimmungen dazu) für nach Tisch und Bett "geschiedene" auch die Möglichkeit zur "Scheidung" nach den Regeln des Ehegesetzes vorsah. Nur so konnte die Ehe auch rechtsgültig beseitigt werden. Es gab also quasi zwei "Scheidungen", von denen aber nur die letztere auch die Auflösung des Ehebandes bewirkt.

                    Die Sever-Ehen aber setzten an einem anderen Punkt an. Nämlich dann, wenn bereits verheiratete Katholiken noch einmal heiraten wollten (nur weil man - in welcher Form auch immer - "geschieden" ist, muss man ja nicht unbedingt noch einmal heiraten). Ob die Trennung/Scheidung von Tisch und Bett Voraussetzung für die Sever-Ehen waren, weiß ich nicht, es würde mir aber logisch erscheinen.

                    Bei den Sever-Ehen erteilten nun Verwaltungsbehörden dem, der bereits verheiratet war, aber noch einmal heiraten wollte, die "Nachsicht vom Ehehindernis des bestehenden Ehebandes" gemäß §83 ABGB. Diese Praxis der Verwaltungsbehörden wurde aber von den Zivilgerichten nicht anerkannt, was große Rechtsunsicherheit zur Folge hatte, die wiederum erst mit dem Ehegesetz 1938 beseitigt wurde (siehe Arbeitsgemeinschaft Österreichische Rechtsgeschichte (Hrsg.), Rechts- und Verfassungsgeschichte² [Wien 2012], S.347).

                    In dem oben genannten Studienwörterbuch findet sich als Literaturangabe zur Trennung von Tisch und Bett "Familie - Recht - Politik: Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts im 19. und 20. Jahrhundert" von Oskar Lehner und zu den Sever-Ehen "Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938" von Ulrike Harmat.

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