Kindstötung 1790 in Rüdigsdorf - wie weiterforschen?

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  • Geschichtensucher
    Erfahrener Benutzer
    • 03.09.2021
    • 1057

    #16
    Ich vermute auch, dass die Johanna schon vor der Kindstötung einen schlechten Leumund in ihrer Gemeinde hatte und der Junge dafür in Sippenhaft genommen wurde. Sein im Dorf angesehener Erzeuger, der auch Ortsrichter, Mühlenbesitzer, Schankwirt und Hintersässer war, erwähnt ihn im Testament nicht als sein Kind.
    Beste Grüße, Iris

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    • TG23
      Erfahrener Benutzer
      • 03.11.2023
      • 241

      #17
      Hallo,

      Interessant ist dass dein Vorfahre trotz seiner unehelichen Geburt nicht nur ein ehrbares Handwerk gelernt hat, sondern sich auch als Meister niederlassen konnte. Damals galt für Schneider ja noch das Zunftwesen und das hatte sehr rigide Bedingungen für seine Mitglieder. Da war nicht viel mit Inklusion.
      Mit etwa 8 Jahren (1790) war er zu jung um als Lehrling irgendwo unterzukommen. Das wurde man erst so mit ca 12-14 Jahren. Hast du dir die Schneiderzunft in seinem Heimatort (und eventuell der näheren Umgebung) mal genauer angeschaut? Bis zur Gesellenprüfung waren die Lehrlinge ja ein Teil des meisterlichen Haushalts und das konnte dann schon so 7/8 Jahre umfassen.

      Und wie lange war er an seinem Heiratsort bereits ansässig? Um sich als Meister ansiedeln zu können brauchte er doch die Erlaubnis der ansässigen Zunft/ Obrigkeit. Vielleicht gibt es noch entsprechende Unterlagen. Da gab es doch auch Vorgaben an eventuelle Bewerber ... Alter, Leumund, Vermögen zB und nicht nur lokalen Bedarf.

      ​​​​​
      Bezüglich seiner Herkunft... Ich glaube das war garnicht so ungewöhnlich dass "uneheliche" sich quasi neu erfanden wenn sie in die Fremde gingen. Ich habe ebenfalls so einen Fall. Der Junge *1795 im Fläming hat sich in den Befreiungskriegen eine neue Identität entwickelt und ist dann in den 1820er Jahren in Westfalen gelandet wo er auch geheiratet und den Rest seines Lebens verbracht hat - als Zoll und Grenzbeamter. Auf seiner Heiratsurkunde in Westfalen hat er nicht nur einen anderen Vornamen als in der Taufurkunde, er hat auch die Tatsache unterschlagen dass seine Eltern nicht nur nicht verheiratet waren sondern dass die Mutter lutherischen, der Vater jüdischen Glaubens war.
      ​​​​

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      • Sebastian_N
        Erfahrener Benutzer
        • 25.09.2015
        • 1297

        #18

        Aus Sicht der untersuchenden Autoritäten kann ich ebenfalls zum Thema etwas beitragen:




        Mein 5xUGV war in den 1770igern an der Uni Leipzig als Jurist ausgebildet und war Teil einer - heute würde man sagen- Untersuchungskommission einer ebensolchen Kindstötung, die 1774 in der Stadt durch die Hände der Mutter erfolgte.




        Die Frau wurde mehrfach befragt, genauso wie ihr nahestehende Personen oder Personen, die am Tattag in der Nähe waren (Familie, Freunde, Nachbarn und Gesinde) sowie ihre physische Gesundheit mehrfach überprüft. Das ist geradezu revolutionär. Um etwa 1773 wurde die Behandlung solcher Fälle für Sachsen per Edikt neu diktiert, wie die Alte mehrfach verdeutlicht, um solche sozioökonomischen und psychologischen Faktoren zu berücksichtigen.




        Ich hatte durchaus den Eindruck, dass man sich seitens der Untersuchenden redlich bemüht hatte, ohne Emotion und voreiligen Schlüsse über die Tat und die Person zu ermitteln und zu urteilen.




        Man hatte auch beim Lesen der Akte richtig den Eindruck frühester Kriminalistik beizuwohnen, noch ganz ohne Arbeitsteilung.




        Die Kindsmörderin kam übrigens lebenslang ins „Armen- und Zuchthaus“, was u. a. einen Trakt besaß, den wir heute geschlossene Anstalt nennen würden.




        Beste Grüße

        Seb
        Dauersuche:
        Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
        Franke in Oschatz vor 1785
        Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
        Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
        Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
        Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
        Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
        Hacklbauer in Linz vor 1760
        Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
        Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
        Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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        • Geschichtensucher
          Erfahrener Benutzer
          • 03.09.2021
          • 1057

          #19
          Ehe Kretschmer Grimmig.jpg @TG 23: danke für das Mit-Überlegen, ich hänge mal die Traueintragung von 1808 an, er wird da wirklich als Schneidermeister bezeichnet - und als Schutzuntertan (des Dominiums, nehme ich an). Allerdings konnte von Lomnitz bei Hirschberg noch keine Schneider-Innungs-Akten finden. Für das nahegelegene Schmiedeberg sind diese erhalten und konnte ich sie (wegen anderer Vorfahren) lesen. Ebenso ist aus seinem Herkunftskreis mir noch keine Innungsakte der Schneider begegnet. Ich kann noch einmal raussuchen, welche Schneider es in Elbisbach und den umliegenden Dörfern gab. Gute Idee!

          Seb, danke für das interessante Beispiel! Und gut zu hören, dass versucht wurde, ein (für diese Zeit) objektives Urteil zu fällen. Ich habe Hauptstaatsarchiv einmal die Urteilsbücher (vom Spruchkollegium der Uni Leipzig? ich glaube, so hieß das) der betreffenden Jahre angeguckt, aber es war sehr anstrengend, die in ausgeschriebener Handschrift geschriebenen vielen Seiten zu lesen. Habe mich dann beschränkt, die Personennamen im Text zu finden und nicht den Fließtext zu lesen, so sehr er mich interessiert hätte. Du hast dich offenbar durchgekämpft
          Leider komme ich mit dem Zuchthaus Torgau überraschend wenig voran. Die im Hauptstaatsarchiv DD lagernden Sachen beziehen sich meist auf Verwaltung. Das Internet gibt auch erstmal wenig her (viel weniger als z. B. für Waldheim). Ich werde wohl mal anrufen müssen im Stadtmuseum u. ä.

          Beste Grüße, Iris

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          • Sebastian_N
            Erfahrener Benutzer
            • 25.09.2015
            • 1297

            #20
            Hallo Iris, ja, ich bin auch noch daran, nämliche Akte zu transkribieren. Bin jetzt etwa bei der Hälfte…

            Wenn du etwas zu lesen hast, wobei wir dir helfen können, kannst du es gern in den Teil der Lesehilfe hier ins Forum stellen.

            Beste Grüße und weiters viel Erfolg!

            Seb
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            • Geschichtensucher
              Erfahrener Benutzer
              • 03.09.2021
              • 1057

              #21
              Zitat von Sebastian_N Beitrag anzeigen
              Hallo Iris, ja, ich bin auch noch daran, nämliche Akte zu transkribieren. Bin jetzt etwa bei der Hälfte…

              Wenn du etwas zu lesen hast, wobei wir dir helfen können, kannst du es gern in den Teil der Lesehilfe hier ins Forum stellen.

              Beste Grüße und weiters viel Erfolg!

              Seb
              Herzlichen Dank!! Mich würde deine Transkription der Akte sehr interessieren, um einen Einblick in das Vorgehen zu bekommen.
              Zuletzt geändert von Geschichtensucher; 15.01.2025, 23:17.
              Beste Grüße, Iris

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              • Sebastian_N
                Erfahrener Benutzer
                • 25.09.2015
                • 1297

                #22
                Hallo Iris,

                das habe ich mir schon gedacht. Ich habe dir eine PN gesendet.

                Beste Grüße

                Seb
                Dauersuche:
                Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
                Franke in Oschatz vor 1785
                Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
                Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
                Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
                Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
                Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
                Hacklbauer in Linz vor 1760
                Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
                Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
                Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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                • Geschichtensucher
                  Erfahrener Benutzer
                  • 03.09.2021
                  • 1057

                  #23
                  Liebe Mitleser, es gibt Neuigkeiten.
                  Nach Recherchen im Sächsischen Staatsarchiv und dem Landeskirchlichen Archiv Sachsens und viel Internetrecherche habe ich jetzt im kleinen Pfarramt Prettin eine wichtige Information erhalten:
                  Dort lagern, nicht digitalisiert und laut Pfarrsekretärin in vielen Jahren nie benutzt, die Kirchenbücher und auch andere Kladden des Zuchthauses Lichtenburg UND DES ZUCHTHAUSES TORGAU - das war eine Überraschung, denn die schienen verschwunden. Offenbar hat man beim Umzug von Torgau auf die Lichtenburg diese KB mitgenommen und weitergeführt. Ein Teil der Eintragungen betrifft die Angestellten, der andere die Züchtlinge.
                  Ich fand die Geburt eines Kindes von Johanna Elisabeth Dennhardt im November 1794 - Vater war der entlaufene Züchtling Gottlieb Weidner aus Reibersdorf, vermutlich bei Zittau (heute Polen). Dank der spontanen Lesehilfe von Alter Mansfelder und Horst von Linie 1 konnte ich diese Erkenntnis gleich weiterverfolgen - das Kind erhielt den Nachnamen des Vaters und hieß George Traugott Weidner.

                  Die Geburt eines Kindes am 14.8.1797, die ich in Torgauer Akten im Staatsarchiv fand, war hier nicht als Taufe oder Totgeburt vermerkt. Rätselhaft.

                  1799 wurde ein Kind Carl geboren, dessen Vater die Mutter zunächst nicht angab. Erst 3 Monate später der Nachtrag: Vater sei Gottlob Schönbach aus dem Meißnerischen, entlassener Züchtling. Offenbar hat sie das erst nach seiner Entlassung offenbart. Dieses Kind starb im Mai 1800.

                  Das Kind Anna Regina Brand, der ich in einem Extrathread nachforschte, war kein Kind meiner Vorfahrin, sondern einer "Armen" mit ganz ähnlichem Namen, der diesmal richtig ausgeschrieben war.

                  Nur durch den Namen des überlebenden Kindes fand ich folgende Information: George Traugott Weidner wurde aus dem Waisenhaus entlassen - seiner Mutter nach Verbüßung der Zuchthausstrafe mitgegeben. Sie überlebte also eine 10jährige Zuchthausstrafe und ging mit einem 5jährigen Sohn am 25. 6. 1800 in die Freiheit. Da ist sie 42.

                  Das ist nun meine neue Forschungsgrundlage - noch habe ich nichts wirklich Tragkräftiges gefunden zu ihrem und ihres Sohnes Verbleib. Ich habe die Namen hier notiert, falls jemand eine Idee hat. Zum entlaufenen Vater ist im Zeitungsarchiv nichts zu finden.

                  Eine mögliche These ist: dass sie mit dem letzten Kindesvater mitging. Von ihm weiß ich allerdings zu wenig, "im Meißnerischen" ist sehr allgemein. Mit Meißen und Umgebung hatte ich keinen Treffer.

                  Ein Georg Weidner mit wenigen Tagen Unterschied im Geburtsdatum findet sich im Burgenlandkreis südlich Leipzig mit seinem Sterbeeintrag.

                  Ich werde für Leute, die auch zu Zuchthäusern recherchieren, die Quelleninfos in ein Extrathema packen, damit sie findbar sind.

                  Danke fürs Mitlesen, Hinweise willkommen!

                  LG Iris



                  Beste Grüße, Iris

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