Erfahrungen mit Kirchenvisitationen bei Pastoren- und Schulmeisterforschung (16. Jh.)

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  • Sebastian_N
    Erfahrener Benutzer
    • 25.09.2015
    • 1343

    Erfahrungen mit Kirchenvisitationen bei Pastoren- und Schulmeisterforschung (16. Jh.)

    Hallo Leute,

    ich möchte gern eine Frage in die Runde geben, die sich an diejenigen richtet, die schon einmal mit Kirchenvisitationsprotokollen aus protestantischen Gebieten gearbeitet haben:


    Hat jemand von euch positive genealogische Ergebnisse aus solchen Akten gewinnen können – insbesondere dann, wenn Kirchenbücher verloren gegangen sind?


    Ich selbst interessiere mich für die Pastoren- und Schulmeisterfamilien Naumann im Raum Allstedt / Mittelhausen im 17. Jahrhundert. In einigen Fällen fehlen dort frühe Tauf- und Traueinträge, weshalb mich interessiert,

    ob Visitationsprotokolle oder Konsistorialakten vielleicht Hinweise auf die Kinder, Familienverhältnisse oder Herkunftsorte der Pfarrer und Präzeptoren enthalten können.

    Mich würde also interessieren:
    • Welche konkreten Funde habt ihr in solchen Protokollen gemacht (z. B. Altersangaben, Familienmitglieder, Herkunft, Dienstzeiten)?
    • Wie detailliert sind die Angaben in der Praxis?
    • In welchen Archiven oder Digitalbeständen (z. B. Landeskirchenarchive, Archion, Landesarchive) seid ihr fündig geworden?
    • Gibt es eventuell Register oder Findhilfen für Visitationsakten aus Kursachsen oder Thüringen?
    Ich würde mich sehr über Erfahrungsberichte oder Hinweise freuen – auch gern über Beispiele, wo sich die Arbeit mit solchen Quellen nicht gelohnt hat.

    Vielen, lieben Dank im Voraus und beste Grüße
    Sebastian
    Dauersuche:
    Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
    Franke in Oschatz vor 1785
    Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
    Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
    Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
    Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
    Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
    Hacklbauer in Linz vor 1760
    Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
    Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
    Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840
  • Gastonian
    Moderator

    • 20.09.2021
    • 5760

    #2
    Hallo Sebastian:

    Ich habe mit dieser Quellengattung sehr gute Erfolge gehabt mit Vorfahren im Oldenburgischen:

    1) Mein Vorfahre Anton Reinhold, Pfarrer in Blexen, in einer Kirchenbuchnotiz vom 10.11.1696 sagte, dass er am 10.11.1638 in Abbehausen als Sohn des dortigen Pfarrers Erasmus Reinhold Ernslebio-Halberstadiensis Saxo (also wohl Ermsleben im Halberstädtischen) geboren worden sei. Die Kirchenbücher von Ermsleben fangen erst 1651 an. Aber im Visitationsprotokoll für Abbehausen vom 17.12.1638 sagte der Pfarrer Erasmus Reinholdus aus, dass er 32 Jahre alt sei, geboren in Ermsleben im Stift Halberstadt, 1 Jahr zur Schule in Quedlinburg und dann 6 Jahre in Grimma gegangen sei und anschliessend fast 3 Jahre Theologie in Jena studiert habe (deckt sich mit einer Immatrikulation dort). Im Visitationsprotokoll vom 21.11.1655 sagte er aus, dass er in Ermsleben im Stift Halberstadt geboren worden sei, sein Vater dort Pfarrer war, und er jetzt 49 Jahre alt sei. Aus den Altersangaben lässt sich eine Geburt 1605/06 errechnen, und durch den Verweis auf den Beruf seines Vaters ist es erwiesen, dass er der Schuljunge Erasmus Reinhold war, der 1617 als Sohn des Pfarrers Erasmus Reinhold von Ermsleben lateinische Elegien auf seine Großväter Günter Reinhold und Elias Lagus veröffentlichte (Quellenverweise: https://gw.geneanet.org/schwind1?lan...nd1&p=erasmus& n=reinhold)

    2) Laut einem Epitaph meines Vorfahren Bernhard Töllner in der Kirche von Middoge, wo er langjähriger Pfarrer war, wurde er am 1. September 1619 in Schwei geboren, sein Vater wird aber nicht genannt. Laut seiner Aussage im Visitationsprotokoll für Middoge vom 03.07.1657 wurde er 1619 in Schwei als Sohn des Wilcke Töllner geboren. Demnach läßt er sich im Kirchenbuch Schwei eindeutig als der am 29. Oktober 1619 getaufte Berndt, Sohn des Wilcke Tölner identifizieren (Quellenverweise: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?l...wind1&p=bernha rd&n=tollner)

    3) Ab April 1649 war mein Vorfahre Christian Ruhe Organist und Küster an der Kirche in Blexen, aber in den 1631 einsetzenden Kirchenbüchern gibt es keinen Hinweis zu seiner Herkunft. Laut seiner Aussage im Visitationsprotokoll für Blexen vom 11.09.1655 war er gebürtig aus "Westendorf", Sohn eines Schnitkers (d.h. Schreiners), ging zur Schule in Schiffdorf (auf der anderen Weserseite von Blexen), erlernte das Orgelspielen von einem M. Thomas in Bremen, hatte Lateinkenntnisse, und war 34 Jahre alt (Quellenverweise: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?l...wind1&p=christ ian&n=ruhe)

    Auf diese Visitationsprotokolle wurde ich durch die Pfarrerbücher zu Oldenburg aufmerksam gemacht, habe sie im Archivkatalog für Niedersachsen (arcinsys.niedersachsen.de) gefunden, und habe sie dann im Landesarchiv Oldenburg eingesehen.

    Ein Visitationsprotokoll für Sandersleben im Anhaltischen habe ich auch im Landesarchiv Dessau eingesehen, aber ohne Erfolg (es ging mir da um den Großvater und nicht den Vater meines Pfarrer-Vorfahren). Zu den Pfarrern unter meinen Vorfahren in Hessen habe ich die Visitationsprotokolle nicht bemüht, da dort die Kirchenbücher schon ausreichend Informationen hatten.

    VG

    --Carl-Henry
    Wohnort USA

    Kommentar

    • Sebastian_N
      Erfahrener Benutzer
      • 25.09.2015
      • 1343

      #3
      Hi Carl-Henry,

      oh, wow. Danke für deine ausführliche Antwort! Das gibt mir Hoffnung und Kraft.

      Du kennst ja meinen Fall: es gibt da eine Lücke im KB Mittelhausen bei Allstedt, zwischen 1649-1688. Nach Auskunft des hiesigen Pfarrer damals 1972 liegt das angeblich daran, dass das so genannte Reichssippenamt es nie zurückgegeben hat.

      Ein Vorfahre, Johann Gottfried Naumann, ist nun just in dem Dorf um 1670 geboren (Angabe durch Bürgerbucheintrag in Merseburg/Musterungsrollen Kursächsische Armee).

      Durch eine Notarbestallung eines Johann (Gottfried) Naumanns um 1672, der aus dem winzigen Dorf Mittelhausen stamme, können wir ihn fast zweifelsfrei als dessen Vater bestimmen.

      Jetzt habe ich handschriftliche Angaben auf dem alten Familienstammbaum entdeckt, wo ein Melchior und ein Otto Naumann erwähnt wird sowie eine Schwester Agnesa (die ich nie fand). Alles Angaben, wo ich nicht weiß, woher diese stammen. Möglicherweise aus dem KB vor der Lücke wie du es gefunden hattest.

      In dem Taufeintrag von Otto, den du, Carl-Henry, ja freundlicherweise gefunden hast, steht der Vater Melchior Naumann, interessanterweise aber wohl auch dessen Vater, Matthias Naumann. Eher ungewöhnlich, den Großvater mit zu nennen, oder?

      Mir scheint, dass der Pfarrer zu Mittelhausen damals jenen Matthäus oder Matthias kannte, weil er auch Pfarrer war? Zeitlich passend gibt es in dem Raum (Neustadt an der Orla/Weida/Erfurt/Zöppen/Colditz) eine weit verzweigte Naumannfamilie aus Pfarrern.

      Der Verdacht liegt nun nahe, dass es eine Verbindung dahin gibt.

      Ich habe im Hauptstaatsarchiv Weimar online unter 6-12-3008 - Konsistorialsachen etwas zu Visitation der Superintendentur Allstedt, Heygendorf, Landgrafroda, Mittelhausen, Niederröblingen, Winkel, Wolferstedt 1655 oder unter 6-13-3701 - Superintendentur Allstedt etwas zu Besetzung der Schullehrerstelle in Mittelhausen 1659-1685 gefunden.

      1659! Da muss es wohl einen Wechsel gegeben haben, dass das mein Großvater (?) das da hinschrieb.

      Nun eben: was sagen die Visitationen zu Kindern? Werde ich mit diesen Vistationsprotokollen endlich den gordischen Knoten zerschlagen können?

      Beste Grüße
      Seb
      Angehängte Dateien
      Zuletzt geändert von Sebastian_N; Heute, 15:35.
      Dauersuche:
      Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
      Franke in Oschatz vor 1785
      Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
      Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
      Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
      Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
      Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
      Hacklbauer in Linz vor 1760
      Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
      Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
      Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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