Familie Gemander aus Schönwald, Gleiwitz und Umgebung

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  • siegerbesieger
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    • 17.01.2010
    • 9

    #46
    Hier folgt der zweite Teil des Briefes:

    Er war schon ein doller Kerl, mit sechzig eine dreißig Jahre jüngere Frau geheiratet, vier Kinder gezeugt, im Ganzem zehn, eine neue Existenz aufgebaut, und er herrschte patriarchalisch über die ganze Familie. Aber er hat den gesellschaftlichen Abstieg nie ganz überwunden. Nicht, dass er dem Vergangenem nachgetrauert hat, erzählt hat er viel. Er konnte eine Gesellschaft die ganze Nacht unterhalten. Dann hatte er viele Fähigkeiten. Mit Holz konnte er sehr gut arbeiten, schöne Einlegesachen, Möbel, Gebrauchsgegenstände. Zudem war er mit Begeisterung Imker. In Bischdorf, ungefähr vierzig Kilometer weiter, hatte er ungefähr sechzig Bienenvölker. Das war wunderbarer Heidehonig. Wir wussten gar nicht, dass wir so eine Köstlichkeit aßen, denn eine Scheibe selbstgebacken Brotes mit Butter und Honig gehörte zum Frühstück. Damals war keine Rede von Luftverschmutzung und Bioanbau. Zu mehr als neunzig Prozent waren wir Selbstversorger. Hühner, Enten, Gänse, Puten, Tauben, wurden bei uns mehr gegessen als Schweinefleisch. Forellen fingen wir im Kellerbach und in unserem Teich, Krebse im Ziegenbach, der durch unsere Wiesen floss, und in Bischdorf hatten wir einen Karpfenteich. Heute zahlt man viel Geld dafür und weiß trotzdem nicht, was man bekommt. Dass Vater im September 1943 starb, habe ich schon erzählt, es war ungefähr drei Wochen nach der Hochzeit deiner Eltern. Gut, dass er die nachkommende Zeit nicht mehr erlebt hat, das Ende des Krieges, die russische Besetzung, dann die Übernahme durch Polen und zum Schluss die Vertreibung. Kapitel beendet.
    Liebe Margitta, jetzt habe ich dir mal was erzählt. Es hat etwas länger gedauert, denn mein Tag hat immer 16 bis 18 Stunden. Irgendetwas Unvorhergesehenes passiert, und das Programm ist im Eimer. Ich schreibe Programm, aber das stimmt nicht ganz, im Laufe der Jahre lernt man zu improvisieren, Hauptsache, es klappt, und meine Familie ist zufrieden, sie mit mir und ich mit ihr, aber ich möchte keinen Tag missen, egal was er bringt oder bringen wird, auch wenn man manchmal stöhnt.
    Dann sieh mal zu, wie du mit dem Brief klarkommst. Es ist schon 22 Uhr, aber ich wollte unbedingt heute fertig werden, Sonntag – praktisch schon Montag.

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