Fabrik, um 1900

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  • OliT
    Erfahrener Benutzer
    • 08.03.2022
    • 143

    [ungelöst] Fabrik, um 1900

    Hallo,


    mein Urgrossvater stammt aus Ursenwang, Württemberg und ist um die Jahrhundertwende 1900-1903 als Metzger- und Schlachtergeselle ordentlich im Deutschen Reich herumgekommen, mit Stationen in Metz, Biblis, Braunschweig (Denecke&Himmel Fleischwaaren-Fabrik), Hamburg, Esbjerg (DK), Sassnitz, Berlin, Nürnberg, Halle. Dabei hat er auch photographiert, wovon noch ein paar wenige Photos in Form von Dianegativglasplatten 12x9cm erhalten sind. Auf einem dieser Photos hat er ein Bild einer Fabrik abphotographiert. Offensichtlich hat ihm diese Fabrik etwas bedeutet. Ich frage mich nun, um welche (oder welche Art von) Fabrik es sich handelte. Eine Photosuche bei Google/Bing ergab leider kein Ergebnis.

    Habt Ihr eine Idee, um welche Fabrik oder welche Art von Fabrik es sich handeln könnte.

    Grüße,
    OliT
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  • Balthasar70
    Erfahrener Benutzer
    • 20.08.2008
    • 2954

    #2
    Hallo OliT,

    nur als Hilfe bei der weiteren Suche, ich tippe auf Deutschland 1850-1900. Der Stich ist eine Arbeit von X. A. v. [Xylographische Anstalt von], im Namen sollte ein "W." vorkommen. Direkt fündig wird man mit diesen Angaben jedoch auch noch nicht.

    Weiter zur Bauweise, ich sehe einen Giebel mit Schieferschindeln, was auf Regionen wie Rheinland (z. B. Moselregion), Hessen, Thüringen oder dem Sauerland hinweisen könnte. Auch die quadratischen Fabrikschornsteine mit oberer Krempe sind interessant, ggf. kann man es auch hierdurch regional eingrenzen. Und man leistete sich einen Barockgarten mit Fontäne auf dem Fabrikgelände.

    Auf dem Bild sitzt jemand auf einem Hochrad, was um 1880/90 sehr beliebt war.
    Zuletzt geändert von Balthasar70; 30.04.2025, 11:44.
    Gruß Balthasar70

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    • Pommerellen
      Erfahrener Benutzer
      • 28.08.2018
      • 2081

      #3
      Hallo,

      kann auch nur ein paar allgemeine Gedanken beisteuern.

      - Schwarzer Rauch => Dampfmaschine mit Kohle befeuert => In der Regel für Maschinen die an Transmissionsriemen hängen => Textil ?
      - Viereckige Schornsteine => ehr selten
      - Schindeln sehe ich nicht => also ehr nicht Bergischer Land oder Märkisches Land
      - Weitere Schornsteine mit weißem Rauch => Wäscherei ??
      - Das sind mehrstöckige Gebäude so aus der Anfangszeit der Industrialisierung, später wurde ehr ebenerdig gebaut.
      - Vielleicht auch ein Umbau eines bisher herrschaftlichen Gebäudes wegen des Gartens
      - Der Warentransport ist kleinstückig => keine Maschinenbauanstalt

      Cromford bei Ratingen ist so ein Beispiel für eine frühe Architektur Rheinische Industriekultur
      Auf der Seite gibt es jede Menge Beispiele aus verschiedenen Branchen.

      Viele Grüße
      Zuletzt geändert von Pommerellen; 30.04.2025, 18:07. Grund: Ergänzung

      Kommentar

      • OliT
        Erfahrener Benutzer
        • 08.03.2022
        • 143

        #4
        Hallo,

        danke herzlichst, Balthasar70 und Pommerellen, für die vielen interessanten Beobachtungen und Hinweise.

        Da mein Urgrossvater ja Fleischer- und Metzgergeselle war und zu dieser Zeit, was Postkarten belegen, immer als solcher gearbeitet hat, bin ich folgender Frage nachgegangen: Könnte die dargestellte Fabrik eine Fleischwarenfabrik sein oder eher nicht. Ich hätte zwar eher mehr Weideland und Darstellung von Schlachtvieh erwartet, aber durch eine Googlesuche bin ich dann doch auf ein paar Darstellungen von Fleischwarenfabriken gestoßen, die nicht ganz unähnlich aussehen.

        Die Oldenburger Fabrik Siems hat sogar einen vierkantigen Schornstein.

        Jetzt stellt sich mir zum Beispiel die Frage, ob es sich vielleicht um die Fleischwaarenfabrik Denecke & Himmel (Gliesmarode bei Braunschweig) handeln könnte, in der er sicher gearbeitet hat. Nur leider finde ich darüber kaum Informationen ...

        Grüße,
        OliT

















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        • OliT
          Erfahrener Benutzer
          • 08.03.2022
          • 143

          #5
          Hallo nochmals,

          habe ein wenig weiter recherchiert und wer weiss, vielleicht ist das Rätsel gelöst, bin mir aber nicht sicher.

          Über Denecke & Himmel gibt es über Google nicht viel Informationen. Ich konnte aber doch herausfinden, dass die Firma Struck & Witte nach dem 2.WK die leerstehenden Firmenräume der Fleischwarenfabrick Fritz Denecke, Berliner Strasse 2-5 in Gliesmarode einnahmen. Und dann habe ich eine Luftaufnahme von 1955 gefunden. Ich meine, das könnte passen, zumindest die Struktur der Hauptgebäude, inklusive der turmartigen Erhöhung in der Mitte. Die Schornsteine passen nicht, aber zwischen dem Stich und der Luftaufnahme liegen ja auch locker 75+ Jahre.

          Mich würde Eure Meinung dazu interessieren.

          Grüße,
          OliT
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          • sonki
            Erfahrener Benutzer
            • 10.05.2018
            • 5600

            #6
            Hmm..schwierig zu sagen. Klar, es könnte passen und durch den langen Zweitraum zwischen beiden Aufnahmen sind im neueren Bild natürlich diverse Anbauten dazugekommen bzw. andere Gebäude verschwunden. Aber ob es wirklich ein Treffer ist..puh...man bräuchte mal Grundrisse oder alte Illustrationen. Vielleicht mal im Stadtarchiv von Braunschweig nachfragen?

            Im Anhang 2 Karten - Einmal der Vergleich Luftbild mit Illustration und zusätzlich noch eine Karte von 1925. Hmm...tja...
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            Zuletzt geändert von sonki; 01.05.2025, 00:49.
            ¯\_(ツ)_/¯

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            • OliT
              Erfahrener Benutzer
              • 08.03.2022
              • 143

              #7
              Hallo,

              Danke, Sonki, für Deine Einschätzung und den direkten Bildervergleich. Das Stadtarchiv Braunschweig werde ich auf jeden Fall befragen.

              Ich muss aber sagen, nachdem ich nochmals darüber geschlafen habe, dass gerade Deine Illustration mich darin bekräftigt, dass es sich um die richtige Fabrik handelt. Auch die grün eingekreiste Gaube ist interessant. Sehr auffällig finde ich den Zufahrtsbereich. Im Stich ist entlang der Strasse ja nur eine Art Holzbaracke, die sicherlich im Laufe der Zeit verändert wurde, aber die Form des Grundrisses und der Absatz zur Strasse im Vergleich zum Hauptgebäude finde ich doch sehr überzeugend. Dazu sollte man sagen, dass ich, aufgrund meiner Vermutung mit Denecke&Himmel, vollkommen ohne Bias direkt auf die Berliner Strasse 2-5 zugesteuert bin. Und da findet man dann solch einen Grundriss. Für mich ist schon sehr überzeugend.

              Und noch ein Indiz für Braunschweig habe ich gefunden. Auf einer Seite im Braunschweiger Adressbuch von 1913, auf derselben Seite auf der man die Denecke's Braunschweiger Wurst- u. Fleischwaarenfabrik in Gliesmarode findet (ohne Adresse), findet man unter "Xylographische Anstalten" einen "Voigt, H.W.". Und der Stich ist signiert mit "X.A. v. H.W. Voigt ...". Danke nochmals Balthasar70.

              Grüße,
              OliT
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              • sonki
                Erfahrener Benutzer
                • 10.05.2018
                • 5600

                #8
                Ja, das es in Braunschweig auch diese Xylographische Anstalt gab, macht es in der Tat immer wahrscheinlicher.
                Hier übrigens noch ein kleines Detail - die Bahnlinie passt auch. Im Originalbild oben link sieht man ja einen Zug - das passt zur Bahnstrecke.

                Nachtrag: Oder dieser Plan von 1899 - man beachte die rot markierte Ausbuchtung/Anbau. Das passt auch zur Illustration.

                P.S. Und grundsätzlich könnte ich mir vorstellen, das man im Braunschweiger (Stadt)Archiv sich über so eine Illustration freuen würde - es könnte ja sein, das diese Zeichnung die einzige Erhaltene ist, welche diese Fabrik überhaupt darstellt.

                P.S. II: Ich frage mich ob in dieser Akte vielleicht Grundrisse beiliegen - könnte man ja im Notfall mal unverbindlich anfragen - auch wenn die Chance doch eher gering ist: https://www.arcinsys.niedersachsen.d...ailid=v5661781
                Angehängte Dateien
                Zuletzt geändert von sonki; 01.05.2025, 10:26.
                ¯\_(ツ)_/¯

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                • Balthasar70
                  Erfahrener Benutzer
                  • 20.08.2008
                  • 2954

                  #9
                  Hallo in die Runde,

                  fein, Ihr seid ja in der Recherche doch schon ein ganzes Stück weitergekommen. Mich überzeugen Eure Argumente und Indizien vollständig. Man kann auch davon ausgehen, dass die Perspektive im Stich nicht richtig getroffen wurde. Jedenfalls würde auch der Schattenwurf im Stich einigermaßen zu der Nordausrichtung des Grundstückes passen. Ich bleibe auch beim Wandschiefer am westlichen Gebäude-Giebel, hier als Fischschuppendeckung. Auch im Harz wurde Wandschiefer verwendet, siehe Goslar. Das liegt alles nicht sehr weit entfernt. Auch heute noch gibt es in Braunschweig vereinzelt Wandschiefer an Giebelwänden, aber der größte Teil wurde wohl durch Eternit-Schindeln ersetzt.

                  Baubeginn der Fabrik wird wohl um 1880 gewesen sein, 1878 war wohl der Grundstückskauf.
                  Angehängte Dateien
                  Zuletzt geändert von Balthasar70; 01.05.2025, 16:26.
                  Gruß Balthasar70

                  Kommentar

                  • Anna Sara Weingart
                    Erfahrener Benutzer
                    • 23.10.2012
                    • 16889

                    #10
                    Zitat von OliT Beitrag anzeigen
                    ... Im Stich ist entlang der Strasse ja nur eine Art Holzbaracke ...
                    Hi, vielleicht war das der Schweinestall
                    Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 01.05.2025, 13:46.
                    Viele Grüße

                    Kommentar

                    • Anna Sara Weingart
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2012
                      • 16889

                      #11
                      gelöscht
                      Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 01.05.2025, 13:54.
                      Viele Grüße

                      Kommentar

                      • OliT
                        Erfahrener Benutzer
                        • 08.03.2022
                        • 143

                        #12
                        Hallo, Guten Abend,

                        danke noch für die heutigen Kommentare. Gut gesehen, sonki, das mit der Bahnlinie und der Ausbuchtung. Ich werde in der Tat mal das Stadtarchiv in Braunschweig befragen, und die genannte Akte könnte auch dann noch interessant sein, wenn kein Grundriss beiliegen sollte.

                        Bei der ganzen Recherche habe ich auch viel über solche Fleischerei-Fabriken gelernt, was ganz interessant war.

                        Der Briefkopf der Firm Siems



                        oder die interessante Seite über die Wurstfabrik Müller

                        Als erstes Beispiel für die "frühe" Industrialisierung ist hier die 1847 von Christoph Müller II gegründete "Wurstfabrik Müller" zu nennen. Hier wurden zum ersten Mal in industriellen Maß die bekannten "Frankfurter Würstchen" hergestellt. Um 1895 arbeiteten dort 40 Metzgergesellen und schlachteten wöchentlich ca. 100 Schweine. Die Jahresproduktion betrug über 6 Millionen Würstchen. Die repräsentative Fabrikantenvilla der Familie Müller (Hauptstraße 38) in Sprendlingen ist nach ihrer Renovierung heute ein Schmuckstück für die Innenstadt. Aufgrund der Konkurrenzsituation wurde die Geschäftstätigkeit in den 1930er Jahren eingestellt. Es gibt zwischen Sprendlingen und Neu-Isenburg eine Auseinandersetzung, wo die Frankfurter Würstchen zum ersten Mal industriell hergestellt wurden. Die Forschungsergebnisse vom Hans Ludwig Schäfer sind eindeutig: Natürlich in Sprendlingen. Das wird gestützt durch einen Artikel aus der Wurstfabrikanten-Zeitung vom 6. Juni 1901.


                        geben einen Einblick, wofür die Gebäude wohl genutzt wurden: Schlachthallen, Konservendosenmaschinen oder Fleischwiege-Apparate angetrieben durch Dampfmaschinen, Wursthallen, Räucherkammern, Versand, etc. Da war vermutlich auch ein Schweinestall dabei.

                        Mein Urgrossvater hat 13 Monate bei Denecke&Himmel gearbeitet, dann noch 2 weitere Jahre in diversen Metzgereibetrieben in Deutschland, dann seinen Militärdienst, bevor er in seiner Heimat den Metzger-Meister gemacht hat und dann seine eigene Metzgerei mit Restaurant betrieben hat.

                        Danke nochmals an die Runde. Die Recherche hat wirklich Spass gemacht und ohne Eure Hilfe wäre das nicht so schön gelaufen.

                        Herzliche Grüße,
                        OliT

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