2. Weltkrieg: Wehrdienstpflicht bei doppelter Staatsbürgerschaft?

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  • OliT
    Benutzer
    • 08.03.2022
    • 94

    2. Weltkrieg: Wehrdienstpflicht bei doppelter Staatsbürgerschaft?

    Hallo,

    ich habe eine Frage zur Wehrdienstpflicht im 2. Weltkrieg.

    Ein Cousin meiner Grossmutter ist im Okt 1921 in Basel geboren, als unehelicher Sohn einer dort lebenden Württembergerin und eines Schweizers. Es liegt eine Vaterschaftsanerkennung vor und er wurde auch als Schweizer Staatsbürger im Zivilstandregister geführt. Naiv hätte ich gedacht, dass er als Schweizer Bürger nicht für Deutschland im 2. Weltkrieg zu dienen hatte müssen. Er war allerdings auf jeden Fall als deutscher Soldat im 2. Weltkrieg.

    Beim Bundesarchiv haben sie ein paar Karteikarten gefunden, woraus hervor geht, dass er ab 1941 bei der 1. Batterie Flak-Ersatz-Abteilung 1, Ludwigsburg war. Ab 1944 dann in Lundenburg (Mären). Und auf einer anderen Karteikarte steht, dass er am 20.4.45 von den USA und Frankreich gefangengenommen wurde und am 22.12.46 entlassen wurde. Und dann ist da noch ein Vermerk, den ich nicht ganz verstehe, aber mit einem Bezug zur 17. SS Div (17. SS-Pz. Gren.-Div. Götz von Berlichingen).

    Mal abgesehen davon, dass mich interessieren würde, was er im Krieg gemacht hatte, würde ich gerne erstmal verstehen, warum er überhaupt im Krieg war. War er als Sohn einer Württembergerin kriegspflichtig trotz seiner Schweizer Staatsbürgerschaft? Oder hat er sich gar freiwillig gemeldet? Er hätte doch nur in der Schweiz verharren brauchen und wäre somit vom Krieg verschont geblieben, oder?

    Ich hoffe, Ihr könnt mir irgendwie weiterhelfen, dass ich die Sachlage besser verstehe. Vielleicht kennt jemand die genaue Gesetzeslage von damals?

    Grüsse,
    OliT
  • Gastonian
    Moderator
    • 20.09.2021
    • 3577

    #2
    Hallo OliT:


    Das relevante Staatsangehörigkeitsgesetz ist das deutsche von 1913, welches bis zur Nazizeit in Kraft war (siehe http://www.documentarchiv.de/ksr/191...itsgesetz.html).


    Laut § 4 war er bei Geburt (als unehelicher Sohn einer deutschen Mutter) ein Deutscher. Laut § 17 Abs. 5 hätte er die deutsche Staatsangehörigkeit dann verloren, falls die Legitimation durch seinen schweizerischen Vater nach deutschen Gesetzen wirksam gewesen wäre (ich weiß nicht, ob eine schweizerische Vaterschaftsanerkennung eine in Deutschland wirksame Legitimation war).


    Falls er die deutsche Staatsangehörigkeit hatte, dann war er wehr- und kriegspflichtig in Deutschland. Natürlich konnte Deutschland dies nicht von einem im Ausland lebenden Deutschen erzwingen - aber laut § 26 hatte die Nichterfüllung der Wehrpflicht einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge.



    Falls er also noch Deutscher war und Wert auf diese Staatsangehörigkeit legte, dann ja, mußte er in den Krieg. Seine Schweizer Staatsbürgerschaft spielt hier keine Rolle - Deutschland interessiert sich nur an seine Rechte und Pflichten als Deutscher (ich bin auch Doppelbürger - aber daß ich auch Ami bin, interessiert den deutschen Behörden nicht).


    VG


    --Carl-Henry
    Wohnort USA

    Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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    • OliT
      Benutzer
      • 08.03.2022
      • 94

      #3
      Hallo Carl-Henry,

      danke für den Link und die Erklärungen, die viel Sinn machen und die ich gut nachvollziehen kann. Nur eine Sache macht mich stutzig: Wenn ich mir den §4 genau durchlese, dann kann ich darin nicht erkennen, dass er wirklich von Geburt an deutscher Staatsbürger war. Es ist immer nur von einem deutschen Vater die Rede, nicht von einem unehelichen Kind einer deutschen *Mutter*. Danach würde ich schließen, dass er nur Schweizer war und die deutsche Staatsbürgerschaft nicht automatisch durch die Mutter bekommen hat. Oder habe ich etwas übersehen?

      Grüße,
      OliT

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      • Gastonian
        Moderator
        • 20.09.2021
        • 3577

        #4
        Hallo OliT:


        Der wesentliche Satz hier lautet: "Durch die Geburt erwirbt ... das uneheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter."

        Wenn also ein uneheliches Kind einen Deutschen/eine Deutsche als Elternteil hat, dann ist die Staatsangehörigkeit der Mutter ausschlaggebend (ja, ich gebe zu, der Satz wäre klarer, wenn hier "einer Deutschen" anstelle "eines Deutschen" stände - aber ansonsten macht der Satz ja keinen Sinn, denn wenn es sich nur auf deutsche Väter beziehen würde, dann wären alle unehelichen Kinder mit unbekannten Vatern nicht-Deutsche gewesen).

        In deinem Fall war die Mutter Württembergerin; daher erhielt das Kind bei Geburt die württembergerische (und damit deutsche) Staatsangehörigkeit.


        VG


        -Carl-Henry
        Wohnort USA

        Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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        • OliT
          Benutzer
          • 08.03.2022
          • 94

          #5
          Hallo Carl-Henry,

          ja, vermutlich hast Du Recht, "der Deutsche" könnte die Mutter mit einschließen. In diesem Falle bin ich allerdings maßlos enttäuscht über die Juristen von damals, die dieses Gesetz so uneindeutig formuliert haben.

          Bei einem Kind einer Deutschen mit einem unbekannten Vater könnte man natürlich auch den Absatz [2] benützen, um aus dem Kind ein deutsches Kind zu machen: " [2] Ein Kind, das in dem Gebiet eines Bundesstaates aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweise des Gegenteil als Kind eines Angehörigen dieses Bundesstaats." Das ist jetzt aber nur als Witz gemeint, aber warum eigentlich nicht?

          Na gut, schweren Herzens akzeptiere ich die uneindeutige Formulierung und hoffe, dass sie es im deutschen Grundgesetz eindeutiger formuliert haben ...

          Danke nochmals!

          Grüße,
          OliT
          Zuletzt geändert von OliT; 18.10.2023, 22:37.

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          • Svenja
            Erfahrener Benutzer
            • 07.01.2007
            • 4455

            #6
            Hallo OliT

            Und auf einer anderen Karteikarte steht, dass er am 20.4.45 von den USA und Frankreich gefangengenommen wurde und am 22.12.46 entlassen wurde.
            Vermutlich geriet er zunächst in Gefangenschaft der Amerikaner und wurde von ihnen zu einem späteren Zeitpunkt an die Franzosen übergeben.


            Und dann ist da noch ein Vermerk, den ich nicht ganz verstehe, aber mit einem Bezug zur 17. SS Div (17. SS-Pz. Gren.-Div. Götz von Berlichingen).
            Um sagen zu können, warum dieser Vermerk angebracht worden ist, müsste ich sehen können an welcher Stelle auf dem Dokument bzw. in welchem Zusammenhang dieser auftaucht.

            Zu dieser Einheit gibt es umfangreiche Informationen im Forum der Wehrmacht. Evtl. findest du dort auch was, was erklärt warum er am Ende dort gelandet ist (falls er wirklich auch in dieser Einheit war).


            Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass es damals durchaus auch Schweizer gab, die in der deutschen Wehrmacht und/oder der Waffen-SS dienten. Das war allerdings aus Sicht der Schweiz nicht erlaubt, weshalb solche Personen nach dem Kriegsende vor Militärgericht gestellt wurden. Dazu gibt es Dokumente im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern.

            Gruss
            Svenja
            Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
            https://iten-genealogie.jimdofree.com/

            Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

            Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

            Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73

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            • OliT
              Benutzer
              • 08.03.2022
              • 94

              #7
              Hallo Svenja,

              vielen Dank für Deine aufschlussreiche Antwort. Ich poste mal die Dokumente (leicht geschwärzt, da ich seinen Namen nicht öffentlich im Internet sehen möchte. Wenn Du möchtest, schicke ich Dir aber gerne Namen und Geburtsdatum per PN).

              Das ist ja ein Dilemma, wenn man sowohl die deutsche als auch die Schweizer Staatsbürgerschaft besaß. Zum einen mußte man in Deutschland dienen, und zum anderen war es in der Schweiz verboten. Das wußte ich nicht. Ich habe mal im Bundesarchiv in Bern nachgeschlagen, und in der Tat - Volltreffer - habe gleich etwas zu ihm gefunden, mit der Überschrift "Schwächung der Wehrkraft und fremder Militärdienst". Super!! Ich hab's mir bestellt und werde es hoffentlich binnen ca. 10 Tagen erhalten. Das war wirklich eine klasse Fährte von Dir!

              Herzlichen Dank nochmals für Deine Hilfe.

              Grüße,
              OliT
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