Siebenjähriger Krieg - Soldaten hatten keinen Fronturlaub, oder?

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  • HErtlFernwald
    Erfahrener Benutzer
    • 27.03.2017
    • 286

    Siebenjähriger Krieg - Soldaten hatten keinen Fronturlaub, oder?

    Hallo Ihr Lieben!


    Ich suche nach dem Taufeintrag meines Vorfahren, Christian Gottfried Brand * 18.11.1759 in ?? + 1831 in Gottesberg/Schlesien.


    Lt. Sterbeeintrag waren die Eltern, der Füsilier in der 4. Kompanie des Prinz-Heinrich-von-Preußen-Infanterie-Rgt (später No. 35), Johann Gottfried Brand u. die Marie Rosine geb. Leder. Dieses Rgt. erhielt seine Rekruten damals aus den niederschlesischen Gebirgskreisen.


    Da ich seine Taufe suche u. in den MKB nichts zu finden ist, da Krieg herrschte:
    Einfache Füsiliere erhielten wohl kaum Fronturlaub, korrekt?
    Und wenn dem so ist, wie kann ich einen Schluss aus der Position der Truppen im Jan/Feb 1759 ziehen, was den evtl. Herkunftsort der Mutter (Zeugung des o.g.) ziehen?


    Wie abwägig ist dieser Gedanke?
    Zugegeben, falls der Vater erst Anfang 1759 eingezogen wurde, kann er überall in Niederschlesien gewesen sein, wo auch die Mutter her stammen dürfte.


    Danke für Eure kritischen Meinungen.


    LG,
    Hendrik
  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1501

    #2
    Hallo Hendrik,

    das ist wirklich eine schwierige Suche (ich selbst kenne das Problem auch).

    Vermute ich richtig, dass Du im zugehörigen Regimentskirchenbuch nachgesehen hast?
    Ich habe gerade - leider vergeblich - auf "preussenweb" nach Informationen über den damaligen Regimentsstandort gesucht.
    Wenn Du Glück hast, gibt es irgendwo eine hinreichend ausführliche, gedruckte Regimentsgeschichte. Ich drücke Dir die Daumen!

    LG
    Giacomo
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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    • HErtlFernwald
      Erfahrener Benutzer
      • 27.03.2017
      • 286

      #3
      Hallo Giacomo!


      Die Regimentsgeschichte ist im "Lyncker", und via https://www.google.de/books/edition/...sec=frontcover wunderbar zu erforschen !


      Das Leben des Genannten spielte sich in Niederschlesien ab, daher ist der "Wink", dass das gen. Regiment seine Rekruten aus dem sogen. Königskanton, dem schlesischen Gebirgskreis erhielt, zielführend.


      Vielmehr geht es mir darum, da a) die Fam. in Schlesien und b) das Rgt. daher rekrutierte und c) sich der Siebenjährige Krieg massiv dort abspielte, dann zu eruieren, wo er geboren sein könnte.


      Stationiert war das Rgt. zuvor in Königsberg i.d. Neumark, vorm. in Potsdam, nachm. in Spandau, aber da sehe ich kaum Chancen etwas zu entdecken (MKB).


      Gibt es Gefallenenlisten?


      LG und danke für Deine Aufmerksamkeit,


      Hendrik

      Kommentar

      • Manni1970
        Erfahrener Benutzer
        • 17.08.2017
        • 2396

        #4
        Hallo!

        Das altpr. Kantonsystem ist eine kl. Wissenschaft für sich - daher ist hier ein wenig Text zur Erklärung nötig.

        In Schlesien gab es den Königskanton, der umfaßte die altpr. Landk. Bolkenhain-Landeshut, Bunzlau-Löwenberg, Hirschberg, Jauer, Reichenbach und Schweidnitz. Dieses Gebiet war seit 1742 werbe-, seit 1743 kantonfrei u. unterstand einzig der Disposition des Königs. Damit sollte der Druck auf die männl. Bevölkerung, sich ins katholische Lager nach Österreich abzusetzen, minimiert werden. Vor vor allem aber durfte dieser wirtschaftlich wichtigen Region (Leinwandherstellung) auch nicht über Gebühr Arbeitskräfte entnommen werden. Daher brauchte der Königskanton jährlich nur 60 Mann zum Militärdienst abzustellen. Die Verteilung auf die Regimenter bestimmte eben der König.

        General Jany ist anerkanntermaßen einer - oder der - Experte für die altpr. Armee. Und der schreibt nun, daß das IR 35 ap überhaupt erst nach dem 7jährigen Krieg, also ab 1763, Männer aus dem Königskanton erhielt. Was erstmal kein Widerspruch zur erwähnten Chronik von Täglichsbeck ist, weil dort, S. 22 heißt es ja nur, daß das Rgt. aus den sechs schles. Gebirgskreisen jährlich 60 Mann erhielt - ab wann, wird nicht gesagt.

        Die ausführlichste Arbeit über den schles. Königskanton stammt von Liwowsky (Schles. Militärkirchenbücher). Er konnte für einige Jahre die tatsächliche Verteilung der 60 Mann aus dem Königskanton nachweisen u. kommt zu dem Schluß, daß "mindestens 1770 bis 1796 bis zu 30 Mann ans IR 35 ap gingen."

        Im 7jährigen (1756-1763) Krieg war vieles anders; bspw. hatten die Russen Teile von Ostpreußen besetzt, diese Kantone fielen weg und der Bedarf an Soldaten war natürlich enorm. So stellte der Königskanton 1756 noch 55 Mann ans IR 42 und 4 (!) Mann an die Garde. 1759 waren es 173 und 1760 schon 600 (!) Mann. Dafür war der Königskanton nach dem Krieg (1763) bis 1769 völlig von der Ersatzstellung befreit.

        Wir kennen jedoch die Stammrolle des Rgts. vom Mai 1756. Danach umfaßte es ohne das Gren.Btl. 1500 Mann (Offz., Uffz., Mannschaften). Davon 936 Ausländer und 564 Preußen, wobei davon 110 aus Schlesien stammten. Die können z.T. von vor 1741 stammen, Unteroffiziere aus anderen Regimentern oder vor allem auch Offiziere gewesen sein.

        Interessant ist noch ein Artikel von Wentscher aus dem Jahr 1941, wo er eine Recherche in den damals noch im Potsdamer Heeresarchiv befindlichen Stammrollen des IR 35 ap, hier 1777-1778, beschreibt und darin einen Anteil von mehr als einem Drittel Ersatz aus Schlesien feststellt.

        Es ist demnach keineswegs ausgemacht, daß das IR 35 ap vor dem 7jährigen Krieg Ersatz aus dem Königskanton erhielt - in gar keinem Fall aber jährlich 60 Mann.

        Die Chronik kennst Du ja. Das Rgt. lag im Feb/März 1759 in seinem Winterquartier im Raum Hirschberg. Ich würde mir die zahlreichen Hirschberger Chroniken mal vornehmen, ob das dort bestätigt u. vl. enger gefaßt wird.

        Hast Du das ev. Tf-KB Hirschberg um 1759 kontrolliert?

        MfG
        Manni

        Kommentar

        • HErtlFernwald
          Erfahrener Benutzer
          • 27.03.2017
          • 286

          #5
          Hallo Manni,

          eine hervorragende Heranführung an das Thema, tausend Dank!

          Allerdings schreibt Lyncker, dass er Ersatz (exkl. Freiwillige natürlich!) vorzugsweise aus dem Königskanton stammte; Königskanton und Schlesischer Gebirgskreis sind doch per se dasselbe, oder?

          Ich danke Dir erneut !!

          LG,
          Hendrik

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          • HErtlFernwald
            Erfahrener Benutzer
            • 27.03.2017
            • 286

            #6
            Leider bekomme ich den Auszug irgendwie nicht hochgeladen. Gerne per PN!?
            Auch habe ich vergeblich die Hirschberger Indizes (evangelisch) nach Brand durchsucht. Aber die Umgebung gäbe noch mehr her. Ich vermute aufgrund des Bezugs zu Gottesberg und evangelisch einen Radius von ca. 30 km, Schlesien war aber dicht besiedelt und die Gfst. Glatz, z.B. würde ich eher ausschließen, da vorwiegend katholisch. Der Pfarrzwang bis ca. 1760 würde die Taufe evtl. auch in kath. KB, da die ev. KB zu einem Großteil nicht nachweisbar sind, aufscheinen lassen.
            Das nur, um meinen Kenntnisstand darzustellen, sorry.
            LG,
            Hendrik

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            • HErtlFernwald
              Erfahrener Benutzer
              • 27.03.2017
              • 286

              #7
              Noch eine Frage:
              Bei Taeglichsbeck lese ich, dass die Offiziersfrauen zeitweise bei der Truppe waren u. sporadisch dann in "Sicherheit" gebracht wurden.
              Kann man ein "Familienleben" an den "Liegeorten" im Krieg nachweisen, so dass auch ehel. Kinder entstehen konnten ?

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              • sternap
                Erfahrener Benutzer
                • 25.04.2011
                • 4070

                #8
                Zitat von HErtlFernwald Beitrag anzeigen
                Noch eine Frage:
                Bei Taeglichsbeck lese ich, dass die Offiziersfrauen zeitweise bei der Truppe waren u. sporadisch dann in "Sicherheit" gebracht wurden.
                Kann man ein "Familienleben" an den "Liegeorten" im Krieg nachweisen, so dass auch ehel. Kinder entstehen konnten ?

                der tross



                eine frau oder eine familie kann mit dem tross gereist sein, ja.
                freundliche grüße
                sternap
                ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




                Kommentar

                • HErtlFernwald
                  Erfahrener Benutzer
                  • 27.03.2017
                  • 286

                  #9
                  Hallo Manni,



                  ist es das Werk v. Klaus Liwowsky: Schlesische Militärkirchenbücher, es wert es zu erstehen, wenn es nur um diesen Sachverhalt geht? Oder geht nicht mehr daraus hervor als Du zuvor geschildert hast? Danke Dir erneut.


                  Hallo sternap!


                  Danke Dir, das macht sehr viel Sinn und war mir als militärgeschicht. Laie unbekannt.

                  Kommentar

                  • Manni1970
                    Erfahrener Benutzer
                    • 17.08.2017
                    • 2396

                    #10
                    Hallo Hendrik,

                    zumindest für Schlesien hat Lyncker jede Menge Unsinn verzapft. Ja, natürlich, der schlesische Königskanton bestand aus den genannten Kreisen, die eben zum "Gebirge" gehörten. Man findet auch den Ausdruck "hohe Gebirge in Schlesien". Das hatte Lyncker verm. nicht durchschaut.

                    Es gab zunächst mehrere Königskantone in Preußen. Nach 1750 außer dem schlesischen nur noch einen weiteren im Magdeburgischen.

                    Den Auszug kannst Du hier als Anhang hochladen oder bei einem exteren Bilderhoster: Hier hat jemand ein paar davon zusammengestellt: http://www.heraldik-wappen.de/viewtopic.php?f=2&t=8165

                    Leder gab es in Hirschberg zur fraglichen Zeit.

                    Aber ein Regiment mit über 1000 Mann hat sicher nicht nur in der Stadt gelegen, deshalb mein Hinweis mit den Chroniken. Vl. findet man einen Hinweis auf die anderen Standorte.

                    Ja, ev. Vorfahren in Niederschlesien für das 18. Jhd. zu finden, ist schwierig.

                    In der Tat durften eigentlich nur die Ehefrauen der Offiziere ins Winterlager anreisen. Aber ob man dies immer zu eng gefaßt hat? Gerade bei Kantonisten, wo die Ehefrauen nicht weit weg lebten. Die Soldaten selbst durften verm. kaum das Lager verlassen. Da war man sich bestimmt nicht sicher, ob die auch wieder zurückkamen. Deserteur gab es damals schließlich genug.

                    Der Liwowsky ist das erste Buch, das das System der Militärkirchenbücher gründlich erklärt. Hinzu kommen die Kapitel über die Garnisonen, das Ersatzsystem und auch die Geschichte der pr. MKB, wie die also nach dem Zweiten Weltkrieg gerettet wurden usw. Ich finde das Buch sehr gut gemacht und mit vielen Zusatzinfos in den Fußnoten versehen. Die Einführung umfaßt alleine 112 Seiten: https://agoff.de/wp-content/uploads/...d_4_inhalt.pdf

                    Du kannst es sicher über Fernleihe bestellen und Dir damit für kleines Geld anschauen.

                    Was ist denn, wenn Dein Füsilier ein Hesse war? Angeworben von Werbeoffizieren des IR 35 ap, er diente in Potsdam, ging mit dem Rgt. nach Schlesien, war Anf. 1759 in einem Winterlager rund um Schlesien, lernte die schöne Marie Rosine kennen, der Sohn kam womöglich im Nov. erstmal unehelich zu Welt, der Füsilier, vl. Halbinvalide, verließ nach dem 7jährigen Krieg das Rgt. und ehelichte die Marie, wobei der Junge legitimiert wurde und blieb in Niederschlesien.

                    MfG
                    Manni

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                    • HErtlFernwald
                      Erfahrener Benutzer
                      • 27.03.2017
                      • 286

                      #11
                      Hallo Manni,

                      ich habe nun versucht Links zu generieren:






                      Also würde Deiner Theorie nach, „Leder“ ins Niederschlesische Bergland sehr überzeugend passen!?

                      Hast Du die Möglichkeit die Passagen aus dem Liwowsky sowie von Jany zum IR 35 ap zuzusenden? Hendrik.ertl@gmail.com. Soll nicht unverschämt klingen, denn wir alle wollen ja Belege für unsere Hypothesen.

                      Sehr gerne bin ich bzgl. verschiedener Regionen behilflich, auch über mein ancestry Abo sowie Expertise..

                      Viele Grüße und freue mich auf Deine Antwort in jedem Fall,
                      Hendrik

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                      • Manni1970
                        Erfahrener Benutzer
                        • 17.08.2017
                        • 2396

                        #12
                        Hallo Hendrik,

                        da ist jetzt was schiefgelaufen ...

                        Ich nahm an, Du wolltest uns diesen Sterbeeintrag zeigen, wo Dein Vorfahre als Sohn des Füsiliers aus dem IR 35 ap genannt wurde.

                        Den Lyncker hättest Du nicht kopieren müssen. Was da steht, ist ja bekannt.

                        Ich habe Dir die Seiten aus dem Liwowsky kopiert - siehe PN.

                        MfG
                        Manni

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                        • HErtlFernwald
                          Erfahrener Benutzer
                          • 27.03.2017
                          • 286

                          #13
                          Hallo Manni!

                          Anbei der Sterbeeintrag.

                          Lieben Dank für die Auszüge, welche ich mir anschaue.

                          Lieben Dank!

                          Hendrik
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                          • HErtlFernwald
                            Erfahrener Benutzer
                            • 27.03.2017
                            • 286

                            #14
                            Hallo Manni,

                            spannend ist, dass Liwowsky die sechs Gebirgskreise bzw. Königskanton so definiert, dass Reichenbach dazu gehörte; Wikipedia nennt anstelle dessen Glatz als den sechsten Kreis!!

                            Unglaublich, wer hat gepfuscht?

                            LG und merci!
                            Hendrik

                            Kommentar

                            • Manni1970
                              Erfahrener Benutzer
                              • 17.08.2017
                              • 2396

                              #15
                              Hallo Hendrik,

                              danke für den "schönen" KB-Eintrag.

                              Das ist aber für schles. Verhältnisse selten, daß ein Pf. in 1831 bei einem 71jährigen noch dessen Eltern vollständig angibt, sogar mit der Kompanienummer - toll!
                              Das hast Du viel Glück gehabt.

                              Ja, Glatz ist Unfug.

                              Da brauchst Du auch nur in den Liwowsky schauen. Für jeden schles. Kreis wird die Zuordnung zu den Regimentern angegeben.

                              Glatz stellte Ersatz für
                              1742: GR10
                              1743-1747: IR 47 (KR 1)
                              1747-1753: IR 33 (GR 8)
                              1753-1787: IR 33 (Gr 8, GrB 6)
                              usw.

                              Kann somit gar nicht zum Königskanton gehört haben. Warum auch?

                              MfG
                              Manni

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