Latein, Vermerk über Schreiber 1670

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    Erfahrener Benutzer
    • 30.03.2014
    • 792

    [gelöst] Latein, Vermerk über Schreiber 1670

    Quelle bzw. Art des Textes: Vermerk über Schreiber des Taufbuchs
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1670
    Ort/Gegend der Text-Herkunft: Dingden, NRW
    Namen um die es sich handeln sollte: Custodis


    Hallo zusammen,

    Hierbei handelt es sich eigentlich nur zweitrangig um eine Lesefrage, eher um eine Verständnisfrage.

    Verstehe ich diesen Vermerk (s. Anhang) richtig, dass genannter Henricus Custodis der Schreiber des vorliegenden Taufbuchs war? Das Taufbuch wurde am 10.08.1670 angefangen, wie auf derselben Seite in derselben Schrift notiert ist.

    Der Mann war Küster und (erster) Lehrer in Dingden, geboren etwa 1628 und gestorben zwischen 02.1694 und 1702. Geheiratet hat er um 1661 die Tochter des vorherigen Küsters (dieser gest. 1680).

    Das wäre insoweit bedeutend, als dass durch den letzten in der Schrift des ursprünglichen Schreibers verfassten Taufeintrag (1697) das Todesdatum des Henrich Custodis näher eingegrenzt werden könnte. Eventuell lassen sich auch Vermutungen über seinen Lebenslauf auf Basis der Tatsache anstellen, dass der Mann ja offenbar eine ziemlich ordentliche Handschrift hatte. Sein Enkel Alexander (1688-1767) dagegen, der nur noch Küster war, hatte eine recht krude Handschrift, wie ein Originaldokument von 1756 zeigt.

    Was die konkrete Lesung betrifft, sind im Grunde zwei Details nicht hundertprozentig klar:
    - heißt es Grate (Dank an) oder Orate (Betet für)?
    - welche Endung hat das Wort schriptor... genau?

    Klar lesen kann ich dementsprechend:
    [...]rate pro Henr:
    Custod. schriptor[...]


    Die Eigenart, schriptor... statt scriptor... zu schreiben, findet sich bereits auf der selben Seite weiter oben beim Wort Adschripta

    Die entsprechende Seite, sowie bei Bedarf zahlreiche Seiten voller Schriftvergleiche finden sich hier: https://data.matricula-online.eu/de/.../KB001_1/?pg=3

    Leider konnte ich dort bislang weder ein großes G noch ein großes O finden, außer dem O oben auf derselben Seite: Omnia ad Maiorem Dei gloriam. Dieses sieht anders aus als unten (geschlossen statt offen).

    Nico
    Angehängte Dateien
  • Wallone
    Erfahrener Benutzer
    • 20.01.2011
    • 2728

    #2
    Hallo,

    Ich würde das wie folgt interpretieren :

    Orate pro Henrico
    Custode scriptorum

    Mal abwarten was die Anderen dazu meinen.
    Viele Grüße.

    Armand

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    • jebaer
      Erfahrener Benutzer
      • 22.01.2022
      • 3740

      #3
      Auf Seite 7 gibt es eine Gertrud, auf Seite 10 einen Gerhard. Anfangsbuchstaben sehen jeweils aus wie klein geschrieben, haben aber ziemliche Unterlängen.
      Der Unterschied des O in Orate im Vergleich zu dem in Omnia ergibt sich wohl durch den jeweils folgenden Buchstaben: m beginnt auf der Grundlinie, r dagegen in der Mitte.
      Im übrigen liebt der Autor wohl große Rundungen, auch E und A könnte man auf den ersten Blick mit O verwechseln.


      LG Jens
      Am besde goar ned ersd ingnoriern!

      Kommentar

      • nav
        Erfahrener Benutzer
        • 30.03.2014
        • 792

        #4
        Zitat von jebaer Beitrag anzeigen
        Auf Seite 7 gibt es eine Gertrud, auf Seite 10 einen Gerhard. Anfangsbuchstaben sehen jeweils aus wie klein geschrieben, haben aber ziemliche Unterlängen.
        Ja, genau das habe ich auf der Suche nach "G"s auch festgestellt - die "G"s sehen alle aus wie klein geschrieben!

        Der Unterschied des O in Orate im Vergleich zu dem in Omnia ergibt sich wohl durch den jeweils folgenden Buchstaben: m beginnt auf der Grundlinie, r dagegen in der Mitte.
        Im übrigen liebt der Autor wohl große Rundungen, auch E und A könnte man auf den ersten Blick mit O verwechseln.
        Danke, das ist schon mal eine plausible Begründung für den Unterschied.
        Zwei mit O beginnende Namen konnte ich nun doch noch finden:
        Ein Taufpate namens Otten auf S. 6 (10.03.1671)
        Ein fremder Vater namens Oberhoff auf S. 68 (10.05.1684)
        Bei den Oberhoffs ist das O ähnlich dem in Orate, nur eindeutig geschlossen.

        Ich würde inzwischen auf jeden Fall davon ausgehen, dass es "Orate" heißen muss. "Grate" war meine ursprüngliche Lesung, die auch schon ein Jahr zurückliegt. An der habe ich dann Zweifel bekommen, als ich den Vermerk wegen des Küsters noch einmal näher betrachtet habe.

        Zitat von Wallone Beitrag anzeigen
        Orate pro Henrico
        Custode scriptorum
        Danke sehr! Die Endung -orum hat hier bereits jemand vorgeschlagen (die Antwort ist aber inzwischen gelöscht worden).

        Ich habe etwas rumgerätselt, aber keine sinnvolle Übersetzung für das Wort in dieser Form finden können. So wie ich das verstehe ist "scriptorum" entweder der "Schreiber" als Nomen, und zwar im Genitiv Plural, oder aber ein PPP des Verbs "schreiben", ebenfalls im Genitiv Plural. Ersteres ergibt absolut keinen Sinn (wieso Genitiv Plural?), letzteres wirkt auch merkwürdig auf mich. Vielleicht liegt aus auch an meinen eingerosteten Kenntnissen der lateinischen Grammatik.

        Wenn sich diese Sache nicht eindeutig klären lässt, gibt es letztlich noch eine andere Variante, zu klären, ob Henrich Custodis tatsächlich der Schreiber des KB war. Als Küster soll er in mindestens zwei damals von ihm verwendeten und heute (oder vor ein paar Jahrzehnten noch) erhaltenen Büchern eine handschriftliche Notiz hinterlassen haben.

        Nico
        Zuletzt geändert von nav; 28.06.2023, 22:51.

        Kommentar

        • jebaer
          Erfahrener Benutzer
          • 22.01.2022
          • 3740

          #5
          Hallo Nico,
          noch nie ein Skript(um) in den Händen gehalten?
          Auch davon gibt's einen Gen. Pl.:




          LG Jens
          Am besde goar ned ersd ingnoriern!

          Kommentar

          • Jürgen Wermich
            Erfahrener Benutzer
            • 05.09.2014
            • 5692

            #6
            Passen würde mit Schreiber als Apposition:

            Orate pro Henrico
            Custode scriptore

            Die ganze Geschichte wirft für mich Fragen auf:
            Hieß er Küster oder war er Küster oder beides?

            Gleich bei der ersten Taufe erscheint er doch offenbar als Pate: Henr. Koesters alias Smits, oder ist das ein anderer?

            Demnach ist der Familienname Koesters, latinisiert Custos
            oder - wenn man in Koesters noch den Genitiv heraushört - Custodis
            (dann müsste es allerdings heißen: Orate pro Henrico Custodis scriptore).

            Ich sehe gerade, letzteres trifft zu:
            Pate am 21.9.1670: Henricus Custodis.

            Am 30.11.1670 als Eltern wieder deutsch: Custers.

            1.11.1671: Pate Henricus Koesters alias Smitt.

            15.7.1674: Pate Henricus Coesters.

            Kommentar

            • nav
              Erfahrener Benutzer
              • 30.03.2014
              • 792

              #7
              Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
              Die ganze Geschichte wirft für mich Fragen auf:
              Definitiv alles sehr gute Fragen, die einige wichtige Punkte in der Sache ansprechen. Zum Teil kann ich die Fragen auch bereits beantworten.

              Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
              Hieß er Küster oder war er Küster oder beides?
              Sicher ist, dass er Küster war. Als solcher wird er erstmals am 14.11.1679 ausdrücklich erwähnt. Sein Schwiegervater Johann Tenking wird 1676 ausdrücklich als Küster erwähnt und stirbt gegen Ende des Jahres 1680 als Küster.

              Davor wird er nicht namentlich mit einem Amt erwähnt. Lediglich 1674 als "deß Scholmeisters Kindt" stirbt und in einem Familienregister von 1675 als er der "Ludimagister" ist - aber eben ohne explizite Namensnennung.

              Was seinen richtigen Namen angeht, ist das eine Frage, die ich selbst noch nicht mit Sicherheit beantworten kann.

              Sicher ist folgendes:
              - Henrich Custodis wird ausschließlich mit den Namen Custodis oder Custers genannt.
              - zur gleichen Zeit gibt es in Dingden bereits zwei andere Familien, die den Namen Kösters (meist Koesters, z. T. auch Coesters oder Kosters geschrieben) führten.
              - Sein Sohn Johann Wilhelm (* 1682) und sein Enkel Alexander (* 1688) werden gemischt als Custodis oder Kösters genannt, in den folgenden Generationen heißt die Familie ausschließlich Kösters (die Mutter von Alexander, also die Schwiegertochter von Henrich Custodis nennt sich allerdings auch schon zum Teil Kösters)

              Es ist möglich dass Henrich Custodis tatsächlich Kösters hieß und seinen Namen latinisiert hat, es ist aber auch möglich, dass er einen anderen Namen trug und den Namen Custodis wegen seines Amtes als Küster annahm.

              Wenn er der Schreiber des Taufbuchs war, wäre das in meinen Augen auch insoweit bedeutsam, als dass das hieße, dass Henrich Custodis die Schreibweise Custodis ganz bewusst selbst gewählt hat, vielleicht weil er einen gewissen Bildungsgrad besaß und stolz darauf war.

              Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
              Gleich bei der ersten Taufe erscheint er doch offenbar als Pate: Henr. Koesters alias Smits, oder ist das ein anderer?
              Das ist definitiv ein anderer. Der Henrich Kösters, der meist mit Beinamen "Smits" oder "Faber" genannt wird, war vermutlich tatsächlich von Beruf Schmied. Seine Tochter heiratete 1665 ebenfalls einen Schmied.

              Der Schmied Henrich Kösters starb am 27. August 1679 (Sterberegister KB 1, S. 211) und wird dort auch Henricus Koesters Faber genannt. Danach hören die Nennungen eines Henrich Koesters mit Beinamen "Smits" oder "Faber" auch endgültig auf.
              Tatsächlich ist sogar noch sein Grabstein erhalten, auch wenn ein Großteil nicht mehr lesbar ist. Daher ist auch das exakte Sterbedatum bekannt, im Sterberegister wurden damals nur jahrweise die Namen eingetragen.

              Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
              Ich sehe gerade, letzteres trifft zu:
              Pate am 21.9.1670: Henricus Custodis.

              Am 30.11.1670 als Eltern wieder deutsch: Custers.

              1.11.1671: Pate Henricus Koesters alias Smitt.

              15.7.1674: Pate Henricus Coesters.
              Zitat von Jürgen Wermich Beitrag anzeigen
              Orate pro Henrico
              Custode scriptore
              Das würde inhaltlich denke ich auch am meisten Sinn machen. "Betet für den Schreiber Henrich Custodis". Es ist eben nur schwierig zu beurteilen, ob das auch wirklich dort steht.

              Zitat von jebaer Beitrag anzeigen
              noch nie ein Skript(um) in den Händen gehalten?
              Auch davon gibt's einen Gen. Pl.:
              Stimmt, die Möglichkeit habe ich übersehen. Ergibt aber leider im Genitiv Plural auch nicht wirklich Sinn.

              Vielen Dank euch beiden!

              Nico

              Kommentar

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