Quelle bzw. Art des Textes: Schreiben in Versorgungsangelegenheiten bei Auslandsaufenthalt
Jahr, aus dem der Text stammt: 1926
Ort/Gegend der Text-Herkunft: Galizien / Wien
Jahr, aus dem der Text stammt: 1926
Ort/Gegend der Text-Herkunft: Galizien / Wien
Liebe Mitforscher!
Ich habe einen schönen Treffer gelandet und habe aus dem Bundesarchiv in Freiburg Kopien aus den Personalunterlagen meines Großvaters (der als österreichischer Offizier im I. Weltkrieg gedient hatte und 1919 ausgemustert worden war) erhalten.

Es handelt sich zwar "nur" um Unterlagen zu seiner Versorgung, aber um seine Ansprüche zu belegen, schreibt er doch viel aus seinem Leben.
Vielleicht ist es auch für andere Familienforscher interessant, unter welchen Bedingungen die Menschen sich nach dem ersten Weltkrieg durchzubringen hofften.
Den größten Teil habe ich ganz gut entziffern können, aber bei einigen Lücken und / oder unsicheren Stellen würde ich gerne mal die Meinung der Mitforscher hören.
Hier ist der Text, den ich bisher herausgefunden habe:
"An die Finanzlandesdirektion
Wien I
Ich bitte um die Bewilligung, meine Pension im Betrage von 167,80 Schilling per Monat für vorübergehenden Aufenthalt in Polen beziehen zu dürfen und unterstütze dieses Ansuchen wie folgt:
1.) Ich wurde im Oktober 1919 pensioniert, nachdem ich für den „Abbau“ bestimmt, darum eingekommen war.
Ich studierte sodann in Salzburg – meiner Heimat – 2 Jahre Chemie, spez. Holzdestillation, und war, um meinen Unterhalt zu verdienen, nebstbei bei der Landesregierung Salzburg, Rechn. Dep., als Aushilfskraft beschäftigt.
Oktober 1922 hatte ich meine Studien und praktischen Lehrzeiten beendet u. folgte der Einladung meines Freundes und alten Kriegskameraden Hugo Baron Wattmann, Herrschaftsbesitzer etc etc, in Ruda rózanicka, Malopolska, meine praktischen Lehrjahre auf seiner Holzdestillerie hier zu vollenden, da ich keine Mittel hatte, in Österreich auf eigene Kosten zu praktizieren.
Da meine Frau samt 2 Kindern nicht von meiner Pension leben konnten, mußte ich meinen Haushalt auflösen, meine Frau mit meiner Tochter zu ihren Eltern nach Karlsbad, wo sie heute noch leben, schicken, während mein Sohn mit meiner Pension in Salzburg (Gymnasium) studiert. Ich erkundigte mich vorher bei der Finanzlandesdirektion Salzburg, Name des Referenten ist mir entfallen, bezüglich Pension und erhielt die Auskunft, daß ein Studienaufenthalt oder eine Studienreise ins Ausland den Pensionsbezug nicht tangiere, wenn damit keine Verlegung des Wohnsitzes verbunden sei, zumal meine Pension nach wie vor ausschließlich zum Unterhalt meines Sohnes in Salzburg und den Studienkosten dient.
Meine Wohnung habe ich einem Kameraden ohne jede Ablöse etc etc übergeben mit der Verpflichtung, mir bei meiner Rückkehr einige Räume wieder abzutreten. Meine Möbel habe ich zum Teil in der Wohnung belassen, zum Teil bei meiner Mutter, Salzburg, Maxglan, eingestellt.
November 1922 bis März 1923 war ich zu Studienzwecken in Wien, Winter 23 / 24 war ich teils zu Studien (Chemie), teils zu geschäftlichen Besprechungen bezüglich Errichtung einer Holzdestillerie in Wien.
Diese Projekte, von mir ausgearbeitet, fielen im letzten Moment ins Wasser, da eine ausländische Kapitalsgruppe die projektierte Anlage bei Innsbruck übernahm und errichtete – ich war etwas zu spät gekommen.
September, Oktober, November 1924 war ich bei meiner Mutter in Salzburg, um eine zweite Anlage bei Leoben auszuarbeiten.
Winter 1925 bis Wiener Frühjahrsmesse war ich Leoben, Wien, Salzburg zur Beendigung der Vorarbeiten für diese Anlage. Nun ist aber infolge des Fallissements einiger Geldinstitute das Projekt vorläufig a.a. gelegt, so daß ich abermals hierher wandern mußte, bis sich die wirtsch. Verhältnisse in Österreich soweit gebessert haben werden, daß dieses im Prinzip fertige und auch akzeptierte Projekt finanziert werden kann. Ich führe all dies deshalb an, weil ich von 1/2jahr zu Halbjahr hoffte, nach Österreich endgültig zurückkehren und das Gelernte dort für die Schaffung einer modernen chemischen Holzverwertung, die gerade für Österreich mit seinen ungeheuren noch ungenügend verwerteten Holzreichtümern von größter Bedeutung wäre, zu verwerten. Aus diesen Gründen allein habe ich auch bisher nie die Bitte gestellt, da ich ja nur auf Lehr- und Wanderjahre gegangen war und jedes Jahr hoffte, zurückkehren zu können.
Nunmehr muß ich aber wieder mit 1-2 Jahren bitterer Wartezeit hier im Ausland rechnen und stelle daher die eingangs erwähnte Bitte.
2.) Ich habe hier keinen Wohnsitz, keinen Haushalt, keine Familie, nur 2 Koffer, sonst bin ich Gast bei meinem Freund Baron Wattmann!
Meine Frau mit Tochter lebt bei meiner Schwiegermutter in Karlsbad, mein Sohn studiert mit meiner Pension in Salzburg.
Ich besitze auch keine Aufenthaltsbewilligung in Polen, sondern bin als Gast bei der Bezirkshauptmannschaft Lubarzow, in Evidenz, habe aber keine Berechtigung, irgendeinem Erwerb hier nachzugehen. Ausweisung wäre die Folge.
3.) Da mein Sohn meine Pension zur Gänze zu seiner Erhaltung verbraucht, Frau und Tochter auf Kosten meiner Schwiegermutter leben, ich selten nur für Kleidung für mich aufzukommen habe, verdiene ich mir mein nötiges, recht minimales Einkommen durch technischen Rat bei Modernisierung hiesiger Anlagen (Holzdestillation) und durch Schriftstellerei im Fache. Ich habe daher hier keinen Erwerb, könnte auch einen ständigen nicht antreten, weil ich keine Aufenthaltsbewilligung hierzu besitze und kaum erlangen könnte. Ich denke auch gar nicht daran, hier zu sterben, ich warte nur den Moment ab, bis die wirtschaftl. und finanz. Situation in Österreich es mir ermöglicht, dort eine derartige, moderne Fabrik, wie ich hier schon einige eingerichtet habe, zu schaffen.
Da ich hierbei die Beschaffung der nötigen Maschinen und Apparate grundsätzlich in Österreich besorge, muß ich alljährlich schon aus diesen Gründen einige Monate (Messen) in Wien sein und betragen die Aufträge, die ich hierzu österr. Firmen überschreiben ließ, wohl schon das 1000fache meiner Jahrespension. Selbst habe ich allerdings nichts davon als meinen österr. Aufenthalt, da ich offiziell nirgends als Leiter einer solchen Fabrik ohne Aufenthaltsbewilligung auftreten kann, sondern nur als Ratgeber.
4.) Valutagründe kommen bei meiner Pension nicht in Betracht, die österr. Pension bleibt wie bisher in Österreich für meinen Sohn, sie wird weiter wie bisher auf mein öst. Postspark. Kto Nr. 110.718 eingezahlt u. nur nach Österreich angewiesen.
5.) Da man mir sagte, es sei ein monatl. Nachweis des Lebens nötig und dieser müsse von der öst. Vertretung, für mich Konsulat Lemberg, legalisiert sein, bitte ich, diesen Nachweis auf ½ Jahr Nachweisung zu beschränken da ich sonst auf Reisen in den verschiedenen Fabriken bin, daß es sehr leicht vorkommen könnte, daß einmal einer zu spät kommt. Wird aber die Pension nicht eingezahlt, bekommt Pensionat in Salzburg nicht die Pension für meinen Sohn u. der 19 jährige Junge sitzt auf der Straße und weiß sich nicht zu helfen; ich aber kann ihm nicht helfen, da ich es zu spät erfahren würde. Meine Existenz ist ja durch meine allmontl. Unterschrift am Postsparkassascheck genügend dokumentiert, kann ich diese nicht mehr leisten, so erfolgt keine Auszahlung.
6.) Zum Schluß muß ich noch erwähnen, daß man mir sagte, Abgebaute könnten ohneweiteres im Erwerb ins Ausland gehen, außerdem habe ich wahrlich genug Kriegsopfer gebracht. Meine vollkommen neu eingerichtete 5 Zimmer Wohnung in Przemyśl ging während der Belagerung vollständig verloren, 1 Rappen und 1 Reitpeitsche fand ich wieder!
Meine Kriegsbaggage und 2 eig.(ene) Pferde wurden mir in … Rumänien im Jahre 1918 beim Rückzug geraubt, so daß ich nach 4 jähriger Kriegsdienstleistung mit sämtlichen Kroegsdekorationen vom E.Kr. O. III. Kl (Eisernen Kronen Orden III. Klasse) abwärts, aber mit einer zerschlissenen Uniform und einer Garnitur Wäsche am Leibe als Generalstabshauptmann in Wien mit einem schweren Lungenspitzenkartarrh eintraf und die Mitteilung erhielt, daß ein Unterkommen in der neuen Wehrmacht kaum möglich sei. Inzwischen ging auch das noch beträchtliche Vermögen meiner Frau, das in Rente (Kaution) vinkuliert und in Kriegsanleihen angelegt war, vollständig verloren durch die Entwertung der Krone, so daß ich nach meiner langsamen Genesung in Salzburg ohne Stellung, ohne Möbel, ohne Vermögen dastand.
Zunächst wurde nur notdürftige Einrichtung beschafft, dann ging es ans Arbeiten, denn fürs Klagen, Lamentieren, Entschließungen und Proteste verfassen bin ich nicht geeignet.
Bei Tag in der Landesregierung, abends in der Handelsschule, bei Nacht am Studiertisch.
So habe ich es soweit gebracht, daß ich in meinem neuen Beruf wieder oben und anerkannter Fachmann geworden bin, nur hat mich die Geldkrise in Österreich bisher gehindert, meine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen in meiner Heimat zu realisieren.
Ich hoffe bestimmt, daß es in den nächsten Jahren möglich sein wird und bis dorthin bitte ich, mir den Bezug der Pension weiter zu bewilligen.
Franz Bahn
24.IV.1926
Wegen der Größe der Datei hänge ich zunächst nur die erste Seite an, die anderen folgen in gesonderten Beiträgen.
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