Noch ein Familienbrief 1857 - New York / Deutschland - Teil 1

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  • Pierre06140
    Erfahrener Benutzer
    • 05.08.2018
    • 256

    [gelöst] Noch ein Familienbrief 1857 - New York / Deutschland - Teil 1

    Quelle bzw. Art des Textes: FAMILIENBRIEF
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1857
    Ort und Gegend der Text-Herkunft: NEW YORK
    Namen um die es sich handeln sollte: MERLET


    Hallo an alle,


    Entschuldigen Sie mein Deutsch, ich bin Franzose.
    Ein neuer Brief von 1857 (september)

    Hier ist ein Brief meines Vorfahren. Er lebte in New York und schrieb an seine Eltern, die in Deutschland blieben.

    Danke für Ihre freundliche Unterstützung.

    Pierre
    Angehängte Dateien
  • Ulpius
    Erfahrener Benutzer
    • 03.04.2019
    • 942

    #2
    Seite 1 ((dieser Brief von der Grammatik her reichlich "angliziert"))


    ([beantwortet] 1. Februar 1858, Porto 57)

    New Jork am 13. September 1857

    Liebe Eltern!

    Am Samstag Abends den 6ten Juny machte ich einen kleinen Spaziergang
    nach dem Orte Hoboken wo Joseph Bros Arbeitet, indem ich einen
    schönen Hund kaufte d(as) h(eißt) von ihm selbst, im retour nach Hause
    ungefähr um 11 Uhr Abends ging ich und da ich einen Brief schon
    lange von Euch erwartete in C. Schalks Wirthschaft, gleich beim ein-
    treten Ruf (= rief) er mir zu, hier ist ein Brief, ganz neugeboren
    grief (= griff) ich nach dem Brief rieß (= riss) ihn auf, und durchging ihn
    ganz, dann erzählte ich ihm die Neuigkeiten und übergab
    Ihm Frizis und Anna(s) Schreiben, er las die beiden Briefchen
    und zeigte es noch einigen Herrn die bei ihm waren,
    Er war sehr erstaunt über diese schöne Schrift der
    Anna, und über die des Flötisten, aber wie ich in Zeitungen
    gelesen, so soll der Telegraph nach Deutschland gebrochen
    sein, desshalb die Wurst in Ocean gefallen, und der
    Flötist nichts bekommen hat. Ich bin nun ganz beruhigt und
    hoffe es daß Ihr alle Gesund und Wohl seid, was ich auch
    wieder bin, indem ich 14 Tage eine schlimme Hand hatte
    und nichts Arbeiten konnte, aber jezt wieder gut geht.
    In meinem lezten Briefe habe ich Euch ersucht wegen einer
    verheurathung, aber da wird nichts daraus, ich bin lieber …

    Kommentar

    • Verano
      Erfahrener Benutzer
      • 22.06.2016
      • 7831

      #3
      Links schräg steht noch was:


      Namen nicht alle ob-merken
      dann brauchte 3 – 4 Bogen Papier/

      auch für alles was Sie mir gethan hat, ich habe
      heute noch Hemden und Sokken von Ihr. C.Merlet



      Viele Grüße August

      Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

      Kommentar

      • Ulpius
        Erfahrener Benutzer
        • 03.04.2019
        • 942

        #4
        Ja, Verano, das gehört auf die vierte Seite und ist dort mit eingescannt.

        Ich bin gerade auf der Suche danach, was das denn für ein Schiffstyp ist, der da auf der zweiten Seite genannt wird. Wenn ich das gefunden habe, kommt die dann auch

        Kommentar

        • Ulpius
          Erfahrener Benutzer
          • 03.04.2019
          • 942

          #5
          Seite 2

          noch ledig, denn für mich ist es noch immer Zeit genug, schon lange
          gar nichts ist es wenn einer noch kein eigenes Geschäft
          hatt, denn in Amerika kann einer nie Rechnen auf be-
          stimmte Arbeiten, ich thue deshalb ganz Eure vorschriften
          befolgen, und ledig bleiben, das ist das Beste.
          Liebe Eltern! Was Ihr mir von Eduard schreibt,
          so glaube ich, es ist das Beste, Ihr lasst Ihn nach
          Amerika, ich glaube daß er sein Geschäft versteht,
          kommt er hieher, herrn Schelk [Schalk?] wird Ihm um einen Platz
          umsehen, in einer Buchbinderei; er kann die erste Zeit
          ungefähr 4 Dollar verdienen, ich glaube es ist am Besten,
          Ihr werdet Ihm gehen lassen, schikt Ihr Ihn herein, so
          ist es gerade der beste Weg, daß er auf einen Steamer(?)
          geht, den(n) es ist wirklich so billig, als auf einem Segelschiff,
          und kommt in 11 – 12 Tagen hier an, gebt ihm nicht zu
          viele Kleider mit, den(n) hier sind sie billig, schreibt
          mir bevor wann er Abfahrt in Hafen und was
          für einen Steamer(?), ich glaube auch der Beste Weg
          ist über Hamburg z(um) B(eispiel) der Steamer(?) %Borussia% u(nd) w(enn) n(un)
          er kommt hieher so soll er sich auf dem Stäemer(?)
          1 Tag aufhalten; oder sich nach herrn Schelb [oben: Schelk] begeben, Ihr habt ja
          die Adresse, ich glaube aber das erstere wird,
          das Beste sein, allein ich muß der Name von Steamer(?),
          und der Tag der Abfahrt von Hafen wissen, dann
          werde ich Ihn hier auf dennselben abholen, über-
          haupt muß sich Eduard auf der Reise sehr in Acht nehmen, ...


          Ich bin mir ziemlich sicher, dass Carl für das Schiff, das Eduard -der nun doch kommen dürfen soll- das Wort Steamer meint, auch wenn er es auf zwei unterscheidliche Weisen schreibt. Ein Dampfer ist es sicherlich, weil er es gegen Segelschiffe abhebt.
          Das Wort in der achten Zeile von unten, vor dem hervorgehobenen Schiffsnamen %Borussia% lese ich als dritte Variante von Steamer, diesmal ganz eindeutig mit nur einem m -wie es sich gehört-, dafür ohne deutlichen t-Strich. - Passt das? (Die Borussia ist seit 1856 Hamburg - New York gefahren.)
          Die über dem m bei Hammburg und Steamer liegenden Striche sind wohl nicht als Doppelungsstriche gemeint, wie sich aus dem auf Seite vier bei "Hemden" ebenfalls gesetzten Strich schließen lässt.
          Was rechts am Rand steht, gehört auf die nächste Seite.
          Zuletzt geändert von Ulpius; 19.05.2020, 22:46. Grund: Wortlücke ergänzt, Bemerkung zu scheinbaren Doppelungsstrichen

          Kommentar

          • Ulpius
            Erfahrener Benutzer
            • 03.04.2019
            • 942

            #6
            Seite 3

            und wenn Er Geld bei sich hat, nirgends sehen lassen, und den
            Großen spielen, denn es lässt sich sehr in Acht nehmen auf
            einer solchen Reise, es gibt verschiedene Menschen, die einer
            bei dieser Gelegenheit kennen lernt. Ich schließe Euch
            noch beiliegent die Adresse von He(rrn) Schelk bei, solltet Ihr
            Eduard wirklich gehen lassen, so ist es das einfachste
            Ihr schreibt mir, wann er von dorten Abreist, und
            dann vom Ihm die Antwort bevor er Abfehrt, im Hafen,
            und was für einen Steammer.
            %Vortgesezt am 19. Dezember.%
            Nun(?) seit am 13. September habe ich mit dem Schreiben eingehalten
            und als heute Samstag dem 19. D(e)z(em)b(e)r wieder den Anfang
            genommen, und auch Ihn zu beenden. 1. Herr Sieger und seine
            Frau, und Allges Tochter sind lezte Woche hier angekommen, habe
            aber Sie noch nicht gesprochen. 2. Wie mir Bros sagte, so
            so wäre auch He(rrn) Markts Tochter hier gewesen, habe Sie
            aber auch nicht gesehen. 3. Wie ich und Bros lezten
            Son(n)tag beinander gewesen, so erfuhr er durch Welser
            daß die Tochter Alges Ihnn ein Paketchen habe. Er
            begab sich in das Haus derselben, und erhielt es
            wirklich. Nach diesem beschloßen wir uns miteinander
            daß wir nun nach Hause Schreiben wollt. Bros
            ist ein sehr guter Freund zu mir, und wir haben
            einander sehr gerne, ich werde mich als Morgen
            frisch den Weeg nach Bros einschlagen, und da
            werden wir unsere Briefe zusammen paken, und das …

            ((Links am Rand aufwärts geschriebener Zusatz))
            Ich entschuldige mich noch, Ihr könnt wohl denken, daß das
            Schreiben etwas hart geht, und ich eine ganz andere
            Hand habe wie früher, deßhalb auch nicht mehr so gut schreiben kann.


            Bei dem Namen des guten Freundes bin ich nicht ganz sicher.

            Kommentar

            • Ulpius
              Erfahrener Benutzer
              • 03.04.2019
              • 942

              #7
              Seite 4

              Päkchen auf den Nächsten Steamer spedirt, innliegend sende
              ich Euch auf Verlangen, mein Portrait, es ist gut
              gemacht, es kostete mich einen Dollar, es ist sehr
              billig, das Päkchen senden wir Euch franko,
              schreibt mir auch was Ihr noch bezahlen müßt.
              Auch dieses Jahr habe ich meinen Namenstag schlecht ge-
              feiert, ich Arbeitete den ganzen Tag, jedoch Abends
              nahm ich ein Glas Lagerbier, auf Euer Wohl zu Liebe.
              Liebe Eltern und Geschwistern,
              Zum Neuen Jahr wünsche Ich Euch alles Gute,
              Glück, Gesundheit und langes Leben. ich wünsche daß
              Ihr Alle so Gesund seid, wie Ich, denn Ich bin Gesund
              wie ein Hecht. Ein Neues Jahr wünsche Ich auch
              meinen Verwandten in Meersburg, Constanz und
              Möhringen, erreicht(?) auch einmal ein schreiben von dorten.
              Seit dem ich meine ersten Zeilen begonnen, nemlich
              vom 13 S(e)pt(em)b(e)r so hat sich die Zeit sehr geändert,
              die Arbeit geht sehr schlecht hier, was die Geld-
              Krisis alles verursachte, es sind sehr viele Banken
              falirt, was auch in Deutschland das gleiche sein soll,
              wie ich in den Zeitungen lese, Was mein Ge-
              schäft anbelangt, das geht sehr gut, ich muß
              sehr oft bei der Nacht Arbeiten, mein Baas
              %Meister% hat sehr große Lieferungen zu
              machen nach England, mit Schweinefleisch, wir


              ((Rechts am Rand aufwärts geschrieben))
              Tausend Grüße an Alles was
              mir nachfragt, und Glük zum
              neuen Jahr, ich kann die
              Namen nicht alle bemerken,
              dann brauchte 3 – 4 Bogen Papier.

              Auch noch statte ich meine Gratulation
              der Mutter ab, zu Ihrem Namenstage und bedanke
              mich für Alles was Sie mir gethan hat ich habe
              heute noch Hemden und Sokken von Ihr. C. Merlet.


              falieren - von to fail "eingedeutscht"

              Kommentar

              • Verano
                Erfahrener Benutzer
                • 22.06.2016
                • 7831

                #8
                Zitat von Ulpius Beitrag anzeigen
                Seite 2




                Ich bin mir ziemlich sicher, dass Carl für das Schiff, das Eduard -der nun doch kommen dürfen soll- das Wort Steamer meint,


                Schiffsnamen %Borussia% lese ich als dritte Variante von Steamer, diesmal ganz eindeutig mit nur einem m -wie es sich gehört-, dafür ohne deutlichen t-Strich. - Passt das? (Die Borussia ist seit 1856 Hamburg - New York gefahren.)


                Die über dem m bei Hammburg und Steamer liegenden Striche sind wohl nicht als Doppelungsstriche gemeint,

                Moin,


                Ja, Steamer lese ich auch.
                Gib mal Steamer Borussia bei Google ein, da gibt es viele alte Ansichtskarten.

                Doppelungsstriche sind vielleicht doch gemeint, aber wir wissen ja was gemeint ist.
                Viele Grüße August

                Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

                Kommentar

                • Pierre06140
                  Erfahrener Benutzer
                  • 05.08.2018
                  • 256

                  #9

                  Er war sehr erstaunt über diese schöne Schrift der
                  Anna, und über die des Flötisten, aber wie ich in Zeitungen
                  gelesen, so soll der Telegraph nach Deutschland gebrochen
                  sein, desshalb die Wurst in Ocean gefallen, und der
                  Flötist nichts bekommen hat.


                  Was bedeutet der Ausdruck ? ""desshalb die Wurst in Ocean gefallen ""

                  Eine weitere Anekdote : Ein kleiner Bruder von Carl und Eduard spielte tatsächlich Flöte ...
                  Zuletzt geändert von Pierre06140; 20.05.2020, 15:55.

                  Kommentar

                  • Ulpius
                    Erfahrener Benutzer
                    • 03.04.2019
                    • 942

                    #10
                    Zitat von Pierre06140 Beitrag anzeigen

                    ...

                    Was bedeutet der Ausdruck ? ""desshalb die Wurst in Ocean gefallen ""

                    ...
                    Carl ist damit auf der Höhe der Zeit. Vielleicht spielt er auf etwas an, das zwischen ihm und der Familie als Scherz gedacht war. Genau 1857/58 wurde das erste Mal versucht, ein transatlantisches Telegraphenkabel zu ziehen. Vielleicht hat er früher von solchen Plänen geschrieben und könnte gescherzt haben, dass er dann seinem kleinen Bruder eine Wurst per Telegraph schicken könnte. - Oder in dem Brief aus der alten Heimat wurde von den entsprechenden Plänen geschrieben und Carl reagiert in seiner Antwort direkt darauf.Dass es um eine reale, essbare Wurst gegangen wäre, das glaube ich eher nicht. Was ich mir auch vorstellen kann ist, dass das Telegraphenkabel mit einer langen Wurst verglichen worden ist - oder dass irgendein Cartoon utopisch das Telegraphieren von Dingen dargestellt hat und hier darauf angespielt wird.

                    Funktioniert hat das Unternehmen dann nicht, weil das Kabel nicht ausgehalten hat, was man erwartete. Der erste Versuch wurde dabei im Sommer 1857 unternommen, dieser musste abgebrochen werden. Das war am 10. August 1857, also kurz bevor dieser Brief geschrieben wurde.

                    Zur Chronologie 1857/58: https://atlantic-cable.com/Cables/18...ntic/index.htm

                    Kommentar

                    • Pierre06140
                      Erfahrener Benutzer
                      • 05.08.2018
                      • 256

                      #11
                      Ein "Steamer" ist eigentlich ein Dampfer.

                      Carl kam mit einem Steamer in die USA, kam aber nicht aus Hamburg an. Sein Boot hatte Le Havre in Frankreich verlassen.

                      Eduard wird sich niemals seinem Bruder Carl in den USA anschließen.

                      Als Soldat wird Eduard 1861 in Afrika und dann in Mittelamerika abreisen und 1870 nach Europa zurückkehren.

                      In Bezug auf das Portrait, das er seinen Eltern schicken möchte, hat er es geschickt. Wir haben es.

                      Vielen Dank für Ihre Arbeit und für diese schöne Geschichte.

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