Familienbrief 1855 - New York - Syracuse/ Deutschland

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  • Pierre06140
    Erfahrener Benutzer
    • 05.08.2018
    • 256

    [gelöst] Familienbrief 1855 - New York - Syracuse/ Deutschland

    Quelle bzw. Art des Textes: FAMILIENBRIEF
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1855
    Ort und Gegend der Text-Herkunft: NEW YORK / SYRACUSE
    Namen um die es sich handeln sollte: MERLET


    Hallo an alle,

    Das Papier wurde von Mäusen gefressen ........
    Ich hoffe, wir werden die Bedeutung des Textes noch verstehen

    Hier ist ein Brief eines Vorfahren.
    Nachdem er vor einigen Monaten in den USA angekommen war, schrieb er an seine Eltern, die in Deutschland geblieben waren.


    Danke für Ihre freundliche Unterstützung.

    Pierre
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  • Karla Hari
    Erfahrener Benutzer
    • 19.11.2014
    • 5898

    #2
    hola,


    page 1



    Empfangen 17.März 55 Syracuse St. New-York den 23. Februar 1855
    Liebe Eltern!
    Euer Brief vom 26 November vorigen Jahres habe ich am 20. Dezember vorigen Jahres erhalten, und Gott sei Dank, was (mich)
    am besten freute seid Ihr alle gesund und wohl, nun was ich alle Tage Gott darum bitte; zum (Neuen)
    Jahr was aber schon vorbei ist, wünsche ich Euch ebenfalls wieder alles Gute, sowie auch meinen
    lieben Geschwistern, auch noch meine Gratulation aufs Namensfest der Mutter
    das aber auch vorbei ist, allein es soll mir doch noch gelten. Ihr schreibt mir, daß (Ihr?)
    mir wegen meines Berufs nichts erinnern könnt, das ist so, denn ich wollte es so ha...
    doch wollte ich in Deutschland lieber Soldat sein, als in Amerika Arbeiter, hätte(?)
    ich das gewußt, da hätte man mich nicht in Amerika gekätscht (gefangen??), daß alles bei...(euch?)
    teuer ist das glaube ich, allein hier ist es auch teuer. Eduard laßt Ihr ...
    nicht nach Amerika, Ihr könnt es in Eurem ganzen Leben nicht verantworten, ich bitte(??)
    Euch und lasst aus Eurer Familie da niemand nach Amerika, wie es hier ist, werdet
    Ihr noch hören; Im nächsten Brief will ich es versprochen habe, daß Ihr Eduard, über...
    aus der ganzen Familie niemand nach Amerika schickt, ich bitte Euch. Über die
    Neuigkeiten war ich erstaunt, wir ging es der Stökleketter(?), daß der
    Vater viel Arbeit hatt, das ist ein gutes Zeichen, es ist gut wenn man Arbei hat.
    An Roseln(?) habe ich und der neue Bek geschrieben, aber noch keine Antwort, sie sollen
    in Williamsburg sein, aber er sill keine Arbeit haben. Über Herrn Menn...
    kann ich meine Zufriedenheit gar nicht aussprechen. Also in meinem lezten Brief an
    Euch habe ich geschrieben daß ich zu gleicher Zeit an Menna geschrieben habe um meine
    Kleider, ich wartete 14 Tage auf Antwort der oder aufs Koffer, aber gar nichts, nach
    diesen 14 Tagen schrieb ich wieder nach dorten, und bat Ihn wieder ums Koffer, oder
    wenigstens doch um Antwort, aber ich wartete wieder 14 Tage, und wieder keine
    Zuletzt geändert von Karla Hari; 18.05.2020, 15:09. Grund: Tipfehler
    Lebe lang und in Frieden
    KarlaHari

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    • Ulpius
      Erfahrener Benutzer
      • 03.04.2019
      • 942

      #3
      gekätscht (gefangen??): Ja, da hat er "to catch" eingedeutscht, wenn man das so sagen will

      daß Ihr Eduard, überhaupt
      aus der ganzen Familie niemand nach Amerika schickt, ich bitte Euch.

      An Rosele [diese Person wird in anderen Briefen von Carl erwähnt]

      Kommentar

      • Ulpius
        Erfahrener Benutzer
        • 03.04.2019
        • 942

        #4
        Seite 2

        Antwort u(nd) keine Kleider, ich war Ihm doch nichts schuldig, also kön(n)t Ihr denken
        wie es mir war, mein Leben war mir ganz entleidet, ich wartete also 5 – 6 Wochen
        auf meine Kleider, und wußte nichts mehr von denselben. Nun, nach verfluß von obigen
        Wochen sagte ich zu H(errn) Müllhäuser ich müsse nach Cleveland gehen und meinen Kleidern
        nachsehen, Geld hatte ich keins, Ihr (= er) le(i)hete mir und gab mir $ 14, es kostete fünnef (= fünf)
        (hin?) u(nd) hieher $ 7.- essen, sagte ich, wolle ich nichts, denn ich war froh Geld
        für die Reise zu erhalten, nun, er gab mir einige Würste mit, an einem
        Dienstag [wegen der Reisedauer] im November machte ich mich auf die Rail Road % Eisenbahn % u(nd) ging nach
        Buffalo da war ich in 6 Stunden, es war aber schon Nachts, ich begab mich gleich
        ans Wasser aufs Schiff, u(nd) es fuhr um 7 Uhr ab, das war auf dem Erie See,
        wir fuhren die ganze Nacht u(nd) es war aber die ganze Nacht Sturm, gegen
        Morgen mußten Sie 36 Meilen nah von Cleveland in einen Hafen fahren,
        Geld hatte ich bloß zum fahren, u(nd) meine Würste waren gegessen, Sie lagen
        3 Tage im Hafen u(nd) ich machte mich aber schon am ersten Tag Morgens 2 Uhr auf den Weeg,
        ich war aber zu Fuß, durch Berg u(nd) Thal u(nd) Wald hatte ich zu gehen u(nd) nichts zu essen,
        Mittags 12 Uhr war ich in Cleveland, ich kam zu meinen Bekannten ass (= aß) etwas
        und suchte Herrn Menner auf, ich fand Ihn und das Koffer war auch in seinem
        Zimmer, Abends 4 Uhr saß ich auf auf die Rail Road u(nd) am andern Morgen
        am Donnerstag kam ich wieder hier an, ich dankte aber Gott, daß ich meine
        Kleider wieder hatte, obgleich ich ein ganzes viertel Jahr arbeiten
        mußte, bis ich es abverdient hatte. Nun am 18. Februar rechneten ich
        u(nd) Müllhäuser miteinander ab, es treff mir noch $ 2 ¼ . Dann sagte er
        wenn ich den Sommer durch bei Ihm Arbeite, so gebe er mir den Monat $ 6.-
        ich sagte das könne ich nicht eingehen, u(nd) so ging ich am gleichen Tage
        von Müllhäuser fort, aber zufrieden, er lies mich nicht gerne gehen, aber …

        ((Randnotiz rechts, von oben nach unten))
        Es vergeht kein Tag ohne daß ich nicht an Euch denkte.
        Das Briefchen an M. Müllh(äuser) ist abgegeben, dem Vater Müllh(äuser) rathe ich in Deutschland zu bleiben,
        kommt er, so hat er die besten Tage schon gehabt.
        Zuletzt geändert von Ulpius; 18.05.2020, 15:55.

        Kommentar

        • Ulpius
          Erfahrener Benutzer
          • 03.04.2019
          • 942

          #5
          Seite 3

          den ganzen Monat um $ 6.- den Monat zu arbeiten das konnte ich nicht. Nun kann ich zu Herrn ??
          und da geh ich jetzt in die Kost, aber ich werde dieser Tage wieder Arbeit bekommen
          ich bin ge?? zu einem Farmer %Bauer% zu gehen, da bekomme ich den Monat
          durch die Kost u(nd) noch $ 12.- Da kann ich die englische Sprache lernen, u(nd) kann mir etwas
          ersparen, es ist ein Amerikaner. Von der Faßnacht habe ich hier nichts gehört.
          Von ganz Amerika ist New-York die Räuberhöhle, da ist Liederlichkeit (und?)
          in Amerika kom(m)t einer zu etwas, wenn er schlecht handelt u(nd) Betrügt
          z(um) L(eben) es hat einer Arbeit bei einem Mann, den ganzen Sommer, er verdient
          Monatlich $ 6 von diesen bekommt er bloß $ 3.- und $ 3.- bleiben schuldig(?)
          also kann er den Sommer durch ungefähr $ 60.- gut haben, wenn der Winter
          nun kommt, wird der Arbeiter fortgeschickt und der Mann sagt ich bin dir nichts schuldig.
          Der Arbeiter kann Ihm verklagen, aber er richtet nichts, so müssen viele tun,
          den Sommer arbeiten u(nd) nachher nichts vom Baas [Boss - lautsprachlich] %Meister% bekommen. Ich heb bei
          mei(ne)m Geld gut, ich geh am Son(n)tag zu Ihm ins Haus u(nd) fordere Ihn an
          er kann sagen, ich bin dir nichts schuldig, u(nd) ich kann abgehen.
          Kommt ein Deutscher wegen Mordthat vor die Kooth [court - lautsprachlich] %Schwurgericht%
          so wird er gehenkt, ist es aber ein Jennke [Yankee] %Amerikaner% so wird
          er frei. Ihr glaubt bei Euch habe es viel Advokaten, hier hat es
          noch mehr, ebenso auch Geistliche, Steuern vom Staat u(nd) der Stadt
          muß mehr bezahlt werden als in Deutschland, Hundstax wird auch
          bezahlt, Gewerbesteuer wird auch bezahlt noch mehr als in Deutschland
          Nahrungsmittel, Holzmaterial etc. etc. etc. ist alles theuer und schlecht, wird
          einer krank, so ?? ein Pfuscher, oder einer der in Deutschland fortge(ja)kt
          wurde, u(nd) sodann auf Leben u(nd) Tod behandelt wird. Ich kann Gott nicht genug
          danken, daß mir bis heute noch nichts fehlte und immer Arbeiten konnte, ich werde …


          Ein paar Worte entziehen sich mir einfach. Wer kann die entziffern?
          Zuletzt geändert von Ulpius; 18.05.2020, 18:57. Grund: Tippfehler korrigiert.

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          • Ulpius
            Erfahrener Benutzer
            • 03.04.2019
            • 942

            #6
            Seite 4

            sehen daß ich mir den Sommer durch etwas verdiene und dann
            ??ht wieder nach Deutschland gehe, wahrscheinlich in 1 ½ Jahr,
            wird einer krank, so liegt er da wie ein verlassener Hund, nein,
            so will ich mein Leben nicht in Amerika durchbringen, ich werde
            machen daß ich in 1 ½ Jahren etwas verdiene u(nd) mich nach Deutschland
            wieder begebe, was meint Ihr dazu. Der Brief von Frizi freute mich
            und ebenso von Anna, Aber Eduard kommt nicht nach Amerika, unter
            die Räuberbande. Von Herrn Müllhauser u(nd) seiner Frau habe ich
            Grüße nach Göggingen, Schnerkingen u(nd) Meßkirch an Ihre Bekannte auszurichten,
            so an Vater Müllhäuser und seine Tochter und auch an Thahlmüllers,
            haben schon lange ein Brief erwartet von Doktors oder von Göggingen,
            (die) Schrauzsche Familie in Frochold ist Wohl. Albert Meicht liegt hier
            schwer krank, es hat heute Nacht ein Keuthemer Namens Bregger
            u(nd) Hefner von Krumbach bei ihm gewacht, u(nd) kommende Nacht wird es
            an mich, u(nd) an ein, wieder aus Krumbach, wohl die Reihe kommen, er wird nicht mehr
            lange Leben, den(n?) Albert kann den Arbeiten hier nicht vorstehen, sollte
            Albert wieder durchheuen, so sollte er nach Deutschland machen, er liegt
            jetzt bei ganz fremden Leuten u(nd) hat kein Cent Geld, ich bitte
            Herrn Troll u(nd) Kreuzwirths doch auch wenigstens eine Antwort
            von sich zu geben, er hatte den ganzen Winter keine Arbeit, machte bei
            Bauer $ 3.- Schulden, und jetzt liegt er verlassen da bei fremden
            Leuten, der Winter ist ein böser Kamerad für den Arbeiter. Vom ersten
            Mai d(es) J(ahres) beginnt in ganz Amerika das Temperanzgesezt, die Wirtschaften
            werden aufgehoben, u(nd) darf deshalb kein Schnaps, Bier, u(nd) Wein mehr getrunken
            werden; was aber sehr gut ist. In Amerika sieht es auch immer …

            Kommentar

            • mawoi
              Erfahrener Benutzer
              • 22.01.2014
              • 4046

              #7
              Seite 3

              den ganzen Sommer um $ 6.- den Monat zu arbeiten das konnte ich nicht. Nun kam ich zu Herrn ??
              und da geh ich jetzt in die Kost, aber ich werde dieser Tage wieder Arbeit bekommen
              ich bin gesonnen zu einem Farmer %Bauer% zu gehen, da bekomme ich den Monat
              durch die Kost u(nd) noch $ 12.- Da kann ich die englische Sprache lernen, u(nd) kann mir etwas
              ersparen, es ist ein Amerikaner. Von der Faßnacht habe ich hier nichts gehört.
              Von ganz Amerika ist New-York die Räuberhöhle, da ist Liederlichkeit (und?)
              in Amerika kom(m)t einer zu etwas, wenn er schlecht handelt u(nd) Betrügt
              z(um) B(eispiel) es hat einer Arbeit bei einem Mann, den ganzen Sommer, er verdient
              wesentlich $ 6 von diesen bekommt einer bloß $ 3.- und $ 3.- bleiben schuldig(?)
              also kann er den Sommer durch ungefähr $ 60.- gut haben, wenn der Winter
              nun kommt, wird der Arbeiter fortgeschickt und der Mann sagt ich bin dir nichts schuldig.
              Der Arbeiter kann Ihm verklagen, aber er richtet nichts, so müssen viele tun,
              den Sommer arbeiten u(nd) nachher nichts vom Baas [Boss - lautsprachlich] %Meister% bekommen. Ich hab bei
              mei(ne)m Geld gut, ich geh am Son(n)tag zu Ihm ins Haus u(nd) fordere Ihn an
              er kann sagen, ich bin dir nichts schuldig, u(nd) ich kann abgehen.
              Kommt ein Deutscher wegen Mordthat vor die Kooth [court - lautsprachlich] %Schwurgericht%
              so wird er gehenkt, ist es aber ein Jennke [Yankee] %Amerikaner% so wird
              er frei. Ihr glaubt bei Euch habe es viel Advokaten, hier hat es
              noch mehr, ebenso auch Geistliche, Steuern vom Staat u(nd) der Stadt
              muß mehr bezahlt werden als in Deutschland, Hundstax wird auch
              bezahlt, Gewerbssteuer wird auch bezahlt noch mehr als in Deutschland
              Nahrungsmittel, Holzmaterial etc. etc. etc. ist alles theuer und schlecht, wird
              einer krank, so ?? ein Pfuscher, oder einer der in Deutschland fortge(ja)kt
              wurde, u(nd) sodann auf Leben u(nd) Tod behandelt wird. Ich kann Gott nicht genug
              danken, daß mir bis heute noch nichts fehlte und immer Arbeiten konnte, ich werde …


              VG

              mawoi

              Kommentar

              • mawoi
                Erfahrener Benutzer
                • 22.01.2014
                • 4046

                #8
                Seite 2


                Geld hatte ich keins, Ihr lehnte


                ich fand Ihn und das Koffer war noch in seinem



                VG
                mawoi

                Kommentar

                • Ulpius
                  Erfahrener Benutzer
                  • 03.04.2019
                  • 942

                  #9
                  Danke mawoi, das füllt die Lücken gut und korrigiert Fehler. Seite 3 hab' ich selber noch einen entdeckt:

                  ... Ich hab bei
                  einem Geld gut, ...


                  Und schließe auf derselben Seite die letzte Lücke: Bei dem Pfuscher bin ich immer mehr der Ansicht, dass dort das einzige Mal ein anderer u-Strich gemacht ist (vielleicht, als nochmal durchgelesen wurde und aufgefallen ist, dass da einer fehlte) und als Wort dort steht: keukt = kuckt/guckt/schaut

                  ... wird
                  einer krank, so keukt ein Pfuscher, ...
                  Zuletzt geändert von Ulpius; 19.05.2020, 01:33. Grund: Vervollständigt.

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                  • Karla Hari
                    Erfahrener Benutzer
                    • 19.11.2014
                    • 5898

                    #10
                    hola,


                    kein u-Strich, sondern ein Verdopplungsstrich
                    ich schätze, das sollte eigentlich mal "kommt" werden, das Ende ist aber gründlich mißraten
                    Lebe lang und in Frieden
                    KarlaHari

                    Kommentar

                    • Ulpius
                      Erfahrener Benutzer
                      • 03.04.2019
                      • 942

                      #11
                      Zitat von Karla Hari Beitrag anzeigen
                      hola,


                      kein u-Strich, sondern ein Verdopplungsstrich
                      ich schätze, das sollte eigentlich mal "kommt" werden, das Ende ist aber gründlich mißraten

                      Der Sache nach sicher sehr gut möglich, aber wäre dann wahrlich missraten. Schaut man sich den Brief insgesamt an, dann gibt es schon ein paar Stellen, die untypisch unsauber geschrieben sind. (Zusätzlich zum Umstand, dass sich eine Reihe Buchstaben sehr viel mehr gleichen als das eigentlich sein sollte.) Ich hatte noch überlegt, ob Carl hier -so wie weiter oben auch- die Sprachen mischt. Mir fällt aber kein passendes Wort ein.
                      Trotz der kleinen Unsicherheiten in der Wortwahl ist alles sehr klar verständlich. Diese Briefe sind ungemein lebendig und lassen unmittelbar miterleben, was Carl erlebt hat und durchmachen musste. Manches gilt präzise genauso auch heute.



                      Ulpius.

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