26 Unklarheiten in einer Bitte um bessere Besoldung

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • iehu
    Erfahrener Benutzer
    • 06.10.2009
    • 772

    [gelöst] 26 Unklarheiten in einer Bitte um bessere Besoldung

    Quelle bzw. Art des Textes: Brief (Bitte um bessere Besoldung)
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1683
    Ort und Gegend der Text-Herkunft: Alpirsbach (Württemberg)

    Hallo Zusammen,
    ich benötige mal wieder eure Hilfe beim Entziffern der letzten Unklarheiten. Es würde mich freuen, wenn ihr mehr lesen könnt, als ich.
    Schönen Gruß
    Uwe
    ----------------------------
    Zum besseren Verständnis meiner Tranksription, meine Transkriptionsrichtlinien:
    • verständliche Getrennt- und Zusammenschreibung, sonst wie in Quelle
    • Groß- und Kleinschreibung an heutige Regeln angepasst, außer Anrede
    • Zeichensetzung an heutige Regeln angepasst
    • bekannte bzw. offensichtliche Abkürzungen unkommentiert aufgelöst
    • heute geläufige Abkürzungen beibehalten
    • andere Abkürzungen in eckigen Klammern an die damalige Schreibweise angepasst aufgelöst
    • Ergänzungen in eckigen Klammern [ ]
    • Anmerkungen in den Fußnoten
    • als u verwendetes w wird durch u ersetzt
    • ÿ wird zu y
    • Umlaute wie heute (eu nicht )
    • Punkte nach Zahlen weggelassen
    • Währungssymbole und Maßeinheiten aufgelöst
    • unsichere Transkription bzw. Unklares rot


    Seite 1 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/1.jpg):


    [Empfänger (links)]
    Dem Durchleuchtigsten Fürsten undt
    Herrn, Herrn Friderich Carln, Hertzogen zue
    Württemberg und Töckh, Graven zue Mömppelgardt,
    Herrn zue Haydenheimb etc., Administratori undt
    ober Vormündern etc., meinem gnädigsten Fürsten
    und Herrn etc.

    Hochfürstlich löbliche
    Visitation


    [Nachtrag (links)]
    […] in h[erzoglichen] G[e]gen Schreib[erei]
    um
    […] Addit[ion] in Zehrung wegen Einziehung
    der Gültfrüchten und Zinßen

    [Absender (rechts)]
    Alpirspach
    Geistlicher Verwalter und Closters
    Gegenschreiber, Johann Christoph
    Binder, bittet underthönigstlich […]
    der Geistlichen Verwaltung umb
    Addition, und wegen der
    Clostersgegenschreiberey bey
    Einziehung der Zinß und
    Gültfrüchten die Zöhrung
    gleich dem Castenknecht
    passiren zu laßen.
    Beruht auf sich.
    [praes]entiert den 23. Junii 1683


    Seite 2 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/2.jpg):

    Inn Euer Hochfürstlichen [Durchleuchten] Diensten, binn ich endts bemelter
    underthönigster Supplicant bereits in die 20, und zwar
    anfangs bey der Gaistlichen Verwalttung Calw: 4[1], zue
    Undertürckheim ½ und dann allhier zue Allpirspach
    16 völliger Jahr gestanden, der underthönigsten Zuever-
    sicht lebendt, mich darinn allso verhalten zue haben, daß
    dieselbe jederzeit ab meiner Wenigkeit dero Dienern ein
    gnädigstes Vernüngen [+ Bedeutung?] schöpfen mögen. Nun mir aber
    dermahlen bey allhiesig geringer Diensts Bestallung, ohne
    gnädigst reichende Addition länger zue Verharren purl [+Bedeutung?]
    unmöglich zue sein scheinet, inndeme die gantze Besoldung,
    (1) der Gaistlichen Verwalltung sich nur uf 20 Gulden erstreckt,
    undt vonn Früchten nicht einigen Speltzen[2] zuer heben habe,
    ohnerachtet ich 600 Gulden derentwegen caution laisten, das
    Jahr über große Mühe mit ged[achten ?] zwar gering scheinendt,
    jedoch weitleufigen Verwalttung habe undt baldt alle ybri-
    ge Geschäften bei seith legen mueß, vornehmblichen bey
    dem Casten Oberiflingen und Röthenberg, biß die Früchten,

    [1] Zuerst „7“ geschrieben.
    [2] Spelze = Hülse von Getreide.


    Seite 3 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/3.jpg):

    eingeheimbst, ußgetroschen, und verkhauft werden, maßen
    dann nacher Oberiflingen 5 starckher [+ Bedeutung?] und gen Röthenberg
    2 Stundt, auch 4 lange, hohe, Staigen sich befunden, auch
    inn Zeitten sich begibt, daß mann diß Ohrts kein Pferdt
    umb denn Lohn bekommen kan, hingegen mir Verwalttern
    weegen ubelen pedals unmüglich, bei naßem Wetter, ahn
    diese Ohrt zue gehen. Uber das, undt welches mit ein geringes
    Tragen die Geistliche keine scheun ein Verwallter, wann mann
    ihnen in ihren petitis allß Bauung der Pfarrhauser,
    reichender Besoldung und dergleichen, nit gleichbalden willfahrt,
    und auf die Stundt Satisfaction gibt, hinn und wider
    schimpflich zue tractiren; Anlangendt (2.do) [= secundo] die Closters
    Gegenschreiberey, bestehet der Empfang solcher ohn Gelltt
    30 und vor Holtz 6 Gulden. Item 8 Scheffel[1] Dinckhel und 1 Aymer[2]
    Weinn, auf solche ich aber einen aigenen scribenten halten,
    tägkichen einem jedem seinen zue Leib auf denn Casten
    stellen, undt zuer Wintters Zeith mit dem Castenknecht
    zue Einzeihung der Gülltt- und Zinnßfrüchten, auf das

    [1] 1 Scheffel = etwa 177 Liter bzw. dm³.
    [2] Aymer = Eimer, 1 Eimer = etwa 290 Liter bzw. dm³.


    Seite 4 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/4.jpg):

    gaudieren, sondern mueß deß Tags, so er oder ein Scri-
    bent auf das Ambt kombt, vor Zährung undt Tag-
    lohn sich mit 48 Kreuzer contentiren laßen, und davon leben
    zuemahlen dergleichen Verrichtungen, sich wenig eußern,
    inn deme baldt alle Erbfäll, allein zue vergleichen
    eingelaittet werden wollen, armebrest auch bey disen
    fridsamen Zeitten, der Schreibverdienst vom gemeinen
    Ambt jährlich sich etwann auf 30, 40 oder höchstens
    50 Gulden belaufen möchte, und obwohlen ich mich deßen
    bey gemeiner Ambtsversamblung öfters beschwehrt,
    undt umb Schöpfung eines Salary gebührendt ange-
    langt, ist mir jedoch hierum niemahlen gratificirt,
    sondern ahn Seitten deß Ambts entgegen gehalten worden,
    daß ich Euer Hochfürstlicher [Durchleuchten] Ambtschreiber und Diener
    wäre, und vonn deroselben depentirte, allso mann
    nit sehen könnte, wie mir inn meinem Ansuechen gra-
    tificirt werden möchte, wormit ich mich dann (wie-
    wohlen das Ambt ein Ambtschreiber jederzeith inn
    ihren Verrichtungen pro obligato halten, demselben
    eintrag thuen, und keinen dem gegebenen Stauth [= Stanth (= Stand)?]


    Seite 5 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/5.jpg):

    Ruhe begeben müeßen, (4.) kommt noch dises hinzue
    daß vor ohngefähr 2 Jahren, deß Closters allhier leibaigene
    Persohnen genant Pelagier[1] Bruederschaft, inn denn
    Vßfleckhen [=Außenflecken, äußere Flecken] und Catholischen Ohrten vonn mir durch-
    gehendts renovirt, und so vihl möglich sein mögen,
    wider inn guetten Gang gebracht worden, ob welcher
    Verrichtung dann, ich Leib- und Lebensgefahr außgestan-
    den, und vonn vihlen Persohnen große Verspott undt
    Höhnung tolleriren müeßen, allso nit ein geringes ver-
    dient, habe jedoch mehrers nit, dann allein die pahsir-
    liche Zöhrung verrechnet und angenommen;
    Wann nun Gnädigster Fürst undt Her diß alles
    oberzehler maßen in Rei veritate sich allso
    verhält, und mich biß anhero bey solcher Be-
    dienstung patientiren, dabey mein gehabtes pa-
    trimonium verzöhren, meine Kinder (welche nun-
    mehr beginnen aufzuewachßen) inn fremden
    Ohrten mit nit geringen schwehren Last Gelttern
    versehen und alles an solche wenden müeßten,

    [1] Pelagier = dem Kloster Alpirsbach zinspflichtige Person, die im Gegensatz zu anderen Leibeigenen ein Wegzugsrecht hat, benannt nach dem Hl. Pelagius.


    Seite 6 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/6.jpg):

    Weinn, so dann wegen der Closters Gegenschreiberey
    die Zöhrung gleich dem Castenknecht, bey ein Ziehung
    der Zinnß undt Gülttfrüchten, auf mich oder Scribenten
    neben Nutzung eines Stuckh Wise von deß Closters
    Gärttner in einem leidenlichen Pretio[1] und jährlichen
    Gnadenzinnß, anerwagen dieser Refier [= Revier?] alles sein hohem Werth
    stehet, und ich denn Weinn jede Mas pro 10 biß 12 Kreuzer
    vonn dem Würth, sambt Frucht, Fleisch und anderm
    auß indigirter [+ Bedeutung?] Besoldung allein erkaufen muß,
    aller gnädigst verstehen, gedeyen und widerfahren
    zue laßen, damit ich mich und die meinige ehrlich

    [1] pretio = (lat.) Wert.


    Seite 7 (http://www.uwe-heizmann.de/bilder/7.jpg):

    Solch erziegende hohe fürstliche Milde und Willfahr, umb
    Euer Hochfürstliche [Durchleucht] mit meinen vorher pflicht-
    schuldigsten Diensten, nit allein so tags so nachts
    abzueverdienen mich befleißigen, sondern auch in ohnunter-
    brechender Gedächtnus jederzeith gehorsambst behalten
    werde;

    Gnädigster Gewehr [= Gewähr] mich hier under getröstendt
    und darumben nochmahlen underthönigst bittendt
    denn 12. T[ag] May Anno [] 1683

    Euer Hochfürstliche [Durchleucht]
    Forschungsergebnisse und Hilfsmittel auf www.uwe-heizmann.de
    Quellen zur südwestdeutschen Militärgenealogie auf www.uwe-heizmann.de/militaer.html
    Quellen für die Biografien von Bergleuten in Baden-Württemberg auf www.uwe-heizmann.de/bergleute.html
  • Verano
    Erfahrener Benutzer
    • 22.06.2016
    • 7831

    #2
    Guten Morgen Uwe,





    Seite 3: „starckher“

    Es muss sich ja um eine Bezeichnung der zeitlichen Entfernung handeln.
    Ich vermute mit „starckher“ ist eine „starke Stunde“ gemeint, große, lange, beschwerliche Stunde, im Gegensatz zu 2 Stunden nach Röthenberg.


    Schönen Tag, nun ruft die Arbeit!
    Zuletzt geändert von Verano; 02.12.2016, 11:57.
    Viele Grüße August

    Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

    Kommentar

    • Verano
      Erfahrener Benutzer
      • 22.06.2016
      • 7831

      #3
      Es geht ein wenig weiter mit Seite 3:

      keine „scheüe“, siehe das e am Ende bei z.B. „die“ Closters,

      interpretiere ich als: die Geistlichen haben keine Scheu, (Bedenken), wann man ihnen … reichung (Handlung) der Besoldung …schimpflich zu tractiren.

      Bei „tägkichen“ ist das „l“ vergessen worden. … tägklichen einem jedem Seinen. Zue lieb auf denn Casten stellen, … zue Einziehung …

      Bei „Seinen“ bin ich nicht ganz sicher, wegen dem Punkt dahinter.
      Viele Grüße August

      Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

      Kommentar

      • Verano
        Erfahrener Benutzer
        • 22.06.2016
        • 7831

        #4
        Seite 4:

        … sich wenig eüßern,
        inn deme baldt, = indem bald …

        "arm ebrest auch bey disen,"

        = aen (mit breitem a wie bei ansuechen) oder aem ebenst auch bey disen … (mundartliche Eigenart?)

        ansuechen“ = findet man einige bei google books

        … jederzeith inn
        ihren Verrichtungen pro obligato halten, demselben
        eintrag thuen, - hier finde ich keine Unsicherheit!

        und keinen dem gegebenen Staäth (Staat)

        Alles ohne Gewähr, ich hoffe, hier wird immer noch drüber geschaut.
        Viele Grüße August

        Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

        Kommentar

        • Verano
          Erfahrener Benutzer
          • 22.06.2016
          • 7831

          #5
          Seite 5 noch schnell hinterher:

          Vßfleckhen [=Außenflecken, äußere Flecken, kleine Siedlung
          oberzehler maßen = vom Beamten richtig ausgezählt
          inn fremden Ohrten, = erklärt sich von selber.
          Viele Grüße August

          Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

          Kommentar

          • Verano
            Erfahrener Benutzer
            • 22.06.2016
            • 7831

            #6
            Seite 1:

            Zu den Abkürzungen links kann ich nichts sagen.

            Binder, bittet undert(hänigst[lichen]) rat

            Seite 2:

            endts bemelter = endangegebener, endangeführter
            Vernüngen [+ Bedeutung?] = m. M. nach Schreibfehler, Vergnügen
            purl [+Bedeutung?] = pure, ohne weiteres (Wörterbuch Meyers)
            ged[achten ?] = vielleicht „gehabt“?
            Viele Grüße August

            Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

            Kommentar

            • Verano
              Erfahrener Benutzer
              • 22.06.2016
              • 7831

              #7
              Heute kommt alles kleckerweise:

              Seite 6:
              Gnadenzinnß, anerwogen dieser Refier [= Revier?]
              Möglich, wenn Gegend gemeint ist. Ebenso wie Pretio in lat. Schrift.

              auß indigirter [+ Bedeutung?] = indizirter? = indizierter Besoldung?
              Viele Grüße August

              Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

              Kommentar

              • Verano
                Erfahrener Benutzer
                • 22.06.2016
                • 7831

                #8

                Seite 7:

                Willfahr lese ich auch,
                12. Tag ebenso, [] dieses Zeichen kenne ich als et cetera.
                Beim letzten roten Pfeil muss ich passen.

                Ich habe fertig!

                Viele Grüße August

                Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

                Kommentar

                • iehu
                  Erfahrener Benutzer
                  • 06.10.2009
                  • 772

                  #9
                  Hallo Verano,

                  als erste herzlichen Dank für deine Mühe, du warst mir eine große Hilfe!

                  Zitat von Verano Beitrag anzeigen
                  Bei „Seinen“ bin ich nicht ganz sicher, wegen dem Punkt dahinter.
                  Den Punkt ignoriere ich - ich habe sowieso das Gefühl, dass die Schreiber damals die Punkte und Kommas nach dem Zufallsprinzip gesetzt haben.
                  Wenn ab "Zue" eine neuer Satz beginnen würde, wäre der und der Satz davor unvollständig. Wenn man den Punkt ignoriert, kommt sinngemäß raus, dass der Schreiber von seinem Dinkel und Wein seinem Skribent netterweise etwas abgibt.

                  Schönen Gruß

                  Uwe
                  Forschungsergebnisse und Hilfsmittel auf www.uwe-heizmann.de
                  Quellen zur südwestdeutschen Militärgenealogie auf www.uwe-heizmann.de/militaer.html
                  Quellen für die Biografien von Bergleuten in Baden-Württemberg auf www.uwe-heizmann.de/bergleute.html

                  Kommentar

                  Lädt...
                  X