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  • Sneezy

    #16
    Hallo,
    im 17. Jahrhundert wurden in Frankreich bis zum Kleinkindalter viele Jungen als Mädchen gekleidet. Sie sollten sich dann erst später entscheiden, ob sie lieber ein Junge oder ein Mädchen werden wollen. Der jüngere Bruder von Louis XIV namens Philippe wurde auch als Mädchen gekleidet und war Homosexuell.



    Sein Geliebter war der Chevalier de Lorraine. Dieser hatte homosexuelle Beziehungen zu vielen Höflingen in Versailles. Am französischen Hof war Homosexualität sehr verbreitet und wurde als le vice italien bezeichnet.

    Außerdem finde ich es fragwürdig, dass Personen aus wohlhabenderen Kreisen wählerischer sein konnten, denn gerade in diesen Kreisen haben doch die Eltern die zukünftige Braut ausgesucht und zwar nur aufgrund des Geldes ihrer Familie und ihres Standes. Und beim Adel gibt es deutlich weniger passenden Bräute, da der Großteil der Bevölkerung aus einfachen Arbeitern und Bauern bestand. Und somit ist die Chance, dass man eine hübsche Frau fand, deutlich geringer.

    Deshalb bin ich der Meinung, dass es in den unteren Schichten der Bevölkerung deutlich mehr Liebesheiraten gab, da sie ja nur innerhalb des 3. Standes geheiratet haben und es deshalb deutlich mehr potenzielle Ehepartner gab. Wenn man z.B. ein einfacher Arbeiter war, konnte man viele schöne Bräute aus Arbeiterfamilien finden. Und aus welchen Gründen sollte man noch als einfacher Arbeiter heiraten? Große Aufstiegsmöglichkeiten gab es nicht.
    Zuletzt geändert von Gast; 11.11.2021, 16:06.

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    • Bienenkönigin
      Erfahrener Benutzer
      • 09.04.2019
      • 1876

      #17
      Zitat von Balduin1297 Beitrag anzeigen
      Und aus welchen Gründen sollte man noch als einfacher Arbeiter heiraten? Große Aufstiegsmöglichkeiten gab es nicht.
      Nun ja, vor gut 100 Jahren war doch schon ein gesellschaftlicher Druck da zu heiraten. Wenn man etwas besser gestellt war, konnte man vielleicht als schrulliger Hagestolz enden und sich von einer Haushälterin bedienen lassen.

      Aber eine Haushälterin konnte sich ein einfacher Arbeiter eben nicht leisten - sondern eine Ehefrau. Es ging also erstens nicht um Aufstieg, sondern ums Versorgtsein. Wenn er nach einer langen Schicht nach Hause kam, wartete zumindest ein warmes Essen und ein sauberes Bett auf ihn, sowie anderes, Punkt zwei. Denn wie sollte ein junger Mann sonst seine Triebe befriedigen? Geld für Prostituierte hatten vor allem wiederum "bessere" Schichten.

      Und drittens gehörte es früher sicher noch mehr als heute zum Selbstbewusstsein, als Ehemann und Familienvater "seinen Mann zu stehen" (der womöglich sogar einen Stammhalter hatte).

      Das waren jetzt nur die ersten Gründe, an die ich spontan denken konnte, und es gibt sicher noch mehr.
      Übrigens müssen wir nicht mal hundert Jahre zurückgehen, um den "schlauen" Spruch des Bertolt Brecht zu lesen, der plädiert, der Arbeiter solle "acht Stunden arbeiten, sich acht Stunden bilden, und acht Stunden ruhen" (paraphrasiert, hab den genauen Wortlaut nicht).
      Seit langer Zeit schon frage ich mich, wie der gute Arbeiter das hinkriegen soll ohne Ehefrau, die ihm einkauft, das Essen zubereitet, die Socken wäscht?

      Also insgesamt ein sehr umfassendes und wie ich finde sehr spannendes Thema.
      Viele Grüße
      Bienenkönigin
      Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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      • Sneezy

        #18
        Hallo,
        ich meinte eigentlich nur, dass ein einfacher Arbeiter nur aus Gründen der Liebe geheiratet hat. Denn er hatte ja sowieso durch die Heirat keine Aufstiegsmöglichkeiten, um in höhere Stände aufzusteigen. Und um das Geld ging es auch nicht, da ja alle Arbeiterfamilien wenig Geld hatten. Deswegen konnte er frei wählen und konnte eine hübsche Arbeiterin heiraten. In meiner Familie wurde auch nur wegen Liebe geheiratet und es gibt viele junge hübsche Arbeiterinnen in meiner Familie.
        Zuletzt geändert von Gast; 11.11.2021, 15:54.

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        • Su1963
          Erfahrener Benutzer
          • 08.01.2021
          • 1247

          #19
          Zitat von Bienenkönigin Beitrag anzeigen
          Ich bin nicht esoterisch veranlagt, aber Verständnis und Mitgefühl für heutige und frühere Mitmenschen finde ich einfach eine schöne Regung.

          Danke Bienenkönigin für deine Beiträge. Ich kann mich nur vorbehaltlos anschließen - genauso sehe ich das auch.


          Schöne Grüße, Susanna
          Zuletzt geändert von Su1963; 11.11.2021, 16:41.

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          • Bienenkönigin
            Erfahrener Benutzer
            • 09.04.2019
            • 1876

            #20
            Ach so, danke für die Klarstellung, Balduin, so stimmt es dann wieder.
            @Susanna: Danke!
            Zitat von Balduin1297 Beitrag anzeigen
            ich meinte eigentlich nur, dass ein einfacher Arbeiter nur aus Gründen der Liebe geheiratet hat. Denn er hatte ja sowieso durch die Heirat keine Aufstiegsmöglichkeiten, um in höhere Stände aufzusteigen. Und um das Geld ging es auch nicht, da ja alle Arbeiterfamilien wenig Geld hatten. Deswegen konnte er frei wählen und konnte eine hübsche Arbeiterin heiraten. In meiner Familie wurde auch nur wegen Liebe geheiratet und es gibt viele junge hübsche Arbeiterinnen in meiner Familie.
            Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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            • Su1963
              Erfahrener Benutzer
              • 08.01.2021
              • 1247

              #21
              Zitat von Balduin1297 Beitrag anzeigen
              In meiner Familie wurde auch nur wegen Liebe geheiratet und es gibt viele junge hübsche Arbeiterinnen in meiner Familie.

              Dann hoffe ich mal für die Frauen, dass im Gegenzug auch die Männer halbwegs ansehnlich sind
              LG Susanna

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              • Sneezy

                #22
                Hallo,
                die slawischen Männer sind oft nicht so hübsch wie die slawischen Frauen. Recht gut aussehend waren sie trotzdem.
                Zuletzt geändert von Xtine; 16.02.2022, 20:12. Grund: Persönliches entfernt

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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 7420

                  #23
                  Zitat von Balduin1297 Beitrag anzeigen
                  Ich sehe witzigerweise aus wie eine slawische Frau, obwohl ich ein Mann bin...
                  Wie lustig! Paßt ja irgendwie zum Thema des Threads...
                  Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

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                  • Svet_Lin
                    Erfahrener Benutzer
                    • 03.04.2020
                    • 282

                    #24
                    Hallo zusammen,

                    da geht man mal ein paar Stunden arbeiten und wird dann überrascht, dass die Diskussion so lebhaft weiter gegangen ist.

                    Vielleicht habe ich mich in meinem Startbeitrag nicht ganz klar ausgedrückt. Es ging mir nicht explizit darum, gezielt nach queeren Vorfahren zu suchen, sondern eher darum, wenn man über entsprechende Hinweise stolpert, ob man dann auch in diese Richtung weiterforschen sollte.

                    Ich halte es da, wie Schischka im P.S. geschrieben hat und wie es im verlinkten Artikel auch geschrieben steht, den Menschen einen Teil Ihrer Würde wiederzugeben.

                    Nachfolgend noch ein paar Gedanken zu einigen Äußerungen:
                    Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                    ... sonst würde ich in 100 Jahren nicht fertig werden mit meiner Ahnenforschung.
                    Wirst du so oder so nicht - es sei denn, du bist schon (sinngemäß) kurz vor Adam und Eva angekommen. Aber bei 4500 direkten Vorgahren ist's bis zu den beiden wahrscheinlich nicht mehr weit ;-)

                    Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                    ... So etwas spektakulär seltenes ist Homosexualität nun auch wieder nicht.
                    Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                    ... so nehme ich auch erstmal die naheliegendsten an. Als da beispielsweise wären: Geldmangel, Debilität, abstoßendes Äußeres, schlechter Charakter, liederlichen Lebenwandel gehabt etc.
                    Immerhin so selten, dass es nicht als naheliegend gelten kann.

                    Zitat von hessischesteirerin Beitrag anzeigen
                    meine Vorfahren waren alle verheiratet,(bis auf ein uneheliches kind)
                    Das heißt aber auch nicht, dass die alle tatsächlich hetero waren - das meinte ich ja mit "unter dem Deckel halten". Wer weiß schon, wie viele Ehen geschlossen wurden, um den Schein zu wahren. Ist ja leider auch heute noch so zu finden.

                    ... nicht jeder, der unverheiratet ist, ist Homosexuell oder transgender, alleine diese Spekulation finde ich sehr grenzwertig - kann sein, muss aber nicht,

                    aber es liegt wohl am der Zahn der Zeit, dass hier überall etwas vermutet wird, was nicht gewesen ist
                    Dann hast du entweder den Artikel nicht gelesen oder nicht verstanden. Die Behauptung, dass alle Unverheirateten schwul, lesbisch, trans oderoderoder sind wurde weder im Artikel noch hier aufgestellt und es geht doch nicht darum, irgendjemanden etwas anzudichten. Es kann ja aber sein, dass in manchen Fällen wrklich noch Quellen gefunden werden, die auf eine Homosexualität oder anderes schließen lassen. Das können Tagebücher, Fotos, Aussagen von Zeitzeugen usw. oder aber auch Kirchenbucheinträge (wie hier) sein.

                    Ich für meinen Teil bin zumindest bestrebt, auch das Leben meiner Ahnen kennenzulernen (sofern da süberhaupt möglich ist), das über die reinen Registerdaten hinausgeht. Eine evtl. vorhandene Homosexualität gehört da mit dazu.

                    P.S. schreibt eine verheiratete, homosexuelle, trans Frau (für manche scheint das ja an dieser Stelle wichtig zu sein)
                    Hawadehre
                    Svetlana

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                    • hessischesteirerin
                      Erfahrener Benutzer
                      • 08.06.2019
                      • 1616

                      #25
                      Zitat von Svet_Lin Beitrag anzeigen
                      schreibt eine verheiratete, homosexuelle, trans Frau (für manche scheint das ja an dieser Stelle wichtig zu sein)
                      ja in meinem Fall ist es wichtig, denn in 100 Jahren wird jemand auf meinen Namen stossen und sich Gedanken machen, warum ich unverheiratet war und keine Kinder hatte - dann wird angefangen zu spekulieren, eventuelle Fotos werden analysiert und am Ende bin ich etwas, wofür es heute noch kein Wort gibt - ohne das ich heute etwas davon weiß

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                      • hmw
                        Erfahrener Benutzer
                        • 16.06.2016
                        • 1816

                        #26
                        Guten Abend,

                        man sollte nicht außer Acht lassen, dass Kinder in ärmeren Schichten zumeist die einzige Altersvorsorge gewesen sind. Irgendwann kann der Tagelöhner auch nicht mehr schuften und wenn dann keine Kinder für ihn sorgen, bliebe nur das Armenhaus. Zumindest ist aber davon auszugehen, dass bei der Heirat zwischen zwei gleichgestellten Familien schon die Zuneigung entschieden hat - neben familiären Verquickungen, die bestimmt auch hier eine Rolle spielten. Die Frage ob man heiratet, wurde aber vermutlich pragmatischer gesehen als heute. Zudem sollte man nicht vergessen, dass es früher keine Verhütungsmittel gab - aus der Sicht sind Zuneigung und Ehe wohl oftmals schwer zu trennen gewesen

                        Gruß
                        Martin

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                        • Svet_Lin
                          Erfahrener Benutzer
                          • 03.04.2020
                          • 282

                          #27
                          Hallo zusammen,

                          von mir noch ein kurzer Nachtrag zu Catharina Margaretha Linck, die hier von Wolfgang ja auch erwähnt wurde. Beim NDR gab es im Format "Der Norden liest" eine Lesung: "Der Fall Linck - Queer im 18. Jahrhundert" (Dauer 103 Minuten)
                          Hawadehre
                          Svetlana

                          Kommentar

                          • Juergen
                            Erfahrener Benutzer
                            • 18.01.2007
                            • 6222

                            #28
                            Hallo allerseits,

                            Der Thread ist zwar schon ein paar Jahre alt, dennoch ein aktuellerer Dokufilm Tipp.
                            Titel: "Queere Schicksale in der NS-Diktatur"
                            https://www.zdf.de/video/dokus/verbotene-liebe-in-der-ns-diktatur-100/verbotene-liebe-queere-schicksale-in-der-ns-diktatur-100?at_medium=StreamingGuide&at_campaign=FERNSEHSE RIENde

                            Unter anderen an Hand des Gerd KUBBE geboren am 5.5.1887 in Berlin als Erna Anna Marie KUBBE.
                            Siehe https://www.ancestry.de/search/?name=Erna+Anna+Marie_+Kubbe&event=_berlin-deutschland_30330&birth=1887&name_x=1_1&searchMode =advanced

                            Mit Randvermerk, wohl der späteren Geschlechts- bzw. Namensänderung in Gerd KUBBE.
                            Zulässig waren nur bestimmte männliche Rufnamen, dazu gehörte Gerd, vermutlich weil es auch weiblich Gerda als Rufnamen gab?
                            Er kam zwar unter den Nazis in Schutzhaft, durfte seinen männlichen Namen behalten und überlebte, starb nach dem Krieg in Berlin.


                            Kubbe had had a Transvestitenschein in the Weimer Republic, but it was withdrawn in 1933 after the National Socialist takeover. He continued...


                            P.S. im Online-Archiv der Arolsen Archive wird er/sie derzeit nicht gelistet.



                            Grüße Juergen






                            Zuletzt geändert von Juergen; 23.05.2025, 15:27.

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                            • Ilja_CH
                              Erfahrener Benutzer
                              • 05.11.2016
                              • 1059

                              #29
                              Würdet ihr mit einer fast 100-jährigen verwandten Person, zu der aber keine grosse Bindung besteht, das Thema ansprechen, wenn ihr Hinweise im Archiv gefunden hättet (Krankengeschichte), dass der oder die Partnerin der Person homosexuell gewesen sein soll? So im Sinn «hallo, dein Partner/deine Partnerin war übrigens homosexuell, wusstest du das?». Oder soll man so etwas ruhen lassen? Vor allem wenn es auch Nachfahren von denen gibt.

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                              • Hedwiga
                                Erfahrener Benutzer
                                • 06.04.2019
                                • 261

                                #30
                                Hm, ich würde dies nicht tun, wenn zu der Verwandten "keine grosse Bindung" besteht, kann es doch sein, dass deine gefundenen "Hinweise" bei dieser Person breits bekannt sind. Ich nehme an, dass "diese Hinweise" aus einer Zeit stammen, in der Homosexualität als Krankheit und nicht normal betrachtet wurde. Ich würde diese Information zur Kenntnis nehmen und, sofern die sexuelle Orientierung ein wichtiger Baustein der eigenen Familienforschung ist, einen entsprechenden Hinweis auf die ?Krankengeschichte? und das Archiv vermerken.

                                Ich denke, der Respekt vor der betroffenen Person verbietet dies, sowohl für die verstorbene, als auch für die noch lebenden Personen. Im 21. Jahrhundert, erübrigt sich für mich eine solche Fragestellung.

                                Ich grüße freundlich, Hedwiga
                                Zuletzt geändert von Hedwiga; 24.05.2025, 17:21.
                                Ich grüße freundlich

                                Hedwiga

                                Kommentar

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