Queere Lebensgeschichten sichtbar machen

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  • Svet_Lin
    Erfahrener Benutzer
    • 03.04.2020
    • 282

    Queere Lebensgeschichten sichtbar machen

    Hallo zusammen,

    als regelmäßige Leserin der L-Mag bin ich auf den Artikel "Ahnenforschung: Queere Biografien sichtbar machen" gestoßen, den ich gerne mit euch teilen möchte. Ist die Suche nach den Vorfahren oftmals so schon schwierig genug, ist die Suche nach queeren Familienmitgliedern vermutlich noch mal erheblich schwieriger, da ja - gerade in der Vergangenheit (§175 lässt grüßen) - vieles "unter dem Deckel" gehalten wurde. Über die Standarddatenquellen wie Standesamts- und Kirchenregister ist da wohl nicht viel in Erfahrung zu bringen. Hier muss man vermutlich tief in die Biografien der Personen eintauchen, was natürlich von Generation zu Generation schwieriger wird.


    Würde euch das überhaupt interessieren, wenn ihr solche Informationen über eure Vorfahren in Erfahrung bringen würdet?
    Zuletzt geändert von Svet_Lin; 10.11.2021, 19:08.
    Hawadehre
    Svetlana
  • Bienenkönigin
    Erfahrener Benutzer
    • 09.04.2019
    • 1876

    #2
    Hallo Svetlana,

    vielen Dank für den Link.

    Ich habe mir auch schon öfter gedacht, was sich wohl hinter nackten Zahlen verbirgt und manchen unverheirateten XGroß-Tanten (oder Onkeln).

    Und nicht ganz die eigenen Ahnen betreffend: Bei manchen Kirchenbüchern denke ich mir, da ist jemand als Pfarrer gelandet, der so viel Liebe in die schmuckvollen Details steckt, weil er sich sonst nicht ausdrücken konnte; und heute wäre er in Ländern wie Deutschland vielleicht Künstler, Modeschöpfer oder Kino-Regisseur geworden.

    Viele Menschen haben in früheren Zeiten nicht die Aufmerksamkeit und Förderung bekommen, die sie als Mensch unter Menschen verdient hätten - gleich ob es um queere, behinderte, kranke, hochbegabte oder sonst irgendwie aus der Reihe tanzende Personen ging.

    Viele Grüße
    Bienenkönigin
    Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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    • Wolfg. G. Fischer
      Erfahrener Benutzer
      • 18.06.2007
      • 5379

      #3
      Vor 300 Jahren in Halberstadt: „Unzucht zwischen Frauen“

      Hallo Svetlana,

      gerade vorgestern im DLF:

      Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel führte ein Leben wie aus einem barocken Schelmenroman: als Prophet, Soldat, Bettler, Gauner und Ehemann – bis sie, von der Schwiegermutter denunziert, wegen "Sodomie" vor Gericht kam.


      LG Wolfgang

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      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 7420

        #4
        Zitat von Svet_Lin Beitrag anzeigen
        Würde euch das überhaupt interessieren, wenn ihr solche Informationen über eure Vorfahren in Erfahrung bringen würdet?
        Hallo,

        prinzipiell interessiert mich natürlich alles, was meine Vorfahren betrifft. Ich denke nur, daß die Wahrscheinlichkeit, auf solche Informationen zu stoßen extrem gering ist. Was ich sicherlich nicht tun würde, ist gezielt danach zu suchen, denn so wichtig ist mir beispielsweise die sexuelle Ausrichtung meiner Vorfahren nicht. Da meine Vorfahren zumeist viele Kinder gezeugt haben, von denen pro Ehepaar logischerweise wiederum eines zu meinen Vorfahren zählt, gehe ich erst einmal davon aus, daß sie "straight" waren, um mal in der Jugendsprache zu bleiben. Ob sich mein 6xUrgroßvater vor 300 Jahren vielleicht heimlich Frauenkleidung angezogen hat, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an die große Glocke gehängt haben, falls es so war. Und falls ihn jemand dabei erwischt hat, wird diejenige Person das auch nicht weitererzählt haben. Also wird es nicht ans Licht kommen. Und was die möglichen Gründe dafür waren, daß eine alte Tante unverheiratet blieb, so nehme ich auch erstmal die naheliegendsten an. Als da beispielsweise wären: Geldmangel, Debilität, abstoßendes Äußeres, schlechter Charakter, liederlichen Lebenwandel gehabt etc. Alles andere sind gedankliche Nischen. Außerdem gehört die unverheiratete alte Tante ja nicht zu meinen Vorfahren. Auf die Schicksale von Seitenverwandten kann ich nur im begründeten Einzelfall forschungsmäßig näher eingehen, sonst würde ich in 100 Jahren nicht fertig werden mit meiner Ahnenforschung.

        Viele Grüße
        consanguineus
        Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

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        • Svet_Lin
          Erfahrener Benutzer
          • 03.04.2020
          • 282

          #5
          Vielen Dank für eure bisherigen Antworten.

          Zitat von Wolfg. G. Fischer Beitrag anzeigen
          Hallo Svetlana,

          gerade vorgestern im DLF:

          Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel führte ein Leben wie aus einem barocken Schelmenroman: als Prophet, Soldat, Bettler, Gauner und Ehemann – bis sie, von der Schwiegermutter denunziert, wegen "Sodomie" vor Gericht kam.

          Vielen Dank für den Link! Darüber hat auch queer.de zwei interessante Artikel gebracht

          Europas letzte Hinrichtung für "Unzucht mit einer anderen Frau"

          und

          Wurde vor 300 Jahren eine Lesbe hingerichtet oder ein trans Mann?
          Hawadehre
          Svetlana

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          • Bienenkönigin
            Erfahrener Benutzer
            • 09.04.2019
            • 1876

            #6
            Natürlich würde es zu weit führen, sämtliche Seitenlinien abzuklopfen auf mögliche "Geheimnisse".
            Aber wenn so etwas vielleicht durchschimmert, finde ich es ganz schön, rückwirkend einen versöhnenden Gedanken zu schicken.
            Das ist auch mein Motiv, wenn ich jung verstorbene Geschwister meiner Vorfahren in meinen Stammbaum eintrage, mit Name und Lebensdaten: Sie gehören nicht zu meiner Vorfahrenlinie, aber ich nehme sie wahr und erkenne an, dass sie gelebt haben.
            Ich bin nicht esoterisch veranlagt, aber Verständnis und Mitgefühl für heutige und frühere Mitmenschen finde ich einfach eine schöne Regung.

            Vielleicht kann man es so sehen.
            VG
            Bienenkönigin
            Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
            prinzipiell interessiert mich natürlich alles, was meine Vorfahren betrifft. Ich denke nur, daß die Wahrscheinlichkeit, auf solche Informationen zu stoßen extrem gering ist. Was ich sicherlich nicht tun würde, ist gezielt danach zu suchen, denn so wichtig ist mir beispielsweise die sexuelle Ausrichtung meiner Vorfahren nicht. Da meine Vorfahren zumeist viele Kinder gezeugt haben, von denen pro Ehepaar logischerweise wiederum eines zu meinen Vorfahren zählt, gehe ich erst einmal davon aus, daß sie "straight" waren, um mal in der Jugendsprache zu bleiben. Ob sich mein 6xUrgroßvater vor 300 Jahren vielleicht heimlich Frauenkleidung angezogen hat, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an die große Glocke gehängt haben, falls es so war. Und falls ihn jemand dabei erwischt hat, wird diejenige Person das auch nicht weitererzählt haben. Also wird es nicht ans Licht kommen. Und was die möglichen Gründe dafür waren, daß eine alte Tante unverheiratet blieb, so nehme ich auch erstmal die naheliegendsten an. Als da beispielsweise wären: Geldmangel, Debilität, abstoßendes Äußeres, schlechter Charakter, liederlichen Lebenwandel gehabt etc. Alles andere sind gedankliche Nischen. Außerdem gehört die unverheiratete alte Tante ja nicht zu meinen Vorfahren. Auf die Schicksale von Seitenverwandten kann ich nur im begründeten Einzelfall forschungsmäßig näher eingehen, sonst würde ich in 100 Jahren nicht fertig werden mit meiner Ahnenforschung.

            Viele Grüße
            consanguineus
            Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 7420

              #7
              Hallo Bienenkönigin,

              selbstverständlich trage ich die Geschwister meiner Vorfahren mit ihren Lebensdaten in meinen Stammbaum bei MyHeritage ein. Bei der Ahnenforschung finde ich sie ja zumeist automatisch mit. Was ich sagen wollte ist, daß ich mir deren Schicksale nicht en detail zu Gemüte führen kann. Ich habe bislang rund 4500 Vorfahren im Stammbaum, also echte Vorfahren. Wie sollte ich es zeitlich schaffen, all deren Geschwister über die reinen Lebensdaten hinaus auch noch mitzuerforschen? Klar, wenn ein besonders interessantes Einzelschicksal dabei ist, wird das mit aufgenommen. Aber ich suche nicht gezielt danach. Es muß mich schon von selbst finden.

              Mir fällt ein, daß ein nicht mehr lebender Vetter 2. Grades meines Vaters homosexuell gewesen sein soll. Das hat man sich gelegentlich erzählt, immer neutral und ohnehin mehr als Mutmaßung. Er soll sich einfach so gegeben und so gesprochen haben, daß man es angenommen hat. Ich habe den Mann nie kennengelernt. Nun frage ich mich, ob ich der Sache wirklich nachgehen soll. So etwas spektakulär seltenes ist Homosexualität nun auch wieder nicht. Und wo käme ich hin, wenn ich einen Vetter 2. Grades meines Vaters erforschen sollte? Es hat kapazitätsmäßig alles seine Grenzen. Ich habe ja auch noch ein Leben neben dem Hobby. So lasse ich es dabei bewenden, lasse dem Mann seine echten oder vom Umfeld "angemutmaßten" Neigungen und lasse ihn in Frieden ruhen. Das ist weiß Gott keine Herzlosigkeit meinerseits!

              Viele Grüße
              consanguineus

              Zitat von Bienenkönigin Beitrag anzeigen
              Natürlich würde es zu weit führen, sämtliche Seitenlinien abzuklopfen auf mögliche "Geheimnisse".
              Aber wenn so etwas vielleicht durchschimmert, finde ich es ganz schön, rückwirkend einen versöhnenden Gedanken zu schicken.
              Das ist auch mein Motiv, wenn ich jung verstorbene Geschwister meiner Vorfahren in meinen Stammbaum eintrage, mit Name und Lebensdaten: Sie gehören nicht zu meiner Vorfahrenlinie, aber ich nehme sie wahr und erkenne an, dass sie gelebt haben.
              Ich bin nicht esoterisch veranlagt, aber Verständnis und Mitgefühl für heutige und frühere Mitmenschen finde ich einfach eine schöne Regung.

              Vielleicht kann man es so sehen.
              VG
              Bienenkönigin
              Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

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              • Bienenkönigin
                Erfahrener Benutzer
                • 09.04.2019
                • 1876

                #8
                Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                So lasse ich es dabei bewenden, lasse dem Mann seine echten oder vom Umfeld "angemutmaßten" Neigungen und lasse ihn in Frieden ruhen. Das ist weiß Gott keine Herzlosigkeit meinerseits!
                Oh nein, so hätte ich es auch nicht verstanden!
                Das ist völlig legitim, wie du es handhabst, und ich mache auch öfter einfach einen "Cut", weil ich nicht mehr Zeit in eine Linie investieren will.

                Aber wenn ich schon dabei bin, dann bemühe ich mich oft um einen virtuellen kleinen Gedenkeintrag in Ancestry.

                Gerade habe ich den Bruder eines Vorfahren eingetragen, eines von mehreren verstorbenen Kindern.
                Sein Vater hieß Nicolaus, er hieß Nicolaus und wurde am 5.12.1716 geboren und starb gleich. Da kann ich gar nicht anders, als mir das tote Kind in den Armen seiner Eltern vorzustellen.

                Ich würde niemandem Herzlosigkeit unterstellen, der nicht bei jedem toten Ururonkel das gleiche macht...

                Viele Grüße
                Bienenkönigin
                Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

                Kommentar

                • Svenja
                  Erfahrener Benutzer
                  • 07.01.2007
                  • 5109

                  #9
                  Hallo

                  Ist die Suche nach den Vorfahren oftmals so schon schwierig genug, ist die Suche nach queeren Familienmitgliedern vermutlich noch mal erheblich schwieriger
                  .

                  Wenn man sich mit Verfolgten Personen zur Zeit des Nazi-Regimes beschäftigt, stösst man auch immer wieder auf Schicksale von Homosexuellen. Man findet deren Kurzbiographien auf Websiten zum Thema Euthanasie oder zu den Stolpersteinen diverser Städte.

                  Gruss
                  Svenja
                  Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
                  https://iten-genealogie.jimdofree.com/

                  Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

                  Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

                  Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73

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                  • sternap
                    Erfahrener Benutzer
                    • 25.04.2011
                    • 4070

                    #10
                    kapitän h.s.
                    als kind von seinem strengen vater aus dem haus geworfen, als jener beim verfrühten heimkommen von einer reise entdeckte, dass der sohn es bei hohen minusgraden gewagt hatte, socken und lange hosen anzuziehen. es war nur frieren zur abhärtung gestattet.

                    von einem verwandten, graf lan... ,nach pula in die marineschule gerettet. dort unter gleichaltrigen zärtlichen trost erfahren und seine neigung entdeckt.

                    als kapitän unterwegs.

                    nach der auflösung der österreichischen seeflotte für die niederlande in java gefahren.
                    wegen tuberculose nicht mehr arbeitsfähig, ab da mit seinem geliebten, einem arzt aus berlin, in tunis in wohngemeinschaft.
                    mit ausbruch des krieges rausgeworfen.
                    am gardasee allein verstorben. obwohl die kirche sünder wie ihn sonst nicht einsegnete, verbrauchte sie seine stattliche barschaft für ein prunkbegräbnis.


                    daran nahmen die engen verwandten,denen seine homosxualität bekannt gewesen war teil, sie bekamen ein kleines erbe nach ihm.es fiel ihnen nicht schwer, zur gleichen zeit damit einverstanden zu sein, dass andere homosexuelle im kz landeten.
                    freundliche grüße
                    sternap
                    ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                    wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                    • Bienenkönigin
                      Erfahrener Benutzer
                      • 09.04.2019
                      • 1876

                      #11
                      Hallo zusammen,
                      ich möchte nicht arg vom Thema abweichen, aber da es ja auch um ungeklärte Gründe fürs Unverheiratet-Bleiben geht, möchte ich den Gedanken von consanguineus aufgreifen, da er mich interessiert:

                      Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
                      Und was die möglichen Gründe dafür waren, daß eine alte Tante unverheiratet blieb, so nehme ich auch erstmal die naheliegendsten an. Als da beispielsweise wären: Geldmangel, Debilität, abstoßendes Äußeres, schlechter Charakter, liederlichen Lebenwandel gehabt etc. Alles andere sind gedankliche Nischen.
                      Also ich denke nicht, dass früher (vor dem frühen 20. Jahrhundert) das Aussehen wirklich eine Rolle gespielt hat, ob jemand unverheiratet blieb oder nicht.
                      Wenn man jetzt einen schlimmen Klumpfuß hatte oder einen verkrüppelten Arm, war man natürlich nicht nur "unansehnlich", sondern auch nicht voll "einsatzfähig", beispielsweise auf dem Bauernhof.

                      Aber damals gab es ja noch keine großen Vergleichsmöglichkeiten beim Aussehen, und auch wenn es sicher Dorfschönheiten gab, die eher begehrt waren, dann waren sie eben auch nur dass: begehrt - aber geheiratet werden konnten sie nur einmal, und alle anderen mussten sich eben eine andere Frau suchen.
                      Und es war ja sowohl im Interesse der Frauen als auch der Männer, in einer Ehe versorgt zu sein. Den Gedanken "die ist mir aber zu hässlich" hat sich sicher niemand leisten können.

                      Bei der Stadtbevölkerung war es vielleicht etwas anders. Die zwei Schwestern aus meinem Avatar zeigen übrigens meine Ururgroßmutter (rechts, helleres Haar) und ihre Schwester. Die Schwester war älter, hübscher, blieb aber unverheiratet und hatte eine dunkle Geschichte (Depressionen?); sie starb früh.

                      Was meint Ihr dazu, liege ich richtig?

                      Viele Grüße
                      Bienenkönigin
                      Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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                      • consanguineus
                        Erfahrener Benutzer
                        • 15.05.2018
                        • 7420

                        #12
                        Hallo Bienenkönigin,

                        ich stimme Dir vollumfänglich zu, auch in dem Punkt, daß es in der Stadt vielleicht anders war. Sagen wir es so: in denjenigen Bevölkerungsschichten, die materiell gut gestellt waren, konnte man es sich leisten, wählerisch zu sein. Nicht nur in der Stadt. Unbestritten ist wohl, daß es zu allen Zeiten Frauen gab, die als "schön" galten. Fängt bei Helena in Troja an. Und nun stell Dir eine Frau aus wohlhabendem Hause vor, die das absolute Gegenteil dessen ist, was man in ihrer Zeit als "schön" ansah. Kein potentieller Heiratskandidat aus ihren Kreisen benötigte eine Frau um versorgt zu sein. Ein armer Schlucker hätte sie vielleicht genommen, aber dem standen unüberwindbare soziale Schranken entgegen. Und so konnte sich das Fräulein aussuchen, ob sie ihre Stickarbeiten tagein tagaus bei Verwandten oder in einem Damenstift erledigte. Ihr Schicksal war besiegelt.

                        Viele Grüße
                        consanguineus
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                        • Schischka
                          Erfahrener Benutzer
                          • 10.02.2015
                          • 353

                          #13
                          Consanguineus spricht einen wichtigen Aspekt an: "die materiell gut gestellt waren und es sich leisten konnten" - die waren es, die einen Schritt aus dem Rahmen der Gesellschaft hinaus wagen konnten ohne zu Ausgestoßenen zu werden; ich denke dabei an den "Chevalier d'Eon"(https://www.julaonline.de/chevalier-deon-1728-1810/).


                          In kleineren Verhältnissen wurde vermutlich eher alles daran gesetzt, ein Geheimnis zu wahren wo es eins gab (und vielleich den Karneval als Ventil zu nutzen.)
                          Steht es uns zu oder vielmehr gut zu Gesicht, solch ein gut gehütetes Geheimnis auf Grund von vagen Anhaltspunkten ans Licht zu zerren? Fremdouting?


                          LG Schischka


                          P.S.: Der abschließende Gedanke aus dem Artikel im Startbeitrag hat natürlich auch seine Berechtigung: " Eigentlich ist der Akt, die Queerness einer Person nach ihrem Tod zu verschweigen, auch eine Form, sie posthum weiter zu diskriminieren."
                          Zuletzt geändert von Schischka; 11.11.2021, 11:20.

                          Kommentar

                          • hessischesteirerin
                            Erfahrener Benutzer
                            • 08.06.2019
                            • 1616

                            #14
                            Zitat von Svet_Lin Beitrag anzeigen
                            Hallo zusammen,

                            als regelmäßige Leserin der L-Mag bin ich auf den Artikel "Ahnenforschung: Queere Biografien sichtbar machen" gestoßen, den ich gerne mit euch teilen möchte. Ist die Suche nach den Vorfahren oftmals so schon schwierig genug, ist die Suche nach queeren Familienmitgliedern vermutlich noch mal erheblich schwieriger, da ja - gerade in der Vergangenheit (§175 lässt grüßen) - vieles "unter dem Deckel" gehalten wurde. Über die Standarddatenquellen wie Standesamts- und Kirchenregister ist da wohl nicht viel in Erfahrung zu bringen. Hier muss man vermutlich tief in die Biografien der Personen eintauchen, was natürlich von Generation zu Generation schwieriger wird.


                            Würde euch das überhaupt interessieren, wenn ihr solche Informationen über eure Vorfahren in Erfahrung bringen würdet?

                            meine Vorfahren waren alle verheiratet,(bis auf ein uneheliches kind)
                            meine Nebenlinien nehme ich nicht auf

                            ich finde die Frage, warum jemand unverheiratet geblieben ist, schwierig zu beantworten und mühselig

                            nicht jeder, der unverheiratet ist, ist Homosexuell oder transgender, alleine diese Spekulation finde ich sehr grenzwertig - kann sein, muss aber nicht,

                            aber es liegt wohl am der Zahn der Zeit, dass hier überall etwas vermutet wird, was nicht gewesen ist

                            PS: schreibt eine unverheiratete, nicht homosexuelle und nicht transgender Frau mit einem Homosexuellen Cousin, der bereits in den 70er jahren mit seinem Partner zusammenlebte

                            Kommentar

                            • Bienenkönigin
                              Erfahrener Benutzer
                              • 09.04.2019
                              • 1876

                              #15
                              Zitat von Schischka Beitrag anzeigen
                              Consanguineus spricht einen wichtigen Aspekt an: "die materiell gut gestellt waren und es sich leisten konnten" - die waren es, die einen Schritt aus dem Rahmen der Gesellschaft hinaus wagen konnten ohne zu Ausgestoßenen zu werden; ich denke dabei an den "Chevalier d'Eon"(https://www.julaonline.de/chevalier-deon-1728-1810/).
                              Bin gerade dem Link gefolgt, ist ja interessant - davon hatte ich noch nicht gehört.
                              Heute wissen wir ja, dass das Geschlecht weder biologisch noch psychologisch binär ist, und dass es einige Geschlechtsidentitäts-Störungen gibt, die sich z.T. nur durch innere Obduktion oder Gen-Analysen nachweisen lassen.

                              Vielleicht hat jemand von euch den Film "Einer wie Erika" gesehen (2018) über den wahren Fall der österreichischen Medaillen-Gewinnerin Erika Schinegger? Bei der Geburt wurde sie als weiblich eingestuft, weil die äußeren Geschlechtsorgane nicht richtig ausgebildet waren, und erst eine spätere DNS-Analyse hat dann aufgrund der Y-Chromosomen das biologische Geschlecht neu festgestellt:
                              Reinhold Bilgeri hat einen Film über jene legendäre Skiläuferin gedreht, die nach einer sensationellen Wende des Betrugs bezichtigt wurde - Erik(a) Schinegger.


                              Solche Fälle kamen zu allen Zeiten vor, aber wie sich das früher zeigte und wie man damit umging, darüber können wir nur spekulieren.

                              VG
                              Bienenkönigin
                              Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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