Diverse Fragen zum Leben Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts

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  • CK1976
    Erfahrener Benutzer
    • 11.08.2014
    • 645

    Diverse Fragen zum Leben Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts

    Hallo zusammen,

    ich bin bei meiner Ahnenforschung auf einige Besonderheiten bei einem meiner Vorfahren gestoßen und hoffe, dass ich mir vielleicht ein paar Antworten liefern könnt auf meine Fragen.
    Ich danke Euch für jegliche Tipps.

    1. Die Eltern meines Verwandten bekamen insgesamt 9 Kinder. 8 dieser Kinder wurden in Hopfelde (Hessen) geboren. Der 3.älteste Sohn Reinhold dagegen im 80km entfernten Fröttstädt bei Gotha im Jahr 1858. Der Vater von Reinhold war Töpfermeister und aufgrund der Vielzahl an Kindern denke ich nicht, dass sie dort Urlaub gemacht haben. Ich frage mich nun also, was seine Eltern dazu veranlasst haben könnten, ihn in Fröttstädt zur Welt zu bringen ? Habt ihr eine Idee ?
    2. Im Jahr 1891 wanderte er nach Amerika aus, kam dann aber später wieder zurück. Wisst ihr, was so eine Überfahrt damals gekostet hat ?
    3. Reinhold wurde später Werkmeister von Beruf und zog nach Berlin (nachweisbar ab 1909). Wisst ihr, was damals ein Werkmeister gemacht hat und ob es ein angesehener gut bezahlter Beruf war ? Finde nur was zum Industriemeister, wenn ich Google nach Werkmeister befrage.
    4. Nachgewiesen kann außerdem, dass er 1912 und 1913 per Schiff nach Chile gefahren ist. Da mir keine Verwandten in Chile bekannt sind, frage ich mich, ob er als Werkmeister dort gearbeitet hat ?
    5. Im Jahr 1919 heiratete er als inzwischen 60-jähriger eine 22-jährige. Auch hier stellt sich mir die Frage, was einen 60-jährigen bzw. eine 22-jährige dazu bewogen haben, die Ehe einzugehen. Heutzutage wird man schon schief angeschaut, wenn so eine Hochzeit zustande kommt. Wie muss es erst damals gewesen sein ? War er vielleicht vermögend oder was hat ihn bzw. sie zur Hochzeit bewogen ?
    6. Der Vater von Reinhold zog dann irgendwann auch nach Berlin. Wann ist nicht belegt. Jedenfalls frage ich mich, wie bzw. womit damals die Reisen gemacht worden sind ? Gelebt hat er zuletzt in Hessischen Hopfelde, bevor er dann weiter ins fast 400km entfernte Berlin gezogen ist.
    7. Im Jahr 1925 ging er in Rente, war also Werkmeister a.D. Wann war es zu der damaligen Zeit üblich, in Rente zu gehen? Mit 66 Jahren in Rente empfinde ich für die damalige Zeit schon ziemlich alt.


    Aus der Linie sind mir leider keine Verwandten mehr bekannt, die ich fragen könnte.

    Vielen Dank
    Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen

    Christian
    ______________________________________________

    P.S.:
    Ich suche nach Köster in Hopfelde / Witte in Wuppertal-Barmen / Raue bzw. Henneken in Meerhof / Blaschke bzw. Blaszke in Neustadt bei Danzig & Paßgang bzw. Petermeyer in Mastholte
    :vorfahren:
  • Artsch
    Erfahrener Benutzer
    • 14.07.2013
    • 1933

    #2
    Hallo Christian,

    1. Fröttstädt hatte schon seit 1848 eine wenn auch kurze Bahnstrecke und gilt als älteste Nebenbahn in Thüringen. Das war wahrscheinlich das richtige für seine Töpferwaren und gut durchdacht. Eine sehr fortschrittliche Familie. Im vorigen Ort war ja eher Textilherstellung der Renner. Wenn ich dies richtig verstanden habe, kehrten sie wieder zurück nach Hopfelde(?) Gründe könnten ein Erbfall sein, oder die politische Lage (sie waren Ausländer, vielleicht Ausweisung) oder von Anfang an als befristet bekannt. Der Familienvater könnte in Fröttstädt oder in der Umgebung auch eine Weiterbildung genossen haben. Oder fanden sie in Fröttstädt längere Zeit eine Heimat?

    3. Durch Erzählungen meiner Eltern, habe ich den Eindruck gewonnen, ein Werkmeister war nicht auf der Meisterschule, sondern bekam vom Chef den Titel verliehen, aufgrund seiner Kompetenz und Erfahrung. Der Chef achtete ihn hoch und vertraute ihm. Ob die Bezahlung an die mit Meisterausbildung heranreichte, kam wohl auf den Chef und das Verhandlungsgeschick des Werkmeisters an.
    Welche Tätigkeit er ausübte war von der Branche abhängig. Ich habe jetzt nur aus der Metallbranche gehört, bin aber überzeugt, dies gab es auch in der Holzindustrie und anderen Wirtschaftszweigen. Werkmeister waren nicht für die Finanzen und Verträge, aber für sonst fast alles verantwortlich. Eben das in der Firma jeder ausgelastet ist und der Laden brummt. Der Verdienst war bestimmt kein schlechter.

    5. Im freidenkenden Berlin dürfte die Konstellation junge Frau - reifer Mann kein Problem gewesen sein. Er hofft, dass sie ihn überlebt und pflegt. Sie schätzt die Sicherheit, die sie in dieser schweren Zeit erhält. Berlin bietet Kultur und Vergnügen, wie schön wenn man es sich leisten kann. Möglicherweise eine Versorgungsehe, dies war damals auch nichts aussergewöhnliches, aber auch denkbar ehrliche Gefühle.
    War sie eine Kriegswitwe evtl. mit Kindern? War er schon Witwer evtl. mit Kindern, die versorgt werden mußten? Wurden noch gemeinsame Kinder geboren?

    6. Den größten Teil bestimmt mit der Bahn. Die war schon recht gut vernetzt. Das unterschätzt man manchmal. Bessere Reisemöglichkeiten als 1945.

    7. Inflation war richtig schlimm ab 1919 - Nov. 1923. Er wird alles daran gesetzt haben, solange als möglich noch Geld zu verdienen um nach dieser Pleite nicht ohne Ersparnisse dazustehen. Er hatte sich selbst und eine junge Frau abzusichern. Gewiß äugten schon andere auf seinen begehrten Posten. Die Arbeitslosenzahlen waren enorm hoch. Meines Wissens wurde während des 1. Weltkrieges, das Rentenalter von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt. Die Renten erreichten kaum ein Drittel des vorigen Lohnes. Auch die Rentenkassen hatten die Einlagen verloren.

    Beste Grüße
    Artsch

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    • CK1976
      Erfahrener Benutzer
      • 11.08.2014
      • 645

      #3
      Hallo Artsch,

      toll. Danke. Ich bin beeindruckt. Weiß gar nicht, was ich sagen soll. Vielen lieben Dank einfach für deine hilfreichen Antworten.
      Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen

      Christian
      ______________________________________________

      P.S.:
      Ich suche nach Köster in Hopfelde / Witte in Wuppertal-Barmen / Raue bzw. Henneken in Meerhof / Blaschke bzw. Blaszke in Neustadt bei Danzig & Paßgang bzw. Petermeyer in Mastholte
      :vorfahren:

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      • didirich
        Erfahrener Benutzer
        • 02.12.2011
        • 1372

        #4
        Hallo Christian
        Herausragende Handwerker aber auch künstlerisch tätige Handwerker wurden auch Werkmeister genannt ! Also nicht immer mit klassischer Meisterprüfung. Vieles findet man darüber bei Googlebooks !
        Gruß didirich

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        • Rolf Stichling
          Erfahrener Benutzer
          • 21.06.2011
          • 869

          #5
          Wann war es üblich in Rente zu gehen?

          Zitat von CK1976 Beitrag anzeigen
          Im Jahr 1925 ging er in Rente, war also Werkmeister a.D. Wann war es zu der damaligen Zeit üblich, in Rente zu gehen? Mit 66 Jahren in Rente empfinde ich für die damalige Zeit schon ziemlich alt.

          Ich glaube, daß Du Dich von dem einen Alter lösen mußt, zu dem 'man in Rente ging'.
          Die Rentenversicherung gab für den einfachen Arbeiter ein Alter vor, vor dem es einfach keine Alters-Rente gab.
          Aber der Eintritt in den Ruhestand war sicher für alle, die ein etwas 'gehobeneres' Arbeitsverhältnis hatten, individuell verhandelbar, aber tendenziell eher später wie heute.
          1890 trat einer meiner Vorfahren (der oben im Bild) mit 75 Jahren - auf seinen dringenden Wunsch hin - in den Ruhestand. Er hatte sich einige Jahre zuvor bei einem Sturz einen Rippenbruch zugezogen, der nie ganz ausheilte und ihm gesundheitliche Probleme bereitete.

          Die heutige Diskussion, ob es fair sei, das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre anzuheben, hätte bei meinem Ururgroßvater nur kopfschüttelndes Unverständnis ausgelöst.
          Zuletzt geändert von Rolf Stichling; 31.12.2015, 14:09.
          Herzliche Grüße und viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen.
          :vorfahren:
          Rolf Stichling

          PS. Ich suche die Herkunft von

          Tobias Stichling. Er erhielt als Gürtlermeister 1697 in Weimar das Bürgerrecht und stammt dem Bürgerbuch nach aus Erfurt.
          In Erfurt gibt es aber so viele Stichlinge! Von welchem Zweig der Stichlinge in Erfurt mag mein Tobias abstammen?
          1688 hat er seine Lehre als Gürtler in Erfurt beim Gürtlermeister Hucke begonnen. Jetzt suche ich die Eltern von Tobias.

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          • CK1976
            Erfahrener Benutzer
            • 11.08.2014
            • 645

            #6
            @Artsch:
            Hier noch ein paar Nachträge zu deinen Anmerkungen und Fragen.

            1. Korrekt, sie kehrten wieder nach Hopfelde zurück. Vor Reinhold haben seine Eltern 1857 ein Kind in Hopfelde zur Welt gebracht und danach wieder ab Ende 1860. Es war also nur ein kurzes "Gastspiel" in Fröttstädt im Jahr 1859. Ausländer waren sie jetzt nicht. Die Vorfahren lebten auch bereits in Hopfelde.

            5. Ich vermute auch eher, dass es eine Versorgungsehe gewesen sein könnte. Sie war 22 Jahre alt. Denke nicht, dass sie schon einmal verheiratet gewesen ist. Aus der Heiratsurkunde geht nicht hervor, ob sie ledig, verwitwet oder geschieden in die Ehe gegangen ist.
            Ob er Wittwer gewesen ist, kann ich nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Das muss ich noch weiter erforschen. Fakt ist, er wanderte als 32-jähriger nach Amerika aus mit einer 21-jährigen aus, beide gleichen Nachnamens. Sie ist mir allerdings als Kind meiner Familie gänzlich unbekannt, kann also seine Frau gewesen sein. Außerdem tauchten auf der Passagierliste noch 2 kleine Kinder auf, die auf eine eventuelle Ehe der beiden zurückzuführen ist. Auf dem amerikanischen Census tauchten aber weder seine vermutliche Frau noch die mutmaßlichen Kinder auf. Deshalb vermute ich, dass die Frau und die Kinder entweder bei der Überfahrt oder kurze Zeit später in Amerika ums Leben gekommen sind.
            Ob aus der Ehe mit seiner Frau, die er 1919 in Berlin geheiratet hat, Kinder hervorgegangen sind, weiß ich noch nicht. Auf der Eheurkunde der beiden steht nichts. Er war zum Zeitpunkt der Hochzeit schon 60 Jahre alt und verstarb mit 1926 im Alter mit 66 Jahren.

            @didirich:
            Das kann gut sein, dass er ein herausragender Handwerker gewesen ist und deshalb als Werkmeister offiziell tätig war. Dies kann auch ein Hinweis darauf sein, warum er 1912 und 1913 kurz hintereinander Valparaíso in Chile besucht hat. Ich weiß, dass es dort 1906 ein starkes Erdbeben mit Tsunami gegeben hat. Vielleicht hat er dort beim Wiederaufbau geholfen. Bis jetzt habe ich zu dem Beruf des Werkmeisters nichts verwertbares gefunden, zumindest nicht zu dem Beruf im damaligen Zeitalter.

            @Rolf Stichling:
            Ich habe gerade beim Suchen ein interessantes Buch bei Google Books gefunden unter https://books.google.de/books?id=DG2...cvAaoQ6AEIPDAG
            Auf Seite 88 steht, dass viele Angst hatten vor Altersarmut, speziell damals in Zeiten der Inflation und sie hofften, durch Frau und ggfs. Kinder versorgt zu werden. Laut des EBooks (Seite 86) wurde das Rentenalter im Jahr 1916 auf 65 Jahre gesenkt. Außerdem steht dort, dass die Renten nur ein Zuschuss zum Lebensunterhalt gewesen sind. 1913 zum Beispiel betrug die durchschnittliche Monatsrente nur 16 Mark.
            Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen

            Christian
            ______________________________________________

            P.S.:
            Ich suche nach Köster in Hopfelde / Witte in Wuppertal-Barmen / Raue bzw. Henneken in Meerhof / Blaschke bzw. Blaszke in Neustadt bei Danzig & Paßgang bzw. Petermeyer in Mastholte
            :vorfahren:

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            • Rolf Stichling
              Erfahrener Benutzer
              • 21.06.2011
              • 869

              #7
              Noch ein Nachtrag ..

              Hallo Christian,

              danke für den Hinweis auf das Buch. Da werde ich gleich mal ein bißchen drin rumlesen. Es scheint sehr interessant zu sein.

              Übrigens ging mir zu Deinen Fragen noch so ein Gedanke durch den Kopf:

              Zitat von CK1976 Beitrag anzeigen
              Im Jahr 1919 heiratete er als inzwischen 60-jähriger eine 22-jährige. Auch hier stellt sich mir die Frage, was einen 60-jährigen bzw. eine 22-jährige dazu bewogen haben, die Ehe einzugehen.
              Vorweg sei erwähnt, daß ich jetzt etwa in dem Alter bin. Wenn ich mich umschaue und die Frauen anschaue, die so etwa in dem Alter seiner Braut sind, dann stelle ich mir nicht die Frage, was ihn bewogen haben könnte, so eine junge Frau zu heiraten. Ich stelle mir eher die Frage, was einen 60-jährigen davon abhalten könnte.

              Nungut, diese Bemerkung mag auch etwas scherzhaft sein, aber früher gab es weitaus mehr Ehen mit großem Altersunterschied. Ich habe viele Ehen unter meinen Vorfahren, bei denen der Mann zwanzig Jahre älter als die Frau ist. 38 Jahre ist zwar schon happig, aber oft haben Männer sich erst in den mittleren Jahren eine Familie leisten können. Da war der Mann dann oft Mitte 30 und nahm sich eine siebzehnjährige als Frau.
              Aber auch den umgekehrten Fall gab es.
              Da starb ein Handwerker im mittleren Alter. Und seine Witwe heiratete den "Jung"gesellen. Der kam so an eine wirtschaftliche Existenz. Und die Witwe konnte den Betrieb mit dem neuen Mann weiterführen.
              Wenn die Frau dann einige Jahre später starb und der ehemalige "Jung"geselle, der inzwischen das Alter eines Altgesellen erreicht hat und Meister geworden ist, sich neu verheiraten konnte, dann nahm er sich eine ganz junge Frau.
              Herzliche Grüße und viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen.
              :vorfahren:
              Rolf Stichling

              PS. Ich suche die Herkunft von

              Tobias Stichling. Er erhielt als Gürtlermeister 1697 in Weimar das Bürgerrecht und stammt dem Bürgerbuch nach aus Erfurt.
              In Erfurt gibt es aber so viele Stichlinge! Von welchem Zweig der Stichlinge in Erfurt mag mein Tobias abstammen?
              1688 hat er seine Lehre als Gürtler in Erfurt beim Gürtlermeister Hucke begonnen. Jetzt suche ich die Eltern von Tobias.

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              • Artsch
                Erfahrener Benutzer
                • 14.07.2013
                • 1933

                #8
                Hallo Christian,

                mit Ausländer meinte ich in Fröttstädt.

                Beste Grüße
                Artsch

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                • liseboettcher
                  • 26.03.2006
                  • 695

                  #9
                  Warum im anderen Ort geboren?

                  Guten Abend,
                  ich könnte mir denken, dass in dem anderen Ort (Fröttstedt?) wiederum andere Eltern (der Ehefrau?) oder weitere Verwandte, auch eine Hebamme lebten, die der jungen Mutter bei der Geburt sowie in der Zeit nach der Geburt des Kindes helfen konnten. Evtl. haben die Verwandten in dieser Zeit die anderen Kinder betreut?
                  Vielleicht stammte das junge Ehepaar auch von dort oder hatte gute Beziehungen zum Pfarrer, evtl. waren sie auch dort getraut worden?
                  Allen ein gutes Hereinrutschen (nur im übertragenen Sinne) ins Neue Jahr
                  wünscht Lise
                  Zuletzt geändert von liseboettcher; 31.12.2015, 19:23. Grund: Ergänzung

                  Kommentar

                  • CK1976
                    Erfahrener Benutzer
                    • 11.08.2014
                    • 645

                    #10
                    @Lise:
                    also die Eltern der Frau, sowie die Frau selbst, kamen aus Berlin. Weitere Verwandte in Fröttstädt sind mir jetzt nicht bekannt, möchte ich aber nicht vollends ausschließen. Die Hochzeit der Eltern fand auch in Hopfelde statt.

                    @Rolf Stichling:
                    So habe ich es noch nicht gesehen. Durchaus ein interessanter Anhaltspunkt. Ich wußte nicht, dass es damals auch Ehen gab mit erheblichen Altersunterschied und dass es durchaus nicht so unnormal gewesen ist, wie ich heutzutage denke. Ist vielleicht dieses Schubladendenken. Dank dir vielmals.

                    Ich danke allen hier für Eure hilfreichen Antworten und wünsche Euch auch einen guten Rutsch ins neue Jahr
                    Zuletzt geändert von CK1976; 31.12.2015, 20:46.
                    Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen

                    Christian
                    ______________________________________________

                    P.S.:
                    Ich suche nach Köster in Hopfelde / Witte in Wuppertal-Barmen / Raue bzw. Henneken in Meerhof / Blaschke bzw. Blaszke in Neustadt bei Danzig & Paßgang bzw. Petermeyer in Mastholte
                    :vorfahren:

                    Kommentar

                    • dorsch
                      Erfahrener Benutzer
                      • 24.12.2011
                      • 295

                      #11
                      Hallo, Christian,

                      - etwas zur Bezeichnung "Werkmeister": Mein Großvater mütterlicherseits war "Werkmeister" bei Henschel in Kassel(-Rothenditmold), d.h. er war gelernter Schmied und meine Mutter erklärte mir auf meine Nachfragen als Kind, "Werkmeister" sei so etwas wie "Vorarbeiter" gewesen, also ein Facharbeiter in besonderer Vertrauensstellung und mit Personalführungskompetenzen. Das war vor und im 1. Weltkrieg, aber ich vermute, das Wort wird die gleiche Bedeutung auch eher gehabt haben.

                      - Zum Sozialstatus: Als Schmied gehörte er eindeutig zur Arbeiterklasse, aber als Vorarbeiter bekam er für seine 11-köpfige Familie eine 5-Zimmer-Werkswohnung, im 2. Stock (von 4) in einem nagelneuen Haus im Jugendstil gebaut, hell und luftig und "nach vorne raus" (= nicht im dunklen Hinterhofgebäude), mit einer gemeinsamen Innentoilette mit Wasserspülung (!) für die Mietparteien eines Stockwerks jeweils auf dem Treppenabsatz (man musste also nicht mehr bei jedem Wetter raus auf den Hof ins "Herzhäuschen" gehen, wenn man mal musste, und man musste sich das Plumps(!)-Klo nicht mit dem ganzen Haus teilen!), ferner mit einer kleinen, geschützten Südveranda, auf der Küchenkräuter und sogar Tomaten gezogen wurden, und mit einem Schrebergarten vor der Stadt (Kassel). Das war wohl für Arbeiterverhältnisse ziemlich privilegiert im Vergleich zum sonstigen proletarischen Lebensstandard, wenn ich meine Mutter richtig verstanden habe. Jedenfalls sprach aus ihrer Erzählung immer ein gewisser Stolz auf den bescheidenen Wohlstand ihrer Kindheit (bevor dann mit dem Krieg alles den Bach runter ging). Du kannst also davon ausgehen - wie du es ja wohl auch schon tust - dass dein Vorfahr "wer war" innerhalb seiner beruflichen Klasse.

                      - Eine Frage, die sich mir stellt: Was könnte er als Töpfer(meister) beim Wiederaufbau nach einem Erdbeben geholfen haben? Zumal erst 6-7 Jahre danach? Ein Töpfer machte weder Backsteine noch Dachziegel, sondern Hausrat. Oder hatte er inzwischen umgesattelt? Könnte es andere Gründe für die beiden Reisen gegeben haben, z.B. Verwandtschaft? (Was, wenn die namensgleiche Frau und die beiden Kinder von der Passagierliste seiner Auswanderung in die USA weitergewandert sind - z.B. unter neuem Namen durch Heirat - nach Südamerika?)

                      - Eine ähnliche Überlegung zum Geburtsort des 3. Sohnes: Bist du sicher, dass die ganze Familie damals dort gewohnt hat? Kann es sein, dass die Frau dort Verwandtschaft hatte? Vielleicht dachte sie, es wär noch nicht so weit, und die Wehen haben sie verfrüht überrascht, während sie dort war. Wenn nur die Geburt an dem Ort dokumentiert ist, muss das ja nicht heißen, dass die ganze Familie dort wohnte.

                      - Nebenbei: Ist der "3.älteste Sohn" zugleich das 3. Kind? Oder waren da noch mehr Kinder (Mädchen) zwischen? (Ist er also z.B. Nr. 6 von 9, aber erst der 3. Junge?) Wie groß sind die Altersabstände? Hätte sie, wenn sie einen Grund gehabt hätte, zu einer Verwandten oder guten Freundin nach Fröttstätt zu fahren, die Kinder zu Hause lassen können, z.B. die jüngeren in der Obhut der älteren Geschwister oder alle in der Obhut einer Nachbarin? Oder hatte sie erst zwei und hätte die evtl. "einfach" mitgenommen?

                      - Zu den Kosten der Überfahrt(en): In welcher Klasse ist er gefahren? Das müsste aus der Passagierliste hervorgehen. Und war es immer dieselbe? Oder fuhr er beim ersten Mal als Zwischendeckspassagier (= armer Schlucker) und später zweiter oder sogar erster Klasse? Ersteres würde die Theorie vom Tod seiner 3 Begleitungen stützen, denn die Zwischendeckspassage fand im Allgemeinen unter erbärmlichen gesundheitlichen und hygienischen Verhältnissen statt und hatte ein entsprechend hohes Mortalitätsrisiko zur Folge (wenngleich zur Zeit der Dampfer nicht mehr ganz so schlimm wie zur Zeit der Segelschiffe). Letzteres würde beweisen, dass er im Lauf der Zeit tatsächlich finanziell arriviert war, wie du ja vermutest. Schau doch nochmal nach.

                      - Zu der 22-jährigen Braut: Weißt du etwas darüber, wer sie war? War sie Vollwaise, also auf Schutz angewiesen? Kam sie aus einer verarmten Familie (... ich denke da an Schnitzlers "Fräulein Else", immer vorausgesetzt, dass er tatsächlich vermögend geworden war). War sie die Tochter von jemand aus dem Bekanntenkreis? Oder hatte sie vorher in einem Dienstverhältnis zu ihm gestanden? Das alles wären pragmatische Ansätze zum Verständnis, wieso die Ehe mit einem solchen Altersunterschied zustande kam.

                      Gruß
                      Dorsch

                      Edit: Ich habe den angefangenen Beitrag während einer Unterbrechung auf dem Rechner liegen gelassen und die Seite nicht neu aktualisiert; Teile meiner Gedanken sind durch die neu geschriebenen beiden Beiträge inzwischen überholt worden; ich lass das aber jetzt so.
                      Zuletzt geändert von dorsch; 31.12.2015, 21:31. Grund: Edit
                      „Krönung der Alten sind die Enkel und der Stolz der Kinder sind ihre Ahnen“ (Sprüche, Kap.17, Vers 6)

                      Suche nach FN Leidiger in Thüringen.

                      Kommentar

                      • elwetritsche
                        Erfahrener Benutzer
                        • 23.03.2013
                        • 996

                        #12
                        Zitat von CK1976 Beitrag anzeigen

                        2. Im Jahr 1891 wanderte er nach Amerika aus, kam dann aber später wieder zurück. Wisst ihr, was so eine Überfahrt damals gekostet hat

                        4. Nachgewiesen kann außerdem, dass er 1912 und 1913 per Schiff nach Chile gefahren ist. Da mir keine Verwandten in Chile bekannt sind, frage ich mich, ob er als Werkmeister dort gearbeitet hat ?
                        Hallo Christian!

                        zu 2:

                        Ich hab jetzt zwar keine Zahlen aus 1891 gefunden, aber interessant ist der Vergleich aus 1907 wegen dem dort angegebenen Stundenlohn.

                        1907 kostete die Fahrt Deutschland - New York in der 1. Klasse 200 - 280 Mark,
                        in der zweiten Klasse 190 - 210 Mark,
                        in der 3. Klasse 160 - 200 Mark,
                        im Zwischendeck 130 - 160 Mark (Winter billiger als Sommer);
                        Zum Vergleich: Ein Zimmerer in Altona verdiente zu dieser Zeit rd. 6 Mark / Tag



                        Die Löhne in Osteuropa waren natürlich um ein vielfaches geringer. Häufig wanderte deshalb zunächst nur der Vater aus, der dann oft jahrelang in den USA arbeitete, um "Prepaids" für die Familie zusammenzusparen. Auch deutsche Auswanderer mussten in der Regel lange sparen und vor allem alles verkaufen, was sie hatten. Oft machten sie noch bei Gutsherren, Geschäftsleuten, Nachbarn oder Verwandten Schulden, um die Fahrt bezahlen zu können.

                        Niemand verlässt gern sein Zuhause. Die Verhältnisse in der Heimat müssen sehr drückend sein, dass Menschen die Strapazen und die Gefahren einer oft monatelangen Reise auf sich nehmen. Nicht nur die überfahrt war Teil der Reise, auch der Weg nach Hamburg war beschwerlich.
                        Im Zeitalter der Segelschiffe (vor allem vor 1870) herrschen an Bord oft katastrophale Zustände. Auswanderer steckt man in das enge und dunkle Zwischendeck, das meist nur 1,80 m hoch ist. Häufig werden mehr Passagiere als erlaubt untergebracht, der Proviant ist schlecht und nicht ausreichend, die Behandlung entwürdigend.
                        Parallel zur Durchsetzung der Dampfschifffahrt verbessert sich seit 1870 die Situation der Auswanderer. Die Zwischendeckunterkünfte sind immer noch beengt, aber die hygienischen Verhältnisse sind nicht mehr so katastrophal wie auf den Segelschiffen.
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                        zu 4:


                        Dein Ahn ist ja 2 x nach Chile.
                        Er war Werkmeister in einem Dir unbekannten Beruf/Betrieb.

                        Vielleicht wurde für seine Firma Salpeter benötigt und er wurde zum Einkaufen nach Chile gesandt, evtl. sogar mit der "Passat"?


                        Vor hundert Jahren, am Heiligabend des Jahres 1911, stach von Hamburg aus die neu gebaute Viermastbark „Passat“ zu ihrer ersten Fahrt in See. Ihr Ziel: die Häfen von Valparaiso und Mejillones im nördlichen Chile. Ihre Aufgabe: Stickstoffdünger, der in der Atacama-Wüste aus nitrathaltigem Gestein gewonnen wurde, nach Deutschland zu bringen. Entdeckt hatte man die Vorkommen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Um ihre Ausbeutung war es 1879 sogar zum „Salpeterkrieg“ zwischen Chile
                        Liebe Grüße
                        Elwe

                        Mit ihren Feld- (Rheinhessen), Wald- (Westerwald) und Wiesen- (Kreis Groß-Gerau) Ahnen.

                        Kommentar

                        • anika
                          Erfahrener Benutzer
                          • 08.09.2008
                          • 2611

                          #13
                          Diverse Fragen zum Leben Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts

                          Hallo
                          Das gab es auch umgekehrt, die Urgroßmutter meines Mannes war bei ihrer Hochzeit 14 Jahre älter als ihr Mann.

                          anika
                          Ahnenforschung bildet

                          Kommentar

                          • CK1976
                            Erfahrener Benutzer
                            • 11.08.2014
                            • 645

                            #14
                            @Dorsch:
                            Interessant deine Ausführungen zum Beruf des "Werkmeisters". Wußte ich nicht bis dahin. Sowas habe ich gesucht. Danke

                            Was den Töpfermeister/Werkmeister anbelant, so bringst du da etwas durcheinander. Sein Vater war Töpfermeister, er selbst (um den es geht) war Werkmeister. Ich will es nicht ausschließen, dass seine Frau und Kinder weitergewandert sind (z.B. nach Südamerika). Ich habe dafür aber keine Belege. Dann wundert es mich aber, warum er später wieder alleine nach Berlin zurückkehrte und dort dann nochmals heiratete. Müsste dann nicht auf seiner Hochzeitsurkunde 1919 sowas wie geschieden oder verwitwet stehen. Dort steht aber nichts.

                            Ja, ich bin sicher, dass die Familie in Hopfeld gewohnt hat (genau wie seine Vorfahren). Zwischen 1855 und 1874 kamen nachweislich 9 Kinder zur Welt, 8 davon in Hopfelde und Reinhold halt in Fröttstädt. 1855 kam in Hopfeld eine Tochter und 1857 ebenfalls in Hopfeld ein Sohn zur Welt, bevor Reinhold als 3. Kind und 2.Sohn 1859 in Fröttstädt zur Welt kam. Es folgten dann ab 1860 noch 3 Mädchen und 3 Jungen. Wie vorhin schon geschrieben, kann es durchaus sein, dass Sie dort Verwandtschaft hatten, aber ich habe dafür keinen Beleg. Die Mutter kam halt aus Berlin. Ich weiß nicht, ob es damals auch gang und gäbe war, dass sie auch mal Urlaub gemacht haben, aber zum damaligen Zeitpunkt mit 3 kleinen Kindern, bezweifle ich mal.

                            Wenn mit "Location of compartment" die Klasse gemeint ist, reiste er und seine Familie (?) in der 3.Klasse. Dies steht zumindest so auf der Passagierliste.

                            Seine 22-jährige Braut war keine Vollwaise. Zum Zeitpunkt der Hochzeit lebten ihre Eltern noch. Ihr Vater war Arbeiter/Monteur, zu seiner Ehefrau gab es keine Angaben. Wenn ich wüßte, ob sie aus seinem Bekanntenkreis kam, wäre ich schlauer. Der Ansatz, dass sie in einem Dienstverhältnis zu ihm stand oder er ihr auf einer Dienstreise begegnet ist, mag durchaus sein, kann ich aber nicht belegen.

                            @elwetritsche
                            Vielen Dank. Interessant, was eine Überfahrt damals so kostete. Vielleicht war es in seinem Fall etwas weniger, da sie er bereits 1891 ausgewandert ist, aber ich hatte bis jetzt keine Ahnung, was es kostete. Interessant ist es aber in jedem Fall.

                            Nein, mit der Passat fuhr er nicht. Einmal fuhr er mit der Thuringia und einmal mit der Polynesia. Naja, ich wußte bis vor kurzem nicht, was ein Werkmeister so machte, aber ich weiß nicht, inwieweit er damit sein Lebensunterhalt bestreiten konnte.

                            @Anika:
                            Ich empfand es bis dato nur mehr als ungewöhnlich, dass im Jahr 1919 ein 60-jähriger eine 22-jährige heiratete. Wir reden hier von 38 Jahren Altersunterschied. Ich möchte halt wissen, was die Menschen damals für Beweggründe hatten, eine Ehe einzugehen mit so einem Altersunterschied. Das finde ich sowohl heute, wie noch viel mehr für früher als ungewöhnlich.
                            Zuletzt geändert von CK1976; 01.01.2016, 00:20.
                            Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen

                            Christian
                            ______________________________________________

                            P.S.:
                            Ich suche nach Köster in Hopfelde / Witte in Wuppertal-Barmen / Raue bzw. Henneken in Meerhof / Blaschke bzw. Blaszke in Neustadt bei Danzig & Paßgang bzw. Petermeyer in Mastholte
                            :vorfahren:

                            Kommentar

                            • gabyde
                              Erfahrener Benutzer
                              • 24.12.2010
                              • 501

                              #15
                              Noch ein Kommentar zu der jüngeren Braut: mein Altvater hat im Alter von 66 Jahren in dritter Ehe ebenfalls eine 38 Jahre jüngere Frau geheiratet. Das war 1925. Grund war hier wohl, daß sie kurz vorher ein Kind von ihm bekommen hatte.
                              Wenn man dann zurückrechnet, wurde das Kind gezeugt, als seine 2. Frau noch lebte (!).
                              Wie dem auch sei, die Braut war damals bereits Witwe, trotz des jungen Alters. Wie die beiden sich kennengelernt haben, ist nur Spekulation, aber es ist möglich, daß mein Altvater und ihr Vater geschäftlich miteinander zu tun hatten.
                              Mein Altvater war als Fabrikant sicherlich eine gute Partie, und sie hat dann nach seinem Tod die Firmengeschäfte weitergeführt. Sie hat dann noch ein drittes Mal geheiratet.

                              LG
                              Gaby
                              Litauen: NASSUT / BATRAM - Liebenscheid/LDK: BRANDENBURGER - Wagenfeld: CORDING - Sonnborn: MOEBBECK / ZIELES - Sprockhövel: NIEDERSTE BERG / DOTBRUCH - Lintorf/Angermund: HUCKLENBRUCH / RASPEL - Motzlar: FÜRST / DERWORT - Sauerland: WORM / NAGEL - Italien (Provinz Belluno): MARES
                              http://www.alteltern.de/
                              http://www.ahnekdoten.de/

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