Wie einfach war im 17. Jhdt. eine Namens-Änderung?

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  • Karl Heinz Jochim
    Erfahrener Benutzer
    • 07.07.2009
    • 4820

    Wie einfach war im 17. Jhdt. eine Namens-Änderung?

    Liebe Forum-Benutzer,
    dass Menschen im und nach dem 30-jährigen Krieg "spurlos" verschwinden, liegt für uns (Hobby-) Genealogen überwiegend an verschwundenen bzw. zerstörten / verbrannten Kirchenbüchern. 30 Jahre sind eine lange Zeit, praktisch eine ganze Generation, die es gilt, zu "überbrücken", was meist nur gelingt, wenn die Familie am gleichen Ort blieb und es von der nach dem Krieg lebenden Person einen Eintrag vor dem Krieg gibt (Rückrechnung des Geburtsdatums aufgrund des Eintrags im Sterberegister, z.B.: "Starb mit 71 Jahren, 3 Monaten und 14 Tagen").
    Was aber ist mit den Personen, die sich durch die "Völkerwanderung" in Kriegszeiten an einem anderen Ort eine neue Existenz aufbauten? Was wäre, wenn sie mit ihrer Vergangenheit vollständig brechen und sogar unter einem anderen Namen weiter leben wollten?
    Das brachte mich auf die Fragestellung, wie leicht oder schwer es damals denn war, unter anderem Namen neu zu beginnen? Gab es Personalpapiere, die man auf dem Rathaus oder dem Schultheiß vorlegen musste? Wie muss man sich die Administration damals generell vorstellen?
    Wer weiß darauf eine präzise Antwort?
    Liebe Grüße
    Karl Heinz
  • sternap
    Erfahrener Benutzer
    • 25.04.2011
    • 4070

    #2
    die frage kann ich dir nur anhand der situation um 1750 und später rum erklären. damals wurden wieder einmal vom krieg verwüstete gebiete neu besiedelt, in ungarn, kroatien, serbien, etc.
    die ursprünglich den klöstern und grundherren überlassene ansiedlung beinhaltete das recht, vom besitzer grundherren entlassen zu werden, es kam aber bald auch zu werbung um kolonisten, und darüber hinaus einer wilden ansiedlung.
    an einem ankunftsort wurde beispielsweise holz zum erbauen eines einfachen hauses und ein grundanteil zu einer art erbpacht vergeben. die stelle, die das zu verteilen hatte, nahm nun auch die herkunftsorte und den absiedlungsgrund auf.
    bemerkungen wie, xy sei vor seiner herrschsüchtigen frau in wien geflüchtet, das kind xyz alleine aus dem elsass gekommen, jemand gänzlich ohne entlasspapiere, etc..., geben die gewissheit, dass die menschen in eigeninitiative unerträglichen zuständen zu entkommen suchten. wenn wieder einmal im greiner strudel , bzw. in st. nikola an der donau ein schiff voll donauschwaben zerschellte, paar hundert umkamen und nur drei überlebten, konnte keiner nachprüfen, wer der neusiedler ohne trockenes hemd und ohne hosen war.

    die früheren grundeigner von vor dem krieg hatten nach dem abzug der türken ihre identität und besitzrechte unter beibringung mehrerer zeugen nachzuweisen, was natürlich unmöglich war in einem land, in dem nur ein geringer prozentsatz der bevölkrung überhaupt überlebt hatte, es fiel dann alles an die wiener hofkammer als eigentum zurück. schon allein dadurch setzten sich viele heimatlose in bewegung.
    freundliche grüße
    sternap
    ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
    wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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    • Karl Heinz Jochim
      Erfahrener Benutzer
      • 07.07.2009
      • 4820

      #3
      Hallo, sternap,
      vielen Dank für Deine Stellungnahme und die interessanten Erklärungen. In komplett neu zu besiedelnden Gebieten kann ich mir das Szenario auch gut vorstellen, war es aber im alten Gebiet des "Heiligen römischen Reiches deutscher Nation" genauso?
      Liebe Grüße
      Karl Heinz

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      • Leineweber12
        Erfahrener Benutzer
        • 20.08.2010
        • 1639

        #4
        Hallo Karl Heinz Jochim,
        eine interessante Frage, über die ich mir auch schon des öfteren Gedanken gemacht habe. Ich war ganz gespannt auf die Antworten hier, aber es scheint wirklich schwierig zu sein. Leider kann ich auch keine präzisen Antworten oder Quellen liefern. Ich würde vermuten, das es mit Administrationen speziell nach dem 30j.Krieg nicht allzuweit her war. Wer seine Identität verbergen wollte, ging als Hr. Schulze und tauchte irgendwo als Hr. Meier wieder auf. Es sei denn er traf in der Fremde auf jemanden, der Stellung zu seiner Herkunft beziehen würde. Ich konnte bisher nirgends Hinweise finden, dass der Schulze zu der Zeit Einwohnerlisten nach Legitimation geführt hat. Die einzigen "lückenlosen" Verzeichnisse waren wahrscheinlich die doch Kirchenbücher, aber die konnten als Ausweis nicht mitgenommen werden. Selbst in Zählungen zu der Zeit wurde nur gezählt und aufgelistet, was gerade von Belang war: mal Männer im wehrfähigem Alter, mal Grundbesitzer, mal dies, mal das und wer sich nicht zählen lassen wollte...
        Ich vermute, dass Personalpapiere, wenn man diese Bezeichnung anwenden kann, auch eher nur sporadisch und in speziellen Fällen von "der Verwaltung" (im allerweitesten Sinne) (...mit Brief und Siegel...) ausgestellt wurden. Genauigkeiten kann ich leider auch nicht liefern, nur Vermutungen.
        Viele Grüße von Leineweber

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        • Karl Heinz Jochim
          Erfahrener Benutzer
          • 07.07.2009
          • 4820

          #5
          Hallo, Leineweber,
          vielen Dank für Deine Ausführungen, Du hast mir sehr geholfen. Manchmal braucht man nur eine Bestätigung für die eigenen Gedanken; also, ich sehe es genauso! Speziell suche ich seit Jahrzehnten nach meinem Urahn Leonhardt Joachim (Leonhard Jochim), der nach dem 30-jährigen Krieg in den Odenwald zuzog. Ich habe aber leider außerhalb des Odenwalds nirgendwo eine Person dieses Namens gefunden, auch wenn es in der Pfalz, dem Saarland und in Frankreich viele Joachim (auch Jochum, Jochem und Jochim) gibt. Das brachte mich dann auf die Idee mit der Namensänderung. Wenn es aber keine Administration gab, brauchte man eigentlich auch keine Angst zu haben, "entdeckt" zu werden (wenn man z.B. in dieser Zeit von linksrheinisch vor den Franzosen und Spaniern nach rechts des Rheins floh). Wie soll man so ein Rätsel nur lösen?
          Nochmals vielen Dank für Deine Nachricht.
          Liebe Grüße
          Karl Heinz

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          • Leineweber12
            Erfahrener Benutzer
            • 20.08.2010
            • 1639

            #6
            Hallo Karl Heinz,
            ich freue mich, dass ich Dir auch mit unpräzisen Angaben helfen konnte.
            Wahrscheinlich hilft hier nur Zufall oder Glück. Wenn Du schon Jahrzehnte (ach herrjeeminee (schreibt man das so?)) an diesem Ahn arbeitest (und das hört sich nach direkter Linie an, wie betrüblich)), brauche ich wahrscheinlich nicht zu fragen, ob es nicht einen klitzekleinen Hinweis in den KBs des Odenwald-Ortes gibt? Gibt es Einträge zu der Person? Gibt es hier überhaupt vorhandene KBs?? Oder in Chroniken?

            Meine Ahnen haben leider auch die unschöne Angewohnheit in vielen Phasen "vom Himmel zu fallen" und jedesmal wenn ich denke, ich hab sie gefunden, verschwindet der nächste wieder. Nur einmal konnte ich durch Zufall, beim Blättern durch ein KB, einen Ahnen in einem für mich abwegigem Ort finden.
            Hilft vielleicht das Stichwort "Vornamensänderung" weiter (also quasi die halbe Namensänderung)? Ich habe in einer Linie, bei der ich zumindest zu 95% vermute, dass es eine Linie ist, Fälle, bei der ich mehrmals viele Geburtseinträge von Kindern eines Vaters zu der fraglichen Zeit finde, nur ein bestimmter Sohn fehlt (der dann allerdings durch andere Einträge als Sohn belegt ist). Da vermute ich manchmal schon, dass etwas mit dem Vornamen nicht stimmen könnte.
            Da hast Du einen wahrlich harten Brocken.

            Viele Grüße, Leineweber

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            • Leineweber12
              Erfahrener Benutzer
              • 20.08.2010
              • 1639

              #7
              Noch ein Gedanke oder auch zu viel Phantasie zur Namensänderung:
              Wenn ich im Zuge des 30j.Krieges z.B. die Region wechseln müßte, wollen würde o. wie auch immer u. gleichzeitig eine andere Identität annehmen wollte, würde ich wahrscheinlich einen mir bekannten Namen mit gutem Leumund aussuchen (ich gehe davon aus, dass dieser FN in dem Odenwaldort bis dato nicht vorhanden war, sonst würde mein Gebilde ins Wanken geraten.). Also würde ich vielleicht aus einer Region kommen, in der dieser FN geläufig ist, aber nicht so geläufig, dass er in meiner neuen Heimat bekannt ist. Und aus sentimentalen Gründen, würde ich vielleicht meinen Vornamen beibehalten, oder den meines Vaters, Großvaters, Paten benutzen.
              Aber das zu belegen.... eine Stecknädelchen.., aber vielleicht eine Idee .
              Leineweber

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              • Karl Heinz Jochim
                Erfahrener Benutzer
                • 07.07.2009
                • 4820

                #8
                Hallo, Leineweber,
                vielen herzlichen Dank für Deine beiden Nachrichten und die guten Ideen; die sind wirklich mehr als nur eine Überlegung wert.
                Ich war erst kürzlich im Evang. Zentralarchiv in Darmstadt und habe mir den ganzen Tag (6 Std.) nichts Anderes als die Mikrofilme der Birkenauer/Hornbacher Kirchenbücher (mit vielen Lücken in der in Frage kommenden Zeit) angeschaut. Habe nur alle bisherigen Forschungsergebnisse bestätigt gefunden. Leider gab es keine sonstigen Angaben zum Schultheiß Leonhard Joachim, also z.B. "ex", "der aus XY stammende" usw.
                Habe ja auch schon mal den Freiherrn Philipp Wambolt von Umstadt in Birkenau angeschrieben, erhielt aber leider keine Antwort. Der Schultheiß müsste ja in den "Gehaltslisten" der damaligen Freiherrn von Umstadt auftauchen!? Mir mangelt es nicht an Joachims aus anderen Gegenden, aber auch die Überprüfung des Geburtsjahres ergab keinen Hinweis auf eine Person, die später "auswanderte"; hatte nämlich auch schon mal darauf spekuliert, dass mein Urahn den Vornamen eines nahen Verwandten angenommen haben könnte; dann müsste ihn wenigstens das Geburtsjahr "überführen". Entgegen den üblichen Angaben (da schreibt Einer vom Anderen ab: + nach 1686) weiß ich, dass Urahn Leonhardt erst am 10.02.1725 in Hornbach/Odw. mit 78 Jahren gestorben ist; daraus ergibt sich als Geburtsjahr 1646 bzw. * vor 02.1647!
                Auch sein in den meisten online-Dateien angegebenes Hochzeitsjahr 1675 stimmt nicht, denn es bezieht sich auf das Geburtsdatum der Tochter Eva Joachim (getauft am 30.01.1676), die aber noch Geschwister hatte, darunter den ältesten Bruder Nikolaus Joachim, get. am 13.04.1673 in Hornbach/Odw.
                Also hat Leonhardt seine Elisabeth N.N. höchstwahrscheinlich vor April 1673 geheiratet, aber wo? Und wie hieß diese Elisabeth mit Familiennamen? Stammt sie aus Hornbach und haben die Beiden dort geheiratet? Ich habe in den Kirchenbüchern (wie gesagt mit vielen Lücken) aber keine "Jungfrau Elisabeth" gefunden, die vor 02.1644 geboren wurde (lt. Sterbeeintrag vom 09.02.1709 starb sie mit 65 Jahren!).
                Das gibt also noch eine harte Nuss!!!
                Nochmals besten Dank für Deine Hilfe.
                Liebe Grüße
                Karl Heinz

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                • gki
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.01.2012
                  • 5063

                  #9
                  Hallo beisammen,
                  ich halte eine absichtliche Namensänderung für ziemlich spekulativ. Warum sollte jemand seinen Namen ändern? Doch eigentlich nur wenn er irgendwas ausgefressen hatte und eine persönliche Verfolgung befürchten müßte. Wäre so jemand dann aber Schultheiß geworden? Das war doch sicherlich eine Vertrauensposition.

                  Hast Du vielleicht andere Joachims in Deiner Datenbank, die evtl. auch Schultheiß waren?

                  Ich kenne mich mit Odenwälder Bräuchen nicht aus, aber in meinem Forschungsgebiet müßte ich um diese Zeit damit rechnen, daß der fehlende Trauungseintrag unter dem Hofnamen erfolgt ist, nicht unter dem Familiennamen. Dabei konnte es auch vorkommen, daß der Mann den Hofnamen der Frau annahm.

                  Hast Du mal alle dortigen Hochzeiten nach den Vornamen durchgesehen?
                  Gruß
                  gki

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                  • sternap
                    Erfahrener Benutzer
                    • 25.04.2011
                    • 4070

                    #10
                    im dreissigjährigen krieg wanderten die einen vorfahren im gefolge ihres grundherren aus österreich in verschiedene gebiete deutschlands aus, weil sie nicht vom protestantischen glauben lassen wollten, andere zogen im gefolge des katholischen herrn nach österreich. am beispiel zweier aus schwaben nach niederösterreich gekommener einwanderer sieht man, dass unsere ahnen hier gleich wieder in die alte position als wichtiger bürger mit amt eingesetzt wurden.

                    hast du schon nachgeschaut, ob es einwanderungsbewegungen gab?
                    freundliche grüße
                    sternap
                    ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                    wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                    • Karl Heinz Jochim
                      Erfahrener Benutzer
                      • 07.07.2009
                      • 4820

                      #11
                      Hallo,
                      ja, das habe ich! Einen Hofnamen Jochim, Joachim, Jochem oder Jochum hat es in Hornbach oder Birkenau im und vor dem 30-jährigen Krieg nicht gegeben. Die Familien vor und nach dem Krieg sind alle bekannt, es waren nicht sehr viele; auch eine Elisabeth (N.N. oder Joachim) ist nicht dabei, weder in dem in Frage kommenden Alter noch sonst eine.
                      Es gibt einen Hans Jochim, der 1554 in Vielbrunn im Odenwald in einer Steuerliste erwähnt wird (ich fand den Eintrag in der Klosterbibliothek in Bronnbach im Taubertal), konnte aber auch keine Verbindung zu ihm herstellen bzw. fand keine Nachfahren im Odenwald.
                      Liebe Grüße
                      Karl Heinz

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                      • Karl Heinz Jochim
                        Erfahrener Benutzer
                        • 07.07.2009
                        • 4820

                        #12
                        Hallo, sternap,
                        ja, auch das habe ich! Das Land war derart verwüstet, die Landwirtschaft und Tierhaltung auf Jahre hinaus zerstört, sodass gerade mal die überlebende Stamm-Bevölkerung ein wenig zum Leben hatte. Zuzug erfolgte erst viele Jahre nach dem 30-jährigen Krieg, meist erst mal in Form von Einheirat.
                        Liebe Grüße
                        Karl Heinz

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                        • sternap
                          Erfahrener Benutzer
                          • 25.04.2011
                          • 4070

                          #13
                          welche grundherren wanderten zu der gesuchten zeit in das gebiet ein? schau bei den burgen und schlössern der umgebung nach, ob grundbesitze im dreissigjährigen krieg im ausland verlorengingen, bevor die besitzenden dorthin kamen.

                          in österreich gibt es teilweise listen der vom protestantischen glauben zurück konvertierten, und dadurch einen guten überblick über die damals gebräuchlichen namen, und es gibt eine gute quellenlage über auswanderer aus einzelnen gebieten. jochim und joachim wären hier zumindest sehr gebräuchliche vornamen.
                          freundliche grüße
                          sternap
                          ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                          wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                          • Karl Heinz Jochim
                            Erfahrener Benutzer
                            • 07.07.2009
                            • 4820

                            #14
                            Hallo, sternap,
                            vielen Dank für Deine weiteren interessanten Ergänzungen. Werde mal in alle Richtungen weiter forschen.
                            Liebe Grüße
                            Karl Heinz

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                            • liseboettcher
                              • 26.03.2006
                              • 695

                              #15
                              Namensänderungen? Wanderungen?

                              Anhand des gesuchten Jochim oder ähnlich, Eure interessanten Überlegungen bringen bei mir wieder Fragen in den Vordergrund, wo meine Familie ihren Ursprung hat. Ich suche nach FN Mangold, weiß dass es einige in Thüringen gibt aber vor allem richtige "Nester" in Baden-Württemberg, auch Schwarzwald, Elsaß und Bayern.Die Geburt meines ältesten gefundenen in Zöschen (b. Merseburg) ist nicht zu finden, weil KB verbrannt, so finde ich erst wieder um 1645 gegen Ende des 30 jährigen Krieges Eintragungen im KB.
                              Wo gibt es evtl. Hinweise auf Wanderungen aus SW-Deutschland, Franken oder so in dieser Zeit?
                              Ich freue mich auf Eure klugen Gedanken. lise

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