Kind seinem Bruder "schenken"

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Tenger
    Benutzer
    • 04.02.2020
    • 49

    Kind seinem Bruder "schenken"

    Hallo zusammen. Es gibt einen Vorfall aus den 1950er Jahren bei entfernten Verwandten, bei der ein jüngerer Bruder seinem zeugungsunfähigen älteren Bruder eines seiner Zwillingssöhne im Säulingsalter "geschenkt" hat. Man muss bedenken, dass zu der Zeit alle meine Verwandten und Vorfahren in einem Dorf in der Türkei lebten und eng miteinander verbunden waren. Der Onkel oder die Tante eines Kindes galt auch als Vater oder Mutter und war in manchen Fälle der Vormund. Die Verbindungen waren sogar so eng, dass wenn ein älterer Bruder am Sterbebett lag er einen seiner jüngeren Brüder bat, seine Frau zur Ehefrau zu nehmen, damit seine Kinder nicht bei Fremden, sondern bei einem "wahren" Vaterersatz aufwachsen. Diese Tradition wird allerdings schon seit den 1930ern nicht mehr praktiziert.

    Kennt ihr die Praktik des "Schenkens" eines Kindes bei euren Verwandten oder Vorfahren?

    Lg Tenger
    Meine Familiengeschichten:
    Vaterseite väterlicherseits
    Mutterseite väterlicherseits

    Der Rest folgt
  • Friedrich
    Moderator
    • 02.12.2007
    • 11337

    #2
    Moin Tenger,


    den Begriff "schenken" kannte ich in dem Zusammenhang nicht, aber in vielen Fällen, vor allem, wenn der jüngere Bruder die Witwe seines älteren Bruders heiratete, ist das die sog. Leviratsehe, die schon in der Bibel beschrieben wird. Im alten Israel war das sogar Vorschrift!


    Friedrich
    "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
    (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

    Kommentar

    • Gastonian
      Moderator
      • 20.09.2021
      • 3421

      #3
      Hallo allerseits:

      Die Leviratsehe war zwar im Alten Testament (Dtn 25, 5-10) geboten, aber im kanonischen Recht des Mittelalters wurde sie (durch Missverständnis einer Textstelle in Lev 18, 16) verboten.

      Wohl die folgenreichste europäische Leviratsehe war die des Königs Heinrich VIII. von England 1509 mit Katharina von Aragon, der kinderlosen Witwe seines älteren Bruders Arthur. Heinrich glaubte, daß dies nicht gegen kanonisches Recht verstoße, da die Ehe mit Arthur laut Aussagen der Hofdamen nie vollzogen worden und daher ungültig war. Aber um 1527 kam er (durch Katharinas Kinderlosigkeit) zu der Überzeugung, daß seine Ehe doch rechtswidrig gewesen war und deshalb aufgelöst werden sollte. Nachdem der Papst aber hierzu seine Einwilling verweigert hatte, kam es zum Bruch mit Rom und der Gründung der anglikanischen Kirche.

      Im Islam wird übrigens (laut der englischen Wikipedia) die Leviratsehe durch Sure 4:19 geregelt.


      VG


      --Carl-Henry
      Zuletzt geändert von Gastonian; 08.03.2023, 12:56.
      Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

      Kommentar

      • Tenger
        Benutzer
        • 04.02.2020
        • 49

        #4
        Hallo. Danke für die Antworten. Ich kannte diesen Begriff tatsächlich nicht. Wieder was dazu gelernt

        Naja "schenken" ist auch vielleicht falsch ausgedrückt. Aber ich wüsste nicht wie man es sonst nennen könnte. Abgeben o.ä klingt mir zu allgemein. Zumal das Kind ja dann tatsächlich beim Onkel aufgewachsen, mit dem Wissen, dass er an seinen Onkel abgegeben worden ist. Ich wüsste nur nicht wie sich das auf die Psyche des Kindes ausgewirkt hat. Damals war es vielleicht nicht weiter dramatisch, da alle zusammen lebten. Aber ich könnte mir vorstellen, dass mit der zunehmenden Modernisierung der Gesellschaft und der Auswanderung vieler Verwandte nach Deutschland oder in Großstädte in der Türkei, sich bei ihm schon was geregt hat.
        Zuletzt geändert von Tenger; 08.03.2023, 13:54.
        Meine Familiengeschichten:
        Vaterseite väterlicherseits
        Mutterseite väterlicherseits

        Der Rest folgt

        Kommentar

        • mumof2
          Erfahrener Benutzer
          • 25.01.2008
          • 1347

          #5
          Hallo Tenger,
          auch in meiner Familie gab es den Fall, dass ein Kind aus einer kinderreichen Familie im Kleinkindalter in eine kinderlose Familie ‚gegeben‘ wurde und dort aufwuchs. Die Mütter waren Schwestern, sie wohnten nur ein paar Häuser voneinander entfernt. Es war auch kein Geheimnis, man ging offen mit dem Thema um.
          Viele Grüße
          mum of 2

          Kommentar

          • katla
            Erfahrener Benutzer
            • 28.01.2023
            • 243

            #6
            Hallo,
            auch in meiner Familie gab es in den 1940 Jahren den Fall, dass einer der Söhne einer kinderreichen Familie nach dem frühen Tod des Vaters von kinderlosen Verwandten adoptiert, großgezogen und als Hoferbe eingesetzt wurde.
            viele Grüße
            Katharina

            Kommentar

            • Niederrheiner94
              Erfahrener Benutzer
              • 30.11.2016
              • 785

              #7
              Hallo,



              durch das erstellen eines Ortsfamilienbuches habe ich viele Familienbeziehungen erstellt und es gab auch einmal den Fall, dass ein unverheirateter Mann ein Kind mit 18 Jahren adoptierte. Er wurde 1915 geboren und dessen Mutter starb bereits einen Monat später. 1933 wurde die Adoption dann vollzogen. Der Urgroßvater des Kindes und der Großvater des Mannes waren ein gemeinsamer Vorfahre, es handelte sich also um Großcousins.


              Dass Männer oder Frauen nach dem Tod des Ehepartens dann einen Bruder oder Schwester heirateten war auch nicht ungewöhnlich. Man "kannte" sich ja schon, aber viel wichtiger werden wohl auch Erbfragen gewesen sein, denn die Heiraten waren früher nicht nur aus reiner Liebe dem anderen gegenüber.


              Viele Grüße
              Fabian

              Kommentar

              • assi.d
                Erfahrener Benutzer
                • 15.11.2008
                • 2689

                #8
                Hallo,

                kam in den 30ern auch in Osthessen vor.
                Mein Opa sollte (da er noch 11 Geschwister hatte) den Bauernhof des kinderlosen Onkels übernehmen. Daher kam er schon im Alter von etwa 6 Jahren zu Onkel und Tante. Leider kam es aber nicht mehr dazu, da im 3. Reich die Hofübernahme gesetzlich geregelt wurde und er kein Angehöriger ersten Grades war.

                Gruß
                Astrid

                Kommentar

                • Andrea1984
                  Erfahrener Benutzer
                  • 29.03.2017
                  • 2564

                  #9
                  Zitat von Niederrheiner94 Beitrag anzeigen
                  Hallo,



                  durch das erstellen eines Ortsfamilienbuches habe ich viele Familienbeziehungen erstellt und es gab auch einmal den Fall, dass ein unverheirateter Mann ein Kind mit 18 Jahren adoptierte. Er wurde 1915 geboren und dessen Mutter starb bereits einen Monat später. 1933 wurde die Adoption dann vollzogen. Der Urgroßvater des Kindes und der Großvater des Mannes waren ein gemeinsamer Vorfahre, es handelte sich also um Großcousins.


                  Dass Männer oder Frauen nach dem Tod des Ehepartens dann einen Bruder oder Schwester heirateten war auch nicht ungewöhnlich. Man "kannte" sich ja schon, aber viel wichtiger werden wohl auch Erbfragen gewesen sein, denn die Heiraten waren früher nicht nur aus reiner Liebe dem anderen gegenüber.


                  Viele Grüße
                  Fabian
                  Hallo. Wenn der Urgroßvater des Kindes und der Großvaters des Mannes dieselbe Person waren (?), dann wären es Onkel und Neffe 2. Grades gewesen, da eine Generation zwischen den beiden Herren gewesen ist.

                  Herzliche Grüße

                  Andrea
                  Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Aufgeben tut man einen Brief.
                  Wenn man lange genug Ahnenforschung macht, bekommt man zu dem Ahnenschwund und den Toten Punkten eine Generationsverschiebung gratis dazu.

                  Kommentar

                  Lädt...
                  X