Geliebte und Verhältnisse

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  • Molle09
    Erfahrener Benutzer
    • 24.03.2009
    • 1403

    Geliebte und Verhältnisse

    Hallo Ihr Lieben,

    ich habe gerade im Net in einer Ahnenliste gestöbert.



    unter Nr. 470 steht nun ein Windmühlknappe, der es wohl mit der treue nicht so ernst nahm.

    Jetzt frage ich mich, wie bekommt man denn sowas raus? Schrieb das der Pfarrer ins Kirchenbuch???? Sind es Spekulationen, evtl. hatten ja zwei Männer den gleichen Namen, nicht unüblich.
    Auf jeden fall finde ich es lustig! Wenn der wüßte, daß wir das Jahrhunderte später immer noch wissen.........
    Liebe Grüße
    Mlle
    ----------------
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    den Verbleib von Johann Wilhelm Nürnberger *04.12.1803
  • karin-oö
    Erfahrener Benutzer
    • 01.04.2009
    • 2630

    #2
    Hallo Molle!

    Ich glaube schon, dass der Pfarrer das aufgeschrieben hat, denn manche schrieben oft wirklich ganze Romane ins Kirchenbuch, wenn es sich um einen außergewöhnlichen Fall handelte.
    An solchen Fällen sind natürlich auch wir Ahnenforscher brennende interessiert, und solche Pfarrer können wir uns nur wünschen, durch die man mehr als die bloßen Namen und Zahlen erfährt.

    Viele Pfarrer nahmen es auch mit den Vorschriften und Geboten sehr genau und hielten solch "anstößiges" Verhalten genau fest, um sie nicht nur kirchlich sondern auch weltlich abzustrafen.
    Scheinbar gab es wirklich sogar weltliche Strafen für unzüchtiges Verhalten, wie ich im Kommunikanten-Bericht eines Pfarrers von 1829 gelesen habe.
    Darin beschwert sich der Pfarrer beim Bischof, dass die Strafen für das Zusammenleben von Paaren vor der Hochzeit zu gering seien und er kaum Möglichkeiten hätte, eine Bestrafung beim Landgericht einzufordern, weil ihn die Bevölkerung in seinem Bemühen um sittliche Verhältnisse nicht unterstütze.
    Diese Beschwerde ist einfach köstlich zu lesen, ich gebe hier gerne eine Kostprobe daraus:

    In meiner 4 ½ hundert Seelen enthaltenden Pfarre haben sich während 17 Monaten 4 Brautpaare mehrere Wochen vor der Trauung zusammen begeben u. beisammen gewohnt. Das erste Ärgerniß dieser Art gab der Wittwer u. Häusler Sebast. Buchner, welcher seine Braut von 9. Dez. bis 7. Jänner 1828, welchen letzten Tag die Copulation war, zu sich genommen u. mit ihr unter einem Dache usw. gelebet hat. Ich zeigte es an am 10. Dez. dem Decanate, am 17. u. 27. Dez. dem Landgerichte, u. am 31. Dez. dem hohen Gericht. Das Landgericht strafte es spät nach der Copulation auf mein nochmaliges dringliches Vorstellen u. wie ich hörte, beide nur mit Arrest von einigen Stunden. Die Gemeinde macht sich wenig daraus.
    Diesem Paar folgte der Wittwer Pieringerwirth nach. Er hatte seine Braut aus Baiern über 3 Wochen vor der Trauung zu sich genommen. Ich machte am 5. Nov. die Anzeige beim Landgericht, u. copulierte sie am 10. Nov. Warum sie keine Ahndung u. Strafe erhielten, weiß ich nicht.
    Der Wittwer u. Inwohner Eschelor nahm einige Tage nach dem Tode seines Weibes das am 5. Sept. 1828 starb, die Tochter seines Hausherrn als Köchin zu sich gleich anfänglich entschlossen, wie es bald darauf unter den Pfarrleuten bekannt geworden, sie zu heirathen. Niemand hinterbrachte mir dieses. Die Trauung war am 7. Jänner 1829. Lange nachher erst entdeckte mir der Vater dieser Weibsperson zufällig, dass der Wittwer u. seine Tochter immer beisammen waren Tag u. Nacht usw.
    Das letzte und stärkste Beispiel gab eine Wittwe u. Kleinbäurin im Dorfe. Ein Baier u. Knecht in hiesiger Pfarre wollte sie heurathen. Er hoffte bis zur Faste gewiß die Auswanderungslizenz zu erhalten, um endlich copulirt zu werden. Darum trat er zu Lichtmessen aus dem Dienst u. wohnte Tag u. Nacht bei ihr, den wirklichen Hausherrn machend. Niemand gab mir Kenntniß hiervon. Zufällig erfuhr ich dieses Zusammenwohnen im Anfange des Merzes. Ich citirte den Bräutigam, stellte ihm das Nöthige vor u. drohte mit Anz. beim Landgericht. Er versprach von nun an nicht mehr im Hause der Braut, sondern in dem Häusl des Großbauers Bachmaier zu schlafen. Aber versprach nur u. that wie vorher. Als ich nachher Verdacht schöpfte, ließ ich den Bachmaier 2mal durch den Schulmeister, u. 2mal durch den Gemeindevorsteher rufen, um wegen einer geistlichen Amtsangelegenheit Antwort zu geben. Aus Stolz u. Gefälligkeit gegen diese ärgernden Zwei kam er nicht, damit ich keine statthafte Anzeige zur angekündeten Klage beim Landgerichte haben mögte.

    Solche "Schmankerl" zu finden, wünscht man sich natürlich öfter, um sich in die Lebensumstände der Vorfahren eindenken zu können.

    Schöne Grüße
    Karin

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    • beckenweber
      Benutzer
      • 17.11.2008
      • 86

      #3
      Es gibt als Quellen für solche Infos ja nicht nur die Kirchenbücher.

      Ich z.B. bin vor kurzem in einem Staatsarchiv zufällig auf eine Akte gestoßen, in der es um einen Skandal um einen meiner Ururgroßväter geht.
      Der war Dorfschullehrer und hatte, obwohl er damals schon verheiratet war, angeblich ein Verhältnis mt einer ledigen Dienstmagd. Er geriet dann mit dem zuständigen Pfarrer aneinander, der den Körper dieser Magd gegen deren erklärten Willen zu Heilzwecken regelmäßig mit einem Magneten bestrich (magnetisierte).
      Die Geschichte ging nicht gut für meinen Ururgroßvater aus - er musste den Ort schließlich verlassen.

      Soetwas ist natürlich ein kleines Juwel, und nicht immer findet man soetwas...

      Kommentar

      • Molle09
        Erfahrener Benutzer
        • 24.03.2009
        • 1403

        #4
        Hallo karin und Beckenweber,

        ich muß Euch wirklich zustimmen! Das sind richtig herrliche Geschichten, die die Ahnen mit leben füllen!!! Sind halt auch nur Menschen gewesen.

        Ich habe bisher keinerlei solcher Einträge gefunden, weder bei den Evangelen noch bei den Katholiken.

        Bei Karin´s Geschichte habe ich mir den Pfarrer richtig vorstellen können.
        Liebe Grüße
        Mlle
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        • Aida
          Erfahrener Benutzer
          • 19.12.2008
          • 415

          #5
          Ja, wie gut, dass man nicht selbst in der vermeintlich "guten alten Zeit" lebte...
          Was mir bei dem Bericht des Pfarrers auffiel, war, dass es sich ausschließlich um verwitwete Personen handelte... da mussten sicher Kinder versorgt werden, der Mann konnte nicht kochen, waschen etc. und die einzige Witwe hatte niemanden für den Broterwerb... so kurios es sich für uns heutzutage liest, stelle ich mir vor, dass es selten die schiere Lust war, die diese Leute in ein "uneheliches Verhältnis" treib, das ja doch wenige Monate später in einer regulären Ehe mündete.

          Gruß
          Christel

          Kommentar

          • Fiona48
            Erfahrener Benutzer
            • 14.11.2009
            • 248

            #6
            Hallo Karin,

            danke für den sehr unterhaltsamen Bericht. Der werte Herr Pfarrer muss doch jeden Abend regelrecht auf der Lauer gelegen haben. Ich kann ihn bildlich vor mir sehen, klein von Statur und mit einem total verbisterten Gesicht. Vielleicht hatte er eine Haushälterin, die, wie so oft und auch heute noch, nicht nur zum Kochen in seinem Haus lebte.
            Nein, ein Leben in der damaligen Zeit kann ich mir für mich nicht vorstellen.

            Gruß Fiona
            Gruß Fiona


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            • Friedrich
              Moderator

              • 02.12.2007
              • 11577

              #7
              Moin zusammen,

              in reformiert-calvinistisch geprägten Regionen, wie z.B. Wittgenstein (heute NRW), wurde Paaren, die uneheliche Kinder hatten und später doch heiraten wollten, ein regelrechtes Procedere auferlegt.

              Zunächst mußte eine Genehmigung des gräflichen Consitoriums eingeholt werden, dann unterlagen beide der öffentlichen Kirchenbuße und hatten erhebliche Kosten zu tragen. In wiederholten Fällen kam es sogar vor, daß die der "Hurerey" bezeichtigten Frauen an den Pranger gestellt wurden!

              Friedrich
              "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
              (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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              • Molle09
                Erfahrener Benutzer
                • 24.03.2009
                • 1403

                #8
                Hallo Friedrich,

                in reformiert-calvinistisch geprägten Regionen, wie z.B. Wittgenstein (heute NRW), wurde Paaren, die uneheliche Kinder hatten und später doch heiraten wollten, ein regelrechtes Procedere auferlegt.

                Zunächst mußte eine Genehmigung des gräflichen Consitoriums eingeholt werden, dann unterlagen beide der öffentlichen Kirchenbuße und hatten erhebliche Kosten zu tragen. In wiederholten Fällen kam es sogar vor, daß die der "Hurerey" bezeichtigten Frauen an den Pranger gestellt wurden!

                Eigendlich hätte doch die Kirche froh sein müssen, daß die Paare doch noch "geordnete Verhältnisse" schaffen wollten?!
                Liebe Grüße
                Mlle
                ----------------
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                • Friedrich
                  Moderator

                  • 02.12.2007
                  • 11577

                  #9
                  Zitat von Molle09 Beitrag anzeigen
                  Eigendlich hätte doch die Kirche froh sein müssen, daß die Paare doch noch "geordnete Verhältnisse" schaffen wollten?!
                  Moin Molle,

                  deswegen wurde denen auch erlaubt zu heiraten. Aber die strengen religiös-moralischen Vorstellungen und das damalige Recht schrieben halt das Procedere vor. Strafe mußte nach Ansicht des Etablissments sein!

                  Friedrich
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                  Kommentar

                  • Molle09
                    Erfahrener Benutzer
                    • 24.03.2009
                    • 1403

                    #10
                    Liebe Grüße
                    Mlle
                    ----------------
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                    • Alter Fritz
                      Benutzer
                      • 04.01.2010
                      • 85

                      #11
                      @ Fiona:
                      Wenn er mit seiner Haushälterin unter einer Decke gesteckt hätte, hätte er vermutlich Besseres zu tun gehabt, als seinen Schäfchen aufzulauern. Ich stelle ihn mir eher als einen eifernden Frustbolzen vor, den der Zeitgeist ziemlich im Griff hatte.

                      @ Alle:
                      Ich bin Anfang der sechziger Jahre, als wir 15, 16 Jahre alt waren, mit meinem Freund in den Sommerferien auf Radtouren durch Deutschland gewesen. In der Jugendherberge Marburg/Lahn legten wir gewöhnlich einen Ruhetag ein und erkundeten die Stadt. In einem Jahr schauten wir uns die Elisabethkirche ausführlicher an und bestiegen auch einen der Türme. Ich weiß heute nicht mehr, ob es bei dieser Turmbesteigung war oder ob es eine andere (Wendel-)Treppe war, die wir hinaufgegangen waren, als wir jedenfalls auf einen Raum stießen, dessen Tür halb geöffnet war. Es muss ein Archivraum gewesen sein, denn ich erinnere mich an schweinsledern gebundene Bücher. Darin arbeite im Licht einer Lampe ein älterer Mann. Ob es vielleicht sogar ein Familienforscher war, der Einblick in Kirchenbücher nahm, kann ich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls wurde er unserer gewahr, als wir in den Raum hineinblickten, und winkte uns herbei. Und dann zeigte er uns etwas, was bei uns jungen Männern sofort auf größtes Interesse stieß, auch wenn wir uns redlich Mühe gaben, es uns nicht zu sehr anmerken zu lassen. Es waren nämlich detaillierte Aufzeichnungen eines Pfarrers über den Inhalt von Beichten. Einzelheiten sind mir heute zwar nicht mehr gegenwärtig, doch erinnere ich mich ganz allgemein teilweise bildhafter und drastischer Wiedergabe dessen, was die Marburgerinnen vor 300 oder wieviel Jahren auch immer gebeichtet hatten (Ob der Herr uns nur die Beichten weiblicher Schäfchen zeigte oder ob der Pfarrer nur diese aufgeschrieben hatte, weiß ich leider nicht).

                      Auf alle Fälle: Die Fragen, wer mit wem, wie und wo, haben offenbar in der Menschheitsgeschichte bleibenden Unterhaltungswert. Vermutlich werden wir es auch noch an diesem Thread sehen, den zu mehren, auch ich mir nicht verkneifen wollte.

                      Fritz
                      Viele Grüße,
                      Fritz
                      _
                      Roland zu Dortmund (RzD) *
                      Verein für Computergenealogie
                      Westfälische Gesellschaft für Genealogie u. Familienforschung (WGGF)
                      Historischer Verein Wertheim * Aplerbecker Geschichtsverein

                      Kommentar

                      • Friedrich
                        Moderator

                        • 02.12.2007
                        • 11577

                        #12
                        Zitat von Alter Fritz Beitrag anzeigen
                        Ich stelle ihn mir eher als einen eifernden Frustbolzen vor, den der Zeitgeist ziemlich im Griff hatte.
                        Moin alter Fritz,

                        was man wahrscheinlich am deutlich erhobenen Zeigefinger in den Predigten zu hören bekam!

                        Zitat von Alter Fritz Beitrag anzeigen
                        Und dann zeigte er uns etwas, was bei uns jungen Männern sofort auf größtes Interesse stieß, auch wenn wir uns redlich Mühe gaben, es uns nicht zu sehr anmerken zu lassen. Es waren nämlich detaillierte Aufzeichnungen eines Pfarrers über den Inhalt von Beichten. Einzelheiten sind mir heute zwar nicht mehr gegenwärtig, doch erinnere ich mich ganz allgemein teilweise bildhafter und drastischer Wiedergabe dessen, was die Marburgerinnen vor 300 oder wieviel Jahren auch immer gebeichtet hatten (Ob der Herr uns nur die Beichten weiblicher Schäfchen zeigte oder ob der Pfarrer nur diese aufgeschrieben hatte, weiß ich leider nicht).
                        Konntet Ihr das wenigstens entziffern, oder hat er Euch das vorgelesen? Dann hatte er bestimmt zensiert!

                        Friedrich
                        "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
                        (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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                        • fxck
                          Erfahrener Benutzer
                          • 23.08.2009
                          • 1081

                          #13
                          Hallo,

                          Beichtprotokolle aus dem 19. Jahrhundert sind mir auch schon mal untergekommen. Anfangs wunderte ich mich, dass solche Dinge niedergeschrieben wurden, ich dachte eigentlich das Beichtgeheimnis stehe darüber. Wie dem auch sei - in den Beichtprotokollen waren einige interessante Dinge zu finden. Frauen, die sich scheiden lassen wollten, Frauen die betrogen wurden und selbst betrogen haben etc. Diese Unterlagen sind für die Forschung unbezahlbar! Ich finde es super, wenn es so etwas noch gibt, auch wenn die Beichte ja eigentlich geheim sein sollte... *hust*

                          LG Anton
                          Suche in folgenden Orten:
                          Kreis Tachau/Egerland: Pfraumberg, Ujest, Zummern, Lusen, Labant, Mallowitz (FN: Frank, Roppert, Scheinkönig, Peyerl, Haibach, Schwarz...)
                          Erzgebirge: Beierfeld, Grünhain, Eibenstock, Bernsbach, Lauter (FN: Fröhlich, Hennig, Stieler, Jugelt, Heimann...)
                          Thüringen: Tanna, Rödersdorf, Friedrichroda (FN: Kunstmann, Götz, Rathsmann).

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