Langweilige Texte vermeiden, aber wie?

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  • Ilja_CH
    Erfahrener Benutzer
    • 05.11.2016
    • 753

    #16
    Ich verknüpfe das Bekannte einer Person immer mit der damaligen Geschichte/Politik und den wichtigsten Geschehnissen, die damals passiert sind. Das kann Hinweise liefern, warum man dort hinzog, viele Kinder hatte, oder eben keine oder nur wenige usw. Und es macht alles lebendiger.

    Zudem versuche ich auch alles Bekannte so zusammen zu stellen, dass es ein klares Bild der Person gibt. Auch wenn man sie nie gekannt hat, könnte man gewisse Eigenschaften der Person erahnen. Nicht kennen, aber vermuten. Und in einem Text könnte man die eine oder andere Vermutung einbauen. Aber klar als Vermutung kennzeichnen! Man könnte sich hier einen Spass machen und immer ein, zwei, drei verschiedene Schlussfolgerungen ziehen mit der Bemerkung, dass es auch anders gewesen sein könnte.

    Und ganz wichtig: von Personen, die vor hunderten vor Jahren lebten, wo man nicht mehr kennt als die Kirchenbücher, kann man gar nicht extrem viel schreiben. Ergänzen könnte man solche kurze Biografien mit der Geschichte des Ortes. Was passierte dort, wer lebte sonst noch dort, als besagter Vorfahr dort wohnte? Daher konzentriere ich mich auf die Leute ab ca. 1850 wo man Unmengen an Material findet und sich ein klareres Bild ergibt. Und vielleicht gibt es noch Grosseltern, Tanten oder andere Verwandte, die diese Personen kannten und für die eine Zusammenfassung interessant zum Lesen wäre.


    Bekannte Wohnorte, ev. noch zu sehende Häuser oder ehemalige Gehöfte runden das ab, aber seitenweise über ein Haus zu schreiben ist für externe Leser auch langweilig. Daher nicht zu tief in Orte und Wohnungen gehen.

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    • Bergkellner
      Erfahrener Benutzer
      • 15.09.2017
      • 2351

      #17
      Vielschichtiges Thema.
      In meiner Arbeit als Wissenschaftlerin bin ich vielen Texten begegnet, die ich gerne sofort weggelegt hätte, so dröge und abweisend waren sie. Einige meiner Kollegen wollten sich besonders ausdrücken, abgehoben zum einen von den anderen ihres Fachs, zum anderen von der nichtwissenschaftlichen Leserschaft... heraus kamen beinahe ungenießbare Texte, an denen bestenfalls die Fußnoten und Quellenangaben lesbar blieben.
      Ich wollte von Anfang an nicht so schreiben und habe das auch schon bei meiner Diplomarbeit über Georg Acricola("den Bauer-Schorsch aus Glauchau") angewandt. Für meine Doktorarbeit gab mir mein betreuender Geschichtsprofessor einen guten Tipp, welches Buch ich unbedingt vorher lesen solle: Ludwig Reiners, Stilkunst - Ein Lehrbuch der deutschen Prosa, erschienen unter anderem im Verlag C.H.Beck.
      Auch wenn der Untertitel etwas verwirrt, es geht um Texte aller Art, zu denen auch "wissenschaftliche Prosa" gehört, wie mein Doktorvater unsere Arbeiten nannte.

      Er hatte Recht, man kann geisteswissenschaftliche Texte lesbar schreiben - wozu die Geneanlogie ohne Frage gehört , ohne dabei den Leser zu ermüden.

      Das Buch hat mich seitdem begleitet, ich konnte daraus eine Menge lernen, nicht nur für die wissenschaftliche Prosa.
      Zuletzt geändert von Bergkellner; 29.09.2023, 11:18.
      Wollt' ich für Arschlöcher bequem sein, wäre ich ein Stuhl geworden.(Saltatio Mortis, Keiner von Millionen)


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      • Friedrich
        Moderator
        • 02.12.2007
        • 11326

        #18
        Moin zusammen,


        ich denke, dass man die eigenen Forschungen unbedingt nach dem Publikum ausrichten muss:
        Eine reine Ahnen- oder Familienaufstellung sollte man m.E. der dafür vorgesehenen Fachliteratur überlassen. Dort ist sie hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Bedeutung wertvoll.
        Wenn man zu den reinen Namen und Daten noch „Fleisch“ hinzufügt, ist das schon eher was für die Familie. Daten ja, aber ordentlich gewürzt mit detaillierten Lebensläufen, Aktenfunden, Anekdoten, Auswertungen von persönlichen Aufzeichnungen (Tagebücher, Briefe). Das kann den Datenteil derart in den Hintergrund drängen, dass er letztendlich (und vielleicht auch sinnnigerweise) nur als Gerüst dient, damit man sich zu den beschriebenen Personen und den Zeiten orientieren kann. Das wird sich allerdings immer nur auf einzelne Familienzweige beschränken. Aber auch bei reinen Listen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es Angehörige gibt, die etwas damit anfangen können, und sei es „nur“ als „Nachschlagewerk“.
        Wenn man veröffentlicht, kann das allein aufgrund der Menge schwierig sein. Oft sind solche Veröffentlichungen ja in der Heimatliteratur zu finden, und je nach Verortung der jeweiligen Familienzweige gehören die geografisch nicht immer dahin. Aber es kann sich lohnen, interessante Fälle aufzuarbeiten. Nachfolgend einige Beispiele aus meinen eigenen Veröffentlichungen:
        - Ein Hauskauf in den Jahren 1767 und 1771. Warum kam der Kauf zustande? Welche sozialen und landesgeschichtlichen Hintergründe gab es? Zum Abschluss ein kurzer Namens- und Datenexkurs zu Kindern und Enkeln des Käufers (mit besonderer Berücksichtigung der „Vornamensarmut“).
        - Eine Darstellung zu einem Vorfahren, der in der damaligen Heimatliteratur einer falschen Familie zugeordnet war. Ich habe mich sozusagen an allen mir verfügbaren Quellen entlanggehangelt, und konnte so nicht nur etwas zu ihm, sondern auch zur bisher unbekannten Herkunft seiner Frau und ergänzendes Material zu seinen Brüdern finden.
        - Ein Heiratsvertrag 1750 mit detaillierten Quellenfunden zum jeweiligen Paar einschließlich Gedanken zum Ablauf der Hochzeit, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Braut zum Zeitpunkt der Hochzeit hochschwanger war. Zum Abschluss eine kurze Darstellung Kinder und Enkel. Eingestreut viele Bilder späterer Nachfahren.
        - Eine Auswertung eines Tagebuches um 1900. Landwirtschaftlicher Alltag und viele Bemerkungen zur Verwandtschaft und dem sozialen Umfeld des Schreibers.
        - Die Darstellung einer Hausgeschichte mit dem Versuch, vor allem die quellentechnisch schwierige Anfangsphase zu beleuchten. Eingestreut die jeweiligen genealogischen Angaben zu den Bewohnern.
        - Eine Auseinandersetzung eines Vorfahren, der als Gutspächter tätig war, mit seinem Grundstücksnachbarn über Nutzungsrechte an einer sog. Koppelhude.
        - Ein Aktenfund zu einem Vorfahren, der es gewagt hat, den damaligen regierenden Grafen zu besch…n. Wenn seine Frau nicht so redselig gewesen wäre, wäre er damit durchgekommen. Das alles natürlich nicht in Form eines langweiligen Zitierens aus den Akten, sondern als Bühnenstück (z. T. in der entsprechenden Landessprache). Da konnte ich auch den sicherlich stattgefundenen aber nicht aktenkundigen Ehekrach unterbringen.
        Was die Charakterisierung einzelner Personen angeht, stimme ich consanguineus zu, dass das ein problematisches Unterfangen ist. Allerdings habe ich zu einem Vorfahren so viel Material, v.a. persönliches, u. a. seine Aufzeichnungen und Anmerkungen aus seiner Hand in den Akten, dass ich glaube, einige vorsichtige Vermutungen zu seinem Charakter machen zu können.


        Friedrich
        "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
        (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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        • Bienenkönigin
          Erfahrener Benutzer
          • 09.04.2019
          • 1696

          #19
          @Friedrich, sehr interessante Info und Respekt vor den ganzen Veröffentlichungen!
          Danke,
          Bienenkönigin
          Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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