Brief 26

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Scherfer
    Moderator
    • 25.02.2016
    • 2511

    [gelöst] Brief 26

    Quelle bzw. Art des Textes: Brief
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1885
    Ort und Gegend der Text-Herkunft: Schleswig-Holstein
    Namen um die es sich handeln sollte:


    Liebe Familienforscher*innen,

    ich habe vier Briefe, bei deren Transkription ich euch um eure Mithilfe bitte. Einen Teil habe ich schon selbst lesen können, sende euch aber hier den gesamten Brief mit rot unterstrichenen Worten, die ich nicht entziffern kann oder gerade betriebsblind bin. In meiner aktuellen Transkription unten markiere ich diese Wörter auch rot in eckigen Klammern.
    Natürlich schließe ich weitere Lesefehler meinerseits nicht aus und freue mich über Korrekturen. Danke!


    „26“

    - Seite 1 -

    Mein lieber Johannes!

    Vor gut 8 Tagen erhielt ich den ersten u. heute den 2ten Brief von Julius, ich schicke Dir beide zur Einsicht. Das Klagen über den schlechten Jahren trifft nur zu auf dies letzte. Auch kann der Schade für ihn nach Verhältnis seiner Größe höchstens auf 200 M. sein.
    Meine Besorgniß, die ich Dir auch früher mitgetheilt habe, daß er über kurz zusammenbrechen müsse, ist leider jetzt eingetreten. Eine Schuld von zirka8000 M in der kurzen Zeit ist ein deutlicher Beweis, wie er überhaupt gewirtschaftet hat, doch genug hiervon.
    Jetzt kommt er zu mir und will für ihn diese Kleinigkeit, nämlich 8000 M. Wertpapiere, welche er an der dortigen Sparkasse verpfänden will u. für das Geld Schulden bezahlen will, haben, dieses ist aber nichts anders als geben, denn wenn die Kasse ihr Geld haben [will] oder die Zinsen nicht bezahlt werden, so werden die Papiere verkauft, und nur wenn Überschuß bezahlt. Alles dieses weiß Julius. Doch wird er, wenn der Fall eintritt, eben so entweder so oder so Entschuldung haben.

    - Seite 2 -

    Du kannst Dir wohl denken, wie mich dieses aufregt und hab seit dieser Zeit heftige Herzbewegung.
    Auf den ersten Brief antwortete [ich], daß ich kein Recht mehr über die Papiere hätte, da ich bei meinem Alter und Kränklichkeit im vorigen Jahre ein Testament machte, um nicht ungerecht gegen meine anderen Erben zu sein, weil er schon so viel erhalten hatte, und machte ihm den Vorschlag, was ich ihm schon früher gesagt, wie ich noch dort war, er solle das Haus vorne verkaufen und das Treibhaus mit dem Lande behalten und als dann in der Nähe eine billige Wohnung mieten, oder aber das Geld, welches er haben müßte, auf Aktien, was vielleicht b. dortigen Freunden, jede 7 bis 800 M aufbringen und zur Sicherheit der Abnehmer [dieß] gegen Summen in den Geschäften aufschreiben.
    Daß ich ihm nicht helfen könnte, würde er wohl einsehen.
    Hinauf kommt nun der 2. Brief, wo Du sehen wirst, mit welcher Dreistigkeit er auftritt, wenn er nur Geld […]

    - Seite 3 -

    […] könnte. Ob Eltern in Not und Sorgen bleiben, daran denkt er nicht. Nun will er an Dich schreiben. Er scheint es erzwingen zu wollen […] ich doch in großer Noth geriethe.
    Meine Absicht war nicht, auch Dir Kummer zu machen, deshalb schrieb ich Dir nach dem ersten Brief nicht. Jetzt aber durch den 2ten, wo er glaubt, durch Dich es zu bekommen, muß ich schon. Da nun vorauszusehen ist, daß, wenn er geholfen wird, nur eine kurze Zeit sein wird u. dann dieses Capital auch noch verloren geht.
    Es ist also nothwendig, wenn Julius an Dich schreibt, Du ihm bestimmt schreibst, daß Dir der Inhalt des Testaments bekannt sei, das deshalb bestätigt und ich nichts für ihn thun kann, auch bist Du ja nicht allein, sondern vor allem Mama so wie auch Elisabeth, Kinder. Du mußt also keine Hoffnung [machen,] sondern mit voller Deutlichkeit es ihm auseinandersetzen.
    NB. Es ist nun wohl sehr schmerzlich, wenn er in einen Conkurs kommen sollte u. was soll fern auch aus ihm werden, ich glaube es nicht, denn die

    - Seite 4 -

    von ihm zu fordern haben, würden dann erst recht nichts bekommen. Sollte es aber dennoch so weit kommen, so ist es wohl besser, ihm hernach, wo Not, mit einer kleinen Summe zu helfen. Das Schreiben will nicht mehr, ein Zittern. Bei Euch geht es gottlob gut, wie wir hören u. schließe mit Gruß an Hannchen u. Kinder.
    Dein Vater
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Scherfer; 13.01.2024, 17:34.
  • mawoi
    Erfahrener Benutzer
    • 22.01.2014
    • 3969

    #2
    Mein lieber Johannes!

    Vor gut 8 Tagen erhielt ich den ersten u. heute den 2ten Brief von Julius, ich schicke Dir beide zur Einsicht. Das Klagen über den schlechten Jahren trifft nur zu auf dies letzte. Auch kann der Schade für ihn nach Verhältnis seiner Größe höchstens auf 200 M. sein.
    Meine Besorgniß, die ich Dir auch früher mitgetheilt habe, daß er über kurz zusammenbrechen müsse, ist leider jetzt eingetreten. Eine Schuld von zirka8000 M in der kurzen Zeit ist ein deutlicher Beweis, wie er überhaupt gewirtschaftet hat, doch genug hiervon.
    Jetzt kommt er zu mir und will für ihn diese Kleinigkeit, nämlich 8000 M. Wertpapiere, welche er an der dortigen Sparkasse verpfänden will u. für das Geld Schulden bezahlen will, haben, dieses ist aber nichts anders als geben, denn wenn die Kasse ihr Geld haben [will] oder die Zinsen nicht bezahlt werden, so werden die Papiere verkauft, und nur vom Überschuß bezahlt. Alles dieses weiß Julius. Doch wird er, wenn der Fall eintritt, eben so entweder so oder so Entschuldung haben.

    - Seite 2 -

    Du kannst Dir wohl denken, wie mich dieses aufregt und hab seit dieser Zeit heftige Herzbewegung.
    Auf den ersten Brief antwortete [ich], daß ich kein Recht mehr über die Papiere hätte, da ich bei meinem Alter und Kränklichkeit im vorigen Jahre ein Testament machte, um nicht ungerecht gegen meine anderen Erben zu sein, weil er schon so viel erhalten hatte, und machte ihm den Vorschlag, was ich ihm schon früher gesagt, wie ich noch dort war, er solle das Haus vorne verkaufen und das Treibhaus mit dem Lande behalten und als dann in der Nähe eine billige Wohnung mieten, oder aber das Geld, welches er haben müßte, auf Aktien, von vielleicht 10 dortigen Freunden, jede 7 bis 800 M aufbringen und zur Sicherheit der Abnehmer diese gez. Summen in den Gehöfte umschreiben.
    Daß ich ihm nicht helfen könnte, würde er wohl einsehen.
    Hinauf kommt nun der 2. Brief, wo Du sehen wirst, mit welcher Dreistigkeit er auftritt, wenn er nur Geld […]

    - Seite 3 -

    könnte. Ob Eltern in Not und Sorgen bleiben, daran denkt er nicht. Nun will er an Dich schreiben. Er scheint es erzwingen zu wollen wodurch ich doch in großer Noth geriethe.
    Meine Absicht war nicht, auch Dir Kummer zu machen, deshalb schrieb ich Dir nach dem ersten Brief nicht. Jetzt aber durch den 2ten, wo er glaubt, durch Dich es zu bekommen, muß ich schon. Da nun vorauszusehen ist, daß, wenn er geholfen wird, nur eine kurze Zeit sein wird u. dann dieses Capital auch noch verloren geht.
    Es ist also nothwendig, wenn Julius an Dich schreibt, Du ihm bestimmt schreibst, daß Dir der Inhalt des Testaments bekannt sei, das dasselbe bestätigt und ich nichts für ihn thun kann, auch bist Du ja nicht allein, sondern vor allem Mama so wie auch Elisabeth, Kinder. Du mußt also keine Hoffnung [machen,] sondern mit voller Deutlichkeit es ihm auseinandersetzen.
    NB. Es ist nun wohl sehr schmerzlich, wenn er in einen Conkurs kommen sollte u. was soll hernach aus ihm werden, ich glaube es nicht, denn die

    - Seite 4 -

    von ihm zu fordern haben, würden dann erst recht nichts bekommen. Sollte es aber dennoch so weit kommen, so ist es wohl besser, ihm hernach, wo Not, mit einer kleinen Summe zu helfen. Das Schreiben will nicht mehr, ein Zittern. Bei Euch geht es gottlob gut, wie wir hören u. schließe mit Gruß an Hannchen u. Kinder.
    Dein Vater


    VG
    mawoi

    Kommentar

    • Scherfer
      Moderator
      • 25.02.2016
      • 2511

      #3
      Vielen Dank, mawoi!

      Kommentar

      Lädt...
      X