Merkwürdige Berufsbezeichnung aus der Salzsiederei

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  • viktor
    Erfahrener Benutzer
    • 17.01.2007
    • 1187

    [gelöst] Merkwürdige Berufsbezeichnung aus der Salzsiederei

    Jahr, aus dem der Begriff stammt: 1677
    Region, aus der der Begriff stammt: Salzungen Thüringen


    In der zweiten Hälfte des 17.Jhdt taucht in der Salzsiederstadt Salzungen in Thüringen eine merkwürdige Berufsbezeichnung auf.
    Schon länger bekannt sind mir da Pfänner und Salzgespane , Inhaber des Siederechts und auch Salzknechte und Spritzer ("Sprietzer"), die an den Siedepfannen und an den Gradiervorrichtungen arbeiten.
    Nun taucht so ab 1670 der Begriff "Herrn Sprietzer" auf.
    Das gibt mir Rätsel auf. Der Pfarrer schreibt auch ziemlich sauber, einen Lesefehler schließe ich aus.
    Ob das eventuell etwas mit der neuen Technologie der Gradierwerke zu tun hat, die in Salzungen nach Schwäbisch Hallischem Vorbild nach 1650 in Salzungen errichtet werden? Sozusagen "Oberspritzer"? "Herr der Spritzer"?
    Wer hat eine Idee?
  • Xylander
    Erfahrener Benutzer
    • 30.10.2009
    • 6450

    #2
    Hallo Viktor,
    hättest Du mal einen Textzusammenhang, gern auch einen Scan?
    Viele Grüße
    Xylander

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    • viktor
      Erfahrener Benutzer
      • 17.01.2007
      • 1187

      #3
      Scan geht nicht, ist von Archion.
      Aber ich kann es abschreiben:
      Ist ein ganz normaler Taufeintrag:
      "Sebastian Specht Herrn Sprietzer einen jungen Sohn, Gevatter worden....."
      Es gibt auch weiterhin die ganz normalen "Sprietzer".

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      • Xylander
        Erfahrener Benutzer
        • 30.10.2009
        • 6450

        #4
        Hm, ich finde einfach nichts. Gibt es bei den anderen Berufen auch Zusammensetzungen mit Herren? Oder könnten es schlicht bedeuten Sprietzer in Diensten der Salzherren? Also sowas wie Salzherrschaftlicher Sprietzer? So etwas glaube ich eher als Herr der Sprietzer. Der sollte nämlich eigentllch Sprietzerherr heißen.
        Viele Grüße
        Xylander
        Zuletzt geändert von Xylander; 23.08.2020, 21:26.

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        • Anna Sara Weingart
          Erfahrener Benutzer
          • 23.10.2012
          • 15113

          #5
          Hallo,

          ich versteh eure Ansicht nicht.
          Es ist doch vergleichbar wie bei "Herr Bürgermeister", also ein Herr Sprietzer.

          Das n bei Herrn entstand anscheinend durch den Satzbau, ist also grammatikalisch bedingt; bedeutet demnach nicht "Herren Sprietzer"
          Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 23.08.2020, 21:33.
          Viele Grüße

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          • holsteinforscher
            Erfahrener Benutzer
            • 05.04.2013
            • 2491

            #6
            Moinsen zusammen,
            spritzarbeit, f. arbeit des spritzens, im salzbergbau ein verfahren, wobei gegen die wegzugewinnende gebirgsmasse wasserstrahlen gerichtet werden, die die im wasser löslichen theile derselben auflösen und dadurch das niederfallen der übrigen theile als schlamm veranlassen. Veith bergwb. 456. vgl. spritzwerk.

            aus: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm
            Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
            Roland...


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            • Xylander
              Erfahrener Benutzer
              • 30.10.2009
              • 6450

              #7
              @ASW: Hab ich auch überlegt. Aber für mich ist es eindeutig Berufsbezeichnung. Sonst müsste es heißen: H(errn) Sebastian Specht Sprietzer einen jungen Sohn
              Viele Grüße
              Xylander
              Zuletzt geändert von Xylander; 23.08.2020, 21:40.

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              • viktor
                Erfahrener Benutzer
                • 17.01.2007
                • 1187

                #8
                Spritzer ist eine übliche Berufsbezeichnung in Salzungen, früher haben die Spritzer die Salzsole über Heuhaufen gespritzt, damit durch Verdunstung der Salzgrad erhöht wird.
                Diese Arbeit wurde durch Erfindung der Gradierwerke erheblich erleichtert und verbessert. Ein Gradierwerk bedurfte allerdings einer ausgetüftelten Wasserschöpftechnik. Da hat es dann auch Spezialisten gebraucht.
                Diese Technik wurde aus süddeutschen Salzstädten abgeschaut.

                Die Bezeichnung "Herr" gibt es nicht in den Kirchenbüchern der Zeit, die Schreiber arbeiten durchgängig mit den üblichen Standard-Ehrenkürzeln, die für "Herr", "Ehrwürdiger Herr" oder "Hochlöblich" etc.pp. stehen.

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                • Xylander
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.10.2009
                  • 6450

                  #9
                  Du meinst also sowas wie qualifizierter Spritzer, Meisterspritzer. Das schließe ich nicht aus, würde aber fragen, ob diese Verwendung von Herren- auch bei anderen Berufen gab. Die Herrenmüller zB kommen mir vor wie herrschaftliche Müller.



                  Nachtrag: es gab einen herrschaftlichen/herzoglichen Anteil an der Saline:

                  Nach folgendem Bericht war ein Teil der Saline herrschaftlich:


                  Hypothese: zwar stammt beides aus späterer Epoche, aber die herrschaftlichen Anteilsrechte dürfte es schon früher gegeben haben. Diesem Teil waren die Herrenspritzer zugeordnet.
                  Auch in Stadt Allendorf scheint es solche Unterscheidungen im Personal gegeben zu haben:


                  Viele Grüße
                  Xylander
                  Zuletzt geändert von Xylander; 24.08.2020, 08:54. Grund: Nachtrag: herrschaftlicher Anteil

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                  • viktor
                    Erfahrener Benutzer
                    • 17.01.2007
                    • 1187

                    #10
                    Das kommt meinen Vorstellungen nahe, gute Folgerung.
                    Die Pfänner hatten von Alters her eine Art Monopolstellung und waren sehr wohlhabend. Es war aber klar, dass sich die Sächs-Thür. Fürstenhäuser früher oder später da rein drängten.
                    Man liest nach dem 30-jährigen Krieg kaum noch etwas von den Pfännern. Die mussten sich mit anderen als "Salzgespan" zusammenschließen.
                    Es ist halt etwas anderes Gradierwerke zu betreiben als lediglich große Heuhaufen zu benetzen.
                    Außerdem hatte es erst durch Epidemien und dann durch den 30-jährigen Krieg erhebliche Umwälzungen innerhalb der Bürgerschaft gegeben. Ein erheblicher Anteil der Familien wurde quasi ausgetauscht.
                    Die Kirchenbücher sind ein fantastischer Spiegel der sozial-ökologischen Verhältnisse und zeigen vor allem die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs innerhalb einzelner Familien.
                    Zuletzt geändert von viktor; 24.08.2020, 09:11.

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                    • Xylander
                      Erfahrener Benutzer
                      • 30.10.2009
                      • 6450

                      #11
                      Hab ne Menge geändert während Du schriebst, bitte schau noch mal, ob Du dem etwas abgewinnen kannst
                      Viele Grüße
                      Xylander
                      PS ok, hab Deine Änderungen in #10 gelesen. Dann haben wir uns ja gemeinsam vorgetastet
                      Zuletzt geändert von Xylander; 24.08.2020, 09:18. Grund: PS

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                      • viktor
                        Erfahrener Benutzer
                        • 17.01.2007
                        • 1187

                        #12
                        Es wird zwar die Geschichte von (Bad) Sooden-Allendorf beschrieben. Parallelen dürfte es aber einige geben.
                        Es gibt auch einen Ortsteil Allendorf in Salzungen, mich hatte irritiert, dass von "Stadt Allendorf" die Rede war.
                        Dieses Allendorf hatte vor dem 30-jährigen Krieg 150 Einwohner. Nach dem Krieg lediglich 7.

                        In Salzungen haben sie heute noch ein großes steinernes Wandrelief, das den sozialen Stand der an der Produktionskette des Salzes beteiligten Gruppen deutlich zeigt. Der Pfänner steht an der "Spitze der Nahrungskette".
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                        • viktor
                          Erfahrener Benutzer
                          • 17.01.2007
                          • 1187

                          #13
                          Jetzt zeige ich doch mal ein Beispiel aus dem Kirchenbuch vom Jahre 1686
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                          • Anna Sara Weingart
                            Erfahrener Benutzer
                            • 23.10.2012
                            • 15113

                            #14
                            Hallo, ich würde das "Herrn" nicht auf herrschaftlich (fürstlich etc.) beziehen.

                            Sondern stattdessen ähnlich wie in diesem Zitat:

                            "Vor den bloßen Hilfsknechten zeichneten sich die eigentlichen Sieder durch ihre technische Kunst aus. Aus ihnen gingen die Pfänner (patellarii) als Unternehmer hervor, indem ihnen die Pfannherren in schrittweise günstigeren Zinsverhältnissen das Besieden ihrer Pfannen vertraglich überließen.
                            Mit dem Wandel der wirtschaftlichen Stellung brachte ihnen der Übergang vom Herrenrecht zum Vertragsrecht auch in persönlicher Hinsicht die Befreiung von ererbter Abhängigkeit, beschleunigt wohl dadurch, dass die von auswärts herangezogenen Sülzer z. T. nur vertraglich zu gewinnen waren und ihre demgemäß von vornherein freiere Stellung Rückwirkungen äußerte. In den größeren Salinenorten traten die Pfänner als nunmehrige Herren der Erzeugung in den Stand der Bürger ein. Nach Ansiedlung von immer mehr Kaufleuten an den Salzorten gingen die aufstrebenden Pfänner in einer bürgerlichen Gesamtgemeinde auf."

                            Als Salzsieder oder auch Sülzer bezeichnet man die in Salinen beschäftigten Salzarbeiter (salinarii). Die Betreiber eines Salzsiedebetriebes hießen Pfänner, nach der Siedepfanne. Die ursprüngliche Stellung der beim Salzbrunnen, im Siedebetrieb, bei der Salzfertigung und den Holzarbeiten beschäftigten Salinenarbeiter bestimmte im Allgemeinen das Herrenrecht. Sie zählten zu den dienstpflichtigen Tagewerkern, wenn auch in besonderer Stellung, so dass sie gelegentlich auch von den sonstigen Arbeiter
                            Viele Grüße

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                            • viktor
                              Erfahrener Benutzer
                              • 17.01.2007
                              • 1187

                              #15
                              Anna Sara,
                              das betrifft die Entwicklung im Mittelalter. Wir sind aber viel weiter. Die Pfänner in Salzungen hatten da schon seit Jahrhunderten besondere Rechte und waren die wirtschaftliche Elite.

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