Lokale Verbereitung von Namen

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  • Friedrich
    Moderator
    • 02.12.2007
    • 11326

    Lokale Verbereitung von Namen

    Moin zusammen,

    Nachdem ich mich hier schon einmal über lokale Ausprägungen diverser Vornamen ausgelassen habe, hier sozusagen das Gegenstück:

    Wenn es lokale Namensformen gibt, stellt sich automatisch auch die Frage, ob nicht bestimmte Namen unabhängig von der lokalen Schreibweise typisch für eine bestimmte Region sind. Ich könnte mir z.B. vorstellen, daß eine Kreszentia, nur um mal einen Namen herauszugreifen, wohl eher in Süd-, als in Norddeutschland anzutreffen ist, und damit vielleicht beim Auftauchen solcher für bestimmte Gegenden untypischen Namen Rückschlüsse auf die Herkunft der jeweiligen Person gemacht werden können.

    Konkret zu meiner Genealogie und meinem Vornamen: Wenn ich den unter meinen Vorfahren suche, kann ich mir beispielsweise die Wittgensteiner Vorfahren fast ersparen. Wer bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Friedrich mit Vornamen hieß, war vor allem in der Nordhälfte des Landes (dem Gebiet um Bad Berleburg) ein regelrechter Exot. Anders in Waldeck, wo ein anderer Teil meiner Ahnen herkommt. Hier war mein Vorname gang und gäbe.

    Ich denke, daß Namensgebung oftmals auch eine gewisse politische Dimension hatte: Z.B. in Waldeck finden sich häufig Namen in meiner Genealogie, die auch innerhalb der regierenden Dynastie auftauchten. In Waldeck war das ganz typisch der sonst nur extrem seltene Vorname Wolrad, den auch einige Grafen des Ländchens trugen. Ein Wolrad außerhalb Waldecks deutete fast immer auf Waldecker Vorfahren hin. Ähnlich und ebenfalls dynastisch-waldeckisch bedingt: Josias, Volkwin, Wittekind (so heißt übrigens der heutige Chef des Hauses Waldeck-Pyrmont).

    Kennt Ihr ähnliche Fälle von für bestimmte Gegenden typischen Namen (nicht Namensformen), die in anderen Regionen eher exotisch waren? Findet Ihr in bestimmten Regionen das Phänomen, daß die Dynastie sozusagen die Vornamen im Land beeinflußte?

    Schildert doch mal Eure Erfahrungen!

    Friedrich
    "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
    (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)
  • karin-oö
    Erfahrener Benutzer
    • 01.04.2009
    • 2633

    #2
    Hallo,

    Ich habe mir mal die Mühe bzw. den Spaß gemacht, alle Taufen (knapp 1300) in unseren Kirchenbüchern von 1785 bis 1850 nach Namen auszuwerten, und bin dabei zu folgendem interessanten Ergebnis gekommen:

    Die 665 getauften Mädchen bekamen folgende Namen:

    136 Anna Maria
    78 Maria
    77 Theresia
    76 Anna
    56 Franziska
    45 Katharina
    34 Magdalena
    32 Elisabeth
    15 Juliana
    12 Gertraud, Johanna
    9 Barbara, Maria Anna
    7 Apolonia
    6 Cäcilia, Rosalia, Ursula
    5 Agnes, Helena, Viktoria,
    4 Josepha
    3 Crescentia
    2 Amalia, Emerentiana, Euphrosina, Genovefa, Maria Barbara, Regina, Rosina, Sophia
    1 Aloisia, Anna Catharina, Anna Theresia, Klara, Maria Catharina, Maria Regina, Marianna, Monica, Ottilia, Susanna, Veronika

    Das heißt, fast ein Drittel der Frauen mussten mit den Namen Maria und Anna bzw. den Kombinationen daraus auskommen. Da war es nicht verwunderlich, dass es für diese Namen beinahe unzählige Abwandlungen und „Koseformen“ gab wie z. B. für

    Maria: Marie, Marei, Maral, Marili, Maridi, Maridl, Mizzi, Miaz, Miazl, …
    Anna: Anni, Annerl, Nanni, Nannerl, Nandl, …

    Bei den männlichen Namen war die Streuung etwas breiter, bei 627 Taufen wurden folgende Namen vergeben:

    91 Joseph
    77 Johann
    53 Georg
    40 Franz Xaver
    36 Michael
    32 Franz
    28 Sebastian
    24 Johannes
    21 Peter
    20 Anton, Martin
    17 Mathias
    13 Alois
    12 Kaspar, Leonhard
    11 Ignaz, Jakob, Johann Georg
    7 Leopold, Mathäus
    6 Andreas, Lorenz
    5 Karl, Philipp, Kajetan
    4 Benno, Christoh, Maximilian, Christian
    3 Augustin, Bartholomäus, Johann Michael, Simon, Adam, Nikolaus
    2 Florian, Isidor, Eduard, Heinrich, Pantaleon
    1 Johann Paul, Joseph Leopold, Mathias Laurenz, Wendelin, Wenzeslaus, Willibald, Xaver, Franz Paul, Franz Seraphin, Johannes Paul, Ludwig, Rupert, Valentin, Wolfgang

    Wenn ein normalerweise ungewöhnlicher Name wie Kaspar relativ häufig vorkam, so lag das daran, dass der vermögendste Bauer im Ort diesen Vornamen trug. Er war als Pate für viele Familien im Ort sehr begehrt, und natürlich wurde sein Name an viele Patenkinder weitergegeben.
    Der Vorname eines Kindes richtete sich in erster Linie nach dem der Eltern bzw. Paten.
    Außerdem ist mir aufgefallen, dass auch der Vorname des jeweiligen Pfarrers gerne vergeben wurde.

    Um 1900 sah die Sache dann wieder ganz anders aus, es tauchte eine Vielzahl neuer „Modenamen“ auf und die Auswahl wurde immer größer.
    Nun war es auch in vielen Familien üblich, die selben Vornamen nur jede 2. Generation zu verwenden, also immer von den Großeltern zu übernehmen.
    In meinem Fall hat sich der Name mit jeder Weitergabe "modernisiert": Meine Ur-ur-Großmutter hieß Katharina, meine Großmutter Käthe, und ich bin nun bei Karin gelandet.

    Schöne Grüße
    Karin

    Kommentar

    • Friedrich
      Moderator
      • 02.12.2007
      • 11326

      #3
      Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
      Ich habe mir mal die Mühe bzw. den Spaß gemacht, alle Taufen (knapp 1300) in unseren Kirchenbüchern von 1785 bis 1850 nach Namen auszuwerten
      Moin Karin,

      16,59 - 21,44 Uhr: Und dazu hast Du nur vier Stunden und 45 Minuten gebraucht? Hochachtung!!!!

      Ich weiß, ich kann's Lästern einfach nicht lassen...

      Aber ich stelle fest, daß mein Vorname offensichtlich in Österreich auch nicht sehr bekannt ist. Na, ja, der letzte Habsburgerkaiser mit meinem Namen war ja auch schon eine Weile her: Friedrich III (1415 - 1493).

      Friedrich
      "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
      (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

      Kommentar

      • karin-oö
        Erfahrener Benutzer
        • 01.04.2009
        • 2633

        #4
        Hallo Friedrich,

        die Auswertung habe ich natürlich schon früher gemacht, mit diesem Thema sah ich aber eine Gelegenheit, die Daten unters Volk zu bringen (wobei man uns Ahnenforscher wohl eher nicht zum "gewöhnlichen Volk" zählen kann).

        Den Vornamen Friedrich gab es auch bei uns, allerdings erst nach 1850, somit ist er nicht in meine Auswertung gefallen (nach 1850 lagen mir keine kompletten Taufbücher vor). In den Totenbüchern bis 1890 taucht der Name Friedrich fünf Mal auf.

        Schönen Sonntag,
        Karin

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        • Schlumpf
          Erfahrener Benutzer
          • 20.04.2007
          • 358

          #5
          Hallo

          Nun denn: Ich hab vor einigen Jahren eine Auswertung betreffs der hiesigen Vornamen für Kinder um 1740 gemacht. Dazu hab ich einfach die Vornamen von je 1000 Täuflingen ab 01.01.1740 ausgewertet. Hier die Vornamen des Kurfürstenpaares Carl Theodor und Elisabeth Auguste von Pfalz/ Bayern.
          Der Vorname Karl kam nur bei 3 Kindern vor, die Zusammenstellung: Karl Theodor nur bei einem Kind. Der Name "Philipp" kam übrigens nur 2X vor, Philippina 3 mal.
          Der Vorname Elisabeth Auguste kam nicht vor. Soviel zum Thema Vorfahren mit Bezug zu den Herrschern im 18. Jahrhundert.

          Jede Gemeinde und jede Zeit hatte ihre Modenamen. Bei uns war der Name "Engelbert" recht häufig. Auch "Schwickard" gab es öfters (zumeist in der Nachbarschaft). Gibt es hier öfters "Friedrich", fehlt der Name in der Nachbarpfarrei völlig.
          Während man in den Nachbarpfarreinen öfters den Namen "Magdalena" findet ( 10 mal bei 1000 Taufen) fehlt der bei uns fast ganz. Dafür hießen die Mädels gerne "Richmodis", was in der Nachbarschaft fehlt.

          Andere Ecke, andere Mode:
          Quirin, Dionysius, Servatius oder Hilarius sind Namen aus der Eifel. Dort habe ich auch den absolut seltenen Vornamne "Crispina" um 1860 gelesen.
          Uns ist in alten mæren wunders vil geseit. von helden lobebæren, von grôzer arebeit,. von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,.

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          • roi
            Erfahrener Benutzer
            • 15.11.2006
            • 377

            #6
            Das Münsterland war in Bezug auf Namensgebung sehr konservativ und ich habe oft das Gefühl, dass man im Schnitt mit jeweils einem Dutzend Vornamen für Jungen und Mädchen auskam: Johann, Heinrich, Bernard, Hermann, Wilhelm und Anton waren über einen langen Zeitraum die gebräuchlichsten männlichen Vornamen, dazu noch Franz, Theodor (Dirk), Gerhard. Der Name Josef wurde erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär und auch der Name Friedrich kommt erst von da an häufiger vor. Der Name Peter ist so gut wie gar nicht zu finden, während Everhard oder Alfons schon viel typischer sind.
            Da ich mich ja mit den Standesamtsnachrichten meines Heimatortes beschäftige, habe ich einen ganz guten Überblick über die lokake Namensgebung - allerdings habe ich das noch nicht systematisch ausgewertet.
            Karins Beobachtung der "Modenamen" ab etwa 1900 kann ich bestätigen. Ab dieser Zeit blieben hier zwar die traditionellen Namen weiter gebräuchlich, es kamen aber sehr viele neue Namen dazu, interessanterweise bei den Mädchen mehr als bei den Jungen.
            Sehr unübliche Namen vor 1800 lassen mich vermuten, dass die Familie entweder einen "besonderen" Paten gefunden hatte, oder der Betreffende zugezogen war. So rätsele ich immer noch an der Herkunft meines Seilers "Florenz Schlenker", bei dem beide Namen untypisch für unsere Gegend sind. Da die Mormonen Schlenkers im Süden zeigen, stelle ich mir vor, dass hier ein Wandergeselle im Münsterland "hängengeblieben" ist...

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