Hallo, Forscherinnen und Forscher!
Heute ist Vorlesetag!
Zuerst will ich Euch eine zu Herzen gehende Geschichte erzählen:
In der vom türkischen Kaiser gehaltenen Festung Oczakow am Nordufer des Schwarzen Meers unweit von Odessa wuchs ein kleines Mädchen, Abbas Cachiane Caefe Rhebisch, in Geborgenheit und Wohlstand auf, denn ihr Vater Abbas war dort Richter und Steuereinnehmer. Trotz dieser finanzamtsähnlichen Nebenbeschäfrtigung eignete ihm außerordentliche Milde und Gerechtigkeit, auch wenn innige Zärtlichkeit und Liebe innerhalb der Familie ihr später nicht mehr bewußt waren.
Sie hat ihre leibliche Mutter, da früh verstorben, nie kennengelernt, hing darum sehr an ihrer älteren Schwester und hatte auch zur Stiefmutter, die den Mädchen noch einen kleinen Halbbruder schenkte, ein gutes Verhältnis.
1737 trug sie erstmals den Schleier, was dorten bei Mädchen gemeinhin im 15. Lebensjahr der Fall ist, so daß man auf ihr Geburtsjahr 1722 zurückrechnen kann. 1737 blieb ihr in unauslöschlicher Erinnerung, weil damals das Elend über sie hereinbrach: die große russische Armee unter dem Kommando des aus dem Oldenburgischen stammenden Feldmarschalls Graf von Münnich berannte und erstürmte die Festung, brannte alles nieder und soll unter der Bevölkerung ein fürchterliches Gemetzel veranstaltet haben. In dieser Armee tat auch Prinz Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel Dienst, der sich der beiden Schwestern annahm und sie nach Petersburg schickte. Vater, Stiefmtter und Stiefbruder wurden von einem Grenzfürsten aus der Umgebung ausgebeten, der sich wohl dem milden Steuervollstrecker verpflichtet fühlte...
Über Moskau reisten sie, von da an mit dem Schlitten, nach Petersburg weiter, wo die beiden Schwestern getrennt wurden. Sie konnten sich gleichwohl gegenseitig besuchen, wobei sie sich jedoch innerlich voneinander entfernten, weil die Schwester am musilimischen Glauben festhielt, während unsere Abbas Cachiane mit den christlichen Glaubensregeln der lutherischen Kirche liebäugelte. Da der Prinz beabsichtigte, die junge Türkin seiner Großmutter, der erst kürzlich verwitweten Gemahlin des Herzogs Ludwig Rudolph von Braunschweig-Lüneburg, Christine Louise, als Gesellschafterin zu überlassen, wurde sie in deutscher Sprache unterrichtet und auch auf die christliche Taufe vorbereitet und Anfang 1739 in Petersburg christlich auf den Namen "Anna Charlotte Rhebisch" getauft. Dadurch zog sie sich natürlich Verachtung und Zorn ihrer gefangenen Verwandten, ihrer Schwester und ihres Onkels, des Oberbefehlshabers der Oczakow-Armee("Seraskier"), zu. Das ging bis hin zu Morddrohungen. Doch obwohl sich abzeichnete, daß die türkischen Gefangenen, die ihrem Glauben nicht abschworen, demnächst freigelassen und in die Türkei zurückgeschickt werden sollten, blieb sie dem neuerworbenen Glauben treu, auch wenn der Kontakt zu ihren Verwandten damit endgültig abbrach.
Über Berlin und Braunschweig gelangte sie unter Geleit des Hofmedicus nach Blankenburg im Harz, wo sie in der fürstlichen Sommerresidenz von Herzogin Christine Louise, deren Herz sie sofort gewann, in Empfang genommen wurde.
(Jetzt dürfen wirklich die Taschentücher hervorgeholt werden:)
"Mit mütterlicher Sorge erwog die Herzogin, wie schwer diesem Mädchen, wenn es einmal allein sein würde, das Leben fallen würde, und sie beschloß, Anna Charlotte mit Rücksicht auf deren reine Liebe zum Nächsten und um ihrem zarten Glauben Stütze und Halt zu geben, noch zu ihrer (der Herzogin) Lebzeiten mit einem Geistlichen zu vermählen."
Dies wurde durch Vermittlung des Hofpredigers eingeleitet, der einen jungen, soeben ordinierten Pfarrer des Klosters Michaelstein(Harz), Christian Moritz Grimm aus Hohegeiß(Harz), im Auge hatte. Die jungen Leute zögerten, aus unterschiedlichen Gründen, zunächst, faßten jedoch in ersten Gesprächen Zuneigung und Vertrauen zueinander und die Hochzeit sollte von der Herzogin, die dem jungen Paar künftige Unterstützung versprach, gar prächtig ausgerichtet werden. Doch da ereilte ein weiterer Schicksalsschlag unsere junge Anna Charlotte: die Herzogin erkrankte plötzlich schwer und verstarb unerwartet just am Tag des zweiten Aufgebots des jungen Paares. Auf Druck des Hofes wurde die Hochzeit noch vor den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Fürstin durchgezogen, so daß Anne Charlotte der in einem solchen Fall üblichen Zuwendungen an das Personal verlustig ging. Von künftiger Unterstützung konnte schon garnicht mehr gesprochen werden. Sie heirateten am Freitag vor dem ersten Adventssonntag 1747 und bezogen die zuvor erteilte Pfarre in Zorge, Harz.
Die Eheleute, die einander bald in gegenseitiger Liebe und Vertrauen zugetan waren, lebten fortan in Armut, immer in Sorge um den notwendigen Lebensunterhalt; denn Kirchensteuer gab es damals noch nicht, sondern ein geringes Salär durch den Landesherrn und die Natural-Zuwendungen der Gemeindemitglieder, um deren Seelenheil der Pfarrer kämpfte. So blieb es nicht aus, daß er auch (Sohn eines Fuhrunternehmers) mit Lohnfuhren zuverdienen mußte.
Gleichwohl segnete der Herr die Ehe mit 9 (neun) Kindern, von denen allerdings 5 noch minderjährig oder als Säugling starben.
Anna Charlotte wurde im Oktober 1766 - möglicherweise infolge einer Lungenentzündung - aufs Krankenlager geworfen und "verschied am Abend des 27. Oktobers 1766 ganz ruhig, unter dem Gebet ihres Ehemannes.".
Der Witwer "rühmt, sowohl im Sterbeeintrag im Kirchenbuch von Heimburg", dessen Pfarrei er nach langem Kampf erhalten hatte "wie auch in der 1784 von ihm verfaßten langen Niederschrift für seine Kinder, das liebevolle Wesen Anna Charlottes, ihre große Frömmigkeit, ihre Nächstenliebe und ihr zärtliches Mitleiden mit allen Unglücklichen und von Trübsal Heimgesuchten. Auch in Heimburg selbst, in Zorge und Blankenburg sprach man noch lange von ihren hochgeachteten Tugenden und ihrer Frömigkeit."
So, während Ihr die Taschentücher wieder wegsteckt, berichte ich Euch, daß der Inhalt und die Zitate dieser Erzählung dem Heft 2/3 des Jahrgangs 10 der Oldenburgischen Gesellschaft für Familienkunde entnommen ist: "Pastor Christian Moritz Grimm aus Hohegeiß im Harz (1722-1789) und seine türkische Ehefrau Abbas Cachiane Kaefe Rhebisch - Lebensschicksal und Nachkommen -".
Zu den - zahlreichen - Nachkommen zu zählen habe auch ich die Ehre und diese Schrift zum Anlaß genommen, eine Genealogie aufzustellen.
Nun war über den Verbleib des Abbas (Anne Charlottes Vater) nichts mehr in Erfahrung zu bringen. Im arabischen Raum zu forschen ist auch wirklich schwer - nicht nur, wenn man des Arabischen und seiner Schrift unkundig ist. Die Namensgebung schafft überdies deshalb Probleme, weil es bis zum Atatürk keine Familiennamen gab und vereinzelt auch heute noch nicht gibt. In Anna Charlottes Taufnamen erscheint Rhebisch möglicherweise als Familienname, den aber ihr Vater (Abbas) nicht trug. Und in der Türkei zu forschen erscheint mit unmöglich, obwohl der Abbas doch zu den Honoratioren gehörte...
Um auf den Punkt zu kommen: Wer kann mir weiterhelfen? Ich wage diesen Aufruf, weil ich an vielen Beiträgen in diesem Forum die systematische Professionalität vieler Mitglieder sehen kann. Wer hört mein Rufen?
In erwartungsvoller Vorfreude
Freimut
und danke, daß Ihr mir zugehört habt.
Heute ist Vorlesetag!
Zuerst will ich Euch eine zu Herzen gehende Geschichte erzählen:
In der vom türkischen Kaiser gehaltenen Festung Oczakow am Nordufer des Schwarzen Meers unweit von Odessa wuchs ein kleines Mädchen, Abbas Cachiane Caefe Rhebisch, in Geborgenheit und Wohlstand auf, denn ihr Vater Abbas war dort Richter und Steuereinnehmer. Trotz dieser finanzamtsähnlichen Nebenbeschäfrtigung eignete ihm außerordentliche Milde und Gerechtigkeit, auch wenn innige Zärtlichkeit und Liebe innerhalb der Familie ihr später nicht mehr bewußt waren.
Sie hat ihre leibliche Mutter, da früh verstorben, nie kennengelernt, hing darum sehr an ihrer älteren Schwester und hatte auch zur Stiefmutter, die den Mädchen noch einen kleinen Halbbruder schenkte, ein gutes Verhältnis.
1737 trug sie erstmals den Schleier, was dorten bei Mädchen gemeinhin im 15. Lebensjahr der Fall ist, so daß man auf ihr Geburtsjahr 1722 zurückrechnen kann. 1737 blieb ihr in unauslöschlicher Erinnerung, weil damals das Elend über sie hereinbrach: die große russische Armee unter dem Kommando des aus dem Oldenburgischen stammenden Feldmarschalls Graf von Münnich berannte und erstürmte die Festung, brannte alles nieder und soll unter der Bevölkerung ein fürchterliches Gemetzel veranstaltet haben. In dieser Armee tat auch Prinz Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel Dienst, der sich der beiden Schwestern annahm und sie nach Petersburg schickte. Vater, Stiefmtter und Stiefbruder wurden von einem Grenzfürsten aus der Umgebung ausgebeten, der sich wohl dem milden Steuervollstrecker verpflichtet fühlte...
Über Moskau reisten sie, von da an mit dem Schlitten, nach Petersburg weiter, wo die beiden Schwestern getrennt wurden. Sie konnten sich gleichwohl gegenseitig besuchen, wobei sie sich jedoch innerlich voneinander entfernten, weil die Schwester am musilimischen Glauben festhielt, während unsere Abbas Cachiane mit den christlichen Glaubensregeln der lutherischen Kirche liebäugelte. Da der Prinz beabsichtigte, die junge Türkin seiner Großmutter, der erst kürzlich verwitweten Gemahlin des Herzogs Ludwig Rudolph von Braunschweig-Lüneburg, Christine Louise, als Gesellschafterin zu überlassen, wurde sie in deutscher Sprache unterrichtet und auch auf die christliche Taufe vorbereitet und Anfang 1739 in Petersburg christlich auf den Namen "Anna Charlotte Rhebisch" getauft. Dadurch zog sie sich natürlich Verachtung und Zorn ihrer gefangenen Verwandten, ihrer Schwester und ihres Onkels, des Oberbefehlshabers der Oczakow-Armee("Seraskier"), zu. Das ging bis hin zu Morddrohungen. Doch obwohl sich abzeichnete, daß die türkischen Gefangenen, die ihrem Glauben nicht abschworen, demnächst freigelassen und in die Türkei zurückgeschickt werden sollten, blieb sie dem neuerworbenen Glauben treu, auch wenn der Kontakt zu ihren Verwandten damit endgültig abbrach.
Über Berlin und Braunschweig gelangte sie unter Geleit des Hofmedicus nach Blankenburg im Harz, wo sie in der fürstlichen Sommerresidenz von Herzogin Christine Louise, deren Herz sie sofort gewann, in Empfang genommen wurde.
(Jetzt dürfen wirklich die Taschentücher hervorgeholt werden:)
"Mit mütterlicher Sorge erwog die Herzogin, wie schwer diesem Mädchen, wenn es einmal allein sein würde, das Leben fallen würde, und sie beschloß, Anna Charlotte mit Rücksicht auf deren reine Liebe zum Nächsten und um ihrem zarten Glauben Stütze und Halt zu geben, noch zu ihrer (der Herzogin) Lebzeiten mit einem Geistlichen zu vermählen."
Dies wurde durch Vermittlung des Hofpredigers eingeleitet, der einen jungen, soeben ordinierten Pfarrer des Klosters Michaelstein(Harz), Christian Moritz Grimm aus Hohegeiß(Harz), im Auge hatte. Die jungen Leute zögerten, aus unterschiedlichen Gründen, zunächst, faßten jedoch in ersten Gesprächen Zuneigung und Vertrauen zueinander und die Hochzeit sollte von der Herzogin, die dem jungen Paar künftige Unterstützung versprach, gar prächtig ausgerichtet werden. Doch da ereilte ein weiterer Schicksalsschlag unsere junge Anna Charlotte: die Herzogin erkrankte plötzlich schwer und verstarb unerwartet just am Tag des zweiten Aufgebots des jungen Paares. Auf Druck des Hofes wurde die Hochzeit noch vor den Beisetzungsfeierlichkeiten für die Fürstin durchgezogen, so daß Anne Charlotte der in einem solchen Fall üblichen Zuwendungen an das Personal verlustig ging. Von künftiger Unterstützung konnte schon garnicht mehr gesprochen werden. Sie heirateten am Freitag vor dem ersten Adventssonntag 1747 und bezogen die zuvor erteilte Pfarre in Zorge, Harz.
Die Eheleute, die einander bald in gegenseitiger Liebe und Vertrauen zugetan waren, lebten fortan in Armut, immer in Sorge um den notwendigen Lebensunterhalt; denn Kirchensteuer gab es damals noch nicht, sondern ein geringes Salär durch den Landesherrn und die Natural-Zuwendungen der Gemeindemitglieder, um deren Seelenheil der Pfarrer kämpfte. So blieb es nicht aus, daß er auch (Sohn eines Fuhrunternehmers) mit Lohnfuhren zuverdienen mußte.
Gleichwohl segnete der Herr die Ehe mit 9 (neun) Kindern, von denen allerdings 5 noch minderjährig oder als Säugling starben.
Anna Charlotte wurde im Oktober 1766 - möglicherweise infolge einer Lungenentzündung - aufs Krankenlager geworfen und "verschied am Abend des 27. Oktobers 1766 ganz ruhig, unter dem Gebet ihres Ehemannes.".
Der Witwer "rühmt, sowohl im Sterbeeintrag im Kirchenbuch von Heimburg", dessen Pfarrei er nach langem Kampf erhalten hatte "wie auch in der 1784 von ihm verfaßten langen Niederschrift für seine Kinder, das liebevolle Wesen Anna Charlottes, ihre große Frömmigkeit, ihre Nächstenliebe und ihr zärtliches Mitleiden mit allen Unglücklichen und von Trübsal Heimgesuchten. Auch in Heimburg selbst, in Zorge und Blankenburg sprach man noch lange von ihren hochgeachteten Tugenden und ihrer Frömigkeit."
So, während Ihr die Taschentücher wieder wegsteckt, berichte ich Euch, daß der Inhalt und die Zitate dieser Erzählung dem Heft 2/3 des Jahrgangs 10 der Oldenburgischen Gesellschaft für Familienkunde entnommen ist: "Pastor Christian Moritz Grimm aus Hohegeiß im Harz (1722-1789) und seine türkische Ehefrau Abbas Cachiane Kaefe Rhebisch - Lebensschicksal und Nachkommen -".
Zu den - zahlreichen - Nachkommen zu zählen habe auch ich die Ehre und diese Schrift zum Anlaß genommen, eine Genealogie aufzustellen.
Nun war über den Verbleib des Abbas (Anne Charlottes Vater) nichts mehr in Erfahrung zu bringen. Im arabischen Raum zu forschen ist auch wirklich schwer - nicht nur, wenn man des Arabischen und seiner Schrift unkundig ist. Die Namensgebung schafft überdies deshalb Probleme, weil es bis zum Atatürk keine Familiennamen gab und vereinzelt auch heute noch nicht gibt. In Anna Charlottes Taufnamen erscheint Rhebisch möglicherweise als Familienname, den aber ihr Vater (Abbas) nicht trug. Und in der Türkei zu forschen erscheint mit unmöglich, obwohl der Abbas doch zu den Honoratioren gehörte...
Um auf den Punkt zu kommen: Wer kann mir weiterhelfen? Ich wage diesen Aufruf, weil ich an vielen Beiträgen in diesem Forum die systematische Professionalität vieler Mitglieder sehen kann. Wer hört mein Rufen?
In erwartungsvoller Vorfreude
Freimut
und danke, daß Ihr mir zugehört habt.
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