Mein Vorfahr Detlef Grave (Grafe) verstarb im Jahre 1729 in Techelsdorf.
Techelsdorf liegt etwa 10km südlich von Kiel am Oberlauf der Eider. 1350 gab Marquard Schönbeck die Hälfte des Dorfes einschließlich der halben Mühle an das Kloster Itzehoe als Aussteuer für seine Schwester Wiburgis, die als Nonne in das Kloster eintrat. 1352 verkaufte Ivan Reventlow die zweite Hälfte des Dorfes an das Kloster.
So weit, so ..... ??? (aber das ist ein anderes Thema....)
Techelsdorf bestand aus 6 Vollhufen. Eine davon, die 4. Vollhufe wurde von meinem o.g. Vorfahr ab 1721 als Kätner bewirtschaftet.
Die Witwe Anna Dorothea (Ann Dorthe) geb. Brandt, und jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, schrieb (mit fremder Hilfe) am 19. Jan. 1731 einen Bitt- und Bettelbrief an das Kloster Itzehoe, welcher nur so von Unterwürfigkeit trieft; vielleicht habt Ihr ja im Rahmen Eurer Forschung ähnliches gefunden.
Hier der Text:
Eure Excell. werden sich gnäd[igst] errinnern, wie ich verwichenen [Sommer] mit mehrern
meine Noth und E[lende] wehmüthigst vorgestellt, daß [wir] nehmlich vor 9 Jahren erst die
alhi[er] in Techelßdorff sehr ruinirte Hu[fe] welche mit vielen Schulden behafftet] von
Gnädigster Hohen Herrschafft [an-] genommen, und ob wir unß zw[ar] alles Ernstes
bemühet, solche wi[eder] in einen tüchtigen Stand zu bringen, so hat doch solches in so
kurtzer Zeit
und andern vorgefallenen wiedrigen Zufällen, auch daß der liebe Gott noch vor 1 1/2 Jahren
meinen Mann durch den zeitl. Tod hinweg genommen, nicht geschehen können, auch ist
bey diesen sehr wohlfeilen Zeiten gar wenig vom Gelde bey einer Huffe auff zu bringen, daß
ich allso mich biß dato der Schulden nicht erwehren können. Gelanget dahero nochmahlen
an Eur. Excell. mein allerunterthänigstes und wehmüthigstes Bitten und Flehen, mein
Elende und schlechten Zustand zu behertzigen, und aus gnädigster Mitleyden, wie Eur.
Exell. schon im Sommer mit 12 Rthlr zu thun gnädigst resolveret, einen Erlaß wiederfahren
und genießen zu laßen. Auch weilen ich noch letztens mit 20 rthlr Holtzbrüchen angesetzet,
für das wenige Holtz, so ich nothdingende zu Beßerung deß Hauses
etwa gehauen, gleichfalß einige moderation zu machen gnädigst geruhen mögen. Ich
getröste mich gnädigster Erhörung, die ich nächst Empfehlung Göttl. Obhut allstets beharre.
Eure Excellence
Meines höchstgebietende[n] Herrn Conference Rath und Closter Verbitt[er]
Unterthänigst gehorsambst Dienerin Anna Dorothea Gravin
Techelsdorf, den 19ten Jan. Anno 1731
Nothdringendes Momoriat und Bitte zu Sr. Excellence
Sr. Königl. Meyt. zu Dennem. Norrw. und Conference und Land-Rath, wie auch Gouverneur und Ambtmann zu Suder Dittmarschen und zu Steinburg, Administrator der Graffschafft Rantzau, Ritter p. p. wie auch Verbitter deß Adl. Closter Itzehoe, Herrn Herrn Blome, Kiel
Soweit der von meinem Familienforscher im LAS Schleswig aufgefundene Brief mit entsprechender Übersetzung bzw. Entzifferung.
Sohn Hans(ß) Graff (jedes mal eine andere Schreibweise des Nachnamens) übernimmt die Hufe von seiner Mutter 1733 (Bewirtschaftung) bzw. 1742 endgültig durch Vertrag.
1734/1735 brennt die Hufe ab. Hans schreibt einen entsprechenden Bittbrief an das Kloster Itzehoe. Auch hier kommen diverse Male die Begriffe „Hoch Wohlgeboren“, „gnädigst“, „untertänigst“, „in tiefer Demut“ u.s.w. vor.
1736/1737 weitere Schreiben aufgrund Verluste, Schulden und Bitten um Holz (sic!)
Am 25.11.1738 erfolgt ein längeres Schreiben mit der Bitte um Aufhebung einer möglichen Exekution des Grundstücks für kurze Zeit. (Heutzutage: Bitte um Verschiebung der Zwangsversteigerung)
Hier ist die Not besonders greifbar wenn er u.a. schreibt:
3tio Ich bey der 12 Wochen elend am Fieber kranck gewesen, und noch keine Beßerung
spühre, meine Frau ebenfals am Fieber danieder liegt, daß wir unsere 3 kleine Kinder von anderen müßen warten laßen, mithin itzo bey unserem kräncklichen Zustand selbst keine Contribution machen können, die Haußhaltung derowegen sehr leydet.
Als ergehet an Ew. Hochwürdigen Gnaden meine untertänigste flehentlichste Bitte, Sich über unß zuerbarmen, und woferne es immer möglich in die Wege zurichten, und
Vorsprache bey dem H. Closter=Schreiber zu thun, daß Er entweder das Geld möge
annehmen auf vorgeschlagenen Fuß, oder bis zu des H. Geheimen Rahts und Verbitters Ankunft, so nicht lange ausstehen kann die Execution aufheben möge. Gott wird dieses Werck der Barmhertzigkeit reichlich belohnen. Als der ich in tüffster Respect ersterbe.
Euer Hochwürdigen Gnaden untertänigster Knecht
Hans Grave aus Techelstorff
Techelstorff d. 25sten Nov. 1738
Hans war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt, seine Frau ca. 28.
Die Ahnenforschung, also das Forschen nach Namen und Daten ist das eine, die gefundenen Personen in den Kontext der Zeitgeschichte zu setzen, eine andere.
Beim Verfertigen der Chronik, die nunmehr fertig gestellt ist, gedruckt und gebunden, war insbesondere das gefundene „Begleitmaterial“ eine wertvolle Hilfe und Ergänzung.
Beim Lesen dieser Zeitdokumente stellten sich mir dann auch grundsätzliche Fragen, zumal wir im LAS auch Dokumente zum Hufenbesitz in Böhnhusen (ab 1530/1535) und zu den Verlusten aufgrund des 30jährigen Krieges mit all seiner Not gefunden haben.
Wie kam z.B. der Adel in den Besitz ganzer Dörfer, wie profitierten die Klöster davon (bis heute?), welchen Einfluss hatte die Landbevölkerung u.s.w. Natürlich kenne ich durch die Geschichtsforschung viele Antworten, es bleibt, und das war meine Motivation, hier davon zu berichten, auch heute noch (!) ein ziemlich schaler Geschmack, um mich mal zurückhaltend auszudrücken.
Techelsdorf liegt etwa 10km südlich von Kiel am Oberlauf der Eider. 1350 gab Marquard Schönbeck die Hälfte des Dorfes einschließlich der halben Mühle an das Kloster Itzehoe als Aussteuer für seine Schwester Wiburgis, die als Nonne in das Kloster eintrat. 1352 verkaufte Ivan Reventlow die zweite Hälfte des Dorfes an das Kloster.
So weit, so ..... ??? (aber das ist ein anderes Thema....)
Techelsdorf bestand aus 6 Vollhufen. Eine davon, die 4. Vollhufe wurde von meinem o.g. Vorfahr ab 1721 als Kätner bewirtschaftet.
Die Witwe Anna Dorothea (Ann Dorthe) geb. Brandt, und jetzt komme ich zum eigentlichen Thema, schrieb (mit fremder Hilfe) am 19. Jan. 1731 einen Bitt- und Bettelbrief an das Kloster Itzehoe, welcher nur so von Unterwürfigkeit trieft; vielleicht habt Ihr ja im Rahmen Eurer Forschung ähnliches gefunden.
Hier der Text:
Hoch und Wohlgebohrner Herr,
Höchstgebietender Herr Conference Rath
und Closter Verbitter,
meine Noth und E[lende] wehmüthigst vorgestellt, daß [wir] nehmlich vor 9 Jahren erst die
alhi[er] in Techelßdorff sehr ruinirte Hu[fe] welche mit vielen Schulden behafftet] von
Gnädigster Hohen Herrschafft [an-] genommen, und ob wir unß zw[ar] alles Ernstes
bemühet, solche wi[eder] in einen tüchtigen Stand zu bringen, so hat doch solches in so
kurtzer Zeit
und andern vorgefallenen wiedrigen Zufällen, auch daß der liebe Gott noch vor 1 1/2 Jahren
meinen Mann durch den zeitl. Tod hinweg genommen, nicht geschehen können, auch ist
bey diesen sehr wohlfeilen Zeiten gar wenig vom Gelde bey einer Huffe auff zu bringen, daß
ich allso mich biß dato der Schulden nicht erwehren können. Gelanget dahero nochmahlen
an Eur. Excell. mein allerunterthänigstes und wehmüthigstes Bitten und Flehen, mein
Elende und schlechten Zustand zu behertzigen, und aus gnädigster Mitleyden, wie Eur.
Exell. schon im Sommer mit 12 Rthlr zu thun gnädigst resolveret, einen Erlaß wiederfahren
und genießen zu laßen. Auch weilen ich noch letztens mit 20 rthlr Holtzbrüchen angesetzet,
für das wenige Holtz, so ich nothdingende zu Beßerung deß Hauses
etwa gehauen, gleichfalß einige moderation zu machen gnädigst geruhen mögen. Ich
getröste mich gnädigster Erhörung, die ich nächst Empfehlung Göttl. Obhut allstets beharre.
Eure Excellence
Meines höchstgebietende[n] Herrn Conference Rath und Closter Verbitt[er]
Unterthänigst gehorsambst Dienerin Anna Dorothea Gravin
Techelsdorf, den 19ten Jan. Anno 1731
Nothdringendes Momoriat und Bitte zu Sr. Excellence
Sr. Königl. Meyt. zu Dennem. Norrw. und Conference und Land-Rath, wie auch Gouverneur und Ambtmann zu Suder Dittmarschen und zu Steinburg, Administrator der Graffschafft Rantzau, Ritter p. p. wie auch Verbitter deß Adl. Closter Itzehoe, Herrn Herrn Blome, Kiel
Soweit der von meinem Familienforscher im LAS Schleswig aufgefundene Brief mit entsprechender Übersetzung bzw. Entzifferung.
Sohn Hans(ß) Graff (jedes mal eine andere Schreibweise des Nachnamens) übernimmt die Hufe von seiner Mutter 1733 (Bewirtschaftung) bzw. 1742 endgültig durch Vertrag.
1734/1735 brennt die Hufe ab. Hans schreibt einen entsprechenden Bittbrief an das Kloster Itzehoe. Auch hier kommen diverse Male die Begriffe „Hoch Wohlgeboren“, „gnädigst“, „untertänigst“, „in tiefer Demut“ u.s.w. vor.
1736/1737 weitere Schreiben aufgrund Verluste, Schulden und Bitten um Holz (sic!)
Am 25.11.1738 erfolgt ein längeres Schreiben mit der Bitte um Aufhebung einer möglichen Exekution des Grundstücks für kurze Zeit. (Heutzutage: Bitte um Verschiebung der Zwangsversteigerung)
Hier ist die Not besonders greifbar wenn er u.a. schreibt:
3tio Ich bey der 12 Wochen elend am Fieber kranck gewesen, und noch keine Beßerung
spühre, meine Frau ebenfals am Fieber danieder liegt, daß wir unsere 3 kleine Kinder von anderen müßen warten laßen, mithin itzo bey unserem kräncklichen Zustand selbst keine Contribution machen können, die Haußhaltung derowegen sehr leydet.
Als ergehet an Ew. Hochwürdigen Gnaden meine untertänigste flehentlichste Bitte, Sich über unß zuerbarmen, und woferne es immer möglich in die Wege zurichten, und
Vorsprache bey dem H. Closter=Schreiber zu thun, daß Er entweder das Geld möge
annehmen auf vorgeschlagenen Fuß, oder bis zu des H. Geheimen Rahts und Verbitters Ankunft, so nicht lange ausstehen kann die Execution aufheben möge. Gott wird dieses Werck der Barmhertzigkeit reichlich belohnen. Als der ich in tüffster Respect ersterbe.
Euer Hochwürdigen Gnaden untertänigster Knecht
Hans Grave aus Techelstorff
Techelstorff d. 25sten Nov. 1738
Hans war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt, seine Frau ca. 28.
Die Ahnenforschung, also das Forschen nach Namen und Daten ist das eine, die gefundenen Personen in den Kontext der Zeitgeschichte zu setzen, eine andere.
Beim Verfertigen der Chronik, die nunmehr fertig gestellt ist, gedruckt und gebunden, war insbesondere das gefundene „Begleitmaterial“ eine wertvolle Hilfe und Ergänzung.
Beim Lesen dieser Zeitdokumente stellten sich mir dann auch grundsätzliche Fragen, zumal wir im LAS auch Dokumente zum Hufenbesitz in Böhnhusen (ab 1530/1535) und zu den Verlusten aufgrund des 30jährigen Krieges mit all seiner Not gefunden haben.
Wie kam z.B. der Adel in den Besitz ganzer Dörfer, wie profitierten die Klöster davon (bis heute?), welchen Einfluss hatte die Landbevölkerung u.s.w. Natürlich kenne ich durch die Geschichtsforschung viele Antworten, es bleibt, und das war meine Motivation, hier davon zu berichten, auch heute noch (!) ein ziemlich schaler Geschmack, um mich mal zurückhaltend auszudrücken.
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