Kann man immer vom Kaufpreis für ein Anwesen auf dessen wirklichen Wert schließen?

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  • Jettchen
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2011
    • 1748

    Kann man immer vom Kaufpreis für ein Anwesen auf dessen wirklichen Wert schließen?

    Hallo in die Runde!

    Vielleicht verstehen Viele meine Frage nicht, die mir auch erst heute in den Sinn gekommen ist.
    Wenn ein Fremder ein Anwesen kauft, ist das sicherlich eindeutig.

    Aber wie ist es, wenn ein Kind das Haus übernimmt?
    Laut Unterlagen im Frankenwald/Thüringen und dem Häuserbuch von Eschenbach/Oberpfalz heißt es immer, dass das Kind, das das Haus behält, dieses kauft – und die Kaufsumme wird genannt.

    In Franken erben ja alle Kinder gleich viel.
    Ich interpretiere deshalb diesen „Kauf“ so, dass der Übernehmer des Anwesens die Geschwister ausbezahlt, d.h. der Kaufpreis wird unter den Geschwistern geteilt.

    Da aber auch das Kind, das das Haus behält, ein Erbe ist, also ebenso viel erhält wie die Geschwister, ergibt sich für mich eine unterschiedliche Wertberechnung des Hauses, je nachdem wie viele Kinder erbberechtigt sind.

    Ein Beispiel:
    Ein Haus wird in der Zeit um 1700 für 500fl von einem Sohn gekauft.
    Hätte er nur einen Bruder/eine Schwester, wäre der Wert des Hauses 1000fl.
    (Jeder erbt 500fl)
    Hätte er 5 Geschwister, dann wäre der Wert des Hauses nur 600fl.
    (Jeder erbt 100fl)

    Liege ich mit dieser Überlegung richtig?

    Bestimmt bin ich mit dieser Anfrage etwas spitzfindig. Aber die Überlegung geht mir einfach nicht aus dem Kopf.

    Einen guten Abend wüscht euch
    Jettchen

  • Gastonian
    Moderator
    • 20.09.2021
    • 5346

    #2
    Hallo Jettchen:

    So wie Du es berechnest, ist die "Kaufsumme" lediglich das, was an die anderen Geschwister/Erben ausbezahlt wird.

    Aber was, wenn die "Kaufsumme" der tatsächliche Wert ist, und daher nicht die Zahlung an die anderen Erben, sondern an die Erbengemeinschaft (zu dem ja auch der Käufer selber gehört)? Mit einem Geschwister zahlt der Kaufer 500fl. an die Erbengemeinschaft und erhält dann 250fl zurück, er zahlt also netto 250 fl. an den anderen Erben; mit 5 Geschwistern zahlt er 500fl. an die Erbengemeinschaft und erhält 83,33fl. (1/6 von 500) zurück, muß also ein Netto von 416,67fl. auszahlen. So habe ich es zumindest in den Erbschaftsprotokollen in Norwegen gesehen, wo die Abrechnungen ausführlich verzeichnet werden - die "Kaufsumme" ist nicht eine Barzahlung, sondern wirkt, um die Erbteile richtig zusammenzurechnen.

    VG

    --Carl-Henry
    Wohnort USA

    Kommentar

    • gki
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2012
      • 5069

      #3
      Hallo Jettchen,

      redest Du von einem tatsächlichen Kauf, oder geht es um eine Übernahme? Aus den diversen Protokollen geht das mE nie klar hervor, Kauf wird alles genannt. Es dürfte sich meistens um die Übernahme der Pacht(!) handeln, da den meisten Bauern der Hof ja nicht im heutigen Sinne gehörte.

      Nach den eher sporadischen Daten die ich dazu habe, wurde der Hof dazu von zwei Schätzleuten geschätzt. Dazu habe ich zu einem(!) meiner Ahnen eine detaillierte Liste. Das ging runter bis zu den Holz-Löffeln in der Küche... Ich erinnere mich noch, daß er 12 Eimer mit Essig besaß...

      Die Schätzung dürfte aber auch dazu gedient haben, die neue Pacht bzw. die Leibrechtsgebühren festzulegen.

      Der Wert eines Hofes dürfte zu einem wesentlichen Teil aus dem Wert des Viehs bestanden haben, das dem Bauern ja wirklich gehörte.

      Grundsätzlich stimme ich aber Deiner Einschätzung zu.
      Gruß
      gki

      Kommentar

      • Jettchen
        Erfahrener Benutzer
        • 16.10.2011
        • 1748

        #4
        Vielen Dank für eure Antworten, die mir gehofen haben!
        Die Kaufsumme entsprach demnach schon dem berechneten Wert.

        Im Frankenwald/Thüringen waren es meistens Höfe, da kam natürlich noch zum Hof viel dazu.
        In der Oberpfalz waren es aber Handwerkeranwesen.
        Und es stimmt, da hatte ich mich gewundert, dass bei einer Übernahme die Kaufsumme an die Vormünder gezahlt wurde. Die werden dann das Geld an alle Erben, auch an den späteren Hausbesitzer, ausbezahlt haben.
        Die Summe wird vermutlich so nur auf dem Papier gestanden haben. Zumindest der Erbteil des Käufers musste nicht bar hinterlegt werden, denke ich.
        Ich hatte auch Erbfälle, wo das auszuzahlende Erbe erst in der folgenden Generation getilgt wurde.

        Zur Frage: Pacht oder Kauf
        Das ist ein interessanter Punkt!
        Zumindest in der Stadt Eschenbach i.d.Oberpfalz denke ich, dass die Handwerker die Besitzer waren. Ich will in der nächsten Zeit sowieso noch versuchen , Kontakt zu Heimatforschern aufzunehmen. Da muss ich auch dies nachfragen.

        Viele Grüße
        Jettchen

        Kommentar

        • gki
          Erfahrener Benutzer
          • 18.01.2012
          • 5069

          #5
          Wenn eine oder mehrere der erbenden Parteien noch minderjährig waren, kenne ich das wie folgt:

          - das Geld blieb "still liegen" (es gab also keine Zinsen), solange die Kinder noch auf dem Hof versorgt wurden.

          - erreichten sie ein Alter in dem sie "ihr Stückhel Brot" selber verdienen konnten (12 Jahre!), gab es Zinsen und das Erbe, wenn es der Hoferbe nicht benötigte und es aufbringen konnte(!) an die Vormünder übergeben, die dann versuchten, es gegen den üblichen Zinssatz von 5% (kein Zinseszins!) zu verleihen.

          - Bis zu einem Hochzeitsalter von 22 (10 jahre) wurden also ggf aus 100 Gulden 150.

          - gewöhnlich bekamen die Kinder zur Hochzeit je nach Leistungsfähigkeit des Hofes noch eine Kuh, eine gesperrte Truhe und ein Bett oder ggf dafür eine Barzahlung.

          - heirateten die Kinder nicht, kam es oft vor, daß bei ihrem Tod die Ansprüche an den Hofbesitzer an die Geschwister oder deren Erben ausgeschüttet wurden.

          - in Niederbayern bekam gewöhnlich der jüngste Sohn den Hof. Wenn das nicht möglich war, da er zu jung war, bekam er gelegentlich noch eine Sonderzahlung für den Hofbesitz.
          Gruß
          gki

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          • Jettchen
            Erfahrener Benutzer
            • 16.10.2011
            • 1748

            #6
            Danke, gki!
            Ich komme erst jetzt wieder dazu, mich mit den Ahnen zu befassen, deshalb meine späte Antwort.
            Da gibt es für mich viel zum Nachdenken und Überprüfen!!
            Auch im Frankenwald erbten die Jüngsten. Da man bei jeder Hofübergabe an den Lehnsherrn zahlen musste, wäre dies etwa 4 Mal in 100 Jahren, wenn der Älteste Sohn das Anwesen erhalten hätte. Beim Jüngsten fiel so etwa nur ca. 3 mal an. Die Alten mussten in den armen Gebieten sehr aufs Geld schauen!

            Gruß Jettchen

            Kommentar

            • Paulchen_DD
              Erfahrener Benutzer
              • 30.09.2013
              • 902

              #7
              Hallo Jettchen,
              der Post ist zwar schon etwas alt - gebe aber trotzdem noch 'meinen Senf' dazu.

              In Sachsen sind die Gerichtsbücher überliefert und inzwischen online einsehbar, da kann man gut die Verkäufe eines Gutes verfolgen.

              Der Kaufpreis wurde bei Verkäufen innerhalb der Familie gern etwas tief angesetzt (sicherlich aus steuerlichen Gründen). Der Kaufpreis bestand aus dem zu zahlenden Geld und aus Auszügen (also Nutzungsrechten der bisherigen Besitzer (oft Kost + Logis, Anteile an Obst und Getreide etc., Beerdigung) und deren Kinder (oft Kost und freie Wohnung bis 12 Jahren, Wohnrecht zwischen den Diensten (also über Weihnachten)).

              Zu den Auszügen: Johann Gottlob Klingners Dorf und Baurenrechte Leipzig 1749 Kapitel XX (Deutsche Digitale Bibliothek bzw. SLUB Dresden)
              Da die Auszüge das Gut belasteten mussten diese (genau so wie die Kaufsumme) obrigkeitlich bestätigt werden Confirmation des Kaufes

              Interessant ist auch ein Artikel von Walther Fischer im Roland 1938, befrage die Suchmaschine Deines Vertrauens (fischer erbrecht unserer ahnen).

              Dein Beispiel in Post #1 kann ich nicht bestätigen. Die Rechnung geht eher so, wie Carl-Henry bereits anmerkte:
              Kaufpreis 500 und meinetwegen insgesamt 5 Kinder --> jedes erbt 100
              Der jüngste Sohn erster Ehe darf das Objekt kaufen (für 500), muss aber nur 400 zahlen (da er selber 100 erbt). Er muss also in den etwa 25 Jahren, in denen er das Objekt bewirtschaftet 400 erwirtschaften, um seine Geschwister auszahlen zu können. Hat eher selten geklappt, oft findet man in den Verträgen sogenannte 'alte Erbgelder', die noch bedient werden mussten.
              Die Kaufsumme bestand aus Angeld (bei Übergabe zu zahlende Summe) und Tagegeldern (jährliche bzw. halbjährliche Zahlungen - meist zu Michaelis und Walpurgis)

              Der Käufer (jüngster Sohn) hatte also
              - einerseits einen Vorteil: Kaufpreis war tiefer als der wahre Wert
              - andererseits einen Nachteil: die (teils beträchtlichen) Auszüge

              Manchmal war der jüngste Sohn noch zu jung, um das Gut zu bewirtschaften. Da gibt es Verträge, mit denen das Gut deshalb 'geparkt' wurde (meist an einen nahen Verwandten verkauft, mit der Auflage, es zu gegebener Zeit für den gleichen Kaufpreis weiterzuverkaufen).

              Viele Grüße
              Paulchen


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