Auto von Sarajevo 1914

[der_suchende]

Gute Morgen;

Ich bin mir nicht sicher ob hier das richtige Forum für diese Frage ist, aber weil hier viele Spezialisten sind die sich mit "Kriegen" auskennen - versuche ich es einfach mal:
Ich war kürzlich in Wien im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, dort gibt es eine tolle Ausstellung zum 1. Weltkrieg und zum Attentat in Sarajevo. Das Auto vom Kronprinz Franz Ferdinand ist dort auch ausgestellt. Ich habe mehr zufällig auf der Rückseite des Fahrzeug zwei Einschüsse gesehen - ich dachte immer es gibt nur einen Einschuss auf der rechten Seite wo die Frau vom FF saß.
Woher kommen denn diese Einschüsse? Die Museumswärterin die im Raum zur "Bewachung" abgestellt war, konnte mir keine Erklärung geben. Google hat auch keine Antwort!

Schönen Sonntag
Peter

[Kasstor]

Hallo Peter,

ich habe im Netz auch nichts dazu gefunden. Nur hier: link steht etwas von mehreren Einschusslöchern.
Der zweite Autor hier: http://www.edition-wh.at/Produkt/das-auto-von-sarajevo/
sollte ja dazu Auskunft geben können.

Frdl. Grüße

Thomas

[Deisterjäger]

Moin Peter,

es gab im vergangenen Jahr im Juli mehrere Filme über das Attentat und
hier hat man auch das Auto sehen können ich glaube mich erinnern zu können
das man da auch immer von zwei Ein- Durchschüssen die Rede war. Die Filme
liefen bei arte und phönix. Schau doch da mal in der Videothek ob es die Filme
da noch gibt. Das eine war eine Dokumentation und das andere ein Spielfilm.

[Farang]

Hallo Peter,

eine sehr interessante Frage!

Auf der Rückseite des Wagens befinden sich zwei Löcher und auf der linken hinteren Ecke ein weiteres Loch. Diese Löcher stammen von dem ersten Attentatsversuch auf Höhe der Cumurija-Brücke von Nedeljko Cabrinovic, der mit einer Handgranate – manchmal wird auch von einer selbstgebauten Bombe gesprochen – den ersten Anschlag durchführte.
Die historischen Quellen gehen da sehr weit auseinander, ob der Erzherzog die Bombe mit der Hand abwehrte oder ob sie am Verdeck des Wagens abprallte lässt sich heute nicht mehr sagen. Tatsache ist jedenfalls, dass sie teilweise unter dem folgenden, vierten Wagen explodierte und dabei Teile der Granate/ Bombe bis in den Wagen des Erzherzogs einschlugen.
Im vierten Wagen wurden Oberstleutnant Erik von Merizzi schwer und der Fahrer Graf Boos-Waldeck leicht verletzt. Obershofmeister Baron Rumerskirch und Gräfin Lanjus blieben unverletzt.
Im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek gibt es ein Bild, wo die Einschläge gut zu sehen sind.


Gruß Michael

[der_suchende]

Thomas, Harald, Michael danke für die Information!
@Michael: was Du so alles weißt..das Bild im Archiv ist klasse!

ich habe mir mal die ganzen Bilder und Filme von der Fahrt angesehen und dabei ist mir was aufgefallen. Als Franz Ferdinand am Bahnhof in Sarajevo losfährt sitzt sein Leibbüchsenspanner mit dem weißen Federbusch neben dem Fahrer. Als sie am Rathaus ankamen, war da einer mit einer normalen Militärkappe. Wo ist der Leibbüchsenspanner geblieben? Was ist das eigentlich für eine Funktion?

Schönen Abend
Peter

[AlAvo]

Hallo zusammen,

das Thema als solches und der Umgang in den damaligen öffentlichen Medien finde ich hoch interessant.

Vielleicht ergeben sich in damaligen österreichischen Zeitungen weitere Details oder Erkentnisse?

Österreichische Zeitungen vom 29.06.1914

Nachfolgende Ausgaben österreichischer Zeitungen zum Thema finden sich hier (Kalender für Juni ab dem 30.06.1914 und später).


Viele Grüße
AlAvo

[Farang]

Hallo Peter,

Bei den Fahrten von Erzherzog Franz Ferdinand sind verschiedene Phasen zu unterscheiden:

1. Fahrt von der Philippovic-Kaserne bis zum 1. Attentat (Bombenwurf) an der Cumurija-Brücke.

2. Fahrt nach dem 1. Attentat von der Cumurija-Brücke bis zum Rathaus.

3. Fahrt vom Rathaus bis zur Ecke Appel-Kai und Franz-Joseph-Gasse (Schiller-Eck) dem 2. Attentat.

Fahrt 1. Beim Antritt der Fahrt, dem Verlassen der Philippovic-Kaserne dem sogenannten Defensionslager, sind alle sechs Person im Auto gesessen: vorne rechts der Fahrer Leopold Lojka, links daneben der Hofkammerbüchsenspanner erster Klasse Gustav Schneiberg, in der mittleren Reihe auf den Klappsitzen links der Landeschef FZM Potiorek und rechts Oberleutnant Franz Graf Harrach (Besitzer des Wagens) und im Fond auf der linken Seite der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und rechts neben ihm seine Gattin, die Herzogin Sophie von Hohenberg.

Fahrt 2. Nach der Explosion der Bombe des Cabrinovic ließ der Erzherzog anhalten und schickte Graf Harrach zurück zum beschädigten Wagen von Oberstleutnant von Merizzi um die Situation zu klären. In dieser Zeit stieg Schneiberg auf das (linke) Trittbrett und positionierte sich neben dem Erzherzog, um ihn zu decken. Als Harrach zurückkam, setzte sich der Graf vorne neben den Fahrer auf den linken Platz, den zuerst Schneiberg inne hatte. Schneiberg blieb für die restliche Fahrtstrecke auf dem Trittbrett stehen. Deutlich sieht man in einem der erhaltenen Filmdokumente, wie Schneiberg vom Trittbrett abspringt, als der Wagen vor der Rathaus vorfährt. FZM Potiorek steht auf und klappt die Behelfssitze der mittleren Reihe zusammen, damit FF und die Herzogin ungehindert aussteigen können, der Erzherzog steigt aus. Fast zeitgleich steigt Graf Harrach aus und hilft der Herzogin beim Aussteigen, schließlich als letzter FMZ Potiorek. Schneiberger kümmert sich um die Garderobe der Herzogin.

Fahrt 3. Bei der Abfahrt vom Rathaus (das Fahrzeug hatte inzwischen gewendet) stellt sich Graf Harrach auf das (linke) Trittbrett neben den Erzherzog, um ihn mit seinem Körper zu decken. Der Hofbüchsenspanner Schneiberg fährt auf diesem Streckenabschnitt (fatalerweise) überhaupt nicht mehr mit. Auf den heute noch erhaltenen Bildern, sieht man wie sich Graf Harrach an den hinteren Kotflügel anlehnt, sich mit der linken Hand an der Zwischenwand und mit der rechten Hand am Gestänge des Verdecks festhält.

Das Attentat erfolgt dann unglücklicherweise von der rechten Seite, sodass Graf Harrach keinen Einfluss auf das Geschehen nehmen konnte.

Die Funktion des Hofkammerbüchsenspanner erster Klasse Gustav Schneiberg war die eines persönlichen Dieners, der FF bei all seinen Reisen begleitete und sich um die Garderobe, Gepäck und ähnliche Dinge zu kümmern hatte. Manchmal wird er in der einschlägigen Literatur auch als eine Art "Bodygard" bezeichnet. Nach dem Tod von FF und der Auflösung des Fürstlichen Haushalts, erhielt Schneiberg und der zweite Hofbüchsenspanner (erster Klasse) Viktor Mittendorfer und andere Bedienstete des Haushalts das silberne Verdienstkreuz mit Krone.

Gruß Michael

[Laus Klausen]

Hallo und guten Abend allseits,

das ist wirklich ein sehr interessantes Thema. Dieser Hofkammerbüchsenspanner Schneiberg war mir gar kein Begriff und er ist mir weder in den Filmen noch auf den Bildern aufgefallen.
Was mich beim Attentat immer interessiert hat, stimmt es das Gavrilo Princip eigentlich den FZM Potiorek erschießen wollte?

Schönen guten Abend

Laus

[Farang]

Hallo Laus,

der Landeschef FZM Potiorek stand angeblich immer wieder im Zentrum von Anschlagsplänen, allerdings gab es, soweit ich weiß, nie konkrete Attentatsversuche.

Bei den Vernehmungen gab Gavrilo Princip tatsächlich an, den Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand und den verhassten Feldzeugmeister Potiorek töten zu wollen. Unglücklicherweise (!) verfehlte er sein Ziel und traf „versehentlich“ die Herzogin von Hohenberg.

Im Urteil vom Kreisgericht in Sarajevo gegen Princip wird im zweiten Absatz geschrieben:

Zitat: „Gavrilo Princip insbesondere, dass er in der Absicht, Se. Exzellenz den Landeschef Oskar Potiorek, welcher in demselben Automobile mit Seiner k.u.k. Hoheit dem Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand und Ihre Hoheit der Herzogin Sofie von Hohenberg sass, zu töten, gegen denselben aus der Browningpistole einen zweiten Schuss abfeuerte, der Ihre Hoheit die Herzogin Sofie von Hohenberg in die rechte Weiche traf und ihr eine Verletzung beibrachte, in Folge deren ihr Tod erfolgte“

Wobei anzumerken ist, dass der erste Schuss die Herzogin traf und erst der zweite Schuss Franz Ferdinand tötete.

Gruß Michael

[Laus Klausen]

Lieber Michael,

hab vielen Dank für Deine interessanten Ausführungen. Um nochmals bei FZM Potiorek zu bleiben, allgemein herrscht ja die Ansicht, dass er für die schlechten Sicherheitsvorkehrungen verantwortlich war und er auch für die Auswahl des Termins zum Besuch in Sarajevo am "Sankt-Veits-Tag, 28.06." die Schuld trägt.

Einen lieben Gruß
Laus

[der_suchende]

Hallo Michael,

auch von mir besten Dank für die super Info. Ich finde die Geschichte in Sarajevo ist immer noch sehr rätselhaft. Es gibt so viele verschieden Darstellungen des Attentats - welche ist die richtige? Alleine schon die Frage, wie viele Fahrzeuge waren im Konvoi und wer saß in welchem Auto, ist nicht klar zu beantworten.

Schönes Weekend
Peter

[scheuck]

Auto von Sarajewo ...

Moin Peter,

es gab im vergangenen Jahr im Juli mehrere Filme über das Attentat und
hier hat man auch das Auto sehen können ich glaube mich erinnern zu können
das man da auch immer von zwei Ein- Durchschüssen die Rede war. Die Filme
liefen bei arte und phönix. Schau doch da mal in der Videothek ob es die Filme
da noch gibt. Das eine war eine Dokumentation und das andere ein Spielfilm.

Hallo Peter und Deisterjäger,

ja, ich habe jene Serie auch gesehen und weiß, dass man von zwei Einschüssen gesprochen hat; man hat das auch genauer erklärt; leider bringe ich die Zusammenhänge nicht mehr auf die Reihe. Ich bin aber sicher, es war die Rede von zwei Einschüssen...

[Farang]

..... Ich bin aber sicher, es war die Rede von zwei Einschüssen...

Hallo Scheuck,

da irrst Du Dich.
Es gab insgesamt 2 Schüsse (9-mm Stahlmantelgeschoß) in Richtung Fahrzeug. Der erste Schuss durchschlug die rechte Bordwand des Autos (Aluminium auf Holzgerüst) und drang danach vier Zentimeter oberhalb des Darmbeins der Herzogin ein. Das Projektil wurde bei der Obduktion aus ihrem Becken entfernt. Der zweite Schuss traf den Erzherzog auf der rechten Halsseite einen Zentimeter oberhalb des Schlüsselbeins. Das Projektil verblieb in der Wirbelsäule.
Dadurch dass die Franz-Josef-Strasse relativ eng ist, gab es bei den Schüssen einen Wiederhall und eine Art Echo, so dass viele Zeugen von mehr Schüssen sprachen. Die restlichen drei Beschädigungen des Fahrzeuges sind auf der Rückseite und der linken Seite und stammen vom Bombenattentat auf der Fahrt zum Rathaus.

Gruß Michael

[scheuck]

Auto von Sarajewo ...

Ach, Michael ...
Nicht schön, wenn man das, was man vor einigen Monaten im TV "aufgesogen" hat, durcheinanderbringt
DANKE für Deine Hilfe!!!