Preußische Armee im 7jährigen Krieg - Frei-Regiment Nr. 4 Collignon

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  • Bergkellner
    Erfahrener Benutzer
    • 15.09.2017
    • 2354

    Preußische Armee im 7jährigen Krieg - Frei-Regiment Nr. 4 Collignon

    Hallo,

    auf der Suche nach einem Ahnen bin ich 1805 auf den Sterbeintrag seiner Witwe gestoßen, in dem es von ihrem Mann Christian Peter heißt, er sei Musquetier im Frey Regiment Collinon gewesen.
    Nachdem ich mich ein bisschen darüber belesen habe(wikipedia lässt grüßen), glaube ich, dass Christian Peter vermutlich 1763 seinen Abschied genommen hat. Denn sonst hätte da vermutlich doch auch etwas von den schlesischen Regimentern stehen müssen, auf die man nach dem 7jährigen Krieg die Übriggebliebenen Soldaten aufteilte, oder?!

    Wisst ihr, ob irgendwo noch Unterlagen zu diesem Frei-Regiment existieren - und wenn ja, wo man sie finden kann?
    Wie kann ich herausfinden, wo es stationiert war, denn dort, nehme ich an, hat Christian Peter vor 1743 geheiratet und dort könnte auch mein Vorfahr Christian Traugott um 1743 geboren worden sein.

    Ich hoffe, ihr habt ein oder zwei Tipps für mich, wo ich suchen kann.

    Schon mal Danke im voraus für die Hilfe + Lg aus dem sonnigen, aber kalten Norden, Claudia von den bergkellners
    Wollt' ich für Arschlöcher bequem sein, wäre ich ein Stuhl geworden.(Saltatio Mortis, Keiner von Millionen)


  • Manni1970
    Erfahrener Benutzer
    • 17.08.2017
    • 2393

    #2
    Hallo!

    Diese Freitruppen waren zunächst ziemlich unpreußisch. Deshalb gab es sie auf pr. Seite in den ersten beiden Schlesischen Kriegen auch gar nicht. Die erste leichte Infanterie in Preußen bestand zu dieser Zeit lediglich aus dem von Friedrich d. Große gegründeten Jägerkorps. Das waren aber im Zweiten Schl. Krieg gerade mal 300 Mann. Während die Österreicher, der Hauptfeind Preußens, mehrere Tausend Mann leichte Infanterie besaß. Es waren dies vor allem Kroaten und Panduren, die Friedrich bei seinem Feldzug nach Böhmen schwer zu schaffen machten. Obwohl die Preußen stark überlegen vorrückten, gelang es den Kroaten hinter den Linien erfolgreich zu operieren: Lebensmittelkolonen wurden angegriffen, versteckte Versorgungsmagazine aufgespürt und zerstört, Brücken gesprengt, um Vormarsch oder Rückzug zu behindern, in den Dörfern wurden die Bauern mit ihrem Vieh in die Wälder geschickt und die verbleibenden Korn- und Strohvorräte weggebracht oder vernichtet, schließlich gelang es ihnen regelmäßig, die Meldereiter abzufangen.

    Kurzum: So eine leichte Infanterie wollte Friedrich dann für den dritten Schlesischen Krieg, der 7jährige, auch für die pr. Armee haben. Allerdings hielt er es mit der Würde der pr. Linientruppen nicht vereinbar, sich in ein zerstreutes Gefecht einzulassen. Es wurden daher für die Mannschaften ausschließlich Ausländer angeworben. Russen, Schweden, Reichsdeutsche (Hessen, Sachsen, Rheinländer usw.), wobei man praktisch jeden nahm: Trunken- u. Raufbolde, Kriegsgefangene, Deserteure, eben jedes Gesindel, das sich anwerben ließ. Kein pr. General wollte solche Leute in seinem Linienregiment haben. Die Offiziere waren ebenfalls in der Regel Ausländer - Abenteuerer auf der Suche nach Beute und Gewinn. Pr. Offiziere durften anfangs überhaupt nicht aufgenommen werden. Die ersten vier Bataillone wurden also im 7jährigen Krieg (1756-1763) zum Feldzug 1757 aufgestellt.

    Eins davon war das Batl. Mayr, welches 1756/57 in Zwickau aufgestellt worden war. General Mayr starb unerwartet an einem Schlaganfall am 3.1.1759. Oberst Jean Francois v. Collignon übernahm das Bataillon. Ein zweites Freibataillon war 1756/57 von einem ehemals holländischen Oberst Marquis v. Angenelli in Magdeburg vor allem aus Sachsen aufgestellt worden. 1760 nahm Angenelli seinen Abschied und Collignon übernahm das Bataillon, gab seins, das frühere Mayr, an den Oberstleutnantn de l'Homme de Courbière ab. Das Freibataillon Collignon kämpfte bei der Schlacht von Landeshut im Juni 1760 am rechten Flügel und wurde fast vollständig aufgerieben.

    Mit den Resten der anderen Freitruppen lag das Btl. Collignon 1761 in Wittenberg und wurde dort neu errichtet bzw. wieder vollzählig gemacht. Gleichzeitig stellte Collignon in Halberstadt ein zweites Bataillon auf und erst jetzt gab es ein "Freiregiment Collignon" - oftmals in der Literatur auch nur als 2 Bataillone Collignon bezeichnet.

    Zum Ende des 7jährigen Krieges wurde alle Freitruppen bis auf die Einheiten Salenmon, Courbière, Le Noble, Wunsch und Lüderitz aufgelöst, und zwar meistens in Berlin.

    Bis zum April 1945 befanden sich einige Offiziersranglisten der Freitruppen im Potsdamer Heeresarchiv. Nachweise der geworbenen Ausländer lagen also niemals vor. Können auch nicht, weil aufgrund der vielen Fahnenflüchtigen bei diesen Einheiten praktisch ständig Werbung betrieben werden mußte.

    Weil 7jähriger Krieg war, hatte die Truppe keine "Friedensgarnison", lag höchstens jeweils in einem Winterquartier. Die längste Zeit vermutlich wegen der Neuaufstellung in Wittenberg.

    Die Freitruppen standen in schlechtem Ansehen bei der pr. Armee. Bekanntlich hatten Russen und Österreicher im Herbst 1760 die pr. Schlösser in Charlottenburg und Schönhausen verwüstet. Dafür wollte sich Friedrich im Februar 1761 mit der Zerstörung des Jagdschlosses Hubertusberg in Sachsen revanchieren. Doch fand er keinen pr. Offizier, der diese "Schandtat" ausführen wollte, weshalb er den Auftrag einem Freibataillon übertrug, das die Sache "erledigte".

    MfG
    Manni

    Nachtrag:
    Noch eine Anmerkung zu den Kirchenbüchern. Für die meisten der Linienregimenter weisen die Militärkirchenbücher eine Lücke wegen dem 7jährigen Krieg eben von 1756-1763 auf. Diese Freitruppen gab es ja nur in dieser Zeit und sie hatten zudem gar keine Feldprediger. Für die Einheit des Herrn v. Collignon sollen aber Eintragungen im Zivil-KB von Halberstadt vorhanden sein - also Tr u. später auch Tf.

    Anbei noch eine Zeichnung zum pr. Freikorps aus der Zeit des 7jährigen Krieges.
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Manni1970; 02.03.2023, 11:23.

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    • Bergkellner
      Erfahrener Benutzer
      • 15.09.2017
      • 2354

      #3
      Hallo Manni,

      danke für deine ausführliche Antwort.

      Das Bild meines mutmaßlichen Vorfahren rundet sich damit.
      Er war ein uneheliches Kind, geboren 1704, seine Mutter starb 1737 in bitterer Armut, nachdem sie sich die letzten Jahre ihres Lebens als Leichenwäscherin durchgeschlagen hatte... Mit dem Makel der unehelichen Geburt war man aus vielem ausgeschlossen, wenn man nicht irgendwo hin zog, wo einen niemand kannte.
      Vermutlich war er schon verheiratet, bevor er zum Militär ging, denn sein Sohn Johann Traugott ist laut Sterbeeintrag 1743 geboren worden.

      Danke für den Tipp mit Halberstadt, vielleicht findet sich dort seine 2. Ehe oder ein Hinweis auf seine erste Frau.

      Lg, Claudia
      Wollt' ich für Arschlöcher bequem sein, wäre ich ein Stuhl geworden.(Saltatio Mortis, Keiner von Millionen)


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