Begriffschaos

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • relloK
    Erfahrener Benutzer
    • 06.01.2023
    • 456

    Begriffschaos

    Hollo,
    ständig kommen mir Standesbezeichnungen wie Solanus, Solarius, Sol(d)anus, Aedicularius, Söldner, Kleinbauer, Zinsbauer, Ökonomiepächter u.v.m. unter, für die ich einfach den Begriff "Häusler" verwende.
    Ich fürchte, dass ich damit nicht richtig liege und dass es zwischen den genannten Begriffen schon Differenzierungen gibt.
    Ist das so? Oder gibt es vielleicht sogar irgendwo im Netz eine exakte Begriffsklärung für die verschiedenen Ständebezeichnungen?

    Viele Grüße, Reinhard
  • Andre_J
    Erfahrener Benutzer
    • 20.06.2019
    • 2034

    #2
    Hallo Reinhard,

    warum nimmst du nicht einfach die Bezeichnung, wie sie in der jeweiligen Quelle genannt wird?

    Ich habe auch kein Problem, bei französischsprachigen Dokumenten die französische Variante für das jeweilige Jahr einzutragen.
    Gruß,
    Andre

    Kommentar

    • relloK
      Erfahrener Benutzer
      • 06.01.2023
      • 456

      #3
      Da magst du einerseits schon Recht haben, Andre.
      Andererseits verwende ich aber für andere Berufsbezeichnungen wie z.B. "Sartor" oder "Pistor" auch nicht die Ursprungsbezeichnungen, sondern deutsche sie ein in "Schneider" oder "Bäcker".

      Kommentar

      • Geschichtensucher
        Erfahrener Benutzer
        • 03.09.2021
        • 853

        #4
        Ich schätze die verschiedenen Bezeichnungen, weil sie uns doch auch schon wieder etwas verraten über die Zeitgeschichte, und würde sie auf keinen Fall auf meinen Verständnishorizont runterformulieren
        Beste Grüße, Iris

        Kommentar

        • relloK
          Erfahrener Benutzer
          • 06.01.2023
          • 456

          #5
          Auch das kann ich verstehen, Iris.
          Mir gehts aber auch ein wenig darum, ob die verschiedenen Bezeichnungen nicht auch etwas mit verschiedenen Besitzverhältnissen zu tun haben.
          Das würde mich interessieren.

          Kommentar

          • Xtine
            Administrator

            • 16.07.2006
            • 29014

            #6
            Hallo Reinhard,

            ich lese gerade ein Buch über einen kleinen Ort in Bayern (Unterfinning, Nähe Dießen am Ammersee) um das Jahr 1720 rum.
            Hierin findet sich auch eine Beschreibung von Hofgrößen.

            Ganzhof - 360 Scharwerk
            Halbhof - 180 Scharwerk
            Viertelhof - 90 Scharwerk
            Bausöldner - 60 Scharwerk
            Söldner (auch Leer-Sölde) - 45 Scharwerk

            Die letzten beiden wurden zuvor auch teilweise nur als Heisl, Behausung oder Söldheisl bezeichnet.

            Der Pfarrer machte in seinen Kirchenbucheinträgen damals deutliche Unterschiede zwischen agricola, und rusticus. Die Einträge sind auf deutsch, aber das Wort "Bauer" verwendete er nicht um die Unterschiede darzustellen.
            Ein agricola besaß nach seiner Einteilung einen Ganzhof, während ein rustici nur einen Halbhof besaß. Er orientierte sich an den fiskalischen und administrativen Einteilungen.

            Bauern waren alle bis zu den Viertelhöflern, alle anderen zählten zu den Söldnern. Die Viertelhöfler bezeichnete er aber auch als Lechner (die mit einem Lehen).
            Söldner, diejenigen also mit geringerem Landbesitz, wurden in anderen Gegenden auch Köter, Gärtner oder Häusler bezeichnet und so von den Bauern unterschieden. Eine Sölde war also ein Kleinststelle ohne nennenswerte agrarische Ressourcen.

            Man kann sagen, daß mindestens unterhalb der Größe eines Viertelhofes anderweitig zugearbeitet werden mußte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Z.B. als Schuster, Krämer, Bäcker, Bader oder Taglöhner
            Aber selbst der Wirt, der fünftgrößte Besitz im Ort, hat sich mit der Backstube noch nebenbei was dazu verdient.

            Die ganze Beschreibung, ab wann man keinen Zusatzverdienst benötigte, würde hier jetzt zuweit führen. Die Ausführung wie die einzelnen Bewohner ihren Unterhalt bestritten, deckt mehrere Kapitel.


            Was folgt daraus?
            Die unterschiedliche Bezeichnung hat also durchaus etwas mit der Besitzgröße zu tun und man sollte nicht alles mit ein und dem selben Begriff zusammenfassen.
            Viele Grüße .................................. .
            Christine

            .. .............
            Wer sich das Alte noch einmal vor Augen führt, um das Neue zu erkennen, der kann anderen ein Lehrer sein.
            (Konfuzius)

            Kommentar

            • Scriptoria
              Erfahrener Benutzer
              • 16.11.2017
              • 2956

              #7
              Zitat von Xtine Beitrag anzeigen
              Die unterschiedliche Bezeichnung hat also durchaus etwas mit der Besitzgröße zu tun und man sollte nicht alles mit ein und dem selben Begriff zusammenfassen.
              Hallo,
              zu den Besitzgrößen (die je nach Zeit und Gegend variieren können) kommen dann auch noch unterschiedliche Rechtsformen des Besitzes.
              Zinsbauern verfügten über ihr Gut auf Lebenszeit oder auf Erbpacht, Häusler konnten von den Gutsbesitzern gekündigt werden, wenn ihre Arbeitskraft nachließ.



              Ein Ökonomiepächter ist zunächst allgemein Pächter einer "Ökonomie" im Sinne von Landwirtschaft. Er konnte vermögend sein, ein Rittergut oder Vorwerk pachten.


              Insgesamt ist es sinnvoll, die Gepflogenheit der Orte und den Zeitabschnitt zu berücksichtigen, denn die Begriffe werden z.T. verschiedenen definiert.

              Grüße
              Scriptoria
              Zuletzt geändert von Scriptoria; 11.11.2023, 21:36.

              Kommentar

              • relloK
                Erfahrener Benutzer
                • 06.01.2023
                • 456

                #8
                Hallo Christine und scriptoria,
                weil mir gerade heute das "Raigeringer Büchl" (Raigering bei Amberg/Oberpfalz) in die Hand fiel, entdeckte ich eine Auflistung von Betriebsgrößen, was auch die landschaftlichen Unterschiede deutlich macht. Hier heißt es
                "Der Hoffuß, schon im 15. Jahrhundert Steuerbasis, geht vom
                - ganzen Hof(Curia) als größte Einheit aus und gewinnt jeweils durch Halbierung
                - die Hube (Halber Hof - mansus),
                - das Lehen (Viertelhof - halbe Hube),
                - die Sölde (Achtelhof),
                - die Bausölde (Sechzehntelhof) und die Gemeinde Sölde (zweiunddreißigstel Hof). "
                HG, Reinhard

                Kommentar

                • relloK
                  Erfahrener Benutzer
                  • 06.01.2023
                  • 456

                  #9
                  .... und aus dem gleichen Büchlein: "Glossar von Quellenbegriffen und altertümlichen Bezeichnungen von Prof. Dr. Bosle, München"
                  Daraus hab ich mal die für uns relevanten Begriffsdefinitionen herausgechrieben:
                  Hoffuß = altbayerische Einteilung der ländlichen Anwesen nach den Kriterie von Ertrag und Besitzumfang; abgestuft zwischen einem Ganzhof (1/1-Hof) und einem Leerhäusel (1/16- bis 1/64-Hof). 1 Ganzhof, der als Steuer-, Leistungs- und Verrechnungseinheit verwendet wurde
                  (1 Hoffußeinheit = HFE), besaß im Flachland ca. 36 Juchert Ackerland mittlerer Bonität neben Wiesen und Wald.
                  Lehen, Viertelhof, Viertelacker = mittleres Anwesen, das meist noch eine Familie ernährt
                  Beutellehen = Verliehener Lehen; war nicht zu verkaufen oder zu vererben
                  Bausölde = 1/6- oder 1/8-Hof
                  Sölde = Klein(st)betrieb mit wenig Ackergrund
                  Leerhäusl, Leersölde = Haus mit / ohne Garten, ohne oder mit sehr wenigem Ackerland
                  Tropf- oder Tripfhaus = Kleinstanwesen, zu dem nur so viel Geld gehört, als die Dachtraufe reicht

                  Dorf = ländliche Siedlung nach dem Weiler (2-5 Anw.): mit 6-9, 10-20 und mehr Anwesen für ein Klein-, Mittel- u. Großdorf
                  Einhöfung = in das Hoffußsystem einbezogenes Gut (1/1- bis 1/64-Hof; im Unterschied zum manchmal nicht eingehöften Häusl)
                  Ganzhof, ganzer Hof, Maier-, Meier-, May(e)rhof
                  Hai(ei)mat = Anwesen, das elterliche Haus und Besitztum, Haus und Hof
                  Inleute, Inhäuser, Ingeheiß = in der Herberge eines Bauern/Söldners lebende Einmieter, Tagwerker, Landhandwerker, Einzelperson (Inmann, Infrau) oder Familie
                  Köbler = Bezeichnung für Söldner, Häusler (selten in Altbayern)
                  Peunt, Point = ein mit Gartenrecht versehenes Grundstück (meist mit Obst, Gemüse, Kraut bebaut)
                  Schwaige = Bezeichnung für Viehhöfe
                  Tratt = Viehweide auf unbebautem Land, Brachfeld
                  Waiselacker = mit Gras überwachsener ehemaliger Acker
                  walzende Stücke = nicht zur Einhöfung gehörige Grundstücke, über die der Besitzer frei oder mit Erlaubnis des Grundherrn verfügt
                  Widum, Widem = die zu einer Pfarrkirche gestifteten nutzbaren Gründe; das zu einer Kirche gehörige (manchmal an einen Widembauern verpachtete) Gut
                  Zubau = Gut oder Feld, das ein Bauer zu seinem (Haupt-)Gut hinzupachtet und mit bewirtschaftet

                  HG, Reinhard

                  Kommentar

                  Lädt...
                  X