FP heute: Nach 8 Jahren im Auer Rathausschrank: Stolperstein kommt doch ins Pflaster
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Zitat von Bergkellner Beitrag anzeigenDa kann man/frau mal sehen, was Forschung bringt...
DavidoForschungsinteressen vor allem in Pommerellen (Kreise Schlochau, Konitz, Bütow), in Posen-Westpreußen (Kreise Czarnikau, Deutsch Krone) und in Berlin.
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Bitte schön, der Text Teil 1:
Seit acht Jahren liegt der Gedenkstein in einem Schrank im Auer Rathaus. Hinter der Geschichte, die er erzählt, standen Fragezeichen. Jetzt herrscht mehr Klarheit.
Aue-Bad Schlema. Dieter Kreinberg wurde 13 Jahre, 5 Monate und 21 Tage alt. Bis auf den Tag genau wurde seine Lebensspanne im Sterbebuch des Standesamtes Aue ausgerechnet. Auch der Ort seines Todes ist dort verzeichnet: "Stadtkrankenhaus Aue(-Sachsen), Gartenstrasse Nr. 6". Gestorben ist er am 7. Dezember 1941, um 18.10 Uhr. Dieser Eintrag schafft Gewissheit darüber, dass der jüdische Junge kein Phantom ist, dass er wirklich ins Auer Krankenhaus eingeliefert wurde und es nicht lebend verlassen hat.
Das alles wird dazu führen, dass die Stadt Aue demnächst einen Gedenkakt abschließt, der vor acht Jahren unvollendet geblieben ist. Damals wurden im Fußweg der Schwarzenberger Straße 1 fünf Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an das Schicksal der jüdischen Familien Thorn und Schüftan, die in der Nazizeit schikaniert wurden und dann zu Tode kamen. Ein sechster Stein galt Dieter Kreinberg, dem Sohn von Hertha Thorn. "Wir werden seinen Stein verlegen", kündigt Stadtsprecherin Jana Hecker an.
Zurzeit liegt der messingfarbene Quader in einem Schrank im Rathaus. Vor acht Jahren wurde er zurückgehalten, da seine Inschrift sich nicht belegen ließ. Sie besagte, dass Dieter Kreinberg im Krankenhaus Aue die Behandlung verweigert wurde. Nach Angaben der Stadtverwaltung waren jedoch weder sein Aufenthalt noch sein Tod im Stadtkrankenhaus aktenkundig. Man habe darüber hinaus in zwei überregionalen Datenbanken recherchiert, erklärte Hauptamtsleiter Steffen Gerisch: "In einer des Bundesarchivs und in der Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer. Beide kannten Dieter Kreinberg nicht."
Nachdem die "Freie Presse" im Juli über den Fall berichtet hatte, gingen neue Hinweise ein. Johannes Bärthel vom Regionalkirchenamt Chemnitz konnte rekonstruieren, dass Dieter Kreinberg nach seinem Tod im Krankenhaus auf dem Friedhof St. Nicolai beerdigt wurde. Der Junge hatte einen deutschen Vater und war evangelisch. Der Nicolai-Friedhof lag im Einzugsbereich seines Wohnortes, das Begräbnis dort nahm allerdings der für den Bereich des Krankenhauses zuständige Pfarrer Schwab vor. Nicolai-Pfarrer Walter Leßmüller - nach Bärthels Erkenntnissen NS-Funktionär und SS-Mann - hatte die Beerdigung eines Juden abgelehnt.
Das Sterbebuch des Standesamtes Aue lieferte weitere Hinweise. Es ist ebenso im Kreisarchiv zu finden, wie das sogenannte Sterbe-Erstbuch von 1941, in dem auch Dieter Kreinbergs Todesursache vermerkt ist: "Lipoid-Nephrose, Erysipel". Ersteres ist eine Nierenerkrankung, letzteres eine bakterielle Infektion. Der Junge ist an Nierenversagen gestorben.
Werner Pöllmann aus Markneukirchen, der das Schicksal vieler jüdischer Familien erforscht hat, kennt den Bericht einer Zeitzeugin, die angab, sie habe Rezepte für Dieter unauffällig bei einem Arzt geholt und seiner Mutter gebracht. Man habe das so gehandhabt, um den Arzt nicht zu kompromittieren.
Teil 2:
Eine verweigerte Behandlung, wie auf dem Stolperstein geschrieben, lässt sich aus den vorliegenden Fakten aber nicht beweisen. Werner Pöllmann schlägt daher vor, die Inschrift entsprechend abzuändern. Dass Dieter Kreinberg einen Stolperstein bekommt, hält er für gerechtfertigt: "Er war von der Judenverfolgung betroffen. Sein deutscher Vater hatte sich das Leben genommen, nachdem sein Geschäft in Markneukirchen auf die Liste jüdischer Geschäfte gesetzt wurde, was seinen Ruin bedeutete. Nach dem Selbstmord des Vaters floh Dieters Mutter zurück zu ihrer Familie nach Aue, wo sie erneut Opfer von Verfolgung wurden." In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde der Hausrat der Familien Schüftan und Thorn von einem braunen Mob zertrümmert, was an dem damals zehnjährigen Dieter kaum spurlos vorbeigegangen sein dürfte.
Die Stadt Aue sieht das genauso. "Wir lassen die Inschrift des Stolpersteins neu anfertigen, diesmal ohne die Behandlungsverweigerung", sagt Stadtsprecherin Hecker.Wollt' ich für Arschlöcher bequem sein, wäre ich ein Stuhl geworden.(Saltatio Mortis, Keiner von Millionen)
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Zitat von BergkellnerDie Stadt Aue sieht das genauso. "Wir lassen die Inschrift des Stolpersteins neu anfertigen, diesmal ohne die Behandlungsverweigerung", sagt Stadtsprecherin Hecker.
DavidoForschungsinteressen vor allem in Pommerellen (Kreise Schlochau, Konitz, Bütow), in Posen-Westpreußen (Kreise Czarnikau, Deutsch Krone) und in Berlin.
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