Brauch im hessisch-thüringischen Grenzgebiet: "Kaltes Bad"

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  • Wolfg. G. Fischer
    Erfahrener Benutzer
    • 18.06.2007
    • 5068

    Brauch im hessisch-thüringischen Grenzgebiet: "Kaltes Bad"

    Hallo in die Runde,


    hat jemand von Euch davon oder von ähnlichem gehört oder gelesen?


    Im hessisch-thueringischen Grenzgebiet gab es den Brauch, dass junge Maenner, zum Teil mit Pferden, in Fluessen oder Baechen badeten, dabei aber manchmal ums Leben kamen.

    Der aelteste, mir bisher bekannte Fall wird aus Dippach an der Werra berichtet:

    "Den 18ten Augusti (1674) Hanss Issleuben Sohn, Hanss genandt, und Henrich Kochen Sohn, Johannes der Aeltste genandt, begraben worden, welche auff den 9. Sontag nach Trinitatis, war der 16te ernenten Months, im Kalten Bad, wo die Wechsel Massen und die Schwartze Lachen zusammenstossen, ertruncken, da der Kochen Sohn auch ist gleich gefunden worden, welches Alter gewesen ist 20 Jahr, 4 Monath und 3 Tage, Hans Isleuben Sohn ist den andern Tag, als uff den 17ten dieses Monts zu Bergka auff dem Oberweer gefunden worden, dessen Alter sich erstrecket uff 20 Jahr, 9 1/2 Monath und 3 Tage, sie darauff christbraechlichen wie oben gedacht in volckreicher Versammlung zur Erden bestattiget worden, ihr Leichentext ist gewesen der 130. Psalm: Aus der Tieffen ruffe ich Herr zu Dir."


    Aus Widdershausen wird im 18. Jahrhundert ein ähnlicher Fall mit Pferden berichtet.


    Mich erinnert das an das Wählen des "Heidenkönigs" im Roman "Die Heiden von Kumerow".

    Vermutlich war es ein alter Fruchtbarkeitsbrauch?!


    Mit besten Grüßen
    Wolfgang
  • assi.d
    Erfahrener Benutzer
    • 15.11.2008
    • 2704

    #2
    Hallo Wolfgang,

    habe ich aus der hessischen Rhön noch nie gehört.

    Gruß
    Astrid

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    • Baumgardt
      Benutzer
      • 04.07.2017
      • 87

      #3
      Für mich klingt das "Kalte Bad" eher nach einem FLur- oder Ortsnamen, zumindest in dem Kontext oben.

      Schönen Gruß

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      • Scherfer
        Moderator
        • 25.02.2016
        • 2556

        #4
        Auch für mich klingt die genannte Formulierung eher nach einem Ortsnamen. Nun kenne ich mich in der Region überhaupt nicht aus, aber würde an Deiner Stelle erst einmal nach den Flüssen "Wechsel Massen" und "Schwartze Lachen" suchen.

        Dass es Ortsnamen "Kaltes Bad" generell durchaus gab, zeigt folgender Fund aus Nordhessen:


        Vielleicht auch noch interessant anzumerken: "Kaltes Bad" ist auch eine Bezeichnung für rituelle Bäder (Mikwen) jüdischer Gemeinden. Ob es auch hier einen Kontext zum gesuchten Ortsnamen geben könnte, weiß ich nicht.


        Zuletzt geändert von Scherfer; 10.09.2020, 11:16.

        Kommentar

        • Wynne

          #5
          Ich bin nicht sehr weit weg von dort aufgewachsen und wohne immernoch dort und habe noch nie was davon gehört, besonders nicht aus der Zeit um 1700 als dort alle bereits evangelisch waren. Werde mich aber bei anderen Ahnenforschern mal umhören. In der Nähe gibts die Rohrlache in Heringen, da führt der schwarze Graben durch. Vielleicht hat das damit zu tun. Wer weiss warum die mit den Pferden durchgeritten sind. Vielleicht dachten sie das ist eine Abkürzung und haben sich mit der Tiefe verschätzt. Oder vielleicht war es war eine Art Mutprobe. Auch interessant dieser Text, ab Seite 29, wenn auch aus der Schweiz https://www.forgottenbooks.com/de/do...n_10353447.pdf
          Aber wie gesagt, ich hör mich nochmal um.

          Kommentar

          • Sunlite
            Benutzer
            • 22.02.2016
            • 33

            #6
            Von einem Brauch dieser Art habe ich weder gelesen noch gehört. Ich gehe davon aus, dass es sich schlicht und ergreifend um einen Unglücksfall gehandelt hat. Damals kam das wesentlich mehr vor. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich Männer in diesem Alter Gedanken um eine Mutprobe machten. Dafür hatten sie mit Sicherheit keine Zeit. Im wahrsten Sinne des Wortes!

            Herzliche Grüße

            Kommentar

            • Wolfg. G. Fischer
              Erfahrener Benutzer
              • 18.06.2007
              • 5068

              #7
              Herzlichen Dank Euch allen, besonders für die Links.

              Habe jetzt die entsprechende Stelle im KB Widdershausen gefunden, die aber weniger Parallelen aufweist als ich in Erinnerung hatte:

              "1754, den 16ten April, Martin, Jacob Schäffers lediger Sohn, so in der Werra im abergläubischen Osterbad samt dem Pferde ersoffen, begraben, alt 40. Jahr, 9. Wochen."

              Mit besten Grüßen
              Wolfgang

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              • Lock
                Erfahrener Benutzer
                • 07.04.2016
                • 458

                #8
                Zitat von Wolfg. G. Fischer Beitrag anzeigen
                Herzlichen Dank Euch allen, besonders für die Links.



                "1754, den 16ten April, Martin, Jacob Schäffers lediger Sohn, so in der Werra im abergläubischen Osterbad samt dem Pferde ersoffen, begraben, alt 40. Jahr, 9. Wochen."
                Hallo Wolfgang

                das scheint doch mit Brauchtum im Zusammenhang zu stehen.
                Ich möchte hier auf das verbreitete Osterreiten in der Lausitz hinweisen



                v.G.Gerhardt

                Kommentar

                • Wynne

                  #9
                  Nur gibts hier in Osthessen/Thüringen keine Sorben. Wieso sollte es da also so einen Brauch geben?

                  Kommentar

                  • Hracholusky
                    Moderator Heraldikforum
                    • 17.03.2016
                    • 979

                    #10
                    Hallo,



                    es scheint solch einen Brauch des Osterbades im Raum Schmalkalden gegeben zu haben. Ob das damit zu tun hat sei dahingestellt.
                    Mit besten Grüssen
                    Gerd

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                    • Wolfg. G. Fischer
                      Erfahrener Benutzer
                      • 18.06.2007
                      • 5068

                      #11
                      Zitat von Wynne Beitrag anzeigen
                      Nur gibts hier in Osthessen/Thüringen keine Sorben.
                      Herzlichen Dank auch Euch Dreien. Zumindest um das Jahr 1000 n. Chr. haben in dieser Gegend Slawen gelebt.

                      Das Osterbad des Martin Schäffer könnte tatsächlich mit einer Krankheit in Zusammenhang stehen.

                      Mit besten Grüßen
                      Wolfgang

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                      • Wynne

                        #12
                        Im 18. und 19. Jhd. aber sicherlich nicht mehr so dass dort sorbische Bräuche stattfanden. Ich denke weiterhin dass es ein Unfall war.
                        Die Formulierung im Eintrag lässt auch viel Interpretationsspielraum.
                        Das mit dem Osterbad ist auch eine Möglichkeit, das würde den Zusatz "abergläubisch" erklären.
                        Zuletzt geändert von Gast; 13.09.2020, 03:07.

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                        • Lock
                          Erfahrener Benutzer
                          • 07.04.2016
                          • 458

                          #13
                          Moin Zusammen

                          Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, das das "Osterreiten" weniger mit der Volksgruppe der Sorben zu tun hat, sondern mehr mit der Katholischen Glaubensrichtung.
                          Die Kreuzreiterprozession ist eine katholische Auferstehungsprozession. Prozessionen werden erklärt als feierliche Umzüge aus religiösem Anlass, verbunden mit Gebet und Gesang. In der katholischen Kirche sind sie keine Seltenheit und selbst Reiterprozessionen trifft man auch andernorts, z.B. den Heiligblutritt in Weingarten.

                          Da ja Teile Thüringens bis heute katholisch geprägt sind und der Pfarrer ja explizit das Osterfest erwähnt, halte ich einen Zusammenhang damit für gut möglich.
                          v.G.Gerhardt

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