Hochstapler(?) Arabischer Prinz, 1758

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  • X_tian
    Erfahrener Benutzer
    • 20.08.2010
    • 176

    Hochstapler(?) Arabischer Prinz, 1758

    Hallo zusammen,

    ich habe diese Tage einen interessanten Zufallsfund gemacht und wollte ihn mit euch teilen bzw. zur Diskussion stellen.

    Es geht darum um eine Rechnung, die ein (angeblicher) osmanischer/arabischer Prinz 1758 quittierte, nachdem wohl der Rat der Stadt für seine Verpflegung auf seiner Durchreise aufgekommen war.

    Der Name, das Wappen und überhaupt die ganze Exotik, die hierbei mitschwingt, lassen mich aber glauben, dass man damals auf einen Hochstapler hereingefallen ist, der durch das Reich reise, sich als Prinz ausgab und sich von den verschiedenen Gastgebern aushalten ließ.
    Ich habe euch ein Foto der Quittung und des Siegels hochgeladen, damit ihr es euch ansehen könnt.
    Unterschrieben hat er mit Princ Carol Alexanter fatina deswilla Alibabba von Constantinobel. Klingt meiner Meinung nach etwas sehr nach 1001-Nacht.

    Was ist euere Meinung dazu? Ich bin gespannt.
    Vielleicht passt das Thema auch gut in die Heraldik oder Adelsforschungsecke, bei Bedarf dann vielleicht einfach verschieben.
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von X_tian; 01.09.2017, 14:38.
    Gruß Christian
  • katrinkasper

    #2
    Guten Tag,
    spannende Helmzier im Siegel.

    Außer dem Siegel sehe ich nur oben Johann, dann PRINC und ..popel.
    Was mache ich falsch?

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    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 17252

      #3
      Hallo,
      er wird ja nicht alleine gereist sein, sondern vermutlich mit Übersetzern, Leibwächtern, Gepäckträgern usw.

      Einem einzelnen Dahergelaufenen hätte sicherlich niemand etwas geschenkt.
      Daher sehe ich keinen Grund einen Hochstapler zu vermuten.
      Ich vermute die Stadt konnte sich die Rechnung vom Landesherrn, dem eventuellen Gastgeber, bezahlen lassen.

      "babba" bedeutet auf deutsch "Papa"
      "Alibabba" bedeutet auf deutsch "der erhabene Vater"
      Viele Grüsse
      Viele Grüße

      Kommentar

      • holsteinforscher
        Erfahrener Benutzer
        • 05.04.2013
        • 2532

        #4
        Moinsen,

        einen solchen Besuch/Durchreise würde ich nicht unbedingt in Richtung
        *Hochstapelrei* rücken. Als ich diesen Beitrag gelesen habe, fielen mir
        sofort die *Persianischen Häuser* in Kiel ein, vielmehr die Hanse und
        ihere Handelsbeziehungen in Richtung Orient. Ferner gab es schon
        immer einen regen Austausch in Richtung Kultur und Wissenschaft.

        I.d.R. war man schon darüber orientiert, wer da so durch die Lande
        ritt, insbesondere dann, wenn es sich um eine hochkarätige Delegation
        handelte, meist waren solche Reisen auch schon lange angekündigt.

        Hast du vielleicht mal im Netz geschaut, ob es einen solchen Prinzen
        gab…???
        Ist ein solches Ereignis vielleicht in der Stadtchronik vermerkt…???
        Gab es ggf. Gastgeschenke, die sich vielleicht noch im Besitz der Stadt/
        Universität/Landesarchiv befinden könnten…???

        Beste Grüsse von der Kieler-Förde
        Roland
        Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
        Roland...


        Kommentar

        • X_tian
          Erfahrener Benutzer
          • 20.08.2010
          • 176

          #5
          Also zwei Punkte lassen mich nach wie vor an der Echtheit dieses Prinzen zweifeln. Zum einen sein Name. Carol Alexanter ist jetzt nicht unbedingt ein orientalischer Name. Wenn man sich die Namen der dortigen Herrscher anhört, dann müsste ein arabischer Prinz wohl auch eher Mustafa oder Osman heißen.

          Auch das Wappen irritiert mich etwas. Hatten die Türken/Araber eine Heraldik, die mit der europäischen vergleichbar wäre? Das Siegel sieht mir auf jeden Fall so aus, als ob man hier bewusst versuchte, ein europäisches Fürstenwappen zu imitieren.
          Ein originales Siegel hätte doch sicher auch eine arabische Inschrift und/oder Ähnlichkeit mit dem osmanischen Wappen.

          Gegen die These, hier wären persische Reisende gemeint, spricht zumindest, dass er "von Constantinobel" schreibt.
          In der "Heimatliteratur" habe ich dazu leider nichts gefunden.
          Gruß Christian

          Kommentar

          • AKocur
            Erfahrener Benutzer
            • 28.05.2017
            • 1411

            #7
            Hallo,

            nur weil man so einem damals glaubte, heißt aber auch lange nicht, dass er kein Hochstapler war.


            LG,
            Antje

            Kommentar

            • Kasstor
              Erfahrener Benutzer
              • 09.11.2009
              • 13449

              #8
              Hallo,

              Antje hat es ja nicht so genau ausgedrückt, aber in ihrem link ist der von Christian erwähnte wohl aufgeführt ( Name in abgewandelter Form):

              Zwischen 1748 und 1759 reiste ferner ein sich unter anderem Carl alli Bassa Fatime de Suilla nennender Mann in Niedersachsen und Franken als vorgeblicher verfolgter türkischer Prinz oder wahlweise als verfolgter Lutheraner umher, der, teilweise Olivenprinzen [25] imitierend, hohe Almosenentgelte sammelte.

              Frdl. Grüße

              Thomas
              FN Pein (Quickborn vor 1830), FN Hinsch (Poppenbüttel, Schenefeld), FN Holle (Hamburg, Lüchow?), FN Ludwig/Niesel (Frankenstein/Habelschwerdt) FN Tönnies (Meelva bei Karuse-Estland, später Hamburg), FN Lindloff (Altona, Lüneburg, Suderburg)

              Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam

              Kommentar

              • X_tian
                Erfahrener Benutzer
                • 20.08.2010
                • 176

                #9
                Super, ganz herzlichen Dank.
                Schön, dass ich mit meinem Bauchgefühl offenbar richtig lag. Was ich schon kannte, sind die sogenannten Taufbetrüger, also arme und heimatlose Juden, die sich mal hier mal dort katholisch, dann wieder protestantisch taufen ließen, weil es hierfür in der Regel Taufgeschenke und Kost und Logis gab.

                Ich finde die ganze Angelegenheit seit spannend, u.a. weil ich davon fasziniert bin, wie einfach es vor einigen hundert Jahren noch war, sich eine völlig andere Identität zuzulegen.
                Gruß Christian

                Kommentar

                • Anna Sara Weingart
                  Erfahrener Benutzer
                  • 23.10.2012
                  • 17252

                  #10
                  Zitat von christian porzelt Beitrag anzeigen
                  Super, ganz herzlichen Dank.
                  Schön, dass ich mit meinem Bauchgefühl offenbar richtig lag. ....
                  Hallo,
                  so ganz nicht. Schließlich war er ein
                  "Angehöriger der maronitischen katholischen Oberschicht aus dem Libanon, die zwischen 1730 und 1800 in Deutschland Almosen sammelten, um anschließend wieder in ihre Heimat zurückzukehren" - Quelle: http://gaunerkartei.de/orientbetrueger.html

                  Also ein Katholik, ein Christ, ein Aramäer, und kein Araber. Daher könnte Carl Alexander eventuell auch sein richtiger Name gewesen sein.
                  So tragen heutige christliche Flüchtlinge aus Syrien oder Irak auch westliche (christliche) Namen

                  Dass diese Menschen zu solchen Bettel-Reisen sich genötigt sahen, zeigt ja nur, dass es ihnen in ihrer Heimat nicht wirklich gut ging. Sei es weil sie Angehöriger einer unterdrückten Minderheit waren oder wegen Überpopulation
                  Gruss
                  Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 02.09.2017, 13:52.
                  Viele Grüße

                  Kommentar

                  • Kasstor
                    Erfahrener Benutzer
                    • 09.11.2009
                    • 13449

                    #11
                    Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
                    Schließlich war er ein
                    "Angehöriger der maronitischen katholischen Oberschicht aus dem Libanon, die zwischen 1730 und 1800 in Deutschland Almosen sammelten, um anschließend wieder in ihre Heimat zurückzukehren
                    Hallo, Wo steht das denn?
                    Ich lese:
                    1. bedienten sich "Orientbetrüger" einer vorgeblich orientalischen Idendität.
                    2.
                    während Carl alli Bassa Fatime de Suilla unter verschiedenen Namen auftrat und je nach Ansprechpartner seine Idendität wechselte, prinzipiell aber ebenfalls der Maxime der Mischung abend- (Carl, auch Carl Alexander) wie morgenländischer (Fatime, Suilla) Namensformen huldigte. Zusätzlich benutzte er die damals gebräuchliche Form der Amtsbezeichnung eines hohen orientalischen Beamten und Offiziers ("Bassa" als veraltete Bezeichnung von "Pascha"), um seinem Namen mehr Glanz zu verleihen.
                    3. Carl alli Bassa Fatime de Suillas Geschichte ist mangels geeigneter Quellen leider nicht ausführlich zu schildern, doch gab er sich an verschiedenen Stellen in Niedersachsen nach 1748 als ein vertriebener orientalischer Prinz aus, der aus der Türkei geflüchtet, sich in Wien habe christlich taufen lassen.


                    Frdl. Grüße

                    Thomas
                    Zuletzt geändert von Kasstor; 02.09.2017, 14:05.
                    FN Pein (Quickborn vor 1830), FN Hinsch (Poppenbüttel, Schenefeld), FN Holle (Hamburg, Lüchow?), FN Ludwig/Niesel (Frankenstein/Habelschwerdt) FN Tönnies (Meelva bei Karuse-Estland, später Hamburg), FN Lindloff (Altona, Lüneburg, Suderburg)

                    Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam

                    Kommentar

                    • Anna Sara Weingart
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2012
                      • 17252

                      #12
                      Hallo Kasstor
                      Du hast Recht. Da habe ich mich vertan. Gruss
                      Entschuldige Christian!


                      "Zwischen 1748 und 1759 reiste ferner ein sich unter anderem Carl alli Bassa Fatime de Suilla nennender Mann in Niedersachsen und Franken als vorgeblicher verfolgter türkischer Prinz oder wahlweise als verfolgter Lutheraner umher, der, teilweise Olivenprinzen [25] imitierend, hohe Almosenentgelte sammelte."

                      [25] = "Angehörige der maronitischen katholischen Oberschichten aus dem Libanon, die zwischen 1730 und 1800 in Deutschland Almosen sammelten, um anschließend wieder in ihre Heimat zurückzukehren"

                      bezieht sich auf die "Olivenprinzen"
                      Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 02.09.2017, 17:26.
                      Viele Grüße

                      Kommentar

                      • Matthias Möser
                        Erfahrener Benutzer
                        • 14.08.2011
                        • 2269

                        #13
                        Klingt alles ein bißchen wie Felix Krull....

                        Gruß
                        Matthias
                        Suche nach:
                        Gernoth in Adelnau, Krotoschin, Sulmierschütz (Posen)
                        und Neumittelwalde/Kruppa (Schlesien)
                        Spaer/Speer in Maliers, Peisterwitz, Festenberg, Gräditz u. Schweidnitz (Schlesien)
                        Benke in Reichenbach, Dreissighuben, Breslau (Schlesien)
                        Aust in Ernsdorf, Peterswaldau, Bebiolka in Langenbielau (Schlesien)
                        Burkhardt in Nieder-Peterswaldau (Schlesien)
                        Schmidt in Nesselwitz u. Wirschkowitz im Kreis Militsch (Schlesien)

                        Kommentar

                        • Anna Sara Weingart
                          Erfahrener Benutzer
                          • 23.10.2012
                          • 17252

                          #14
                          Immerhin handelte er wohl strafrechtlich legal:

                          "Carl alli Bassa Fatime de Suillas Begehren richtete sich deutlich auf die Erlangung von Geldern, die er nicht zurückzahlen mußte, indem er über ein Jahrzehnt lang einen verarmten Edelmann schauspielerte. Diese Art der Erlangung des Lebensunterhalts kostete zwar viel Mühe und brachte jeweils nur relativ kleine bare Summen ein, aber sie hatte den Vorteil, daß er nicht straffällig und verfolgt wurde, sondern seine Gelder "legal" erworben hatte."

                          Also als Betrüger würde ich ihn demnach nicht bezeichnen, sondern eher als lügnenden Bettler, der eine falsche Identität schauspielerte, bzw. Hochstapler.
                          Mit der Zuweisung des Begriffs Identitätsbetrüger könnte ich aber leben
                          Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 02.09.2017, 18:03.
                          Viele Grüße

                          Kommentar

                          • X_tian
                            Erfahrener Benutzer
                            • 20.08.2010
                            • 176

                            #15
                            Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
                            Immerhin handelte er wohl strafrechtlich legal:
                            Also wenn jemand durch Vortäuschung falscher Tatsachen und einer falschen Identität Gelder von anderen Leuten eintreibt,
                            dann ist das in meinen Augen heute wie vor 250 Jahren illegal.
                            Gruß Christian

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