Kriegsjahr 1809 - Umzug vom 550 Seelen Dorf in ein 50 Seelen Walddorf

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  • Cebete
    Benutzer
    • 09.09.2011
    • 71

    Kriegsjahr 1809 - Umzug vom 550 Seelen Dorf in ein 50 Seelen Walddorf

    Hallo liebe Mitforschenden,

    ich beschäftige mich mit der Frage, warum eine in Sachsen lebende Familie im Jahr 1809 den Wohnort wechselt (Umzug von einem offenliegenden relativ ungeschütztem 550 Seelendorf in ein im Wald liegendes 50 Seelendorf, 25 km entfernt).

    1809 stellt sich nach historischen Unterlagen als Kriegsjahr dar, Sachsen ist durch Napoleon zwangsverbündet mit Frankreich und zu besagtem Zeitpunkt gestürmt von Österreich, da die sächsischen Truppen zur Donau hin abgezogen sind.

    Die Familie lebt seit Generationen im Ausgangsort, fühlt sich wohl hier, besitzt ein großes Haus mit Hof und eigenständiger Arbeit. Kann es also sein, dass die Familie von der Kriegsangst getrieben den Ort vor Ausbruch verlässt?

    Verlässt man so einfach sein Zuhause, wenn zwar bekannt ist, dass Krieg ist, die Truppen aber weit entfernt sind? Vielleicht wird das eigene Dorf ja verschont, könnte man auch denken. Und schließlich weiß man ja auch nicht, wie es im neuen Ort weitergeht.

    Was könnten weitere Gründe für einen Ortwechsel von einem größeren in ein wesentlich kleineres im Wald liegendes Dorf sein?

    Bin auf Euere Meinungen neugierig.

    Beste Grüße
    Cebete
    Gähsnitz bei Ziegelheim: Teichmann Michael *1728
    Wolperndorf bei Jückelberg: Teichmann Johann Gottfried *1765
    Oberlichtenau b. Frankenberg Raum Chemnitz: Bergt Anna Rosina * 1768
    Glasten b. Bad Lausick: Hackert Anna Rosina * 1796
    Glasten b. Bad Lausick: Teichmann Johann Gottlieb * 1804, Einwohner in Großbardau ab 1833
  • Artsch
    Erfahrener Benutzer
    • 14.07.2013
    • 1933

    #2
    Hallo Cebete,

    mir ist aufgefallen, daß es oft dieselben Orte waren, die immer wieder im Krieg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vielleicht waren die Generationen vor Ihnen schon stark gebeutelt worden, so daß man immer neu anfangen mußte.
    Unter auferlegten Kriegslasten in Form von Geld und Materialien, immer wiederkehrende Einquartierungen und von Soldaten mitgebrachte Krankheiten etc... hatte die Bevölkerung zu leiden.
    Dazu mußten die Kämpfe nicht mal in der Nähe sein. Da reichte der Durchzug von Truppen. Die davon unabhängig zutragenden Lasten waren von Ort zu Ort verschieden.

    Abgesehen vom Krieg fand ich bei Wikipedia unter dem Begriff Dorfordnung:
    "Sachsen .... Als Folge der Bevölkerungszunahme und der nicht gestatteten Teilung der Güter entstanden in vielen Dörfern unterbäuerliche Schichten, mündige Bauernsöhne, Gärtner und Häusler beispielsweise, denen die Altgemeinde die Teilnahme an der Flurnutzung verwehrte. Bis zur Landgemeindeordnung von 1838, die die Dorfordnung ablöste, blieben die Spannungen erhalten."
    Möglicherweise hofften sie für ihre Kinder in einem so kleinen Dorf bei einer Vergrößerung eher in Besitz eines zweiten Gutes mit Flurnutzung zu kommen.

    Beste Grüße
    Artsch
    Zuletzt geändert von Artsch; 17.11.2015, 07:05.

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    • Matthias Möser
      Erfahrener Benutzer
      • 14.08.2011
      • 2264

      #3
      Es war für die Dörfer bestimmt kein Vergnügen von ständig marodierenden Truppen besetzt bzw. niedergebrannt zu werde, als ein Beispiel kann man sich die durchziehenden französischen Truppen in der Kurpfalz ansehen, die das Heidelberger Schloß und zahlreiche Dörfer links und rechts des Rheins in Schutt und Asche legten, die Briefe der Liselotte von der Pfalz sprechen da Bände....
      Gruß aus Nordbaden
      Matthias
      Suche nach:
      Gernoth in Adelnau, Krotoschin, Sulmierschütz (Posen)
      und Neumittelwalde/Kruppa (Schlesien)
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      Schmidt in Nesselwitz u. Wirschkowitz im Kreis Militsch (Schlesien)

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      • holsteinforscher
        Erfahrener Benutzer
        • 05.04.2013
        • 2496

        #4
        Hallo Cebete,
        550 Seelendorf in ein im Wald liegendes 50 Seelendorf, 25 km entfernt...,
        solche Voraussetzungen hören sich im ersten Moment nicht besonders
        lukrativ an, aber wie Artsch schon geschrieben hat, können durchaus wirt-
        schaftliche/familiäre Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben.
        Welche Fragen sich aber stellen:
        Wer hat Haus und Hof im Ursprungsdorf übernommen. Ging dieser in fremde
        Hände oder blieb er im Besitz der Familie.
        Evtl. gibt es aus jener Zeit noch sgn. Schuld- u. Pfandprotokolle aus denen
        ersichtlich ist, wer Nachfolger auf dieser Stelle war..??..
        Eine weitere Frage: Gibt es evtl. familiäre Beziehungen ins 50 Seelendorf..??..
        Evtl. besassen die Eltern des Mannes/Frau dort eine Hofstelle die man über-
        nommen hat, um ggf. den Alt-Hof an die Kinder zu übergeben..??..
        LG. von der Kieler-Förde
        Roland
        Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
        Roland...


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        • Cebete
          Benutzer
          • 09.09.2011
          • 71

          #5
          Hallo ihr Lieben,

          zuerst einmal herzlichen Dank für Euere Beiträge. Leider kann ich erst heute antworten wegen einer durchlebten Krankheit in den letzten Wochen.
          Der Ort um den es geht, wurde in der Vergangenheit sicherlich des Öfteren während diverser Kriege oder kriegsähnlichen Handlungen von Truppen heimgesucht. So z.B. auch im schlimmen Jahr 1790, also der Zeit des Bauernaufstandes in Sachsen, der wegen einer Wildplage zustande kam. Im Jahr 1809 marschierte Bernadotte mit dem sächsischen Heer durch Greifenhain, sie waren gerade auf dem Weg zur Donau. Das Dorf liegt in der Nähe von Frohburg an der damals schon vorhandenen Hauptverkehrsverbindung Altenburg – Leipzig relativ offen und ungeschützt. Auch bei Durchsicht einer alten Landkarte des Jahres 1808 zeigt sich diese Situation bereits. Es war auch kaum Wald vorhanden. Der Zielort Glasten allerdings war von sehr viel Wald umgeben.

          Der Wegzug meiner Ahnen 1809 ist nicht daraufhin zurückzuführen, dass schon Verwandtschaft im Zielort lebte. Es gab dort keine Verwandtschaft.
          Die Ahnen haben mit der kompletten Familie, also mit Ehefrau und den vier lebenden Söhnen (12, 5, 4, 4 Wochen), das Dorf verlassen.
          Zu dieser Zeit herrschte noch der fünfte Koalitionskrieg. Man beachte, dass der vierte Sohn erst vier Wochen alt und der Aufbruch im Dezember 1809, also einem sehr strengen Winter war. Auch diese Situation lässt auf eine Flucht schließen. Wie denkt ihr darüber?

          Die Frage mit der Übernahme des Hofs habe ich mir auch gestellt. Danke für den Hinweis mit den Schuld -u. Pfandprotokollen.

          Liebe weihnachtliche Grüße
          Cebete
          Gähsnitz bei Ziegelheim: Teichmann Michael *1728
          Wolperndorf bei Jückelberg: Teichmann Johann Gottfried *1765
          Oberlichtenau b. Frankenberg Raum Chemnitz: Bergt Anna Rosina * 1768
          Glasten b. Bad Lausick: Hackert Anna Rosina * 1796
          Glasten b. Bad Lausick: Teichmann Johann Gottlieb * 1804, Einwohner in Großbardau ab 1833

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          • Magistri
            Benutzer
            • 27.07.2007
            • 61

            #6
            Kriegsjahr 1809 in Sachsen

            Nach der Schlacht von Austerlitz stellten sowohl der Herzog und Kurfürst neuen Truppen in Sachsen auf, wie andererseits Sachsen, Westfalen und Holländer ins X. Korps der französischen Armee in Deutschland rekutriert wurden; was bekanntlich ja oft auch zwangsweise erfolgte. Ich vermute stark das sich Deine Vorfahren dieser Konstellation des gegenseitigen Umbringens entziehen wollten und deshalb in diesen Ort verzogen.

            Magistri
            M.d. NLF
            M.d. Heraldischer Verein "Zum Kleeblatt" zu Hannover

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            • Cebete
              Benutzer
              • 09.09.2011
              • 71

              #7
              Hallo Magistri,

              danke für Deinen Hinweis. 1809 waren die Schlachten von Aspern und Wagram. Bei Aspern wurde Napoleon die erste Niederlage zugefügt, Wagram sechs Wochen später konnte er dann wieder gewinnen wegen Hinzukommen der italienischen Truppen.

              Konnten die Österreicher Aspern gewinnen, weil deren gesamte Streitmacht dort gegen Napoleon kämpfte?

              Vermutlich hatten dann die Österreicher Wagram deshalb verloren, weil sich Teile der Gesamtarmee auf nach Sachsen machten und dieses ungeschützt vorfanden, da Bernadotte zwischenzeitlich mit der sächsischen Armee Sachsen verlassen hatte, um Napoleon zu Hilfe zu kommen?
              Die Frage ist ja auch, weshalb die Österreicher nach Sachsen gingen. Vielleicht wussten sie, dass die sächsische Armee nach Wagram kommen würde und sie wollten diese daran hindern? Wegen unterschiedlicher Wege sind sich die beiden Armeen aber nicht begegnet.
              Waren die Österreicher zu überheblich und zu siegessicher?
              Tatsache ist, dass sie Sachsen besetzten und auch Dörfer verwüstet haben müssen, deshalb wohl die Flucht meiner Ahnen.
              Ich bitte Euch um weitere Gedanken zum möglichen Kriegsgeschehen.

              Liebe Grüße
              Cebete
              Gähsnitz bei Ziegelheim: Teichmann Michael *1728
              Wolperndorf bei Jückelberg: Teichmann Johann Gottfried *1765
              Oberlichtenau b. Frankenberg Raum Chemnitz: Bergt Anna Rosina * 1768
              Glasten b. Bad Lausick: Hackert Anna Rosina * 1796
              Glasten b. Bad Lausick: Teichmann Johann Gottlieb * 1804, Einwohner in Großbardau ab 1833

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              • Ralf-I-vonderMark
                Super-Moderator
                • 02.01.2015
                • 2884

                #8
                Zitat von Cebete Beitrag anzeigen
                Konnten die Österreicher Aspern gewinnen, weil deren gesamte Streitmacht dort gegen Napoleon kämpfte?
                Hallo Cebete,

                hinsichtlich der beiden nun angesprochenen Schlachten von Aspern und von Wagram darf ich zum Schlachtverlauf, zur Strategie und zu möglichen Motiven der Kriegsparteien auf die beiden hervorragenden Artikel in WIKIPEDIA verweisen.
                vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Aspern
                und https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Wagram

                Hinsichtlich der Truppenbewegungen dürfte auch noch die 5 Tage später stattfindende Schlacht von Znaim interessant sein, nach wecher ein am 12.07.1809 in Kraft tretender Waffenstillstand vereinbart wurde.
                vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Znaim

                Spannend dürfte aber die Frage sein, in welchen Rückzugsräumen die Truppen sich vor und nach den Schlachten aufhielten und welche Auswirkung die Versorgung der Truppen für die regionale Bevölkerung hatte.

                Viele Grüße
                Ralf

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                • Artsch
                  Erfahrener Benutzer
                  • 14.07.2013
                  • 1933

                  #9
                  Zitat aus Beitrag 2:
                  "mir ist aufgefallen, daß es oft dieselben Orte waren, die immer wieder im Krieg in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vielleicht waren die Generationen vor Ihnen schon stark gebeutelt worden, so daß man immer neu anfangen mußte.
                  Unter auferlegten Kriegslasten in Form von Geld und Materialien, immer wiederkehrende Einquartierungen und von Soldaten mitgebrachte Krankheiten etc... hatte die Bevölkerung zu leiden.
                  Dazu mußten die Kämpfe nicht mal in der Nähe sein. Da reichte der Durchzug von Truppen. Die davon unabhängig zutragenden Lasten waren von Ort zu Ort verschieden."

                  Hallo Cebete,

                  läßt es sich feststellen, wie hoch die Kontribution-Zahlungen in dem betreffenden Ort waren, was also zum Krieg beigesteuert werden mußte. Waren etwa noch alte Kriegsschulden aus den Jahren davor zu begleichen? Bzw. war der Ort verschuldet? Manche Orte brauchten ein halbes Jahrhundert um sich wieder finanziell zu erholen. Wie war es in dieser Hinsicht in dem Walddorf?

                  Beste Grüße
                  Artsch
                  Zuletzt geändert von Artsch; 30.12.2015, 13:30.

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