Stephanie Herrmann, ermordet am 28.05.1940 in Grafeneck

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  • HGHerrmann
    Erfahrener Benutzer
    • 28.10.2012
    • 150

    Stephanie Herrmann, ermordet am 28.05.1940 in Grafeneck

    Vor ca. 2 Wochen suchte ich den Sterbeort meiner Tante Stephanie Herrmann, laut Angaben des Stadtarchivs Freiburg verstarb sie in Tennenstein Kreis Pirna. Da ich den Ort nirgends finden konnte, wandte ich mich an das Forum. Dort meinte man, das könnte ein Schreibfehler sein. Es könnte Sonnenstein heißen. Nach einer kurzen Internet Suche, fand ich auch sofort die Tötungsanstalt Sonnenstein. Natürlich schrieb ich sofort eine Mail an die Kontaktadresse der Gedenkstätte Sonnenstein. Zu meiner Überraschung wurde mir in weniger als eine Stunde eine Antwort zuteil. Man teilte mir mit, das meine Tante wahrscheinlich in die Tötungsanstalt Grafeneck verbracht wurde. Natürlich schrieb ich sofort die angegebene mail Adresse an. Auch hier wurde mir schnellstens geantwortet. Sie hatten eine Stefanie Hermann aus Freiburg, waren aber nicht sicher, ob es die identische Person ist. Doch er wollte sich sofort an die Epileptiker Einrichtung in Kork wenden. Auch ich nahm Kontakt zu Kork auf, letztendlich bestätigte sich der Verdacht. Stephanie Herrmann war Heiminsassin in Kork. 1940 wurde das Heim in Kork evakuiert, die Menschen nach Stetten im Remstal verbracht. Am 28.05.1940 ging von dort ein Transport mit 75 weiblichen Personen im Alter von 8 bis 65 Jahren nach Grafeneck ab. Der größere Teil der Menschen war zwischen 20 bis 30 Jahren alt.
    Direkt nach Ankunft in Grafeneck wurden die Menschen entkleidet und in die Gaskammer geführt, wo sie mit Kohlenmonoxid vergast wurden. Der Todeskampf soll 20 Minuten gedauert haben. Anschließend wurden die Leichen verbrannt.
    Um noch zusätzlich Geld zu erschleichen, wurden die Todestermine nach hinten verlegt. So bekamen die "Einrichtungen" noch Pflegegeld von den Angehörigen oder wie im Fall meiner Tante, von der Stadt Freiburg.
    Traurig stimmt mich, das niemand meiner Familie von diesen Umständen wußte, niemand richtig um sie trauerte. Mit diesem Bericht möchte ich nicht nur meine Ergreifung schildern, sondern auch eine Erinnerung an meine Tante, die ich nie kennen lernte, stellvertretend für die vielen anderen Opfer dieser Mörder, die nie richtig bestraft wurden.
    Suche Familien Herrmann bislang in Baden und USA und Schweinefleisch in Thüringen und Sachsen.
  • jele
    Erfahrener Benutzer
    • 16.05.2012
    • 2797

    #2
    Hallo HGHerrmann,

    das ist so furchtbar, da fehlen einem einfach die Worte!

    Mein herzliches Beileid

    jele

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    • elwetritsche
      Erfahrener Benutzer
      • 23.03.2013
      • 920

      #3
      Hallo HGHerrmann!

      Erst kürzlich habe ich im TV eine Doku zum Thema Grafeneck gesehen.
      Hier sind die Links dazu:

      Schloss Grafeneck auf der Schwäbischen Alb. Hier starben zwischen Januar und Dezember 1940 etwa 11 000 Menschen durch Kohlenmonoxidgas. Grafeneck war damit der erste Ort im nationalsozialistischen Deutschland, an dem Menschen systematisch und „industriell" ermordet wurden. Die Morde von Grafeneck gehören zu den schrecklichsten Verbrechen der Nationalsozialisten. Die Opfer, meist körperlich oder psychisch beeinträchtigt, stammten aus Krankenanstalten und Heimen im heutigen Baden-Württemberg, in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Die Morde waren Teil der von den Nationalsozialisten sogenannten „Aktion T4" oder „Euthanasie-Aktion". Sie verdeutlichen die menschenverachtende Politik und Ideologie des NS-Regimes und seiner Verantwortlichen. Diese mordeten, weil sie Nahrungsmittel sparen wollten, Platz für Militärlazarette benötigten und weil sie sich von der Ermordung der Schwachen und Kranken eine Gesundung des „Volkskörpers" versprachen. Die Opfer bezeichneten sie als „lebensunwerte Ballastexistenzen" und „seelenlose Menschenhülsen". Im Zentrum dieser Dokumentation stehen drei Opfer und deren Hinterbliebene: Emma Dapp, deren Enkel Hans-Ulrich eine Biografie seiner Großmutter geschrieben hat; Martin Bader, dessen Sohn Helmut das Leben des Vaters recherchiert hat; und Dieter Neumaier, der als Kind ermordet wurde und dessen älterer Bruder ihn nie vergessen hat.




      Aus heutiger Sicht ist es einfach unbegreiflich dass eine Aktion wie die T4 möglich war.
      Liebe Grüße
      Elwe

      Mit ihren Feld- (Rheinhessen), Wald- (Westerwald) und Wiesen- (Kreis Groß-Gerau) Ahnen.

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      • Cardamom
        Erfahrener Benutzer
        • 15.07.2009
        • 2027

        #4
        Hallo HGHerrmann,
        Danke für diese persönliche Geschichte. diese gezielten Tötungen sind so ein unsagbares Grauen. Deswegen finde ich es wichtig, dass an die "vergessenen" Opfer erinnert und ihre Geschichte erzählt wird.

        Cornelia

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        • Artsch
          Erfahrener Benutzer
          • 14.07.2013
          • 1933

          #5
          Auch ich habe einen Onkel, der einen ähnlichen Weg gegangen sein muss. Die Forschung steht mir noch bevor.
          Erschreckend für mich ist, die Einstellung meiner Vorfahren, die dies als Erleichterung empfunden haben. Wieder ein Problem weniger. Kein Hauch der Anteilnahme, nur das war eben so.
          Wie gern hätte ich meinen Opa selbst dazu gehört, der amtlicher Vater dieses Jungen war. Amtlich deswegen, weil der Junge in 1. Ehe während dem 1. Weltkrieg geboren wurde und angeblich mein Opa, nicht als leiblicher Vater in Frage kam. Aus Gründen fehlender finanzieller Möglichkeiten oder fehlenden Wissen, hat er gegen die Vaterschaft nicht geklagt, was böse Mißstimmung in die zweite Ehe gebracht hat.
          Ob er selbst den Jungen in der "Einrichtung" besucht hat, als er aus dem Krieg zurück kam, ist nicht überliefert. Aber seine älteste Tochter besuchte in Begleitung ihren Bruder dort und hatte Gespräche mit ihm, wie ich erst jetzt vor kurzen erfahren habe. Mir wurde immer gesagt, daß dieses Kind, welches um die 15 Jahre oder auch älter wurde, nicht laufen, nicht sprechen und auch sonst nichts alleine konnte und daß der Tod besser für ihn war. Ich habe noch keine Kenntnis in welchem Jahr er "verstarb". Angeblich bald nach Hitlers Machtergreifung, was ich aber inzwischen anzweifle.
          Die älteste Tochter meines Opas hat mir mal erzählt, mein Vater und dieser Junge hätten denselben Rufnamen gehabt und wie ich hier im Forum gelernt habe, ist dies durchaus möglich.
          Mein Vater, der jüngste der Kinder, teilte mir glaubhaft mit, die Zahlungen für das kranke Kind, hätten die sowieso sehr arme Familie um einige Notwendigkeiten gebracht. So gingen die Mädchen ab ihren 6.ten Lebensjahr für ihr Essen arbeiten, die älteste mit 14 aus dem Haus, so das mein Vater annahm, sie wäre eine Tante, wenn sie zu Besuch kam. Sein älterer Bruder erhielt eine gute Ausbildung und kam später im Krieg um.

          Als ich 7 Jahre alt war, verstarb mein Opa. Mein Eindruck war und blieb, ein Mensch mit Herzensbildung. Das er die Meinung seiner Angehörigen so geteilt hat, fällt mir schwer zu glauben.

          Meine Urgroßmutter mütterlicher Seite starb ca. 1921 laut Überlieferung im Irrenhaus. Vorangegangen war eine Operation wegen Bauchschmerzen im normalen Krankenhaus, nach welcher meine Urgroßmutter "unartig" gewesen wäre. Beim ersten Krankenbesuch erklärte man dort, ihrer Tochter(14) und dem Ehemann, wegen dieser Unartigkeit, sei die Überweisung ins Irrenhaus erfolgt. Beim Eintreffen meiner Vorfahren im Irrenhaus, war die Urgroßmutter nicht mehr am Leben. Meine Oma erzählte meiner Mutter, sie verstehe nicht, warum die Tote nun eine Kopfwunde hatte.

          Wenn ich daran denke, beschleicht mich der Verdacht, daß auch ohne Gesetz schon früher die "Unbequemen" entsorgt wurden.

          Hier weiterzuforschen, kostet mich im Moment noch zu viel Überwindung. Das was man findet, muss man auch ertragen können.

          Beste Grüße
          Artsch

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          • OmaMali

            #6
            Stephanie Herrmann

            Hallo Artsch,

            versuch bitte die Kraft zu schöpfen weiter nach deinem Onkel zu forschen, auch wenn er "anders" war.
            Aber auch er hat es verdient nicht vergessen zu werden.
            Es war früher die Unwissenheit über Gefühle, die dazu führten, das Menschen mit "Handycap" zu früh und zu schnell sterben mussten und
            von den Angehörigen totgeschwiegen wurden.

            Trotzdem haben sie auch ein recht auf Erinnerung.
            Behalt auch deinen Opa als Herzenswarm in Erinnerung, da auch er zur Generation der Unwissenden gehörte.
            Gefühle durften/konnten und wollten nicht gezeigt werden, deshalb hat er wahrscheinlich nicht darüber offen
            gesprochen.
            Meine Mutter war genau so. Heute in ihrer schweren Demenz, versucht sie sich bei meiner schwerstbehinderten Schwestern(verstorben) für die Missetaten und die Gefühlskälte zu entschuldigen.

            Gruß
            OmaMali
            Zuletzt geändert von Gast; 13.07.2015, 11:43.

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            • zimba123
              Erfahrener Benutzer
              • 01.02.2011
              • 735

              #7
              Hallo zusammen,

              es ist gut, den Menschen einen Namen zu geben und von ihnen zu erzählen, egal wo, in der Familie oder im Forum oder in Schulen.

              Sehr empfehlenswert: "Nebel im August" von Robert Domes, die Lebensgeschichte des Ernst Lossa, der ebenfalls im Zuge von T4 ermordet worde, weil er aus einer Familie von Jenischen ("Zigeuner") stammte und daher als unwertes Leben galt.

              Viele Grüße

              Simone
              Viele Grüße
              Simone

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              • HGHerrmann
                Erfahrener Benutzer
                • 28.10.2012
                • 150

                #8
                Stephanie Herrmann

                Danke an Alle für ihr Verständnis.
                Mit meiner kleinen Geschichte wollte ich auch den Anstoß dazu geben, einmal Nachforschungen anzustellen, wenn der Todesort in den Jahren 1940 bis 1945 unverständlich ist. Denn zuvor fragte ich mich einfach, wieso meine Tante in Pirna verstorben ist. Vielleicht haben auch andere einen Todesort der ihnen bisher nicht verdächtig vorkam. Allein in Grafeneck, so wurde mir mitgeteilt, sind ca 20 % der Toten noch unbekannt. Auch meine Tante konnte man nicht zuordnen wegen eines Schreibfehlers.
                Schönes Wochenende
                Suche Familien Herrmann bislang in Baden und USA und Schweinefleisch in Thüringen und Sachsen.

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