Schule im 17ten Jhd?

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  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4922

    Schule im 17ten Jhd?

    Hallo,

    ich bin im Taufbuch von Kellberg-Thyrnau b. Passau in Niederbayern über einen Taufeintrag gestolpert bei dem der Schulmeister Jacob Closterbauer als Pate auftritt.

    Das für mich überraschende ist das Datum des Eintrags: 24.4.1654.

    Folgt daraus, daß es in Kellberg um diese Zeit einen privaten Schulbetrieb gab? Mir ist klar, daß die allg. Schulpflicht erst viel später eingeführt wurde, aber wieviele Schüler hat so ein Schulmeister gebraucht um sich unterhalten zu können?

    Gibt es dazu Literatur, weiß jemand mehr?

    Mir geht es dabei nicht um städtische oder gar Klosterschulen, deren Existenz ja bekannt ist, sondern um ländliche Schulen. Mit denen hätte ich so früh nicht gerechnet.

    Gruß
    gki
    Gruß
    gki
  • rigrü
    Erfahrener Benutzer
    • 02.01.2010
    • 2559

    #2
    Als Schulmeister wurden ganz allgemein Lehrer (auf dem Dorf war's meistens nur einer) in ländlichen Schulen bezeichnet. Dass die Schulpflicht später eingeführt wurde, heißt nicht, dass es vorher keine Schulen gab. Wenn auch der Vergleich ein wenig hinken mag: In Sachsen wurden Schulen im Zuge der Reformation auch in den Dörfern flächendeckend im 16. Jahrhundert eingeführt und waren spätestens im 17. Jahrhundert etabliert.
    rigrü

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    • Ahrweiler
      Erfahrener Benutzer
      • 12.12.2009
      • 1063

      #3
      Hallo gki
      Allgemeine Schulpflicht:
      Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1592
      Straßburg 1598
      Sachsen -Gotha 1642
      Braunschweig-Wolfenbüttel 1647
      Württemberg 1649
      Preußen 1717
      Sachsen 1835
      Nachzulesen in Wikipedia.de
      LG
      Franz Josef

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      • rigrü
        Erfahrener Benutzer
        • 02.01.2010
        • 2559

        #4
        Zitat von Ahrweiler Beitrag anzeigen
        Hallo gki
        Allgemeine Schulpflicht:
        Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1592
        Straßburg 1598
        Sachsen -Gotha 1642
        Braunschweig-Wolfenbüttel 1647
        Württemberg 1649
        Preußen 1717
        Sachsen 1835
        Nachzulesen in Wikipedia.de
        LG
        Franz Josef
        Wie trägt diese Liste zur Beantwortung der Frage bei? Zum Thema: Auf die Schnelle hab ich frei zugänglich nur ein etwas antiquiertes Werk gefunden (google USA, Proxyserver): August Kluckhohn: Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Bayern vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. München: Verlag der k. Akademie, 1875. Anbei zwei Doppelseiten, die die Frage vielleicht grob klären können.
        Angehängte Dateien
        Zuletzt geändert von rigrü; 06.02.2012, 12:48.
        rigrü

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        • karin-oö
          Erfahrener Benutzer
          • 01.04.2009
          • 2625

          #5
          Hallo gki!

          Auch vor Einführung der Schulpflicht wurde in manchen Orten auf dem Land schon Unterricht erteilt. Es handelte sich hauptsächlich um religiösen Unterricht (oft auch nur als Sonntagsschule), aber auch Lesen und Schreiben wurde gelehrt. Wochentags wurden meist wurden nur die Kinder von wohlhabenderen Bauern hingeschickt, die sich erstens das Schulgeld und zweitens das Ausfallen einer Arbeitskraft leisten konnten (das war auch nach Einführung einer allgemeinen Schulpflicht noch Jahrzehntelang Anlass zu Streitigkeiten zwischen Lehrer, Eltern und Pfarrer als Schulaufsichtsorgan).
          Die Schule wurde von der Kirche unterhalten, sodass es wahrscheinich auch auf das Vermögen der Kirche ankam, ob man sich einen Schulmeister leisten konnte.

          In meiner Heimatgemeinde im Innviertel (das ja bis 1779 noch bayrisch war) übte der Schulmeister auch den Mesner- und Organistendienst aus, um es auf ein überlebensfähiges Auskommen zu bringen. Vor Einführung der Schulpflicht war er hier außerdem noch Weber. Ich glaube auch nicht, dass er damals schon eine richtige Ausbildung zum Lehrer hatte. Die Kenntnis von Lesen und Schreiben und Sicherheit im Katechismus werden ihn wahrscheinlich ausreichend qualifiziert haben.

          "Meine" Schulmeister sind in den Kirchenbüchern oft als Trauzeugen aufgeführt (vor allem bei nicht einheimischen Brautpaaren), erstens weil sie in der Nähe der Kirche wohnten und leicht gerufen werden konnten, außerdem waren sie auch zeitlich eher abkömmlich als jemand der in der Landwirtschaft arbeitete, und außerdem hat ihm das möglicherweise ein kleines Trinkgeld eingebracht.

          Schöne Grüße
          Karin

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          • rigrü
            Erfahrener Benutzer
            • 02.01.2010
            • 2559

            #6
            Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
            Wochentags wurden meist wurden nur die Kinder von wohlhabenderen Bauern hingeschickt, die sich erstens das Schulgeld und zweitens das Ausfallen einer Arbeitskraft leisten konnten (das war auch nach Einführung einer allgemeinen Schulpflicht noch Jahrzehntelang Anlass zu Streitigkeiten zwischen Lehrer, Eltern und Pfarrer als Schulaufsichtsorgan).
            Die Schule wurde von der Kirche unterhalten, sodass es wahrscheinich auch auf das Vermögen der Kirche ankam, ob man sich einen Schulmeister leisten konnte.
            Gibt es Belege für die Häufigkeit des Schulbesuchs von Bauernkindern oder ist das deine eigene These? "Meist" bedeutet ja, dass es in den häufigsten Fällen so war. Wo kann ich das nachlesen?

            Und wenn du oben etwas von Schulgeld schreibst, dürfte das Vermögen der Kirche ja für die Unterhaltung eines Schulmeisters nicht so wichtig gewesen sein, oder?

            Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
            In meiner Heimatgemeinde im Innviertel (das ja bis 1779 noch bayrisch war) übte der Schulmeister auch den Mesner- und Organistendienst aus, um es auf ein überlebensfähiges Auskommen zu bringen. Vor Einführung der Schulpflicht war er hier außerdem noch Weber. Ich glaube auch nicht, dass er damals schon eine richtige Ausbildung zum Lehrer hatte. Die Kenntnis von Lesen und Schreiben und Sicherheit im Katechismus werden ihn wahrscheinlich ausreichend qualifiziert haben.
            Das kenne ich aus meiner Gegend in Sachsen genauso. Schulmeister waren teilweise gleichzeitig Lehrer, Küster, Glöckner, Organist und Gerichtsschreiber und waren außerdem bei den Amtsgeschäften des Pfarrers zugegen.

            Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
            "Meine" Schulmeister sind in den Kirchenbüchern oft als Trauzeugen aufgeführt (vor allem bei nicht einheimischen Brautpaaren), erstens weil sie in der Nähe der Kirche wohnten und leicht gerufen werden konnten, außerdem waren sie auch zeitlich eher abkömmlich als jemand der in der Landwirtschaft arbeitete, und außerdem hat ihm das möglicherweise ein kleines Trinkgeld eingebracht.
            Ich glaube nicht, dass die Nähe zur Kirche für die Auswahl der Trauzeugen von Bedeutung war. Bei Taufen leuchtet das ein, bei Trauungen nicht. Von einem Trinkgeld für Trauzeugen hab ich noch nichts gehört, eher andersrum, wer Trauzeuge war, musste ein Geschenk mitbringen.

            Interessant, wie unterschiedlich es doch damals zugegangen zu sein scheint...
            rigrü

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            • karin-oö
              Erfahrener Benutzer
              • 01.04.2009
              • 2625

              #7
              Hallo rigü!

              Was ich angeführt habe, sind die Erkenntnisse, die ich aus Auswertung der kirchlichen Unterlagen in meiner Heimatgemeinde gezogen habe.

              Dort gibt es umfangreiche Akten, in denen sich der Pfarrer über die Unregelmäßigkeit des Schulbesuchs beschwert. Er suchte jahrelang nach Möglichkeiten, wie die Eltern davon zu überzeugen waren, dass ein Schulbesuch wichtiger für die Kinder sei als die Arbeit auf dem Feld. Außerdem wird über die Schwierigkeiten des Lehrers berichtet, zu seinem Geld zu kommen, und über die mangelnden Maßnahmen, die Eltern dafür zu bestrafen, die Kinder nicht zur Schule zu schicken.
              Alles in allem wirklich interessante Aufzeichnungen!

              Auch wenn das Geld für die Bezahlung des Lehrers von den Eltern kam, so hatte die Kirche(ngemeinde) doch das Schulgebäude, das dem Lehrer auch als kostenlose Wohnung diente, zu unterhalten.

              Das mit dem Lehrer oder Mesner als Trauzeugen, vor allem bei Hochzeiten von Auswärtigen und Unvermögenden, kam in meiner Pfarre sehr häufig vor, und auch in den umliegenden Pfarren habe ich es öfter gesehen.
              Meiner Erfahrung nach kam das bei Hochzeiten und nicht bei Taufen vor, denn als Taufpate übernahm man ja eine gewisse Verantwortung für das Kind, als Trauzeuge war man aber doch "nur" Zeuge bei einer Amtshandlung des Pfarrers.

              Schöne Grüße
              Karin

              Schöne Grüße
              Karin

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              • Rolf Stichling
                Erfahrener Benutzer
                • 21.06.2011
                • 791

                #8
                Die Situation der Lehrer

                Hallo zusammen!

                Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
                Was ich angeführt habe, sind die Erkenntnisse, die ich aus Auswertung der kirchlichen Unterlagen in meiner Heimatgemeinde gezogen habe.
                ...
                Auch wenn das Geld für die Bezahlung des Lehrers von den Eltern kam, so hatte die Kirche(ngemeinde) doch das Schulgebäude, das dem Lehrer auch als kostenlose Wohnung diente, zu unterhalten.
                ...
                Zu meinen Vorfahren gehört ein "Mädchenschullehrer" in Mohrungen (also einer ländlichen Kleinstadt) in Ostpreußen.
                Er war gleichzeitig der Glöckner. Ihm wurde kein Schulgebäude zur Verfügung gestellt, in dem er unterrichten konnte und auch wohnte, sondern er hatte selbst ein Haus gekauft, in dem er einen Raum als Klassenzimmer bereitstellte.
                Aber immerhin, auch den Mädchen wurde damals in Preußen Unterricht angeboten!
                Noch viele Jahrzehnte später, als Preußen nach den Napoleonischen Kriegen die zuvor französisch besetzten linksrheinischen Gebiete übernahm und dort die Schulpflicht (zum Teil gegen großen Widerstand der Eltern) durchsetzte, kann man aus den Eintragungen in den Personenstandsregistern ersehen, daß ein großer Teil der Männer und Frauen des Lesens unkundig waren.
                Herzliche Grüße und viel Erfolg bei der Suche nach den Ahnen.
                :vorfahren:
                Rolf Stichling

                PS. Ich suche die Herkunft von

                Tobias Stichling. Er erhielt als Gürtlermeister 1697 in Weimar das Bürgerrecht und stammt dem Bürgerbuch nach aus Erfurt.
                In Erfurt gibt es aber so viele Stichlinge! Von welchem Zweig der Stichlinge in Erfurt mag mein Tobias abstammen?
                1688 hat er seine Lehre als Gürtler in Erfurt beim Gürtlermeister Hucke begonnen. Jetzt suche ich die Eltern von Tobias.

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                • rigrü
                  Erfahrener Benutzer
                  • 02.01.2010
                  • 2559

                  #9
                  Hallo Katrin,

                  verutlich hab ich wohl eine Verallgemeinerung herausgelesen wo du nur deinen Heimatort gemeint hast. Ich denke, man sollte immer genau dazuschreiben, worauf man sich bezieht, vor allem Ort und Zeit, sonst können schnell Missverständnisse entstehen.

                  Unregelmäßige Schulanwesenheit findet sich in meinem Heimatdorf noch im 19. Jahrhundert, allerdings war die Zahl der Kinder, die die Schule nicht oder nur sehr unregelmäßig besuchten, relativ gering. Auch finanzielle Schwierigkeiten sowohl des Pfarrers als auch der Lehrer waren häufig anzutreffen, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, als das Einkommen der kirchlichen Angestellten gesetzlich geregelt wurde.
                  Weil du ansprichst, dass das Schulgebäude von der Kirchgemeinde unterhalten wurde; hast du Beispiele dafür, dass ein Schulmeister nicht angestellt wurde, weil der Kirchgemeinde die Unterhaltung des Schulhauses zu teuer war?
                  rigrü

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                  • karin-oö
                    Erfahrener Benutzer
                    • 01.04.2009
                    • 2625

                    #10
                    Zitat von rigrü Beitrag anzeigen
                    Hallo Katrin,

                    Weil du ansprichst, dass das Schulgebäude von der Kirchgemeinde unterhalten wurde; hast du Beispiele dafür, dass ein Schulmeister nicht angestellt wurde, weil der Kirchgemeinde die Unterhaltung des Schulhauses zu teuer war?
                    Auch hier kann ich wieder nur von meiner Heimatgemeinde sprechen, wo nach Einführung der Schulpflicht einfach das Mesnerhaus als Schulhaus erklärt wurde und der Mesner Unterricht erteilen musste, bzw. der Lehrer auch Mesner war.

                    Kommentar

                    • Michel85
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2011
                      • 312

                      #11
                      Mein Ort (bei Darmstadt) hatte als Beispiel bereits 1570 die erste kleine Schule. Dazu wurde die ursprünglich katholische und ab 1545 evangelische Kapelle umgebaut. Ab 1604 wurde dann das neu gebaute Kantorhaus dafür genutzt. Beide Gebäude stehen sogar heute noch. Sollte vielleicht auch dazu sagen, dass mein Ort bis zum 30-jährigen Krieg die Stadtrechte besaß und damals wohl "wichtiger" war wie heute.
                      Suche:
                      SAUERWEIN vor 1660 (z.B. Eltern und Geschwister von Christoph Sauerwein,*1649 evtl. Kleestadt, +1728 Schlierbach) /
                      KREBS (Eltern von Johann Nikolaus Krebs *1736 Kleestadt, +1813 Kleestadt)

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                      • Mechthild

                        #12
                        Hallo gki,

                        Auszug aus der Geschichte der Schulen Adlkofen (liegt rund 8 km östlich von Landshut)

                        Die planmäßige Unterweisung der Kinder ging ursprünglich allein von den Klöstern und dann vom Weltklerus aus. Schon auf der bayrischen Synode in Neuching bei Erding 722! beschlossen die Bischöfe und Äbte, die Geistlichen nach der Bevölkerungszahl zu verteilen und die Seelsorgbezirke genau zu umschreiben. Zu den Pflichten der Pfarrer gehörte u. a. auch der Schulunterricht, besonders die Pflege des Gesanges, daß dieser nicht "so bäuerlich klinge"

                        Zur Zeit des 30jährigen Krieges wurde der Name eines Lehrers in Adlkofen überliefert: Der Lehrersohn Johann Widhof wurde im Turm der Kirche vom Blitz erschlagen, 1659 kam eine Lehrersgattin mit ihrem 7jährigen Sohn ums Leben


                        Schöne Grüße
                        Mechthild

                        Kommentar

                        • gki
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.01.2012
                          • 4922

                          #13
                          Hallo beisammen,

                          vielen Dank für die informativen Beiträge, das hilft mir, meine "Entdeckung" in ein neues Licht zu setzen.

                          Einen Beitrag hab ich noch:

                          Um 1830 in Breitenberg b. Wegscheid bekam der Lehrer von den Eltern pro Kind drei Kohlköpfe.

                          Quelle: irgendwo bei Google-Book...

                          Gruß
                          gki
                          Gruß
                          gki

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                          • Garfield
                            Erfahrener Benutzer
                            • 18.12.2006
                            • 2169

                            #14
                            Dass Lehrer in Naturalien bezahlt wurden, habe ich letztens irgendwo gelesen. Ich glaube, es ging um eine Malerei von einem Schulzimmer (geschätzt 19. Jhd., bin aber nicht mehr sicher).

                            Betreffend Literatur habe ich eben geschaut (ist mein Arbeitsgebiet ), es gibt jede Menge Literatur zu historischer Pädagogik. Leider scheint das 17. Jhd. relativ schlecht erforscht zu ein oder ist unter anderen Begriffen (Epochen) zu finden.

                            So spontan fiel mir das Buch hier auf:
                            Das Rheinland als Schul- und Bildungslandschaft (1250-1750) / Andreas Rutz (Hg.). Köln : Böhlau Verlag, 2010. ISBN 978-3-412-20335-1.
                            Link zum Inhaltstext

                            Soll ich noch nach weiterer Literatur suchen?
                            Viele Grüsse von Garfield

                            Kommentar

                            • Mariolla
                              • 14.07.2009
                              • 1696

                              #15
                              Hallo zusammen,
                              es betrifft hier allerdings den Burgenlandkreis und die Besoldung der
                              Lehrer, ist aber sehr schön erklärt.
                              Quelle: „Aus der guten alten Zeit“ von Lic. Walter Nordmann, Pfarrer
                              Druck und Verlag von H. Sieling, Naumburg a.d.S. 1929

                              Viele Grüße Mariolla
                              Angehängte Dateien

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