Woher die Pastoren das Alter wussten. Gedanken zu einem Rätsel.

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 7318

    Woher die Pastoren das Alter wussten. Gedanken zu einem Rätsel.

    Hallo zusammen!

    Hier habe ich einen Sterbeeintrag aus dem Jahre 1736. Oder sollte ich besser Beerdigungseintrag sagen, denn das Sterbedatum wird ja gar nicht erwähnt?

    "Den 18 Mart(ii): hat Andr(eas): Sternb(erg). s(eine). Frau Wolborg Gerecken begraben laßen ihres Alters 35 Jahr 1 M(onat). 2 W(ochen). 2 T(age). u(nd). 1 1/2 Stund(en)."

    Das hat man häufig: Der Pastor gibt das Sterbealter an, was er errechnet haben muss, wozu er genau zwei Daten benötigt, nämlich das Geburtsdatum und das Sterbedatum. Das Sterbedatum wird ganz oft nicht im Kirchenbuch notiert. Die Beerdigung war wichtiger. Dafür gab es nämlich Geld! Aber sehr wahrscheinlich wird der Pastor (oder wer auch immer das Buch geführt hat) das Sterbedatum noch gewusst haben wenn er (hoffentlich zeitnah!) die Beerdigung eingetragen hat.

    Interessanter ist die Frage, ob der Pastor immer im Bilde war, wann der Verstorbene geboren wurde. Oft kennen wir heute den Geburtstag der Vorfahren nicht, da keine Kirchenbücher erhalten sind. Zum Zeitpunkt des Todes eines Menschen, dessen Alter der Pastor ausrzuechnen imstande war, müssen diese Bücher aber noch existiert haben. Oder irgendwelche anderen Dokumente, aus denen der Tag der Geburt hervorging. Im Kirchenbuch liest man häufig nur, wann jemand getauft wurde. Wie konnte jemand aus dem Taufdatum das exakte Alter errechnen? Woher kannte der Pastor überhaupt das Taufdatum eines Menschen, der vielleicht 90 Jahre vorher ganz woanders geboren wurde? Oder gar dessen Geburtstag?

    Zurück zu Wolborg Gercke, die erstens in ihrem Sterbeort geboren wurde und deren Geburtseintrag aus dem Jahre 1701 auch tatsächlich bekannt ist:

    "Den 28 Januarÿ hat der Liebe Gott Hanß Hinrich Gercken ein Töchterlein bescheret, welches den 31 t(en) getauffet, und Anna Walpurg genennet, Gevattern Walpurg Lüders Jochim Gercken von Hamersleb(en) Frau, Adelheit Schliephaken, Hans Kahmans Frau, und Andreas Barnbeck."

    Dieser Eintrag ist erstklassig! Geburts- und Taufdatum sind angegeben. Nun wollen wir mal Schritt für Schritt vom Beerdigungsdatum zurückrechnen:

    Beerdigung fand am 18. März 1736 statt.
    Minus 35 Jahre: 18. März 1701.
    Minus 1 Monat: 18. Februar 1701.
    Minus 2 Wochen: 4. Februar 1701.
    Minus 2 Tage: 2. Februar 1701.

    Das Ergebnis hat natürlich mit dem wirklichen Geburtstag nichts zu tun, denn es wurde ja vom Beerdigungsdatum zurückgerechnet, nicht vom Sterbedatum, welches wir nicht kennen. Aber der Pastor wird das Sterbedatum gewusst haben. Wir wissen es nicht, können es aber errechnen, denn zum Glück ist uns der Geburtstag bekannt. Schritt für Schritt also retour:

    Geburtstag am 28. Januar 1701.
    Plus 35 Jahre: 28. Januar 1736.
    Plus 1 Monat: 28. Februar 1736
    Plus 2 Wochen: 13. März 1736 (1736 war ein Schaltjahr).
    Plus 2 Tage: 15. März 1736.

    Das Ergebnis könnte passen. Wer am 15. März gestorben ist, könnte tatsächlich am 18. März begraben sein.

    Nun stellt sich noch die Frage, wie der Pastor auf die anderthalb Stunden kommt. Er wusste zum Zeitpunkt der Niederschrift der Beerdigung sicherlich noch das Sterbedatum, welches ja nicht lange zurücklag. Er kannte aber offensichtlich auch die genaue Stunde des Todes. Vielleicht hat er sich Notizen gemacht, anhand derer er den Eintrag im Kirchenbuch erstellt hat. Notizen, die mehr Informationen enthielten als er uns weitergeben wollte. Was mich wundert ist, woher er nach 35 Jahren noch die genaue Stunde der Geburt wusste. Im Kirchenbuch ist sie nicht verzeichnet. Wurden denn parallel zu den Kirchenbüchern Aufzeichnungen geführt über die exakte Stunde der Geburt und des Todes? Wenn ja, warum hat man das nicht gleich in das Kirchenbuch eingetragen. Manchmal findet man solche Angaben, meistens aber nicht. Ich glaube nicht, dass der Pastor sich diese anderthalb Stunden ausgedacht hat. Was für Unterlagen könnten der Überlieferung dieses Details zugrunde gelegen haben? Wenn es solche Aufzeichnungen gegeben hat, könnten sie vielleicht noch irgendwo archiviert sein und uns wertvolle Hilfe leisten. Oder hat man irgendwann alles weggeworfen, was nicht Kirchenbuch war?

    Viele Grüße
    consanguineus






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  • DiWiKaBiLiSch
    Erfahrener Benutzer
    • 10.10.2015
    • 427

    #2
    Hallo,

    vielleicht wusste der Pastor die Geburtsstunde nicht und Wolburg ist um 1:30 Uhr morgens verstorben?
    Viele Grüße
    Julius

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    • eifeler
      Erfahrener Benutzer
      • 15.07.2011
      • 1336

      #3
      Guten Tag,

      wie "kannte der Pfarrer...die genaue Stunde des Todes"?

      Weil er evtl. "die letzte Ölung" bzw. "Aussegnung" vorgenommen hat!?

      "Wenn es solche Aufzeichnungen gegeben hat, könnten sie vielleicht noch irgendwo archiviert sein und uns wertvolle Hilfe leisten. Oder hat man irgendwann alles weggeworfen, was nicht Kirchenbuch war?"

      Oft waren die Pfarrer ja auch die Gemeindechronisten, die sich sicherlich entsprechende Notizen gemacht haben und diese, nach Verwendung, entsorgt haben.


      Gruß und schöne Pfingsttage
      Der Eifeler
      Zuletzt geändert von eifeler; 08.06.2025, 15:25.

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      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 7318

        #4
        Zitat von eifeler Beitrag anzeigen
        wie "kannte der Pfarrer...die genaue Stunde des Todes"?

        Weil er evtl. "die letzte Ölung" bzw. "Aussegnung" vorgenommen hat!?

        "Wenn es solche Aufzeichnungen gegeben hat, könnten sie vielleicht noch irgendwo archiviert sein und uns wertvolle Hilfe leisten. Oder hat man irgendwann alles weggeworfen, was nicht Kirchenbuch war?"

        Oft waren die Pfarrer ja auch die Gemeindechronisten, die sich sicherlich entsprechende Notizen gemacht haben und diese, nach Verwendung, entsorgt haben.
        Hallo eifeler,

        letzte Ölung eher nicht in unserer erzlutherischen Gegend. Und die Aussegnung findet nach dem Tode statt. Es wird aber sein, wie Du sagst, dass der Pastor sich Notizen zur Todesstunde gemacht hat. Muss so gewesen sein, sonst wüsste er diese ja nicht mehr.

        Nur beantwortet das nicht die Frage, woher er ohne vorliegenden Kirchenbucheintrag sein Wissen über Details der Geburtsstunde schöpft, die ja auch deutlich länger zurückliegen kann als die 35 Jahre in diesem Falle. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es da eine Zettelsammlung zu jedem Gemeideglied gibt, die erst nach dessen Tod entsorgt wird.

        Beispielsweise habe ich einen Vorfahren, der von weiter her in das Dorf gezogen ist. Er starb viele Jahrzehnte nach seinem Zuzug in das Dorf in hohem Alter. In seinem Sterbeeintrag wird dieses Alter auf den Tag genau angegeben. Woher wusste der Pastor, wann genau mein Vorfahre geboren wurde? Es sind keinerlei Unterlagen überliefert, aus denen diese Information hervorgeht. Übrigens stimmt der aus der Altersangabe errechnte Geburtstag exakt mit dem im Heimatkirchenbuch angegebenen Datum überein. Und dazwischen lag soagr noch die Kalenderreform!

        Dir auch ein frohes Pfingsfest!
        consanguineus

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        • OlliL
          Erfahrener Benutzer
          • 11.02.2017
          • 5767

          #5
          Es gibt übrigens 2 mögliche Daten vom Geburtsdatum ausgehend. Je nachdem ob man zuerst Jahre, dann Monate usw. addiert, oder erst Tage, dann Monate usw...

          15.03.1736 oder 12.03.1736 als mögliches Sterbedatum - aber - ich weiß, das war eigentlich nicht deine Frage .

          Ich sehe es da eher wie DiWiKaBiLiSch.

          Es geht also eher darum, das sie 3 Tage alt war -> 2 Tage und 1 1/2 Stunde, da sie am 3. Tag morgens um 1:30 Uhr starb. So würde ich das verstehen.
          Zuletzt geändert von OlliL; 08.06.2025, 16:28.
          Mein Ortsfamilienbuch Güstow, Kr. Randow: https://ofb.genealogy.net/guestow/
          Website zum Familienname Vollus: http://www.familie-vollus.de/

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          • consanguineus
            Erfahrener Benutzer
            • 15.05.2018
            • 7318

            #6
            Zitat von OlliL Beitrag anzeigen
            Es geht also eher darum, das sie 3 Tage alt war -> 2 Tage und 1 1/2 Stunde, da sie am 3. Tag morgens um 1:30 Uhr starb. So würde ich das verstehen.
            Das ist eine sehr interessante Sichtweise, auf die ich im Leben nicht gekommen wäre. Vielen Dank!

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            • Eva64
              Erfahrener Benutzer
              • 08.07.2006
              • 838

              #7
              Warum wusste der Pfarrer genaue Daten? Weil er mit den Angehörigen geredet hat, weil er im Dorf gelebt hat? Da fand noch Kommunikation statt. Und die Frau war so jung, dass ihre Eltern evtl. noch gelebt haben und das sogar noch gewusst haben.

              Und warum wurden oft nur Tauf- und Beerdigungsdaten im Kirchenbuch festgehalten? Nicht weil es dafür Geld gab, sondern weil das für die Kirche die wichtigen Daten waren und sind. Mit dem Tag der Taufe gehört der Mensch zur Kirche und mit dem Tag der Beerdigung respektive Aussegnung, wird der Mensch aus diesem Kreis in Gottes Hand gegeben.
              Mich nervt das, wenn man immer unterstellt, dass die Kirche immer nur Geldgeil war und ist.

              Grüße
              Eva

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              • Altmark-Forscher-2020
                Benutzer
                • 26.05.2020
                • 90

                #8
                Die Besoldung der Pfarrer/ Pastoren und Küster/ Organsisten war früher ebenso geregelt das neben der Pfründe und einem kleinen Gehalt die Stolgebühren, die feststanden, für Trauungen, Taufen, Einsegnung der Kindsmutter, Berdigungen, Ausstellen von Scheinen u.am, sowie die Kirchenstrafen, zum Einkommen gehörten, ebenso wie die festgeschriebenen Naturalien z.B. die Martinsgans ( sehr schön zu sehen in dem alten Film die Heiden von Kummerow)
                So mancher konnte oder wollte sich das nicht leisten, dann steht auch mal im Kirchenbuch N.N. hat sein verstorbenes Kind selbst begraben.

                Die Kirchenbücher sind deshalb oft doppelt, so konnte der Pastor und der Küster nachweisen für welche Dienste sie bezahlt wurden.
                Bis zur Reformation war es eine feste Glaubensüberzeugung das man sein Seelenheil im Fegefeuer durch Geldzahlungen/Schenkungen erleichtern konnte.

                Das kann man als geldgeil bezeichnen, hatte aber zeitbezogen immer ganz reale Gründe

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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 7318

                  #9
                  Zitat von Eva64 Beitrag anzeigen
                  Mich nervt das, wenn man immer unterstellt, dass die Kirche immer nur Geldgeil war und ist.
                  Hallo Eva,

                  es lag mir fern, "der Kirche" zu unterstellen, dass sie "geldgeil' sei. Sie ist, um bei diesem Begriff zu bleiben, nicht geldgeiler als jedes andere Wirtschaftsunternehmen auch.

                  Was ich meinte ist, dass der Pastor dafür bezahlt wurde, eine Amtshandlung durchzuführen. Also hat er diese Amtshandlung (zum Beispiel die Beerdigung) im Kirchenbuch notiert. Wenn er ein Guter war, ist das Sterbedatum auch festgehalten. Aber für den Tod eines Menschen wurde er ja nicht entlohnt. Musste er genaugenommen also auch nichts dazu schreiben.

                  Im Prinzip wie bei einem Klempner. Auf dessen Rechnung steht, dass er das Klo repariert hat. Nicht, dass es kaputtgegangen ist.

                  Frohe Pfingsten wünscht
                  consanguineus
                  Daten sortiert, formatiert und gespeichert!

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                  • Prinzessin LiSi
                    Erfahrener Benutzer
                    • 16.06.2020
                    • 722

                    #10
                    Hallo Consanguineus,
                    diese Frage habe ich mir auch schon oft gestellt, wobei ich keine Stundenangabe beim Alter für erwachsene Verstorbenen kenne.
                    Bis jetzt habe ich zwei Vermutungen:
                    1. Die Angehörigen, die den Tod vermelden, bzw. den Pfarrer ans Sterbebett rufen, kennen den Geburtstag oder der Totkranke nennt dem Pfarrer noch den Geburtstag.
                    2. Dem Pfarrer liegt das Taufbuch (das auch uns noch vorliegt) vor.
                    Besonders im zweiten Fall finde ich häufig die tagesgenaue Altersangabe, allerdings auch mit sehr vielen Rechenfehlern.
                    Manchmal kann man darüber die Taufe des Verstorbenen eindeutig identifizieren, wenn es Namen im Ort häufiger gibt.
                    Ab und zu zementiert der Pfarrer auch Verwechslungen: Wenn er rückwirkend die falsche Taufe des Verstorbenen heraussucht, daran das falsche Sterbedatum notiert und beim Begräbnis tagesgenau das falsche Alter. In einem Fall weiß ich durch Angaben bei einer Hochzeit, dass es genau so gelaufen sein muss.
                    VG LiSi

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