Gentest bei MyHeritage. Wird hier zuviel verspochen?

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  • Bernd aus Ostwestfalen
    Erfahrener Benutzer
    • 05.10.2014
    • 129

    Gentest bei MyHeritage. Wird hier zuviel verspochen?

    Ich bin seit etwa 15 Monaten Mitglied bei MyHeritage. Und habe zusammen mit meiner Frau einen Gentest gemacht. Zuerst war ich begeistert. Es wurden Verwandte in Amerika und Dänemark angezeigt von denen ich keine Ahnung hatte. Und die Forschungsmöglichkeiten, der Zugriff auf genealogische Daten aller Art, sind wirklich überwältigend und lohnen sich.
    Aber bei den DNA-Ergebnissen stellt sich über wenige Nahtreffer hinaus steigender Frust und Ernüchterung ein. MyHeritage zeigt mir jeden Tag mehrere neue Treffer an. Zusammen mit meiner Frau sind es inzwischen etwa 13600 (!). Ich habe sie mir alle angeschaut (bin Rentner mit viel Zeit). Und da geht der Frust los. Keine Ahnung wie MyHeritage auf die Idee kommt ich bzw. meine Frau könnten mit diesen Menschen verwandt sein. Wir sind es definitiv nicht.
    Zur Klarstellung: Bei den meisten Treffern gibt MyHeritage eine geringe Wahrscheinlichkeit einer Verwandtschaft an. Da erwarte ich nichts und inzwischen auch nichts mehr von der Angabe „mittlere Wahrscheinlichkeit“. Aber es gibt hunderte Treffer ohne diese Einschränkungen. Meist mit einer genetischen Übereinstimmung um die 0,5-0,8%. Aber auch da – nichts!
    Es ist mir klar dass die meisten dieser angeblichen Nahtreffer unbestimmt bleiben müssen weil allzu viele MyHeritage-Teilnehmer keinen Stammbaum einstellen oder eine nicht einsehbare Familienseite haben. Aber es gibt genügend Seiten wo diese Einschränkungen nicht bestehen.
    Inzwischen bin ich der Meinung dass MyHeritage bei den DNA-Ergebnissen ganz einfach zu viel verspricht was nicht gehalten werden kann. Oder mache ich was falsch? Mein Stammbaum (2500 Eintragungen) ist in 40-jähriger Arbeit sorgfältig recheriert.
    Ich hätte gern mal Eure Erfahrungen/Meinungen gehört bevor ich mich bei MyHeritage abmelde.

    Bernd aus Ostwestfalen
  • HelenHope
    Erfahrener Benutzer
    • 10.05.2021
    • 1050

    #2
    Hallo Bernd,
    Ich mache das jetzt seit 3-4 Jahren und kann deinen Frust verstehen. Es kann sehr sehr schwer sein, ein Match zuzuordnen, die Gründe sind vielfältig:

    - es gibt keine verwertbaren Anhaltspunkte in Form von nützlichen Stammbaumdaten
    - die Stammbaumdaten sind zuweilen komplett inkorrekt
    - die genetische Verbindung stimmt nicht unbedingt immer mit der Papierdokumentation überein
    - die genetische Verbindung ist derart alt, dass es keine ausreichende Dokumentation gibt, die eine Zuordnung ermöglicht
    - du hast selbst nur einen kleinen Teil der DNA deiner Familie geerbt, ohne weitere Tests von Familienmitgliedern entgehen einem wertvolle DNA-Segmente
    - es gibt falsch negative und falsch positive Ergebnisse. D.H. es gibt tatsächlich Matche, die eigentlich angezeigt werden müssten, aber nicht werden, und solche, die angezeigt werden, aber nicht echt sind
    - excess IBD und anderweitig geartete Pile-Ups erzeugen Matche, die allerdings nicht auf Verwandtschaft zurückgehen


    Die Anbieter versprechen grundsätzlich zu viel, und das sage ich als absoluter Fan der DNA-Genealogie. Allerdings darf man seine Erwartungen auch wirklich nicht zu hoch setzen. Und gerade weil in Deutschland die Menschen der Testung sehr kritisch gegenüberstehen und Ahnenforschung generell kein verbreitetes Hobby ist, ist es für uns Deutsche ganz besonders schwierig, zu Ergebnissen zu kommen - es fehlt einfach eine brauchbare Datengrundlage.
    Erfahrungsgemäß braucht es aber auch viel Geduld in Form von Zeit ins Land gehen lassen, denn trotz aller Vorsicht kommen jedes Jahr neue Tester hinzu, und das erhöht natürlich die Chancen. DNA-Genealogie ist kein kurzfristiges Hobby, bei dem man in kurzer Zeit möglichst viel zuordnet, sondern eines, bei dem man viel forschen muss. Ich erstelle immer wieder Stammbäume für Matches, bzw. ergänze ihre Bäume, teilweise habe ich schon Registerkopien besorgt, um die Lösung zu finden. (Mein Rekord war ein Match mit nur einer Person im Baum, den ich durch das Geburtsregister dieser Person, das ich in Kiel bestellt hatte, letztlich zuordnen konnte - inklusive mehrere der mit ihm geteilten Matche).


    In der Community (bei facebook) raten wir gundsätzlich, bei Ancestry zu testen und bei MyHeritage hochzuladen, denn Ancestry als größte Datenbank bietet weitere Möglichkeiten.
    Alle Anbieter haben ihre Schwächen und Stärken, die eierlegende Wollmichkuhsau gibt es definitiv nicht. Die besten Ergebnisse erzeugt man sicherlich, indem man bei möglichst vielen der gängigen Datenbanken belegt. Erfahrungsgemäß kann es durchaus sein, dass ein Match bei Ancestry keinerlei Daten hinterlegt hat, aber auf einer anderen Plattform der Baum zu finden ist.


    Ich würde nicht dazu raten, deine Daten bei MH zu löschen, aber wenn du ein Abo hast, mach doch eine Pause. Letztlich musst du ja ganz allein entscheiden, ob es dir sinnvoll erscheint oder nicht. Ich kann nur sagen, aus Erfahrung - kommt Zeit, kommt Rat, und das trifft eben auch auf das Zuordnen der Matches zu. Der Frust gehört wohl manchmal einfach dazu, weil sich niemand gerne im Kreis dreht.

    Kommentar

    • Gastonian
      Moderator
      • 20.09.2021
      • 5434

      #3
      Hallo Bernd:

      Sogenannte "false positives" (also angezeigte Matches, die eigentlich keine sind) sind tatsächlich ein Problem. Bei einer Segmentlänge von 7 cM (also etwa 0,1%) ist die Wahrscheinlichkeit schon etwa 50%, daß der Match nicht echt ist, erst mit einem Segment von etwa 20 cM Länge (also etwa 0,3%) kann man ziemlich sicher sein, daß der Match echt ist. Dies ist, weil der Gentest eigentlich nicht alle "base pairs" in dem Segment untersucht, sondern nur ausgewählte davon, und daher nicht-übereinstimmende base pairs verpaßt haben kann - erst mit einem Segment von ausreichender Länge wo alle getesteten base pairs übereinstimmen kann man sich ziemlich sicher sein, daß auch die nicht getesteten übereinstimmen. Auch ist bei kürzeren Segments die Wahrscheinlichkeit größer, daß base pairs nicht zueinander gehören - außer beim X-Chromosom hast Du ja zwei Kopien jedes Chromosoms, eins vom Vater und eins von der Mutter, und die Gentests wissen nicht, ob ein bestimmtes base pair vom Vater oder von der Mutter kommt. Ein kurzes Segment kann also ein "Pseudo-Segment" sein, zusammengestapelt aus base pairs vom Vater und von der Mutter, die nicht eigentlich zusammengehören, und erst mit einem langen Segment mit übereinstimmenden base pairs kann man sich ziemlich sicher sein, daß alle base pairs nur von einem Elternteil stammen.

      Ich habe meine DNA-Daten bei MyHeritage aus anderen Gründen gelöscht, und kann daher nicht sagen, ob daß noch heute zutrifft, aber laut meiner Erinnerung zählt MyHeritage auch kleine Segmente, um zu der "genetischen Uebereinstimmung" zu kommen - also selbst eine Uebereinstimmung von 0,5% (etwa 35 cM) kann aus einer Menge von kleinen Segmenten stammen, bei denen jedes womöglicherweise ein false positive ist. Natürlich können auch Segmente kleiner als 20 cM echte Matches sein - aber falls kein Segment größer als 20 cM vorhanden sind, gibt es zumindestens die Möglichkeit, daß der Match ein false positive ist.

      VG

      --Carl-Henry
      Wohnort USA - zur Zeit auf Archivreise in Deutschland

      Kommentar

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