Wie wohnte man im 18./19. Jhd.?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Leberecht
    Erfahrener Benutzer
    • 15.03.2009
    • 684

    Wie wohnte man im 18./19. Jhd.?

    Hallo liebe Forengemeinde,

    mit der Ahnenforschung ergeben sich ja zwangsläufig immer auch Fragen, wie die Leute damals wohl gelebt haben müssen. Tja.. wie und vor allem wo haben sie denn nun damals gelebt?

    Die reiche Oberschicht dürfte klar sein. Ebenso auch das Leben eines Bauern oder Häuslers in seinem Haus.
    Aber: wie ging es dann mit den Kindern weiter? Bei 10 oder mehr Kindern (und das in ziemlich vielen Familien) muss es doch nach und nach einen erheblichen Platzmangel an Häusern gegeben haben, oder? Und wenn man "von der Hand in den Mund" gelebt hat, war an Hausbau sicherlich nicht zu denken. Wer hat denn da neue Häuser gebaut? Und wie wurde man eigentlich Eigentümer? Wenn alle Vorfahren lediglich einfache Handwerker waren, konnte doch keiner irgendetwas sparen.

    Und was mit einfachen Arbeitern, die mit ihrer Familie umhergezogen sind? Wo kamen die dann unter? Die vorhandenen Häuser waren doch sicher schon "gerammelt voll"?

    Liebe Grüße
    Leberecht
  • lizzy

    #2
    Hallo Leberecht,

    ein Teil meiner Ahnen kommt aus der Landwirtschaft. Bis zum 18. Jahrhundert hatten die alle eigenen Landebesitz und lebten auf ihren Höfen. Danach kam es, zumTeil durch Erbstreitigkeiten, daß der Landbesitz geteilt, oder auch verloren ging. Ab 1803 habe ich den ersten der mit "Inste und Dienstknecht" genannt wird.

    Inste


    Im 17. und 18.Jahrhundert entstand eine Schicht von Menschen, die weder Land noch Wohnraum besaßen. Sie mußten Wohnraum mieten. Aus dem mittelniederdeutschen "Insate" (Einsasse), also jemanden, der ein Haus mitbewohnt, enstand der Begriff "Inste". Die Miete konnte durch Geld oder Arbeit erbracht werden. Auf der Geest und in der Marsch war es üblich, das Miete bezahlt wurde. In den ostholsteinischen Gutsbezirken ( Gut) kam es nach Beginn der Agrarrefrom Ende des 18. Jahrhunderts, zur Beschäftigung von reinen Deputatarbeitern, die statt Lohn Wohnung und Nahrungsmittel erhielten. Auch sie wurden Insten genannt. Die Insten stellten die untere Stufe der dörflichen Unterschicht dar. Unvollständige Familien, verwitwete Frauen von Kätnern mit ihren Kindern, invalide Landarbeiter oder Landhandwerker gehörten dazu.

    Hier ein LInk, wo eine Reihe erhaltener Instenhäuser zu sehen ist.



    In den Städten gab es damals sogenannte Armenviertel. Wo die Familien meist unter sehr armseligen Umständen zu einer geringeren Miete leben konnten/mussten. Es herrschten schlechte hygienische Bedingungen vor. Eine Brutstätte für Epedemien. In Hamburg ist mir aus der Zeit das Gängeviertel bekannt.


    Gruß
    Lizzy

    Kommentar

    • Hibol

      #3
      Hallo Leberecht,

      in meinem Forschungsgebiet nannte man solche Arbeiterhäuser Tropfhäuser. siehe auch hier:


      Die ersten entstanden bereits Anfang des 18 Jahrhunderts, der überwiegende Teil jedoch erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Ich kenne noch solche Häuser, bei denen die Schlafplätze unter den Dachnischen waren. Es war durchaus üblich, dass mehrere Kinder in einem Bett schliefen, zuweilen packte man noch den Großvater oder die Großmutter als "Wärmflasche" mit bei. Du darfst aber auch nicht vergessen, dass gerade bei ärmeren Leuten die Kinder bereits mit 9 oder 10 Jahren in Dienst geschickt wurden, sodass selten alle Kinder zu Hause waren.
      Eigentümer konnte man auch damals nur durch Kauf oder Erbschaft werden.

      Du könntest dir mal Häuser in einem Bauernhofmuseum ansehen, meist gibt es dort nicht nur Bauernhäuser, sondern eben auch solche Tagelöhnerwohnungen oder Weberstübchen. Das verschafft einen guten Überblick. Ich kann z.B das in Bad Windsheim empfehlen.
      Aber wenn du in einer andern Gegend forscht, empfiehlt sich sicher ein regionales.

      Gruß
      Hibol

      Kommentar

      • Silke Schieske
        Erfahrener Benutzer
        • 02.11.2009
        • 4487

        #4
        Hallo Leberecht,

        In Elbing hat man die Pangritzkolonie gegründet. Der Besitzer des Landes konnte darauf nichts anbauen und verkaufte dieses Land für wenig Geld an ärmere, die sich dort ein Haus bauen sollten/konnten.
        So hatte ich das zum Anfang meiner Familienforschung unter "Pangritzkolonie" gelesen.

        Ansonsten hatte von meinen Vorfahren die ersten erst um 1900 ein eigenes Haus. Und selbst dort war es wegen der hohen Kinderzahl immer noch zu eng. Meistens zogen dann die Älteren Kinder schon aus, da waren dann die jüng´sten erst geboren.

        Meine Omi selbst hatte mir damals erzählt, dass sie 9 Kinder waren. Da hatten die 3 großen Mädchen ein Zimmer, die Jungen ein Zimmer und die jüngsten schliefen bei den Eltern.
        Obwohl aus Platzmangel mussten die Kinder auch noch 1970 bei ihren Eltern schlafen.

        Gruß Silke
        Wir haben alle was gemeinsam.
        Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

        Kommentar

        • anika
          Erfahrener Benutzer
          • 08.09.2008
          • 2612

          #5
          Wie wohnte man im 18/19 Jhd

          Hallo
          In Bocholt hat man im Industriemuseum einen Straßenzug nachgebaut,
          dort kann man Einblick in die Wohnungen der Arbeiter nehmen.
          www.Textilmuseum-Bocholt.de
          anikas
          Ahnenforschung bildet

          Kommentar

          • Leberecht
            Erfahrener Benutzer
            • 15.03.2009
            • 684

            #6
            Wow, danke für die Antworten.

            Ist ja wirklich sehr interessant, auch mal so etwas zu lesen.

            Kommentar

            • gudrun
              Erfahrener Benutzer
              • 30.01.2006
              • 3266

              #7
              Hallo,

              das ist wirklich interessant.
              Eine Nachbarin hat mal aus ihrem Leben erzählt. Die Kinder wurden unter dem Dach untergebracht. Nur mit Pferdedecken zum Zudecken.
              Sie hat sich immer gewundert, daß bei den Umständen doch jedes Jahr ein Kind zur Welt kam.
              Meine Großmutter, Jahrgang 1886 war die älteste Tochter von insgesamt 13 Kindern. Sie mußte auf die jüngeren Geschwister aufpassen. Der Vater (Viehhändler) war unterwegs und die Mutter machte den Haushalt und die Arbeit auf dem Feld.
              Ich habe einen Zeitungsausschnitt von einer der jüngeren Schwester (Jahrgang 1899) meiner Großmutter. Mit 11 Jahren kam sie zu einem Bauern als Magd.
              Normalerweise blieb das älteste Mädchen zur Unterstützung der Mutter zu Hause. Die anderen Kinder kamen zu Verwandten oder Bekannten auf die Höfe, um dort zu arbeiten.

              Viele Grüße
              Gudrun

              Kommentar

              • Hibol

                #8
                Hallo Gudrun,

                ich kann nur bestätigen was du geschrieben hast. Die Dachschlafplätze waren sehr zugig (Isolation kannte man damals ja noch nicht), kein Wunder also, wenn die Kinder sich Lungenentzüpndungen holten. Ältere Leute, die noch vor 1900 geboren waren, erzählten oft, dass im Winter die dünne Decke stocksteif gefroren war. Die Schlafplätze waren vom Flur oder Futterboden nur durch eine dünne Bretterwand getrennt und in dem Raum stand selten mehr als ein Bett, Schlafkoben nannte man diese Verschläge im Gegensatz zu denen die in der Wohnung abgetrennt waren, die Kabinette hießen.

                Übrigens es mußte nicht die älteste Tochter sein, die zur Unterstützung bie der Mutter blieb. Meist gab es bei sovielen Kindern auch ein Behindertes oder Invalides, das blieb dann daheim und machte den Haushalt. Obwohl die Behinderten (Mongoloiden) auch ganz gern als sogenannte Haustöchter und - söhne bei den Bauern aufgenommen wurden, wenn diese keine eigenen hatten. Denn diese Menschen waren meist sehr gutmütig und konnten aufs Haus aufpassen (Feuersgefahr!) wenn die restlichen Mitglieder auf dem Feld waren, außerdem konnten sie sich ums Wasserholen und ähnliche Dinge kümmern. Meine Großeltern erzählten noch, dass vor dem 1 Weltkrieg fast jedes Haus so einen "Hausdeppen" im Sommer vor dem Haus auf der Bank sitzen hatte. Bitte jetzt das nicht diskriminierend verstehen, es war die damls übliche Bezeichnung und es waren andere Verhältnisse. Bitte nicht aus heutiger Sicht, die Zeit von damals beurteilen!!

                Gruß
                Hibol

                Kommentar

                • gudrun
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.01.2006
                  • 3266

                  #9
                  Hallo Hibol,

                  ja das war auch möglich. Nur bei meiner Familie gab es keine behinderten Kinder, die zu Hause geblieben sind. Aber meine Mutter erzählte, daß fast in jeder Klasse ein behindertes Kind war. Heute erlebt man das ja nicht mehr, da die Kinder sofort ausgesondert werden und in Sonderschulen kommen.
                  Sogar noch um 1954 kam es zu so ungesunde Schlafstätten. Mein Mann ist Bäcker und wurde in seiner Lehrstelle in einem Gemach untergebracht, wo ihm die Schuhe über Nacht an den Boden angefroren waren.

                  Vielleicht fällt ja einem Liestie auch noch was ein, was die Eltern, Großeltern oder sogar die Urgroßeltern erzählt haben?

                  Viele Grüße
                  Gudrun

                  Kommentar

                  • Ahrweiler
                    Erfahrener Benutzer
                    • 12.12.2009
                    • 1062

                    #10
                    Hallo Leberecht
                    Die bauern in Kärnten waren früher Leibeigene des Grundherrn(Adelige).Als die Leibeigenschaft aufgehoben wurde,waren sie auf einmal Besitzer.Das wort Besitzer bitte nicht so nehmen wie man es versteht.Sie waren nur Besitzer einer Truhe in der sie Leinen ,Geschirr und pers.Hab und Gut aufbewahrten.Der Grund und Boden den sie bearbeiteten war nach wie vor das Eigentum des adeligen Grundherrn.Ebenso das Haus in dem sie wohnten und die Einrichtung war dem Grundherrn zu eigen.Was sie von dem Land erwirtschafteten mußte mit dem Grundherrn geteilt werden(Zehent).Die Kinder wuchsen so nebenher auf.Wenn sie glück hatten und der Bauer(meißt der Vater oder die Mutter)noch als Einlieger(Einwohner)mit auf dem Hof lebte paßten diese auf die Kinder auf.Mit der Schule war damals nicht viel los obwohl allgemeine Schulpflicht war.Die Schule lief so nebenher wenn die Kinder grad nicht zur Arbeit auf dem Hof gebraucht wurden.Starb der Bauer der den Hof führte,kam die Grundherrschaft und inspizierte vor allem die Truhe die dem Bauern sein Eigentum beherbergte.Auf das Geschirr,Leinen und ev.vorhandenes Geld wurden Steuern für die Herrschaft eingehoben.Einer meiner entfernten Verwandten war Schuster .Wie der es geschaft hat seine Kinder durchzubringen ist mir schleierhaft.Er war 3 mal verheiratet und hatte 16 Kinder mit den 3 Frauen.Mein Urgroßvater war Bergmann und lebte als einfacher Bergmann auf engsten verhältnissen in einer dem Bergwerk gehörigen Holzbaracke mit Küche und Schlafzimmer.Alles zusammen ca.30 qm groß.Die Einrichtung und das Geschirr mußte er natürlich alles selber kaufen.Er fing an als Pferdejunge mit den Pferden ins Bergwerk einzufahren,wurde dann Hauer(Bergmann) und später wurde er Steiger(Steiger waren damals Beamte).Als er Steiger wurde wurde er aus der Baracke ausgesiedelt und zwar in einen Fachwerkbau der ca.5 km vom Bergwerk weg war.Dort hatte er dann eine "große Wohnung" mit rund 25 qm Küche und 25 qm Schlafzimmer.Ich kann mich noch gut erinnern wie es da drin aussah.Ein großer Tisch(mein Uropa hatte 5 Kinder),ein Herd,ein Schrank mit dem Geschirr,eine Wasserbank und einen Stuhl der damals sehr modern war .Wenn man den Sitz hochklappte wurde eine Wasserschüssel sichtbar.Alle Kinder hatten einen beruf und mein Urgroßvater mußte für alle Lehrgeld zahlen(damit sie den Beruf erlernen durften mußte man damals dem Lehrherrn geld zahlen)
                    LG
                    Franz Josef

                    Kommentar

                    • Silke Schieske
                      Erfahrener Benutzer
                      • 02.11.2009
                      • 4487

                      #11
                      Hallo Gudrun,

                      Meine Omi erzählte, ihre Eltern haben immer über Mittag Mittagsschlaf gemacht. Sie haben sich nie gestritten, Unstimmigkeiten wurden über Mittag im Schlafzimmer ausdiskutiert. Wenn ihr Vater in Kinderwagen schaute, war das ein Zeichen, dass die Mutter schwanger war.

                      Also, kein Wunder wenn es soviele Kinder gab.

                      Gruß Silke
                      Wir haben alle was gemeinsam.
                      Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

                      Kommentar

                      • anika
                        Erfahrener Benutzer
                        • 08.09.2008
                        • 2612

                        #12
                        Wie wohnte man im 18/19 Jahrhundert

                        Hallo
                        Mein Opa 1905 geboren erzählte mir das es bei ihm zu Hause
                        ein Mädchen und ein Jungenzimmer gab. Nicht jedes Kind hatte ein eigenes Bett, auch wurden die Schuhe Sonntags für den Kirchgang vergeben.
                        Wenn die ersten aus der Kirche kamen warteten die nächsten schon und gingen dann mit den Schuhen zur Kirche.
                        Da sie 15 Kinder waren gab es sicher ein großes Gedränge, außerdem lebten noch zei Kinder ihrer verstorbenen Schwester in der Familie.
                        anika
                        Ahnenforschung bildet

                        Kommentar

                        • Forscherin
                          Erfahrener Benutzer
                          • 16.10.2009
                          • 690

                          #13
                          Wohnverhältnisse in der Stadt

                          Hallo,

                          unter welchen Umständen arme Leute in einer Stadt wie Hamburg lebten, könnt ihr in der Familiengeschichte Hassenklöver lesen. Man kann sich diese Verhältnisse heute kaum vorstellen.
                          tschüsss
                          Sabine

                          immer auf der Suche nach den Familiennamen Paap und Hassenklöver

                          Kommentar

                          Lädt...
                          X